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Gefangen

Kurzbeschreibung
GeschichteSchmerz/Trost, Liebesgeschichte / P16 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt Klaas Heufer-Umlauf
17.09.2022
18.03.2023
28
211.077
71
Alle Kapitel
213 Reviews
Dieses Kapitel
4 Reviews
 
 
18.03.2023 10.949
 
Hi :3

hier gehts weiter mit dem 27. Kapitel, ich hoffe ihr habt ein bisschen Freude daran <3
Ganz vielen Dank für eure Reviews, eure Herzen und Sternchen :3

Alles Liebe und ein schönes Wochenende :)


Kapitel 27

„Worüber denkst du nach?“ Fragte Joko am Sonntagabend, als sie beide auf dem Sofa lagen. Es war inzwischen Ende Juni, und Joko hatte ihn schmunzelnd angesehen, als er trotzdem nach der Fleecedecke gegriffen hatte, obwohl sie beide ihren Tag in kurzen Hosen und T-Shirts verbracht hatten. Ob für wirkliche Wärme, oder ob er sich inzwischen einfach daran gewöhnt hatte, den emotionalen Komfort von etwas kuscheligem auf seinem Körper zu spüren, hätte er nicht beantworten können.

Klaas sah ihn nachdenklich an. „Über Stefans Vorschlag. Mit der Kanzlei, die sich für die Betroffenen von häuslicher Gewalt einsetzt. Wärst du… enttäuscht, wenn ich das nicht mache?“ Fragte Klaas leise.

Er hatte die Idee vor sich hergeschoben, und doch nicht ganz aus seinem Kopf verdrängen können. Mittlerweile hatte er mehrere Vorstellungsgespräche hinter sich gebracht, und doch ließ ihn die Kanzlei nicht los, die Stefan angesprochen hatte. Er hatte recherchiert, und hätte so gerne einen Haken dabei gefunden, aber die Mitarbeitenden schienen sich tatsächlich einfach nur sehr engagiert dafür einzusetzen, dass diese sonst oft hoffnungslosen Gerichtsverfahren fair verhandelt wurden.

„Klausi ich will nur, dass du irgendwo unterkommst wo du dich wohl fühlst. Es macht für mich überhaupt keinen Unterschied, ob das in der Kanzlei ist, oder bei deinem alten Chef, oder worauf auch immer du Lust hast. Ich wäre nie enttäuscht von dir.“ Erwiderte Joko sanft und rutschte ein wenig näher zu ihm.

„Ich fühl mich als würd ich mich vor der Verantwortung drücken, aber ich… will nicht mehr jeden Tag damit zu tun haben. Auch nicht von der anderen Seite. Ich will keinen Beruf mehr, der mich so… emotional kaputt macht.“

Joko nickte.

„Aber die Betroffenen haben oft keine gute Vertretung, und vielleicht sollte ich das doch einfach machen, damit sie es nicht so schwer haben.“

„Klausi das bringt aber nichts, wenn du es dann jeden Tag schwer hast.“

„Aber ist das nicht zu einfach?“ Murmelte er.

„Du bist nicht dafür da, jeder und jedem ihr Leid zu nehmen, nur damit das am Ende dann auf nem großen Haufen in dir drin liegt.
Ich weiß, dass du das gut kannst. Vielleicht bin ich nur noch hier, weil du das unglaublich gut kannst. Aber… Hase, du musst langsam auch auf dich aufpassen, hm?“

Klaas schloss die Augen.

„Ich glaub ich kann das nicht.“ gab er dann zu.

„Dann haben wir eine Möglichkeit weniger, und das Aussuchen wird ein bisschen leichter.“ entgegnete Joko weich.

Er lachte schniefend, als Joko daraufhin an seiner Schulter anklopfte, als wäre es eine Tür. „Was?“

„Magst du in den Arm genommen werden?“ fragte der Blonde sanft.

Klaas nickte nur, und atmete zum ersten Mal wieder tief ein, als er Jokos Arme um sich spürte. „Einen Tag nach dem anderen.“ flüsterte Joko in sein Ohr.  

„Ich muss Herrn Köhler morgen Bescheid sagen, ob ich zu ihnen komme.“ Murmelte Klaas. Sein ehemaliger Chef aus dem Referendariat hatte ihn unglaublich nett zum Vorstellungsgespräch empfangen und hatte sich nach nur wenigen generellen Fragen nach Klaas Gehaltsvorstellungen erkundigt und gefragt, wann er denn anfangen könnte.

„Hast du dich schon entschieden?“ erkundigte sich Joko behutsam, während Klaas sich wieder ein wenig aufrichtete.

Der Kleinere schüttelte den Kopf.

„Okay.“ Nickte Joko. Ein wenig verwundert sah Klaas ihm dabei zu, wie er aufstand und dann in Richtung seines Schlafzimmers verschwand, bevor er mit seinem Laptop zurückkehrte.

„Was machst du?“

„Ich dachte wir machen ne Pro Contra-Liste, vielleicht hilft das ja.“ Kündigte Joko an und ließ sich wieder neben ihn sinken.

„Wenn du magst.“ Fügte der Blonde dann ein wenig vorsichtiger hinzu, und lächelte doch gleich wieder, als Klaas nickte.

Er liebte es so sehr, wie wohl sich Joko inzwischen mit ihm zu fühlen schien und wie selbstbewusst er war, wenn sie nur unter sich waren.

„Okay. Du hast bisher Zusagen von Herrn Köhler, von diesem internationalen Ding und vom Umweltbundesamt, oder?“ Fragte Joko und legte eine Tabelle an.

Klaas nickte und legte seinen Kopf auf Jokos Schulter. Wie schaffte es der Mann neben ihm, seinen eigentlich so verzweifelten Kopf zur Ruhe zu bringen und dass Klaas sich so aufgefangen fühlte?

„Okay. Vorteil von Herrn Köhler ist Herr Köhler.“ Entschied Joko und schrieb „Wir mögen Herrn Köhler“ als Pro-Argument in das Kästchen der Baufirma. Klaas schmunzelte und blickte auf den Laptop.

„Vorteil von den Umwelt-Dudes ist, dass du deine Tiefseefische beschützen kannst.“ Überlegte Joko.

„Ich will dich jetzt nicht enttäuschen, aber die Tiefseevorkommen in Deutschland halten sich in Grenzen. Ich würd wenn dann eher so nen Kabeljau in der Wupper retten oder so, oder Kröten im Saarland.“

„Die freuen sich bestimmt auch.“ gab Joko zurück.

Kopfschüttelnd grinste Klaas ihn an, während Joko „Gut für die Frösche.“ eintrug.

„Ich weiß halt nicht, ob die n Strafverteidiger wollen. Ich kann das doch eigentlich alles gar nicht.“ murmelte Klaas und fuhr sich mit den Fingern durch seine Haare.

„Aber die haben dich doch in dem Vorstellungsgespräch gesehen und sich gedacht, ja den wollen wir. Die glauben also, dass du das kannst.“

„Und wenn nicht?“

„Dann lernst du es. Vor 10 Jahren warst du ja auch noch kein Top Straf-Anwalt. Du bist halt einer geworden.“

Er fiel ihm schwer es auszusprechen, aber es tat unglaublich gut, wie sehr Joko an ihn glaubte.

„Ich glaub ich mag an der Baufirma, dass ich das halt kenn und nicht so viel Angst hab, dass ich da komplett überfordert bin. Aber… so auf Dauer… würd ich irgendwie gern mehr bewirken, als denen nur die Klagen vom Hals zu halten.“

„Ich glaub du würdest beides sehr gut machen und nicht überfordert sein.“ Gab Joko sanft zurück.

„Ich… hab Angst, dass die Panik wiederkommt. Wenn ich da stehe und gar keine Ahnung hab. Bisher wusste ich jedenfalls, wie mein Job ging. Aber so…“ Er spürte Jokos Nicken. „Versteh ich.“ Sagte Joko leise.

„Isabel hat am Mittwoch gesagt, dass es nicht gut ist, Situationen einfach zu umgehen, weil man Angst vor der Panik hat. Weil es dann irgendwann immer mehr Angst vor diesen Situationen wird.“ Murmelte Klaas. Er hatte tatsächlich seine zweite Therapiestunde wahrgenommen.

„Das klingt auch leichter, wenn sie das aus ihrem plüschigen, gelben Sonnensessel da sagt, als wenn du dann da hinmusst.“ murmelte Joko und brachte Klaas damit zum Lachen.

„Der Sessel sieht wirklich so aus, als würde sie in ner Sonnenblume sitzen.“ Gab der Kleinere zurück.

„Wenn ich Therapeut werde, will ich n Sessel der so aussieht wie n fliegender Teppich. So Aladin-mäßig. Wie so n Guru.“ Überlegte Joko. Wieder grinste Klaas. „Wir würden halt zu nichts kommen, weil die optische Täuschung so gut wäre, das alle Patienten nur da sitzen würden und sich denken Fliegt der? Der fliegt doch. Wieso fliegt der?“ Klaas schüttelte lachend den Kopf und sah zu dem Blonden, der sichtlich von seiner Idee begeistert zurück grinste.

Inzwischen ließ Joko ihn immer mehr an dem absurden Humor teilhaben, der Klaas schon immer im Radio zum Lachen gebracht hatte.

„Was denkst du über Heuking?“ Fragte Joko dann. Die Großkanzlei Heuking war eigentlich etwas, bei der Klaas sich absolut 0 Chancen ausgerechnet hatte. Er hatte sich auf einigermaßen alles beworben, was im Moment an juristischen Stellen außerhalb des Strafrechts verfügbar war, und hatte dann ohne jede Hoffnung auch eine Bewerbung dorthin geschickt. Die international renommierte Kanzlei hatte ihn dennoch zum Vorstellungsgespräch eingeladen und ihm dann - entgegen seiner Erwartung - auch einen Job angeboten.

„Das wär… halt schon ne andere Hausnummer.“ Murmelte Klaas. Er erinnerte sich an den perfekten Maßanzug der vier Geschäftsführer, die ihm bei dem Gespräch gegenübergesessen hatten.

