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Midnight Sun - Ein Jahr zum Verlieben

Kurzbeschreibung
GeschichteRomance, Erotik / P18 / Het
16.09.2022
20.03.2023
31
59.202
10
Alle Kapitel
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17.01.2023 2.190
 
Das gute Wetter hielt an und ich erfreute mich morgens an den Sonnenstrahlen, die das Schlafzimmer erhellten und eine Art Lichtblick für mich waren. So auch heute, der Tag, an dem die Möbelgarnituren geliefert wurden. Ich freute mich darauf, gemeinsam mit Idun und Adrian zu diskutieren und hoffte, dass wir am Ende eine Entscheidung treffen würden, mit der jeder zufrieden war.

Energiegeladen sprang ich aus dem Bett und öffnete die zweite Balkontür, die aus einem Mückennetz bestand. Bei der Planung es Hauses hatte ich auf diese Türen bestanden, denn so mussten wir uns die Nächte nicht mit dem lästigen Summen der Blutsauger um die Ohren schlagen und konnten gefahrlos die Glastür auflassen.

Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an die Brüstung und genoss die Geräusche um mich herum. Ich nahm das warme Holz unter meinen Füßen wahr und hielt mein Haar lächelnd fest. Wie schön die Ruhe am frühen Morgen war ... Tatsächlich stand ich in den Sommermonaten zeitiger auf, um die Natur für eine stille Weile zu genießen. Sobald der Herbst und Winter kamen, fiel es mir schwerer, meine Glieder aus dem Bett zu hieven, auch wenn ich die kalten Temperaturen genauso mochte wie die Wärme.

Lange hielt ich mich jedoch nicht auf, sondern hüpfte unter die Dusche. Sauber und duftend zog ich mir einen halblangen Rock und ein Oberteil an, das die Schultern freiließ. Angesichts der Temperaturen war mein Motto: So wenig wie möglich. Im Hotel würde ich mich sowieso umziehen.

Solange das Wetter angenehm war, bevorzugte ich es, zum Hotel zu spazieren. Das Auto für den Weg zu nehmen, war unnötig. Die Beine vertreten, mit den Anwohnern sprechen und das Meer beobachten, gehörte für mich zum Tag wie das Atmen.

Übermütig hüpfte ich die Treppe hinunter und begrüßte Sven summend. Ich nahm ihn sogar in den Arm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Gut geschlafen? Ist der Kaffee schon fertig?", wollte ich wissen und spitzelte über seine Schulter. Auf einem Tablett hatte er zwei Marmeladen, Schinken, Käse, Butter und Eier drapiert.

„Guten Morgen, Freyja", lächelte Eriks Bruder mit leuchtenden Augen. „Alles schon hergerichtet. Ich habe den Tisch auf der Terrasse gedeckt. Gut siehst du aus."

Vor Freude drückte ich ihn kurz an mich und lächelte über sein Kompliment. „Die Entscheidung war perfekt. Das Wetter ist so toll, warum also drinnen sitzen?" Mit diesen Worten nahm ich das vorbereitete Tablett und trug es nach draußen. Sven folgte mir mit einer Kanne und ließ sich mir gegenüber nieder.

„Was steht heute bei dir an?", wollte er wissen, als er den Brotkorb in die Mitte schob und nach einer Scheibe Grovbrød griff.

Ich hatte es mehr auf das Knekkebrød abgesehen und belegte es großzügig mit Salat, Schinken, Gurken und Radieschen. „Heute kommen die Terrassenmöbel. Ich bin gespannt, für welche wir uns entscheiden", meinte ich und biss herzhaft in das belegte Knekkebrød. Ich liebte das Knackige und war froh, dass Sven gerade mit seiner Skive beschäftigt war. Dafür schenkte ich uns Kaffee ein und veredelte mein Getränk mit Milch und Zucker. Sobald ich heruntergeschluckt hatte, fuhr ich fort. „Außerdem will Levi uns noch die Fotografien vorlegen. Er und seine Frau reisen am Wochenende ab. Apropos ... Hast du für Oslo bereits gepackt?", erkundigte ich mich.

Sven nickte. „Halbwegs. Heute packe ich den Rest. Mein Flug geht morgen früh", antwortete er. Nachdem ich meine Bedenken geäußert hatte, war er sofort damit einverstanden gewesen. „Da ich durch das Fliegen mehr Zeit zur Verfügung habe ... soll ich dir etwas mitbringen?"

Dankend lehnte ich ab, doch dann kam mir ein Geistesblitz. „Oh, könntest du mir etwas von Pascal besorgen?", fragte ich atemlos. Die Patisserie und Konditorei war eine der Besten in Oslo, die berühmt für sein ausgezeichnetes französisches Gebäck und seine hervorragenden Kuchen waren. Das letzte Mal hatten Erik und ich uns Macaroner, Fruktkarameller, Konfektpose med hjerte und Trøffelkuler i pose gekauft. Nicht gerade billig, doch der Preis war die Qualität einfach wert gewesen.

