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2022 10 14: 14. Oktober 2021 – 20:20 [by Iralenya]

Kurzbeschreibung
OneshotFamilie, Schmerz/Trost / P12 / Gen
14.10.2022
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Tag der Veröffentlichung: 14.10.2022
Titel der Geschichte: 14. Oktober 2021 – 20:20
Song:Nakamavon Michael William Rivera
Autor: Iralenya
Kommentar des Autors: Hierzu möchte ich nicht allzu viele Worte verlieren … Nur so viel: Es wird persönlich … sehr sogar … Viel Spaß …

14. Oktober 2021 – 20:20.

Es gibt Tage und Zeiten, die vergisst man einfach nicht. Tage und Zeiten, die dein Leben einfach so auf den Kopf stellen und in ein Davor und Danach teilen. Tage und Zeiten, an die zu denken schwer ist, obgleich man weiß, dass es so besser ist wie es ist.

Der heutige Tag war ein solcher Tag. Heute vor einem Jahr änderte sich alles. Ein Mensch, der eine Konstante in meinem Leben war, schloss für immer seine Augen.

Die letzten vier Jahre waren nicht einfach. Der letzte Schlaganfall hatte alles verändert und wo anfangs noch der Funke eines Willens gewesen war, sich wieder raus- und auf die Beine zu kämpfen, war schon lange erloschen.

Manche Erinnerungen an diesen Abend sind verschwommen. Ich habe ab einen gewissen Punkt nur noch existiert und habe nur noch gemacht. Keine bewussten Entscheidungen. Ich sehe noch immer diese Stunden vor mir. Mama und Oma an deinem Bett, wie sie dich wachzubekommen versuchten, wie wir dich anschrien, weil ein Teil in uns dachte, du scherzt. Ich sehe mich selbst, wie ich die 112 wähle, wie ich mit Hilfe des Disponenten und im Wechsel mit meiner Tante die Reanimation beginne. Ich habe nicht alles richtig gemacht, aber irgendwie … ich weiß es nicht, dieser Punkt ist verschwommen. Ich weiß, dass ich irgendwann raus bin, als die Rettungskräfte eintrafen, wie ich ins Wohnzimmer gewandelt bin, wie …

»Sie müssen entscheiden … Es gibt genau zwei Möglichkeiten, wir versuchen ihn zurückzuholen, doch er wird kein wirkliches Leben mehr haben, eins-zwei Wochen im Krankenhaus, nicht mehr … Oder …«

Es wurden andere Worte benutzt, ich kann sie nur nicht mehr fassen, aber die Aussage war die Gleiche.

Krankenhaus. Ich weiß, du hast sie gehasst, du wolltest nie dahin. Ich kann dich verstehen. Wer will das schon? Und besonders in Zeiten wie diesen. Die Krankenhäuser sind am Limit, Corona tobte noch immer.

Es wurde das Oder.

Ich bat die Notfallsanitäter und den Notarzt die Reanimation abzubrechen, einzustellen. Du solltest zuhause gehen, mit deiner Frau, deinen Kindern und Enkelkindern an deiner Seite. Mit Menschen, die dich lieben und die du geliebt hast.

Seitdem ist ein Jahr vergangen. Monate voller Schmerz und Erleichterung. Schmerz, dich verloren zu haben, Erleichterung, weil wir wissen, dass du endlich frei von Schmerzen und dieser alles vernichtenden Hilflosigkeit bist, dass du nicht mehr von anderen abhängig bist. Die letzten vier Jahre haben uns alle an das Limit gebracht, dich ebenso wie deine Familie. Wie oft ich gehört habe von Bekannten: Gibt ihn endlich in ein Pflegeheim, vermag ich nicht zu zählen. Diese Forderung hat mich jedes Mal aufgeregt. Pflegeheime waren genauso überlastet und du konntest kaum Deutsch, konntest kaum noch auf deiner Muttersprache kommunizieren. Und Oma konnte dich nicht weggeben, keiner konnte das und keiner wollte das.

Jetzt sind nur noch Erinnerungen und ein Grab da. Aber manchmal, da habe ich das Gefühl, dass du noch da bist, mich begleitest. Vielleicht bist du nicht mehr physisch hier, doch vergessen wirst du niemals.

Ruhe in Frieden, Opa. Ich liebe dich. Für immer!

Ich habe lange überlegt, ob und wie ich den heutigen Tag schreiben soll. Es ist der erste Todestag meines Großvaters und das Lied an sich passt nicht wirklich und doch gibt es Schlagwörter, die die Monate von 14. Oktober 2021 bis heute perfekt beschreiben, die Panik, den Terror, der Wille zu kämpfen, der Wille nicht zu vergessen, die Erleichterung, der Zusammenhalt und dazu noch die Melodie, die mir unter die Haut ging, das alles führte zu diesem sehr persönlichen Beitrag ... Er hat eine ähnlichen Stellenwert wie der vom 20. Juli 2020 und doch ist er noch ein Stück persönlicher, weil ich dieses Mal eine Person verloren habe, die ich kannte, die mich so oft gerettet hatte und die ich noch immer so unendlich liebe.
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