„Wie meinst du das?“

„Naja, man verdient gut. Aber hat halt auch lange Arbeitszeiten und so.“ murmelte Klaas. „Viele Wochenenden mit Arbeit, viele Geschäftsreisen. Da wollen aber ganz viele hin, nach dem Studium. Wär schon ne große Chance, so karrieremäßig.“

„Möchtest du das?“ Fragte Joko leise. Er klang vorsichtiger als noch gerade eben, stellte Klaas fest.

„Ich…“ Nein, war die Wahrheit. Auch wenn es ihm noch schwer fiel, das vor sich selbst zuzugeben, dass aus dem karrierefokussierten, ehrgeizigen Klaas gerade ein völlig anderer Mensch wurde. Auch wenn die Fälle keine Gewaltfälle mehr wären, wollte er eigentlich auch nicht länger, dass sein ganzes Leben von Arbeit bestimmt wurde. Egal, von welcher.

Er schüttelte nur vorsichtig den Kopf und sah überrascht auf, als Joko daraufhin kaum hörbar erleichtert ausatmete.

„Alles okay?“ fragte er vorsichtig.

Joko sah ihn an, bevor er nickte und den Blick senkte.

„Joki?“

„Tut mir Leid, es ist… nur n blöder Gedanke gewesen.“

„Ist nicht blöd“, erwiderte Klaas sanft.

„Ich…“ Der Blonde schüttelte den Kopf.

„Es ist alles okay zwischen uns. Egal, was es ist.“ Versicherte Klaas leise.

„Ich hab…“ Er fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß, dass das nicht stimmt, und ich keine… Angst haben muss, aber manchmal hab ich kurz Angst, dass es wird wie… mit ihm. Also nicht, dass du mir weh tust, das weiß ich, Klausi. Aber, dass du… und das wär völlig okay… lieber andere Sachen machst, als hier zu sein. Bei mir. Und das ist nicht fair, und es ist gut, wenn dir deine Karriere wichtig ist, und es ist auch völlig okay, wenn die deine erste Priorität ist. Ich weiß, dass es nicht um mich geht. Tut mir Leid.“

„Du hattest Angst, dass wir uns immer mehr verlieren, wenn ich ganz viel arbeite und mir das dann wichtiger ist als du es bist?“ Er nahm an, das kam zum Teil von Christian und seinem perfekten Auftreten, aber wahrscheinlich auch ein bisschen von Jokos Vater, der sich lieber auf seinen Job konzentriert hatte als darauf, Joko großzuziehen. Und für beide war er nie die erste Priorität gewesen, dachte Klaas.

„Tut mir Leid.“ Entschuldigte sich Joko erneut.

„Mein Job ist mir nicht wichtiger als du.“ Stellte Klaas dann behutsam fest.

„Es wär… völlig okay, wenn das so ist. Ich bin nicht so wichtig.“

„Du bist mir wichtig. Sehr, Joko. Auch wenn ich das angenommen hätte, wärst du mir immer noch wichtiger gewesen als das alles. Egal, welchen Job ich von den drei annehme.

Es ist okay, wenn du dir das wünscht. Wenn du anderen Menschen wichtig sein möchtest, hm?“ sagte Klaas leise, als der Blonde ihn immer noch mit Schuldgefühlen in seinen Augen ansah.

„Fühlt sich egoistisch an.“ Murmelte Joko.

„Manchmal ist egoistisch sein okay. Hunger ist auch n egoistisches Gefühl. Genauso wie nicht allein sein wollen. Trotzdem haben wir das alle. Und es ist auch okay, wenn wir wollen, dass unsere egoistischen Wünsche erfüllt werden, solang dabei niemand anders verletzt wird, hm? Du bist nicht nur auf dieser Welt, um es allen anderen recht zu machen.“

Joko zog seine Beine an und lehnte sich vorsichtig an Klaas. Behutsam legte Klaas seinen Arm um seinen Rücken. Er sah Joko Schlucken, bevor eine einzelne Träne über seine Wange lief und er die Augen schloss. Klaas wusste, dass diese Momente wichtig für Joko waren, und doch musste er selbst schlucken, während er ihm dabei zusah, wie nah ihm das ging. Sanft hob er seine Hand und wischte die Träne von Jokos Wange. Der Blonde schmiegte seinen Kopf noch mehr an Ihn.

Vorsichtig hob Klaas den Laptop von Jokos Schoß und tippte dann „lange Arbeitszeiten“ und „macht Joko traurig“ als Contra-Argumente ein.

Joko holte schon Luft, um zu protestieren, als Klaas „Klaas möchte lieber freie Wochenenden mit Joko und Leia“ aufschrieb.

Er wusste, dass es keine Garantie gab. Keine Garantie, dass Joko in einem Jahr immer noch bei ihm sein wollte. Dass das alles hier irgendwie weiterhin klappte. Aber alle Unsicherheit war ihm egal, wenn er sich die Chance vorstellte, wie es werden könnte.

„Also diese super vollständig ausgearbeitete Liste spricht für Umweltamt“, murmelte Klaas dann.

„Was sagt dein Bauchgefühl?“ Fragte er dann Joko.

„Warum denn meins?“ Erwiderte der Blonde.

„Du bist hier bei uns für Bauchgefühl zuständig.“ Grinste Klaas schief.

„Wenn dein Bauchgefühl sagt, Umwelt ist für dich auf Dauer das bessere, dann sagt meiner das auch.“ Entgegnete Joko sanft. „Und wenn alle Stricke reißen, heißt das ja nicht, dass du da für immer bleiben musst. Wir probieren das jetzt einfach mal aus, und sehen, ob du es da magst, hm?“

Tatsächlich schrieb Klaas am nächsten Morgen eine freundliche Absage an Herrn Köhler und telefonierte mit seinem zukünftigen Vorgesetzten beim Umweltbundesamt.

.oOo.

„Morgen.“

Klaas blinzelte, bevor er für einen Moment mit geschlossenen Augen einfach lächelte. Er hatte am Freitag seinen letzten Arbeitstag in der Kanzlei gehabt, und nun offiziell Urlaub. Am 15. Juli würde er seine neue Stelle antreten, aber bis dahin hieß es ausschlafen, Spaziergänge mit Leia, Festival mit Joko. Ruhe.

Und gerade hieß das, dass Joko ihn sanft anlächelte, während er langsam aufwachte. Der Blonde lag neben ihm und hatte sein Handy in der Hand, mit dem er offenbar bis gerade noch beschäftigt gewesen war. Es war Dienstagmorgen, sie hatten gestern Abend zusammen irgendein Bundesliga-Spiel von Mönchengladbach gegen den HSV gesehen. Klaas hatte nur noch vage mitbekommen, wie sich Joko neben ihm leise über den Sieg gefreut hatte, um ihn nicht nochmal aufzuwecken.

„Hey.“ Begrüßte er den Älteren und rutschte ein wenig näher zu ihm. „Was guckst du da?“ Fragte er, als er ein mit zahlreichen Albumcovern ausgeschmückten Artikel sah.

„Das Festival Line-Up fürs Wochenende.“

„Oh.“ Machte Klaas und blickte ebenfalls auf den Bildschirm, während Joko ein wenig weiterscrollte.

Er erkannte Enno Bunger, Muse und Provinz, während er seinen Kopf wieder auf dem Kissen ablegte.

„Oha, Foo Fighters.“ Kam es überrascht von Joko, der ihm gleich darauf das Handy hinhielt.

„Magst du die?“

„Ich hab die einmal live gesehen. Das war das beste Konzert ever.“ Murmelte der Blonde. „Zweitbeste. Nach Hamburg.“ Fügte er dann sanft hinzu und blickte zu Klaas, der automatisch lächeln musste.

„Wann spielen denn die?“ Fragte Klaas. Von den 9 Tagen Gesamtdauer würden sie ja nur 2,5 sehen.

„Oh. Am Sonntagabend. Aber erst um 21 Uhr.“ Stellte Joko dann mit weniger Enthusiasmus fest.

„Da sind wir schon weg, oder?“ Fragte Klaas ebenfalls ein wenig enttäuscht.

„Ja. Der Plan ist, so gegen 16 Uhr zu fahren, damit wir dann Montag wieder fit sind. Wir fahren ja mit drei so größeren Vans, und die, die von uns die fahren müssen, wollen ja auch lieber im hellen als dann mitten in der Nacht. Das ist schon besser. Und da gibts ja auch andere tolle Bands.“ erklärte Joko und lächelte ihn an.

„Okay.“ Gab Klaas zurück.

.oOo.

Er hatte nicht bemerkt, dass er nochmal eingeschlafen war, doch als er seine Augen erneut öffnete, war Joko weg.

„Hey, ich hoffe du konntest schön ausschlafen, Frühstück steht im Kühlschrank :)“ stand auf einem Notizzettel auf Jokos Nachttisch. Ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass es schon 13 Uhr war.

Er hatte erst in den letzten Tagen bemerkt, wie müde er war. Wie sehr ihn der jahrelange Stress ohne wirklich nennenswerten Urlaub ausgelaugt hatte.

Er lief in seiner Jogginghose in die Küche und blickte lächelnd auf Leia, die auf dem Sofa lag und döste. Wenig später setzte er sich mit seiner Schüssel mit Quark und einem Kaffee neben sie.

Sie verbrachten den Nachmittag kuschelnd auf dem Sofa, während auf dem Fernseher jeder mögliche Unsinn lief, den Klaas normalerweise ausschalten würde. Aber gerade war er dankbar für Teleshopping und Home and Garden TV, das seinen Kopf gerade genug beschäftigte, um nicht über etwas anderes nachdenken zu müssen und ihm doch problemlos erlaubten, immer wieder wegzudämmern, ohne etwas zu verpassen. An diese Art Urlaub könnte er sich gewöhnen, dachte er.

Er musste über sich selbst schmunzeln, als Joko Stunden später durch die Wohnungstür kam, Leia fröhlich auf ihn zurannte und ihm auffiel, dass er sich seit heute Mittag noch immer nicht bewegt hatte. Er hatte mit Leia zusammen Jokos Show gehört und schmunzelnd beobachtet, wie sich die Hündin so sehr über Jokos Stimme gefreut hatte, dass sie sich die erste Minute nur schwanzwedelnd um sich selbst gedreht hatte.