„Was möchtest du denn?", fragte Sven, ehe er in sein Brot biss und gleich darauf einen Schluck Kaffee zu sich nahm.

„Fruktkarameller, Macaroner und Trøffelkuler i pose, bitte. Von den Trüffeln hätte ich gerne Karamell und Meersalz, und einmal Pistazie. Ich gebe dir das Geld mit", zählte ich auf. Schon bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen.

Sven winkte ab. „Lass nur, ich kaufe es dir", meinte er großzügig.

Energisch schüttelte ich den Kopf. „Nein, Sven. Die Leckereien sind teuer!", beharrte ich und überschlug gedanklich die Preise. Svens Gesichtszüge entglitten und ich bemerkte, dass es für ihn viel Geld war, er aber scheinbar mir etwas Gutes tun wollte. Also schlug ich einen Kompromiss vor. „Du darfst mir eins schenken, den Rest zahle aber ich!"

Damit war er einverstanden und sein Lächeln kehrte wieder zurück. Ich ging ins Haus, holte meine Geldbörse und legte ihm das Geld auf den Tisch. „Von den Macronen in der Schachtel möchte ich bitte die 24-er Größe. Die kostet allein schon knapp 680 Kronen", erklärte ich und beobachtete Sven, wie er sich Notizen machte. „Du kannst auch gerne anrufen, wenn etwas ist. Du meldest dich doch in der Woche, oder?", fragte ich hoffnungsvoll.

„Na klar. Mach dir keine Sorgen, Freyja. Es ist doch nicht das erste Mal, dass ich eine Woche nicht da bin", bemerkte er.

Das mochte stimmen, doch es war das erste Mal seit dem Unfall und irgendwie fühlte ich mich plötzlich elend. Wie würde die Woche ohne Sven werden? Natürlich war ich das Wochenende in Narvik und würde keine Zeit haben, mir großartig Gedanken um ihn zu machen. Oder etwa doch?

Wir verfielen in Schweigen und genossen den Morgen, ehe ich aufstand und abräumte.

„Lass nur, ich mach das", sagte Sven.

„Danke", erwiderte ich mit einem Blick auf die Uhr. Dann konnte ich bereits zur Arbeit gehen. „Also gut, bis heute Abend. Pass auf dich auf." Ich umrundete den Tisch, gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange und konnte mich plötzlich nicht mehr verstehen, als ich zaghaft meine Lippen auf seine legte. Er schien wohl genauso überrascht wie ich zu sein, denn er zuckte zusammen und erwiderte ihn vorsichtig. Was tat ich da gerade nur?

Eilig löste ich den Kuss und wandte mich zum Gehen, doch Sven griff nach meinem Handgelenk. „Freyja ...", flüsterte er.

Ich schaffte es nicht, mich umzudrehen oder etwas zu sagen. War ich von allen guten Geistern verlassen?

„Das war ... überraschend und schön ... Magst du mich wirklich?", hörte ich Sven nuscheln.

„J-Ja, ich mag dich, Sven", erwiderte ich mit klopfendem Herzen. Ich räusperte mich und entzog ihm vorsichtig meine Hand. „Wir sehen uns heute Abend. Bis dann."

Schnellen Schrittes ging ich ins Haus, schnappte mir meine Schuhe und meine kleine Umhängetasche und überprüfte, ob ich alles dabeihatte. Mehr als Schlüssel, Geldbörse, Smartphone und Sonnenmilch brauchte ich nicht.

Ohne noch etwas zu sagen, verließ ich das Haus und wagte erst dann wieder tief einzuatmen. Ich war tatsächlich von allen guten Geistern verlassen! Warum hatte ich Sven geküsst?

Weil ich ihn mag!

Aber er war Eriks Bruder, was große Hemmungen in mir verursachte.

Sven mag mich auch. Aber liebt er mich? Oder versucht er nur, mir über die Trauer hinwegzuhelfen?

„Denk jetzt nicht darüber nach, Freyja", murmelte ich. „Frag Idun, die weiß sicher, was zu tun ist."

Zuerst waren jedoch andere Dinge wichtig und je näher ich dem Hotel kam, desto mehr geriet der Kuss in Vergessenheit. Malerisch wurde das Gebäude von der Sonne erhellt. Fast schon so, als wäre es eine Art Ruhepol für mich.

Der Moment verflog, als ich ein Knattern wahrnahm. Prince Charming war schon von Weitem zu hören.

„Der Prinz trifft gleich ein ... ich sollte einen roten Teppich ausrollen", flüsterte ich und musste plötzlich lachen. Allein die Vorstellung ließ mich anhalten und umdrehen. Merkwürdig, wie ausgerechnet Adrian mich erheiterte, obwohl ich nur seine Kawasaki hörte. Fast schon mutterseelenallein fuhr er die Hauptstraße entlang.

