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Shelter From The Storm

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteDrama, Freundschaft / P16 / MaleSlash
Death Dream
14.10.2022
28.12.2022
5
7.382
11
Alle Kapitel
9 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
03.12.2022 991
 
Kommentar
Als dritter Beitrag in meinem persönlichen Fanfiction-Adventskalender ist dieses Kapitel entstanden. Ich werde den Status der Geschichte jetzt auch erst mal offen lassen, eventuell wird es bis zum 24. noch weitere Kapitel geben. :)

Hob traut sich endlich, etwas deutlicher zu werden, aber Dream kann wie immer nicht gut mit Gefühlen umgehen.

Warnung: (Fast-)Tod, Ertrinken




Falling

"They tried to drown me as a witch..."
(Hob Gadling, 1689)


Hob träumte, dass er fiel.
Es war natürlich nicht das erste Mal, dass er einen solchen Traum hatte. Er war in seinem langen Leben schon oft gefallen, metaphorisch und wortwörtlich, und es hatte ihn jedes Mal bis in den Schlaf verfolgt.
Doch dieses Mal endete sein Fall damit, dass er die Wasseroberfläche eines reißenden Flusses durchschlug und in seinen trüben Tiefen versank. Und Hob wusste sofort, welche Erinnerung sein Unterbewusstsein ihn in dieser Nacht durchleben ließ.
Seine Hand- und Fußgelenke waren zusammengebunden so wie damals und sein Mund war geknebelt. Wasser drang durch seine Nase und brannte in seinen Augen, und der instinktive Drang zu atmen füllte seine Lungen zunehmend mit Flüssigkeit.
Ah, die gute, alte Inquisition und ihre Jahrhunderte der Hexenverfolgungen. Das waren noch Zeiten...
Hob wurde bewusstlos, bevor er erstickte, nur um wenige Sekunden später wieder panikerfüllt zu erwachen, da sein Körper ihn nicht sterben ließ, wie er sich auch schon die letzten 600 Jahren geweigert hatte, ihn sterben zu lassen.
Damals war er ein gutes Dutzend Mal ertrunken, bevor ihn die Strömung endlich wieder losgelassen und in seichteren Gewässern ausgespuckt hatte.
Doch sein jetziger Traum war nicht so gnädig. Wieder und wieder wurde ihm schwarz vor Augen, als er im reißenden Strom ertrank, und bald hörte Hob auf, seine Beinahe-Tode zu zählen, sondern versuchte nur noch, sich mental auf den nächsten Atemstillstand vorzubereiten.
Bis ihn mit einem Mal eine kräftige Hand am Oberarme packte und aus dem Wasser zog.
Hob krümmte sich im weichen Ufersand zusammen und hustete und erbrach mehrfach schlammiges Wasser, während kühle Finger ihm die nassen, verfilzten Haare aus dem Gesicht strichen.
Atme, Hob Gadling“, hörte er eine vertraute Stimme, die aus allen Richtungen zugleich zu kommen schien. „Es ist nicht real. Ich bin hier. Du bist in Sicherheit.
Und Hob atmete und atmete und atmete. Zwischendurch spuckte er immer wieder Wasser aus, bis es schließlich nichts mehr gab, was er hervorwürgen konnte, und langsam beruhigte sich sein rasender Puls wieder.
Erschöpft und durchgefroren presste er die Wange gegen die Hand des anderen Mannes und holte zitternd Luft.
„Es fühlte sich ziemlich real an“, erwiderte er schwach.
Du hast genug gelitten in jenem Jahrhundert“, sagte Dream entschieden. „Dieser Alptraum soll dich nicht länger quälen.
Er hob seine Hand in die Höhe und ballte die spindeldürren Finger zur Faust.