„Hey, Klausi.“ Begrüßte ihn der Blonde.

„Hi.“ Gab Klaas lächelnd zurück und zwang sich zumindest, sich aufzusetzen und nicht weiter einfach faul auf der Couch zu liegen.

„Sorry, ich hätte mehr als genug Zeit gehabt zum Kochen, aber wir haben nur geschlafen, Fernsehen geguckt und deine Show gehört.“ Gab Klaas schief grinsend zu, während Joko sich neben ihn auf die Couch setze und dann sanft Klaas Haare glattstrich, die wahrscheinlich bis gerade eben eher einem flauschigen Igel als einer Frisur geähnelt hatten.

„Ich hab n bisschen gehofft, dass du das sagst.“ erwiderte Joko und sah ihn für einen Moment abwägend an, bevor er „Es gibt in Mitte nen neues griechisches Restaurant, die liefern auch. Würdest du das mit mir ausprobieren?“ vorschlug.

Klaas nickte lächelnd.

Er verstand die Hälfte der Gerichte mit griechischen Namen auf der Speisekarte nicht, die Joko dann auf seinem Handy öffnete, und war ohnehin viel glücklicher dabei, Joko dabei zuzusehen, wie er hin und herüberlegte.

„Nimm einfach n paar Sachen die du magst und ich klau mir dann bei dir mein Abendessen zusammen.“ Schlug Klaas vor, bevor Joko mit Neugier in seinen Augen 3 Gerichte in ihren virtuellen Warenkorb legte.

Klaas musste unwillkürlich an einen ihrer ersten Abende zurückdenken, an denen Joko so schuldbewusst auf seinen Burger gesehen hatte, den Klaas ihm aus einem der Burgerketten-Restaurants mitgenommen hatte. Wie sehr er noch alle Neugier und alle Begeisterung in sich unterdrückt hatte, weil er davon ausging, dass die Menschen um ihn herum ihn nur mochten, wenn er sich immer nach ihnen richtete.

Joko lächelte ein wenig überrascht, als Klaas daraufhin seinen Kopf an Jokos Schulter lehnte. „Alles gut?“
Klaas nickte. Er war so dankbar, dass es ihnen wirklich gut ging. Dass sie es gemeinsam geschafft hatten, dass Joko wieder leben konnte, ohne ständig Angst zu haben.

Das Klingeln von Jokos Handy riss sie beide aus dem Moment friedlicher Ruhe. Jakob, las Klaas auf dem Display.

„Hi?“ Meldete sich Joko.

„Okay. Ja, ich… okay.“ Klaas sah verwundert zu ihm auf.

„Ich… frag mal Klaas, und dann… sag ich dir Bescheid, okay?“ murmelte Joko. Die Begeisterung von eben war aus seiner Stimme verschwunden.

„Ja, klar.“ hörte Klaas, und einige „Hmms.“, bis Joko Jakob schließlich einen schönen Abend wünschte und sich verabschiedete.

„Alles okay?“ Fragte Klaas und sah ihn an.

„Ja, ich… ja. Es ist alles okay. Das war Jakob, wegen dem Festival. Also… er meinte, der Wetterbericht sieht regnerisch aus, und dass er sich n Hotelzimmer nimmt. Und ob wir auch eins wollen.“ fasste Joko dann das Telefonat zusammen.

„Oh. Okay.“ Erwiderte Klaas.

„Willst du… das auch lieber so?“ fragte Joko dann. Er klang vorsichtig, dachte Klaas.

„Was möchtest du denn?“ gab er sanft zurück. „Ich bleib auch gern mit dir im Zelt, die paar Regentropfen hauen uns schon nicht um. Aber ich komm auch mit ins Hotel. Wie du magst.“

Joko nickte und sah ihn mit unsicheren Augen an.

„Hätte Christian ins Hotel gewollt?“ Fragte Klaas behutsam.

„Naja, er… hätte sowas eh nicht mitgemacht. Aber… manchmal… Ich wollte manchmal mit ihm Spazieren, und mit Leia, und so. Und das hat er eh total ungern gemacht. Aber wenn dann doch mal, oder wir irgendwas gemacht haben was ich gerne wollte und es dann geregnet hat, oder sonst irgendwas nicht geklappt hat, dann… naja. Dann…“ Joko sah ihn abwägend an. „Dann war er oft genervt, dass ich ihn dazu überredet hab und so.“

Aber Joko sagte Christian war genervt. Nicht, dass er selbst wirklich Schuld war, dachte Klaas.

„Du weißt, dass du dafür nichts kannst, oder? Und auch n Spaziergang im Regen kann schön sein, das ist kein Grund dich zu verletzen. Egal ob mit Worten oder anders.“

Joko nickte vorsichtig.

„Ich glaub, wir haben auch ne schöne Zeit im Zelt, wenns regnet. Dafür haben wir ja eh das Wasserfeste genommen. Also wenn du gerne ins Hotel magst, komm ich natürlich auch mit. Aber ich freu mich auch, mit dir im Zelt am Strand zu schlafen. Auch wenns regnet, oder stürmt, oder was auch immer.“

„Ich würd gern zelten.“ Sagte Joko daraufhin.

„Okay.“ Lächelte Klaas.

20 Minuten später grinste der Kleinere, als er auf ihr Abendessen blickte. Offenbar hatte ein Gyrosgericht, ein Gericht mit Pita-Brot und verschiedenen Aufstrichen und ein Nudelgericht mit Calamari und Scampis Jokos Neugier geweckt.
Er musste aber zugeben, dass der Blonde fantastisch gewählt hatte. Auch wenn das alles eigentlich nicht zusammenpasste, lag er dennoch eine halbe Stunde darauf mit vollem Bauch und völlig zufrieden auf der Couch.

.oOo.

Am Donnerstagabend liefen sie zu zweit die Treppe zu ihrem Apartment empor, und auch Klaas musste zugeben, dass sich das komisch anfühlte. Sie hatten gerade Leia bei Jeannine und Stefan vorbeigebracht, die über das Wochenende auf sie aufpassen würden.
Er hatte Joko angesehen, dass ihm der Abschied erneut mehr als schwer gefallen war. Auf der Autofahrt zurück hatte der Blonde kaum etwas gesagt. Und auch Klaas fehlte jetzt schon ein wenig die Hündin, die sich jetzt gefreut hätte, dass sie wieder zu Hause waren und sich jetzt dann mit ihnen aufs Sofa gelegt hätte.

Er war unfassbar dankbar, als wenige Minuten später Jokos Handy vibrierte und sie gleich darauf auf ein Bild blickten, wie Jeannines Freund auf dem Laminatboden lag und mit Leia und ihrem Oktopus spielte. „Glaub sie hat ihren Lieblingsonkel gefunden“ hatte Jeannine geschrieben.

Klaas hatte sie gebeten, Joko gelegentlich ein paar Bilder zu schicken. Gerührt hatte er dabei zugesehen, wie sie den Blonden in den Arm genommen und versprochen hatte, gut auf Leia Acht zu geben. Auch sie hatte bemerkt, wie nah ihm das alles ging.

„Wollen wir noch fertig packen, und dann einfach noch n bisschen fernsehen?“ Schlug Klaas sanft vor.

Joko nickte. Ein wenig überrascht stellte Klaas fest, dass der Blonde ihm in sein Zimmer folgte und sich dann einfach auf sein Bett setzte, während Klaas begann, aus seinem Schrank einige Kleidungsstücke auszusuchen und sie in seinen neu erstandenen Wanderrucksack zu stecken. Er nahm an, Joko wollte gerade einfach nicht alleine sein, auch wenn das hieß, dass sie nacheinander packten.

„Machst du dir Sorgen um Leia?“ Fragte er dann behutsam, während sie eine Stunde später auf Jokos Bett lagen und irgendeine Late Night Show ignorierten. „Nein, ich… sie passen bestimmt gut auf sie auf.“ Gab der Blonde zurück. Er klang ehrlich, dachte Klaas.

„Ich… es… fühlt sich komisch an. Was zu planen, was er so gar nicht gewollt hätte. Und… ich weiß, das ist dumm. Er ist jetzt seit nem halben Jahr nicht mehr da, und… ich muss mich nicht mehr an seine Regeln halten. Ich… weiß, dass die…“ Joko schloss die Augen.

„Ich weiß, dass die Regeln nicht… okay waren. Dass er mich kontrollieren wollte. Aber…“

„Du hast trotzdem das Gefühl, dass du was falsch machst, wenn du sie einfach so brichst?“ Fragte Klaas vorsichtig.

„Ich weiß nicht. Ich hab das Gefühl, ich… stoß ihn damit weg. Die Erinnerung an ihn. Als würd ich jemandem, der gestorben ist, hinterher sagen du hast alles falsch gemacht, du bist mir egal. Und das… ich weiß auch nicht.“

Joko schloss die Augen und atmete tief durch, bevor er näher an Klaas rutschte und seinen Kopf auf seiner Brust ablegte. „Einfach festhalten?“ Fragte Klaas leise.

„Bitte.“ Hauchte der Blonde und nickte.

„Du hast das Gefühl, du lässt ihn langsam los, aber das fühlt sich schwer an, oder?“ Fragte Klaas.

Joko nickte erneut.

Klaas glaubte, er begann erst durch Joko zu verstehen, was Trauer war. Dass Trauer nicht nur traurig sein hieß. Das war nicht ein paar Wochen weinen, und dann wurde es besser. So geradeaus lief das nicht.
Die ersten Tage waren schlimm, aber auch nach Monaten gab es noch Erinnerungen, - und wenn es nur ein Satz war, der so ähnlich klang wie Christian es mal gesagt hatte - die die Wunde wieder aufrissen. Und für Joko war Trauer auch Wut, auch Verzweiflung, auch Hilflosigkeit, auch Schuldgefühle. Ein verwirrender, anstrengender Wust aus Gefühlen, den er irgendwie verarbeiten musste. Vor zwei Wochen nach dem Kino hatte Joko fast froh geklungen, nicht mehr von Christians Regeln beherrscht zu werden.
Gerade war es das hohle Gefühl, etwas loszulassen. Auch einen Teil von sich selbst loszulassen. Und egal, ob das etwas gutes oder schlechtes war, erst einmal blieb ein leeres Loch in seinem Herz, das er erst wieder füllen musste, bevor es aufhörte, weh zu tun.

Klaas strich sanft über seine Haare.

„Bleibst du bei mir?“, fragte Joko ganz leise mit noch immer geschlossenen Augen. Ob der Blonde nur jetzt gerade und heute Nacht meinte, oder viel mehr, wusste Klaas nicht.

„Ja.“ Erwiderte er dennoch, und meinte beides.

„Kannst du… mir erzählen, worauf du dich freust?“ Fragte Joko leise.

„Jetzt am Wochenende?“ fragte Klaas sanft. Der Blonde nickte.

„Hmm. Ich freu mich aufs Meer. Das erinnert mich immer daran, als ich klein war. Und ich freu mich, dass ich mit dir wegfahren darf. Aus Berlin raus, und was neues erleben.“ Begann Klaas. Auch wenn es eigentlich keine schwere Frage war, fiel ihm selbst auf, wie sehr er darüber nachdenken musste. Wie lang es nichts mehr gegeben hatte, worauf er sich wirklich gefreut hatte.

Eigentlich freute er sich mehr darauf, Zeit mit Joko zu verbringen und ihn begeistert zu sehen, als auf das ganze an sich, dachte er.

„Und ich hab noch ne kleine Überraschung für dich. Ich freu mich drauf, dass du dich da hoffentlich drüber freust.“ Fügte er dann hinzu.  

„Du kannst mir nicht immer Sachen schenken“, murmelte Joko gerührt und sah zu ihm auf.

„Ist keine richtige Sache.“ Gab Klaas zurück. Er konnte nicht ander als zu lächeln, als Joko - seinen Kopf noch immer auf Klaas Brust gebettet - so weich zu ihm aufsah und sein Herz dazu brachte, ein wenig schneller zu schlagen.

„Möchtest dus jetzt gleich haben?“

„Ich hab auch was für dich. Wenn jetzt, dann kriegst du auch deins.“ Gab Joko zurück.

Klaas lächelte ihn an. „Du bist lieb“, sagte er leise. Und das war es wirklich. Er wusste, mit welchen Erinnerungen Joko zu kämpfen hatte, wenn er etwas schenken wollte. Dass er sich, egal was es war, gegen die Angst durchsetzen musste, dass Klaas es wie Christian nicht wollen würde. Ihn nicht wollen würde. Und trotzdem rappelte sich der Blonde auf und lief zu seinem Kleiderschrank, aus dem er eine Tüte hervorzog.

„Okay, warte kurz.“ kommentierte Klaas, stand ebenfalls auf und kehrte kurz darauf mit einem Umschlag zurück.

„Es… ist nichts Großes.“ begann Joko dann, als sie wieder auf Jokos Bett saßen. „Du… Dir ist ja abends öfter kalt, und das wird’s vielleicht auch im Zelt, deswegen dachte ich, ich nehm dir den mal mit.“ erklärte Joko und reichte ihm vorsichtig die Tüte.

Klaas sah, wie er sich auf die Lippe biss, während er die Geschenktüte entgegennahm. Gerührt blickte er daraufhin auf einen dunkelblauen, weichen Wollpullover mit einem Reißverschluss, der vom Kragen bis zur Brust ging.

Er bemerkte Jokos vorsichtiges Lächeln, als Klaas ohne zu zögern den Pullover über seinen Kopf zog. „Der ist mega!“ freute sich der Kleinere. Ganz abgesehen davon, dass der Pulli wirklich warm war, gefiel er ihm auch einfach. Jetzt, wo er zur Arbeit keine Anzüge mehr brauchte, konnte er den auch gut dorthin anziehen. Und er konnte sich vorstellen, dass das neben der Geschenk-Erinnerung auch deswegen für Joko schwer gewesen war, da alles, was mit Kleidung zu tun hatte das Nächste war, das Christian kontrolliert hatte.

Er legte sanft seine Arme um ihn. „Dankeschön.“ Sagte er immer noch lächelnd. „Sehr gern.“ Gab Joko zurück.

„Okay. Dein Geschenk ist nicht so schön und nicht so kuschelig. Ist auch eher n Geschenk für uns beide. Also du gewinnst an der Geschenkefront. Aber trotzdem.“ Kündigte Klaas dann an und reichte ihm den Umschlag.

„Hase.“ murmelte Joko, als er gleich darauf auf die beiden Zugtickets blickte.

„Für Sonntag.“ erklärte Klaas leise. „Dann können wir die Foo Fighters sehen, und dann zurückfahren.“

Joko schloss die Augen, bevor der Blonde ihn in eine erneute Umarmung zog. Jokos Hand streichelte sanft über Klaas Hinterkopf, während der Kleinere sich mit einem weichen Lächeln halten ließ.

„Danke.“ Flüsterte Joko und Klaas Herz stolperte, als er ihn flüchtig auf seine Schläfe küsste. Noch immer wusste er nicht wohin mit sich, als Joko ihn daraufhin losließ und sich wieder unter die Decke legte.

Er traf Jokos ein wenig verwirrten Blick, als Klaas sich Augenblicke später immer noch nicht bewegte. Erst dann legte er sich vorsichtig zu ihm. „Lässt du den jetzt an?“ schmunzelte Joko und blickte auf den Pullover.  „Jep.“ Gab Klaas grinsend zurück und mummelte sich noch ein wenig mehr darin ein.

„Warum… also… warum machst du das alles für mich?“ Fragte Joko, nachdem sie sich einen langen Moment nur angesehen haben. Nachdenklich blickte Klaas zu ihm.

„Es… gab lang nichts mehr, was mich irgendwie… gefreut hat. Begeistert hat.“ Begann er dann.

„Also ich bin Abends aus der Kanzlei raus und da hätte der schönste Sonnenuntergang oder Sternenhimmel oder was auch immer sein können, es war mir egal. Ich hab schon gesehen, dass der da war, aber es… hat nichts in mir ausgelöst. So gar nichts.
Meine Kolleg*innen haben immer mal erzählt, was sie abends so unternehmen, ich wurde hier und da auch mal gefragt ob ich mitwill, aber ich… wollte nicht. Weil ich… Weil es mir schwer fiel, irgendwas zu genießen.

Und dann sitzt man da neben denen, die das können und hinterher mit dir drüber reden wollen, dass das n super Film war, die bei nem Konzert weinen müssen weil sie das berührt und so weiter, und du fühlst gar nichts. Ich… hatte meinen Job, und meine Routine, aber nichts… was mir sonst was bedeutet hat. Ich hab mich total kalt gefühlt, aber… ich wusste auch nicht, wie das wieder anders wird. Die einzige Emotion, die ich manchmal hatte war die Panik, und zwischendurch… einfach nichts.

Als ich dann irgendwann bei Isabel war, meinte sie, es ist wichtig, dass ich irgendwas unternehme. Menschen treffe, schöne Erlebnisse habe. Und ich saß da nur und dachte ich bin so kaputt, dass ich nicht mal mehr das kann. Das Einzige, was ich wollte, war ins Bett und Schlafen und dass alles ruhig ist, und nicht mal das konnte ich.

Und dann… kamst du. Ich glaub deswegen hab ich deine Show so geliebt. Du hast so begeistert erzählt, was du neues entdeckt hast und hast das in ne lustige Geschichte verpackt und auch wenn ich immer noch keine Begeisterung gefühlt hab, musste ich immerhin lachen. Da konnte ich Abends im Bett liegen und dir zuhören und es hat niemanden interessiert, dass ich nur der kalte, emotionslose, langweilige Typ bin. Und ich war ja nur irgendeiner, der deine Show hört. Du hast also auch nicht von mir erwartet, dass ich jetzt die großen Gefühle entwickel. Dir zuzuhören hat mich wieder so n bisschen neugierig gemacht. Nicht das selber zu erleben, aber zumindest durch dich zu hören, was es witziges oder schönes oder was weiß ich auf der Welt so gibt.

Und jetzt… ich… Wenn du neben mir stehst und die Sterne anguckst und ich dir ansehe, dass du das richtig schön findest, oder du mir erzählst was dich da dran begeistert, fang ich an, das auch sehen zu können. Wieder was… an mich ranzulassen. Und das… fühlt sich schön an.  

Weißt du noch ganz am Anfang, als wir im Fußballstadion waren?“ Joko nickte. „Ich kenn keinen einzigen von den Spielern und hab keine Ahnung wo die auf der Tabelle stehen, aber… ich hab da plötzlich mitgefiebert. Weil ich wollte, dass die dann am Ende gewinnen und du richtig glücklich bist. Und als du das dann warst, war ichs irgendwie auch.

Ich… bin nicht mal riesen Foo Fighters Fan, aber ich bin trotzdem sicher, dass das Konzert das schönste von allen hier für mich wird. Weil du da bist und ich das dann irgendwie durch deine Augen genießen kann. Ich… also ich mach dir auch grundsätzlich gern ne Freude, aber… ich hab diese Zugtickets auch für mich gekauft.

Macht das irgendeinen Sinn?“ Murmelte Klaas.

Mit Tränen in den Augen sah Joko ihn an. "Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen." sagte Klaas sanft und strich Jokos Träne von seiner Wange. „Tut mir Leid.“ murmelte Joko. Er schüttelte weich den Kopf.

„Du… hast mal gesagt, du bist glücklicher, wenn ich da bin, und das… ist… eins der schönsten Sachen, die je irgendwer zu mir gesagt hat. Sonst… war ich immer eher im Weg, oder… hab was falsch gemacht, und so. Und… das bedeutet mir viel. Was du gesagt hast.“ Versuchte Joko ein wenig holprig seine Gedanken mit ihm zu teilen.

„Hast du einen glücklichsten Tag dieses Jahr?“ Fragte Klaas leise.

„Hm. Hamburg mit Finja war toll, und das Konzert. Und mein erster Arbeitstag, als Maya angerufen hat. Da war ich richtig glücklich“, überlegte Joko. „Und… also der ganze Tag war eigentlich schlimm, aber als du ins Gefängnis gekommen bist und gesagt hast, dass Leia bei dir ist. Ich hab den restlichen Tag nur noch geweint, aber es… war irgendwie ein gutes Weinen.