Im nächsten Moment breitete sich um sie herum eine blühenden Wiese aus, die von einem dichten Laubwald gesäumt war. Unter den Bäumen schlängelte sich munter plätschernd ein Bach entlang und in der Ferne waren fröhliche Geigenmusik und gedämpfter Gesang zu hören.
Die friedliche Atmosphäre war Balsam für Hobs Seele und etwas sagte ihm, dass Dream diesen Ort nicht jedem zeigte.
Hob sah an sich herab und stellte fest, dass er nicht länger in nasse Lumpen gekleidet war, sondern die gleiche Kleidung trug, wie an dem Tag, an dem er vergeblich auf seinen unsterblichen Freund gewartet hatte.
Ihr Anblick machte ihn nostalgisch. Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie er sich vor dem Besuch des Pubs herausgeputzt hatte, wie er sorgfältig sein Outfit für den Tag ausgewählt, sich geduscht, rasiert und mit seinem besten Aftershave eingerieben hatte.
Gott, es war kein Wunder, dass er sich damals gefühlt hatte, als hätte er einen Korb bekommen, nachdem Dream nicht aufgetaucht war.
„Ich habe die Sachen immer noch“, erzählte er. „Ich habe es irgendwie nie übers Herz gebracht, sie wegzuwerfen.“
Es tut mir leid, dass ich sie nicht würdigen konnte“, sprach Dream. „Die Mühe, die du dir meinetwegen gemacht hast.“
Hob lachte auf, er konnte schlichtweg nicht anders.
„Ich hatte damals einen Plan, weißt du“, erwiderte er. „Ich wollte dir eine Frage stellen, die mir schon lange auf der Seele gebrannt hat.“
Dream sah aus tief in den Höhlen liegenden, nachtschwarzen Augen zu ihm herab und es erfüllte Hob mit einer seltsamen Wärme, dass der andere Mann nicht länger versuchte, in seiner Gegenwart an einer menschlichen Fassade festzuhalten. Dass er darauf vertraute, dass Hob den Anblick seines wahren Gesichtes nicht fürchtete.
Eine Frage“, wiederholte er.
„Ja“, sagte Hob leise und hob eine Hand, um mit dem Zeigefinger den sanften Bogen von Dreams Augenbraue nachzufahren. Vielleicht lag es an dem Fakt, dass dies ein Traum war, der ihn seine übliche Zurückhaltung aufgeben ließ. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur lange genug auf eine solche Gelegenheit gewartet. „Eine Frage, die mich bereits seit Jahrhunderten beschäftigt hat...“
Hob.“ Dreams kühle Finger schlossen sich um seine Hand und hielten sie fest. „Dein... Interesse ehrt mich. Aber das wäre unklug.
„Und wenn schon.“ Hob lächelte. „Ich habe in meinem Leben schon weitaus weniger kluge Entscheidungen getroffen als dich.“
Hob...
Dream schloss für einen Moment die Augen und Hobs Blick blieb an seinen langen, dunklen Wimpern hängen, die sich wie mit Kohle gezeichnet von seinen blassen Wangen abhoben.
Als er sie schließlich wieder öffnete, lag ein gramerfüllter Ausdruck in ihnen.
Es tut mir leid, aber dieser Traum ist vorbei.
Und im nächsten Moment erwachte Hob allein in seinem Bett.
Frustriert und gedemütigt starrte er an die Decke seines Schlafzimmers.
„Du gottverdammter Feigling!“, rief er in die Dunkelheit hinein. „Wenn du wenigstens den Mut hättest, mir zu sagen, dass du meine Gefühle nicht erwiderst!“
Doch es kam keine Antwort. Natürlich nicht. Was hatte er auch erwartet?
Hob rieb sich müde das Gesicht.
„Wie kann ich jemals die Hoffnung aufgeben, wenn du es nicht über dich bringst, sie mir zu nehmen...?“, fragte er leise.

Es sollte fast eine halbe Stunde dauern, bis Hob erneut Schlaf fand.
Doch er sollte kein weiteres Mal träumen.

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