Und als du… weißt du noch, als deine Mutter dir das Rezept als Sprachnachricht geschickt hat und du das erste Mal für uns gekocht hast?“ Klaas nickte. „Das… war der erste Tag dieses Jahr, wo ich wieder ein bisschen glücklich war.“

„Weißt du was mein glücklichster Tag war?“ Fragte Klaas leise. Joko schüttelte den Kopf.

„Als du gesagt hast, du ziehst hier ein.“ Joko sah ihn sanft an und lehnte seinen Kopf an Klaas. „Weil ich… da wusste, dass ich… weiter glücklich sein kann.“ Murmelte er. Eigentlich hatte er es immer gehasst, über Gefühle zu reden. Fand das bei anderen immer kitschig. Und hier lag er hier, durfte den Mann in seinen Armen halten, der ihm alles bedeutete und es fühlte sich schön an, das alles mit ihm zu teilen.

.oOo.

„Also, Plan ist erstmal Zelte aufbauen, außer natürlich Monsieur Lundt, der keinen Schlafplatz unter 350€ die Nacht für ihn würdig hält“, grinste Katha in die Runde. Sie hatten die drei Vans geparkt und standen nun auf dem Vorplatz des Festivals. „Und dann was Essen holen, bisschen umschauen vielleicht? 16:30 treffen sich dann bitte alle hier, sodass wir noch n paar Checks machen können, ob von hier aus alles mit der Verbindung klappt.“

Klaas betrachtete schmunzelnd Joko, der gerade definitiv absolut nichts von Kathas Ansage mitbekommen hatte und stattdessen seinen Blick über den weitläufigen Festivalplatz schweifen ließ. Der eigentliche Zeltplatz war mit einer großen Bühne ausgestattet worden, zahlreiche Menschen liefen in Gruppen über den Platz. Aus Lautsprecherboxen lief irgendwelche Musik, die Klaas nicht zuordnen konnte und wenn man sich wirklich konzentrierte, konnte man trotz des brummenden Basses und der Gespräche der Menschen im Hintergrund das Meer rauschen hören.

Benni verteilte die Festivalpässe an sie, und gab Klaas grinsend zwei, als Joko völlig ignorierte, dass ihm ein Pass hingehalten wurde.

„Joko?“ Sagte Klaas sanft, als die anderen sich schon in Bewegung gesetzt hatten, und legte seinen Arm auf seinen Rücken.

Das Lächeln, mit dem ihn der Blonde daraufhin anstrahlte, ließ sein Herz schneller schlagen.

„Wollen wir mit? Katha meinte erst Mal Zelt aufbauen wär der Plan.“ Fragte er.

„Oh! Ja, klar.“ Gab Joko zurück. Er hatte scheinbar erst gerade bemerkt, dass die anderen schon losgegangen waren und setzte sich dann ebenfalls in Bewegung.

Eine Dreiviertelstunde später ließen sie sich beide für einen Augenblick Pause auf die nun endlich aufgeblasene, doppelbettgroße Luftmatratze fallen.

„Konsti schreibt, sie gehen erst Mal was essen. N Stück hinter der Bühne gibts wohl so Stände.“ Erklärte Joko dann, nachdem er sein Handy aus der Hosentasche gezogen hatte.

Auch Klaas war jetzt Teil einer „Festival [ganz viele zusammenhanglose Emojis]“-Whatsapp Gruppe. Immer wenn er eine Nachricht aus der Gruppe bekam, musste er wieder grinsen. Vor einem Jahr hätte er jetzt im Maßanzug im Büro gesessen und sich Sorgen um die Panikattacken gemacht, jetzt bestand sein Freitagnachmittag aus Essen mit Jokos und ein bisschen auch seinen Freunden und dem Auftrag, eine Radioshow auf die Beine zu stellen. Er hätte es niemandem geglaubt, hätte man ihm erzählt, dass sein Leben irgendwann so aussehen würde.

„Pizza, Pommes, Burger, Döner oder Fischbrötchen?“, fragte Klaas, als sie langsam die ersten Stände erreichten. „Ich glaub, da hinten gibts auch noch Crêpes.“

„Pizza?“ Schlug Joko vor und sich machten sich auf den Weg zur entsprechenden Schlange.

„Hi, na? Wie gehts?“ Begrüßte sie dann etliche Minuten Warten später der Pizzaverkäufer, der kaum jünger als sie selbst schien.

„Gut, vielen Dank.“ Lächelte Joko ihn an.

„Ist dein erster Tag hier, oder?“ Fragte der Verkäufer dann, völlig ungerührt von der Tatsache, dass eine meterlange Schlange hinter ihnen stand.

Joko nickte.

„Wusste ich. An dich hätte ich mich sonst erinnert“, flirtete der Schwarzhaarige mit weicher Stimme.

Klaas konnte nicht verhindern, dass die Eifersucht in ihm hochstieg. Am liebsten hätte er seinen Arm um den Blonden gelegt und zwang sich doch, sich zurückzuhalten. Vielleicht wollte Joko das ja. Vielleicht war das auch ganz gut, jemand der mit all dem, mit seiner Vergangenheit, nichts zu tun hatte. Vielleicht half ihm ein wenig ungezwungenes Flirten und was auch immer sich dann daraus entwickelte. Trotzdem knickten die Flügel der Schmetterlinge in Klaas Bauch gerade schmerzhaft ein.
Er klang auch noch wirklich nett. Das machte es für Klaas gerade noch schlimmer.

„Du siehst doch bestimmt tausende Leute am Tag.“ Gab Joko verwundert zurück.

„Aber nur einen wie dich.“ Gab der Mann zurück. Joko lächelte nur ein wenig verunsichert zurück.

„Darf ich dich auf was einladen?“ fragte der Verkäufer dann und wies demonstrativ auf die Pizzastücke vor ihm. „Vielleicht im Tausch gegen deine Nummer?“

Klaas fing Jokos hilfesuchenden Blick auf, der nun von dem Pizzamann zu ihm glitt. „Alles gut?“ Formte er mit seinen Lippen und trat ein wenig näher zu ihm.

„Oh, sorry. Ist das dein Freund?“ Das Flirtiness-Level des Verkäufers war schlagartig um 100% gesunken, während er zwischen Joko und Klaas hin und her sah.

„Vergiss, dass ich je was gesagt habe.“ fügte der Schwarzhaarige dann wieder professioneller hinzu.

„Einmal Capricciosa und einmal Salami bitte“, bestellte Klaas dann. Ein wenig besorgt sah er zu Joko, der sich näher zu ihm stellte und seine leicht zitternde Hand in seiner Hosentasche vergrub. Behutsam legte er seinen Arm um seinen Rücken.

„Wirklich, sorry. Ich hab das nicht gecheckt.“ Entschuldigte sich der Verkäufer, während er Klaas Bestellung auf zwei Papiertabletts hob.

„Alles gut, kannst du ja nicht wissen. Gar kein Problem, mach dir keinen Kopf.“ Gab Klaas möglichst leicht zurück, während sein Blick immer noch auf Joko lag. Der Verkäufer lächelte erleichtert. Wahrscheinlich gingen auch nicht alle Menschen auf so einem Festival freundlich und respektvoll mit den Imbissbuden-Verkäufer*innen um, dachte Klaas.

Der Blonde schwieg immer noch, als Klaas für sie bezahlt hatte und sie schließlich einige Meter von dem Stand entfernt stehen blieben.

„Soll ich ihm sagen, dass wir nicht zusammen sind?“ fragte Klaas dann sanft. „Der mag dich. Also… wenn du das auch willst, könnt ihr bestimmt mal was trinken gehen, oder vielleicht kann er heute Abend mit zu Muse oder sowas.“ Er war sich nicht sicher, ob Jokos Sorgen wegen des Gesprächs an sich gekommen waren oder deswegen, weil so eine Situation mit Christian sicher schwierig gewesen wäre und er nun Angst vor Klaas Reaktion hatte.
Er ignorierte den Tumult, den dieser Satz in seinem eigenen Herzen auslöste. Das gleichzeitig unbedingt alles Glück der Welt für Joko wollte und sich doch egoistisch wünschte, er würde das irgendwann bei ihm selbst finden.

„Ich…“ begann Joko unsicher. „Wär… wär es okay wenn du ihm das nicht sagst?“ fragte der Blonde dann leise.

„Ja, natürlich. Klar ist das okay.“ gab Klaas sofort zurück und sah ihn ein wenig besorgt an.

„Ich… bin noch nicht bereit für irgendwas. Will ihm aber nicht unbedingt erklären warum.“ murmelte Joko dann.

„Okay.“ Erwiderte Klaas weich.

Joko nickte vorsichtig.

„Das ist völlig okay, Joki. Und ich bin gern dein Alibi-Freund, wenn es dir das leichter macht.“ Fügte Klaas beruhigend hinzu.

„Na ihr? Ist die Pizza zu empfehlen?“ fragte Konsti plötzlich. Sie hatten beide nicht bemerkt, dass er zu ihnen gekommen war.

Klaas nickte, ohne bislang überhaupt in sein Stück gebissen zu haben. „Kommt ihr mit?“ Fragte Konsti dann und wies auf ein wenig entfernt stehende Tische und Bänke, an denen schon Katha, Benni und die anderen zu sitzen schienen. Sie folgten ihm schweigend.

Sie hatten den Tisch schon fast erreicht, als sich Jokos Hand behutsam um sein Handgelenk legte und ihn zurückhielt.

Klaas blieb stehen, sah zu ihm auf und in seine noch immer besorgt wirkenden Augen. „Klaas, ich… du bist nicht mein Alibi-Freund, okay? Du bist…“ Joko schluckte und senkte den Blick. „Du bist mehr mein Partner, als es sonst je jemand war.“ Sagte er dann. Klaas wusste, dass die Blicke der anderen auf ihnen lagen, und trotzdem konnte er nicht anders, als ihn vorsichtig in seine Arme zu ziehen.

„Mach dir keine Sorgen, Joki, okay?“ Flüsterte er ihm zu. „Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, ich nutz dich nur aus, damits für mich einfacher ist.“ Gab Joko zurück. „Das hab ich nicht.“ Gab Klaas zurück. Er spürte Jokos Nicken, bevor sie sich schließlich zögerlich wieder losließen und dann die letzten Schritte zu der Bierbank liefen, an dem der Rest wartete.

.oOo.

Er hörte ein erstes Donnergrollen, als sie einige Stunden später in einem der Vans saßen und Joko und Jakob die Show moderierten. An sich hätte Klaas währenddessen auch einfach das Provinz-Konzert anhören können, das gerade auf der großen Hauptbühne gespielt wurde. „Du musst wirklich nicht hier warten.“ Hatte Joko gesagt, und trotzdem war Klaas sich sicher, dass er eine schönere Zeit hatte, hier auf einem der gepolsterten Bänke zu sitzen und zuzusehen, mit welcher Leichtigkeit und mit wie viel Humor Joko moderierte.

Er lächelte, als Joko die Frage, auf welche Band er sich am meisten freute mit „Klaas und ich bleiben noch länger für die Foo Fighters, definitiv die.“ antwortete. Auch wenn es ihn verlegen machte, er mochte es sehr, wenn Joko sich so über etwas freute, womit er ihn überrascht hatte.

Als sie um kurz nach 8 den Van verließen, war der Himmel von tiefgrauen Wolken verhangen. Dennoch konnten sie selbst von hier aus die Unmenge an Menschen sehen, die sich inzwischen vor der Bühne versammelt hatte.

„Jungs, ich packs, bevors nass wird.“ kündigte Jakob auch schon in diesem Moment an. „Sicher, dass ihr bleiben wollt?“ Fügte er noch hinzu.

„Wir sind nicht so Waschlappen wie du.“, grinste ihr Tontechniker.

„Ich hab mein Bett einfach gern trocken.“ Gab Jakob ungerührt zurück.  

Klaas spürte Jokos Blick auf sich und sah zu ihm. „Ist das wirklich okay für dich?“ Fragte der Blonde ihn leise.
„Ganz sicher“, erwiderte Klaas weich. „Ich hab deinen Pulli, und das Zelt neben uns ist viel größer. Wenn dann schlägt der Blitz da ein.“ Joko musste schmunzeln und lehnte sich an ihn.

„Jetzt gucken wir erst Mal, wie lang Muse das durchhält. Da verpasst Jakob sicher was.“ Murmelte Klaas ihm zu.

„Danke, dass du mit hier bist.“ Gab Joko zurück.

.oOo.

Jakob verpasste wirklich etwas, dachte Klaas.

Er hatte Musik selten so durch sich hindurch pulsieren spüren, wie als die Band im strömenden Regen Madness performte. Auch Joko schloss neben ihm immer wieder die Augen und schien das Konzert wirklich zu genießen, bevor er eine halbe Minute später fast wie in Trance mit der restlichen Menschenmenge seine Arme in die Luft hob. Wie sehr Klaas es liebte, ihn so das Leben genießen zu sehen. Als der Lichtkegel über sie striff, sah er, wie Jokos Lippen sich zu dem Songtext bewegten.

Sie waren beide triefend nass, als sie schließlich 2 Stunden später ihr Zelt erreichten.

„Das war unglaublich.“ War das Erste, was Joko schließlich mehr hauchte als sagte, bevor Klaas seinen Blick abwendete, als der Blonde sich sein klebendes Shirt über den Kopf zog.

„Okay, ich glaub bis auf die Boxershorts ausziehen und dann so schnell wie möglich rein und ins Handtuch.“ Schlug Joko dann vor. „Klingt vernünftig“, murmelte Klaas und versuchte sich auf sich zu konzentrieren.

Joko lächelte ihn an, als er wenige Minuten später seinen Kuschelpullover über seinen Kopf zog. „Bestes Geschenk ever.“ Lächelte der Kleinere zurück. Jokos Augen strahlten immer noch glücklich, als der Blonde daraufhin seinen eigenen Hoodie über seinen Oberkörper zog. Klaas öffnete einen ihrer Schlafsäcke und legte ihn wie eine Decke über seine Beine.

„Snacks?“ Fragte er dann und zog ihren Beutel mit Chipstüten, Crackern, Nüssen und ein bisschen Obst hervor.

Joko griff nach einer Tüte mit Salzbrezeln und legte sich dann auf die andere Seite der Luftmatratze. Sie lächelten sich an, als sie entfernt aus einem der anderen Zelte wahrscheinlich aus einem Handylautsprecher erneut einen der Muse-Songs hörten, die sie vor wenigen Minuten noch live gesehen hatten. Offenbar hallte das ganze auch noch in den anderen Festivalbesucher*innen nach.

Eine Weile war außer dem leisen Knacken, wenn die Salzbrezeln beim Essen zerbrachen und der entfernten Musik nichts zu hören.

„Klausi?“ Fragte Joko dann irgendwann, als die Tüte leer geworden war, nachdenklich.

„Ja?“

„Du…“ begann der Blonde und zögerte dann doch.

„Du hast mal gesagt, du magst mich.“ Brachte er schließlich hervor.

Klaas drehte seinen Kopf zu ihm und nickte vorsichtig.

„Immer noch?“ fragte Joko dann, und senkte seinen Blick.

„Ja.“ gab Klaas zögerlich zurück und hoffte, er würde Joko damit nicht irgendwie unter Druck setzen.

„Ich…“ wieder schluckte der Blonde und schloss dann die Augen.

„Warum wolltest du dann, dass ich mit dem Mann von dem Stand…“ Er ließ die Frage unvollendet in der Luft hängen.

„Wollte ich nicht, Joki. Ich will dass du glücklich bist.“ Erklärte Klaas behutsam.
„Nach all dem was du in den letzten Jahren durchgemacht hast verdienst du so viel Glück wie es nur irgendwie gibt. Und wenn das etwas gewesen wäre, was dich glücklich gemacht hätte, oder du gerne ausprobiert hättest, wollte ich nicht im Weg stehen.“

Der Blonde nickte. Nicht ganz sicher, was das in Joko auslöste oder was der Blonde gerade dachte, sah Klaas ihn an.

„Ich… es tut mir Leid, dass ich nicht das sein kann was du dir wünschst, aber…“
Abermals senkte Joko seinen Blick.

„Ich… mag das mit… uns. Ich will mit niemanden auf ein Date, oder was ausprobieren, oder so… Ich will nur das hier.“ erklärte Joko dann und biss sich auf die Lippe.

„Du… musst aber nicht, das weißt du, oder? Hier bei mir sein und abwarten, ob ich irgendwann weniger kaputt bin. Wenn du… Wenn du jemanden kennenlernen möchtest oder so…“

„Joko.“ hauchte Klaas, und schloss ihn in seine Arme, sobald der Blonde näher zu ihm gerutscht war. Er zog den dabei verrutschten Schlafsack behutsam über sie beide.

„Ich will niemand anderen kennenlernen.“ Sagte er leise in sein Ohr. „Und du bist nicht kaputt. Ich wär grad nirgends auf der ganzen Welt lieber als hier bei dir.“

„Geht mir auch so“, schniefte Joko, und vergrub dann sein Gesicht in Klaas Shirt.


„Darf ich was ausprobieren?“ Fragte Klaas sanft einige Minuten später.  

Joko nickte und sah ein wenig verwundert auf.

„Also… du hast ja gesagt, das Wetter wird schlecht, aber dass du eigentlich Zelten und Sterne sehen wolltest. Und bei den Essensständen gibts auch noch so Stände für Camping-Krimskrams, und da hab ich vorher die hier gesehen“ begann Klaas, setzte sich vorsichtig auf und zog eine weiße, würfelförmige Verpackung hervor.
„Das hat 20€ gekostet, also wahrscheinlich hält die Batterie keine 2 Stunden, aber vielleicht haben wir zumindest kurz n paar Sterne.“ Erklärte er, und befreite einen kugelförmigen Gegenstand darauf.  

„Die haben gesagt, das ist der echte Himmel in klein. Aber ich hab keine Ahnung von Sternen, vielleicht haben die uns auch beschissen.“ Murmelte er, bevor er den kleinen „On“-Knopf auf der Unterseite drückte, die Kugel dann in die Mitte ihres Zeltes stellte und den lila-blauen Sternenhimmel betrachtete, den der kleine Projektor nun auf ihre Zeltwand und auf seinen Pullover warf.

„Klaas.“ Hauchte Joko sprachlos, während der Kleinere sich wieder neben ihn legte. Nun war ihre komplette Zeltwand von hunderten kleinen Sternen bedeckt.

Im farbigen Licht der Sternenlampe sah er das Schimmern in Jokos Augen, bevor eine Träne seine Wange herablief. Was ist?, Hatte Klaas fragen wollen, doch Joko, der zu ihm rutschte und sich wieder an ihn kuschelte kam ihm zuvor.

Er spürte, wie Joko langsam ruhiger atmete, nachdem der Blonde seinen Kopf ein wenig gedreht hatte und die Sterne über ihnen betrachtete.

„Kennst du Sternenbilder?“ Fragte Joko irgendwann leise.

„Nur drei.“ Murmelte Klaas.

„Es gibt den großen Bären, das ist da fast an der Kuppel“, murmelte er, und deutete auf den projizierten Himmel.
„Ich dachte das heißt großer Wagen?“

„Der ist n Teil davon. Der ist praktisch der Rücken und der Schwanz von dem Bär. Aber wenn du da rechts guckst, kannst du dir da auch noch n Kopf reindenken, und zusammen ists dann der große Bär.“ Erklärte Klaas und deutete auf den Börenkopf.

„Gibts auch nen kleinen Bär?“
„Jep. Der ist da n Stück weiter rechts. Der sieht aus wie der große Wagen, nur gedreht.“
„Also nicht wie n Bär.“ Gab Joko zurück.  

„Naja, eigentlich sieht keins von denen richtig aus wie n Bär, aber die Romantik fällt weg wenn du einfach sagst es gibt 100 komisch angeordnete Sternenhaufen.“ Schmunzelte Klaas.  

„Seh ich ein“, kicherte Joko.

„Es gibt auch noch ne Giraffe. Ist auch nur n Dreieck mit nem Stiel dran. Der Stiel ist nehm ich an der Hals.“ Joko lachte erneut neben ihm.

Entgegen Klaas Erwartung hielt die Batterie der kleinen Lampe tatsächlich, bis sie eine ganze Weile später eingeschlafen waren.

.oOo.

Als Klaas am nächsten Morgen auf ihrer Luftmatratze aufwachte, war er allein. Ein wenig verunsichert sah er sich um, bevor er sich aufrappelte und den Zelteingang öffnete.

Er erinnerte sich an den Tag nach Christians Beerdigung, als Joko morgens am Strand gesessen hatte, und ging einfach auf das Wasser zu, als er ihn nicht in der Nähe ihres Zelts entdecken konnte.

Er hatte Recht gehabt, dachte er, als er ihn nach ein paar Minuten Fußweg nahe dem Wasser im Sand sitzen sah. Langsam ging er weiter auf ihn zu.

„Hey. Ich bins nur.“ Begrüßte er ihn leise, bevor er sich neben ihn in den Sand sinken ließ.

Joko sah ihn bedrückt an, bevor er seine Hand hob und nach Klaas griff. „Panik?“ Fragte Klaas leise. Joko nickte und biss sich auf die Lippe. „Kam schon oder kommt noch?“ Fragte Klaas nur behutsam, um ihn nicht unnötig zum Reden zu zwingen, wenn ihm dafür gerade die Kraft fehlte. „Kam schon.“

„Okay.“ Erwiderte der Kleinere und legte seinen Arm um ihn. Joko schloss die Augen, bevor eine einzelne Träne über seine Wange lief und in den Sand tropfte.

„Tut mir Leid, dass ich so viel heul. Ich weiß auch nicht, was los ist.“ Murmelte Joko dann schniefend. „Ich wollte eigentlich, dass das ein schönes Wochenende für dich wird.“

„Du verabschiedest dich langsam.“ Erwiderte Klaas leise und streichelte über seine Seite. „Das ist völlig okay. Ich hab immer ein schönes Wochenende, wenn wir was zusammen unternehmen. Dafür musst du nie für dich behalten, wie es dir gerade geht.“ Joko drückte seine Hand.

„Waren wieder fast zwei Wochen, seit der letzten. Offenbar ist das im Moment die Frequenz.“ Murmelte Joko und sah auf das Meer.
„Du weißt aber, dass das ein riesen Schritt ist, oder? Am Anfang wars fast jeder Tag, hm?“ Gab Klaas zurück und drückte seine Hand.

Joko nickte leicht.

„Wars eine bestimmte Erinnerung?“ Fragte Klaas weich.

Joko schüttelte den Kopf. „Manchmal… sind das irgendwie die Momente, in denen ich glücklich bin. In denen ich mich an was Schönes erinnere, was wir - also du und ich - gemacht haben. Und… dann… merk ich wieder, dass er nie mehr da sein wird. Und ich… bin gleichzeitig traurig, dass er gestorben ist, und…“ Joko schluckte, „froh dass es vorbei ist, und ich hier sein darf. Und manchmal fühlt sich das dann plötzlich einfach leer an. Das glückliche Gefühl geht weg, aber ich werd auch nicht richtig traurig, dann ist da nur noch n leeres Loch in meinem Herz, und das tut irgendwie auch weh.“ Murmelte Joko. „Das macht gar keinen Sinn.“ Fügte der Blonde dann leise hinzu.

„Und ich weiß nicht, warum die Panik dann kam. Ich hab an dich gedacht, und an gestern Abend, und dass ich einen der schönsten Abende meines Lebens hatte, und… dann es sowas nie mit ihm gab. Und dann daran, ob wir uns wohl in nem Jahr immer noch haben werden, und dass Christian… den glücklichen Joko nicht mögen würde. Und ich glaub mein Kopf hat sich dann irgendwann gedacht, Panik ist immer noch besser als das Chaos, was der Chef da wieder zusammendenkt.“ Lachte Joko dann ein wenig.

Auch Klaas musste schmunzeln, und drückte erneut seine Hand.

„Das ist… wahrscheinlich total blöd, aber kennst du so Leute, die sagen, wenn sie geweint haben, geht es ihnen besser? Weil dann so alles raus ist?“

Klaas nickte.

„Ich hab das Gefühl, mit den letzten paar Attacken wars auch so. Irgendwie… war da so viel Chaos in meinem Kopf, und danach… wars erst Mal wieder weg.“

„Versteh ich.“ Gab Klaas sanft zurück. „Und Ich kann dir nicht versprechen, was in einem Jahr ist, Joko, aber ich würd mich freuen, wenn wir uns da immer noch hätten.“

„Ich mich auch.“ Erwiderte Joko leise.

Lange Minuten sahen sie daraufhin auf die flachen Wellen vor ihnen.


„Da sitzt ihr am Meer und geht nicht rein?“ Sie zuckten beide zusammen, als ein strahlender Benni neben ihnen auftauchte, bevor auch Konstantin, Katha, Lisa und Max folgten. Sie trugen alle Badehosen oder Bikinis und liefen an ihnen vorbei in die kühle Ostsee. Er hielt noch immer Jokos Hand in seiner, als Benni ihnen ein „Kommt mit!“ zurief, während der Rest sich gegenseitig mit Wasser bespritzte und versuchte, die anderen unterzutauchen.

„Möchtest du mit?“ Fragte Klaas sanft.

Kurz darauf spürte er das kühle Wasser um seine Knöchel, als Joko und er dem Rest folgten. Sie hatten beide ihre Klamotten bis auf die Boxershorts ausgezogen. Der Blonde stand schon in deutlich tieferem Wasser und sah Klaas mit einem warmen Lächeln dabei zu, wie er langsam weiter in das kalte Nass lief.

Klaas gab ein hohes Quietschen von sich, als ihn plötzlich ein Schwall Wasser von der Seite traf. Katha stand lachend ein paar Meter entfernt und spritze erneut mit Wasser nach ihm.

Er versuchte von ihr wegzukommen und stolperte gleich darauf in Joko hinein, der bin gerade ebenso zu Katha gesehen hatte. Er wäre fast gefallen, hätte ihn Joko nicht in letzter Sekunde festgehalten. Klaas ganzer Körper kribbelte ab der Sekunde, als Jokos warme Hände sich auf die nackte Haut seiner Seite legten. „Alles gut?“ Fragte der Blonde, und Klaas hatte beim besten Willen keine Ahnung mehr, was die richtige Antwort auf die Frage war.

Noch einige Sekunden spürte er Jokos Haut auf seiner, und erst, als der Blonde ihn schließlich losließ, nickte er.

Es tat nicht weh, bemerkte Klaas überrascht, während er immer noch in seine Augen sah. Dieser Stich in seinem Herz, der bisher immer dem Herzklopfen gefolgt war, fehlte. Gerade war er einfach glücklich, dass Joko bei ihm war. Der Satz „ich will nur das mit uns“ hatte mehr in ihm ausgelöst, als er vermutet hatte, dachte Klaas.

Sie sahen schließlich beide zur Seite, wo Benni, Konsti und Lisa sich immer noch mit Wasser bekämpften. Als Klaas seinen Kopf ein wenig weiter drehte, traf er Kathas Blick. Die brünette Frau stand ruhig in den Wellen und sah sie mit einem sanften Lächeln an. Klaas lächelte ein wenig unsicher zurück, bevor er schließlich einen Schritt zurück machte und ein wenig Abstand zwischen sich und Joko brachte.

Zwei Minuten später waren sie dann schließlich fällig und hatten keine Chance mehr, den anderen drei zu entkommen. Klaas lachte, als Joko nur Sekunden, nachdem Benni ihn erwischt hatte, auf den Blonden losging und versuchte ihn unterzutauchen.
Klaas dagegen duschte Lisa mit einem großen Schwall an Wasser und konnte sich nicht erinnern, wann er sich zum letzten Mal so losgelöst gefühlt hatte wie in diesem Moment.

.oOo.

Sie hatten schließlich nach ihrem Badeausflug alle ihre Zelte zusammengepackt und in die Vans geladen, und sich dann auf die eineinhalbstündige Autofahrt vom Zinnowitzer Strand nach Rügen gemacht.
Die heutige Radioshow würde aus zahlreichen Konzertmitschnitten und Jakob und Joko bestehen, die den Festivalablauf beschrieben. Das Ganze wurde aber vorausgezeichnet und war nicht live, sodass sie das am frühen Nachmittag erledigen konnten, und dann außer Konsti, der das alles zusammenschneiden musste, alle Freizeit hatten, um den restlichen Tag auf Konzerten zu verbringen.

Sie hatten zusammen auf der Wiese gesessen und das Bosse-Konzert miterlebt, bevor sie sich bei den Imbissständen mit Essen eingedeckt hatten.

„Gehts dir ein bisschen besser inzwischen?“ Hörte Klaas von Jakob, als er mit 3 Bierflaschen wieder auf ihre Bank zulief.

„Ich glaub schon.“ kam es von Joko.

Klaas blieb stehen.

„Du siehst glücklich aus. Nicht immer, aber so zwischendrin. Wie… lange nicht mehr.“ Stellte der Moderator fest. Klaas wollte ihnen nicht den Moment nehmen und sich dazwischendrängen. Er sah sich um, ob er wieder ein Stück weggehen sollte, um nicht einfach ungebeten mitzuhören. Ihre Bank lag direkt um die Ecke von dem weißen Zelt, an dem er bis gerade noch entlanggelaufen war. Es war eines der Veranstalter-Zelte, in denen irgendwelche organisatorischen Sachen und Bühnenequipment aufbewahrt wurde, soweit Klaas das verstanden hatte.

„Hmm.“ Machte Joko nur.

„Liegt das an… Klaas?“ Fragte Jakob vorsichtig.

Joko antwortete nicht sofort. Klaas wusste, spätestens jetzt müsste er entweder weg oder zu ihnen gehen, statt hier immer noch zu stehen.

„Seid ihr… nur befreundet? Oder…?“ Fragte Jakob dann behutsam.

„Ich weiß nicht, was wir sind.“ Murmelte Joko dann. „Nur, dass ich… Es fühlt sich schön an. Mit ihm.“ Klaas schluckte, wie zerbrechlich er bei dem Satz klang.

„Okay.“ Erwiderte Jakob mit sanfter Stimme. Als Klaas sich nun endlich zusammenriss und um die Ecke zu ihnen lief, standen beide neben der Bank und Jakob hielt Joko in seinem Arm.

„Hey.“ Machte er leise auf sich aufmerksam.

Joko lächelte ihn an, sobald er sich wieder von Jakob gelöst hatte.

„Danke.“ Sagte Joko weich und nahm die Flasche entgegen, die Klaas ihm hinhielt, bevor sie sich zu dritt auf die Bank setzten. Auch Jakob nickte ihm dankend zu.

Noch über eine Stunde saßen sie zusammen, tranken das und ein zweites Bier, bevor sie sich auf den Weg zu den anderen machten, die die Zeit mit Sonnen auf dem weitläufigen Grün des Zeltplatzes verbracht hatten. Auch Konsti war inzwischen wieder zu ihnen gestoßen und gemeinsam sahen sie dabei zu, wie sich immer mehr Menschen vor der Bühne versammelten, um das Kraftklub Konzert aus der Nähe mitzuerleben.

.oOo.

Klaas strahlte, als Joko mit dem Rest der Menge anfing auf und ab zu hüpfen, als die Band in den Refrain von Blaues Licht einstiegen. Eine halbe Strophe später hüpfte auch er.

Mit breitem Grinsen traf er Jokos Blick, der sich zu ihm gedreht hatte und nun synchron mit ihm auf und ab sprang. Seine ein wenig verschwitzten, blonden Haare flogen in der Abendsonne durch die Luft und sein weißes Shirt klebte ein wenig an seinem Oberkörper, während er seine Arme in die Luft streckte mit jedem weiteren Refrain noch mehr strahlte. Klaas hatte ihn noch nie so lebendig gesehen.

Sie blieben schließlich beide stehen, als der letzte Ton gesungen war und sahen sich an. Jokos noch gehobene Hände sanken und legten sich auf Klaas Seiten. Sein Herz raste, als er zu Joko aufsah, dessen Gesicht plötzlich nur Zentimeter von seinem entfernt war. Er spürte die pulsierende Wärme, die von ihm ausging, spürte seinen Atem auf seinen eigenen Lippen und blickte sekundenlang in das so glückliche Braun, das immer wieder von seinen Augen tiefer blickte und dann wieder seinen Blick traf, bevor der Blonde ihn in eine Umarmung zog. Er spürte auch Jokos Herz durch ihre beiden dünnen Shirts rasen, während er ihn festhielt.

Noch die erste Strophe von Ein Song reicht stand er in Jokos Armen, bevor sie sich trennten und automatisch wieder von dem Takt des Liedes mitgerissen wurden.

Immer wieder schweiften Klaas Augen zu ihm, während es langsam dunkel wurde und schließlich statt der Sonnenstrahlen blaue und lilane Scheinwerferkegel über sie streiften.

Joko sah glücklich aus. Gerade hatte kein Christian in seinem Leben einen Platz. Gerade passierte genau das, was Klaas sich so lange gewünscht hatte. Joko schaffte es zumindest ein paar Stunden, völlig loszulassen. Er konnte wieder leben, ohne dass die Panik und seine Vergangenheit immer in seinem Kopf war.


Er lächelte, als der Blonde sich geschafft auf ihre Luftmatratze fallen ließ. „Na, reicht für heute?“ Schmunzelte er, und ging noch einmal zurück in ihr Zelt, um die Schlafsäcke zu holen. Sie hatten die Luftmatratze vor dem Zelt aufgeblasen und da es ein warmer Tag ohne Regen war, beschlossen zumindest erst Mal noch ein wenig hier zu liegen. Wenn es zu kalt würde, könnten sie ja immer noch in ihr Zelt, und doch bezweifelte Klaas, dass einer von ihnen heute nochmal aufstehen würde.

„Ich will nicht, dass der Tag vorbei ist, aber ich schaffs grade nicht mal mehr, mir n Kissen zu besorgen.“ Murmelte Joko hörbar müde.

Klaas lächelte ihn sanft an, während er den Reißverschluss des ersten Schlafsacks öffnete und über Joko legte. Der Blonde sah so unglaublich weich zu ihm auf, als er ihm gleich darauf noch sein Kissen gab, dass Klaas Herz den wahrscheinlich 37. Purzelbaum am heutigen Tage machte.

„Hi.“ sagte Joko warm, als er sich schließlich zu ihm auf die Matratze legte und Klaas schloss für einen Moment die Augen. „Brauchst du noch was?“ Fragte er dann leise und sah ihn doch wieder an. Joko schüttelte den Kopf.
„Hast du auch eine schöne Zeit?“ erkundigte sich Joko und strich behutsam eine von Klaas Haarsträhnen glatt. Der Kleinere nickte. „Ich glaub das ist einer der schönsten Urlaube, die ich je hatte, selbst wenns nur 3 Tage sind.“ Gab er zurück.

„Du musst mal kurz gucken, die eine Wolke verpisst sich und da sind zwei Sterne.“ Bat er dann, als sein Blick von Joko zu dem dunklen Nachthimmel geglitten war. Jetzt bekamen sie doch noch ihre Sternennacht. Oder zumindest einen sehr kleinen Teil davon. Er schmunzelte, als Joko lachen musste und damit die Luftmatratze und somit auch ihn durchschüttelte.

„Vielleicht sind die zwei Sterne auch Freunde.“ Murmelte Joko, und Klaas riss sich zusammen, Jokos Fantasie nicht mit der Realität zu zerstören, dass das zwei irrsinnig große, verglühende Feuerbälle waren, die jeden „Freund“ in 10.000 km Umgebung freundschaftlich verbrutzeln würden.

„Ich… hab dich und Jakob heute gehört. Was du… über uns gesagt hast. Es tut mir Leid, ich kam da mit dem Bier, und wollte euch nicht unterbrechen, und… dann hab ich das so aus Versehen ein bisschen mitgehört.“ beichtete Klaas dann. Er wollte keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen.

Joko runzelte für einen Augenblick nachdenklich die Stirn. „Du… hast gesagt, du weißt nicht so genau, was wir sind. Also wir beide. Ob… Freunde, oder… was auch immer.“ Erinnerte Klaas ihn dann und Joko nickte.

„Ich… also… find das schön, so wie es ist. Und wenn du dir irgendwann wünschst, dass wir irgendwas anders machen, sagst du das einfach. Und bis dahin sind wir einfach Joko und Klaas, fertig aus.“ Schlug Klaas dann vor.

„Ist n guter Beziehungsstatus für Facebook.“ Konnte Joko nicht anders, als grinsend zu antworten.

Klaas verdrehte schmunzelnd die Augen und schüttelte seinen Kopf.

„Ich… will nichts anders machen.“ Entgegnete Joko dann ernster, sah ihn vorsichtig an und rutschte näher zu ihm. „Ich auch nicht.“ Entgegnete Klaas und legte vorsichtig seinen Arm um seinen Rücken.

„Ist das okay? So… hier draußen?“ Fragte Joko dann leise. „Ich hab absolut gar kein Bedürfnis, jemals zu verstecken, dass du ein wichtiger Teil meines Lebens bist.“ Gab Klaas zurück.

Joko schloss seine Augen.

.oOo.

Der letzte Tag verflog viel zu schnell. Sie fuhren weiter nach Rostock, zeichneten eine weitere Radiofolge inklusive eines Interviews mit Peter Fox und dem DJ Alle Farben auf, und spielten ein abstruses Spiel, in dem die beiden Künstler - ohne sich je im Leben vorher gesehen zu haben - vermuten sollten, welche Hobbys, Lieblingstiere, Lieblingsjoghurtgeschmacksrichtung und so weiter der jeweils andere hatte.
Sie sahen noch das Peter Fox Konzert gemeinsam, bevor Joko und Klaas ihre Campingsachen in einen der Vans luden und sich dann vom Rest ihrer Gruppe verabschiedeten.

Als sie eine halbe Stunde später friedlich auf ihrer Decke in der Sonne lagen, war Klaas froh, dass sie sich so entschieden hatten. Noch ein wenig Zeit zusammen abseits von Berlin und ein bisschen Ruhe, bevor Jobs und Therapie und ihr Leben sie wieder einholte.

„Guck mal, Leia chillt auch in der Sonne.“ Grinste Joko und hielt ihm das Handy hin. Auf dem Display sah er Jeannine mit Sonnenbrille, die gerade genau wie sie auf einer Decke lag, Leias Kopf auf ihrer Brust, und das warme Wetter genoss.

Klaas lächelte in die Handkamera, als Joko daraufhin sein Telefon hob, ein Foto von ihnen machte und es Jeannine schickte. Irgendwann würde er gerne mal ihre ganzen Fotos aus dem letzten halben Jahr auf einem Haufen sehen, dachte er. Er schloss die Augen und spürte das leise Glück, das seine Brust ein wenig leichter werden lies, während er sich an Ostern erinnerte. An Hamburg. An Leia, die auf dem Sofa schlief und dabei aussah, als würde sie dort wie ein Mensch sitzen. Joko hatte versucht, sich in so genauer Position wie möglich daneben zu setzen und Klaas hatte das Foto gemacht.

Die Sonne tauchte den ganzen Platz immer noch in angenehme Wärme, als sie schließlich aufstanden, ihre Sachen in Klaas Rucksack packten und in Richtung der Bühne liefen. Für die Foo Fighters wollte Joko tatsächlich einigermaßen weit vorne stehen.

Es war der perfekte Abschluss. Joko konnte fast das ganze Konzert auswendig, auch Klaas war dank Marks Rockmusikbegeisterung zu ihrer Uni-Zeit überraschend textsicher, und schloss bei der Zugabe die Augen, als Joko von hinten seine Arme um ihn legte. Er versuchte, diesen Moment so genau wie es nur ging wahrzunehmen, alle Gedanken an Berlin zu vergessen und einfach nur hier zu sein. Der Größere wiegte sie ein wenig im Takt von Learn to Fly hin und her, und Klaas wünschte sich, der Song würde nie zu Ende gehen.

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