Unser Prince Charming. Was er wohl heute wieder auf Lager hat?

Bei mir angekommen, hielt er an der Seite an und hob grüßend die Hand. „Guten Morgen, Freyja. Soll ich Sie das Stück mitnehmen?", fragte er.

Entsetzt schüttelte ich den Kopf. „Sie bringen mich unter keinen Umständen auf Ihr Mörderteil, Adrian. Lieber laufe ich und lasse mich von einem Auto überfahren, als mich auf die Maschine zu setzen", bemerkte ich trocken, was Adrian dunkel lachen ließ.

„So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Sie können sich auch an mir festhalten." Kam es mir nur so vor oder funkelten seine Augen belustigt? „Prince Charming ist brav, versprochen", meinte er im Brustton der Überzeugung.

Ich fand mein Grinsen wieder und lachte laut. „Vielleicht ist er brav, aber Sie?", feixte ich.

„Ich bin immer brav", verteidigte sich der Amerikaner und nahm seinen Helm ab. Sein schwarzes, glänzendes Haar war leicht verstrubbelt, doch der Wind schien es zu richten.

„Eher glaube ich an Aliens", erwiderte ich nüchtern, konnte aber nicht anders, als weiterhin zu lachen. „Sie können ruhig vorausfahren, Adrian. Es ist ja nicht mehr weit."

„Wollen Sie mich loswerden?"

Hätte er mich das am Anfang gefragt, hätte ich bejaht. Jetzt jedoch ... „Nein, aber Sie müssen meinetwegen nicht die Maschine schieben", sagte ich.

„Das macht mir nichts aus", versicherte Adrian und verstaute seinen Helm in einer der Boxen. Dann kam er auf den Fußgängerweg und wir setzten uns in Bewegung. „Der Morgen ist traumhaft schön. Ich habe mit Nic eine kleine Tour unternommen, bevor ich ihn an der Schule abgesetzt habe. Sie glauben nicht, wie wunderschön es war", erzählte er begeistert.

Ich warf ihm einen Blick zu und stellte fest, wie unterschiedlich seine Augen funkelten. Sein blaues fast wie der Ozean, sein grünes wie ein Smaragd oder Jade. „Doch, ich glaube, ich kann Ihre Eindrücke nachvollziehen", antwortete ich schmunzelnd. Schließlich lebte ich seit der Geburt in Andenes, kannte jeden Winkel und fast ganz Norwegen. „Ich freue mich, wenn es Ihnen gefallen hat. Gerade im Sommer können Sie die Schönheit der Natur genießen."

„Genau deswegen stehen wir zurzeit noch früher als sonst auf. Die permanente Helligkeit macht uns zu schaffen und da dachten wir, nutzen wir eben die Stunden", erklärte Adrian.

Mitleidig geworden legte ich ihm eine Hand auf den Arm, was ihn zum Stehen brachte. „Sie sind nicht der Einzige, der darunter leidet. Viele Menschen kommen in den Sommermonaten kaum zur Ruhe, selbst die Einheimischen. Haben Sie bereits eine Schlafmaske ausprobiert?"

Adrian verneinte. „Wo kann ich eine besorgen?"

„Bunnpris verkauft welche", meinte ich, nannte ihm aber noch zwei weitere Läden, in denen er fündig werden würde.

„Danke, das werden wir ausprobieren", sagte Adrian lächelnd. „Ein wenig mehr Schlaf wäre vorteilhaft, andererseits möchte ich keine Sekunde in diesem bezaubernden Land verpassen."

Wir erreichten das Hotel und er stellte sein Motorrad ab.

„Sagen Sie das noch einmal im Winter, wenn es 24 Stunden permanent dunkel ist, Adrian. Dann werden Sie sich den Sommer zurücksehnen", bemerkte ich nüchtern.

„Dafür bekommen wir aber eine Chance, endlich Nordlichter zu sehen!", widersprach er energisch.

Kichernd wartete ich auf ihn und schüttelte langsam den Kopf. „Sie sehen in allem etwas Gutes, oder?", wollte ich wissen.

„Fast. Nur mit positiven Gedanken kommt man durchs Leben. Die Zeit ist zu wertvoll, als sie mit dunklen und negativen Gedanken zu füllen."

Wie recht er damit hatte, wurde mir in dem Augenblick klar. Kleinlaut geworden und zu Boden blickend, stimmte ich ihm zu. Mein Stimmungswechsel schien ihm aufzufallen, denn er nahm sanft meine Hand.

„Was nicht heißt, dass solche Gedanken verboten sind. Sie gehören zum Leben dazu, aber wir sind diejenigen, die entscheiden, wie weit sie uns beeinflussen", flüsterte er und ich hob meinen Blick. Auch jetzt faszinierten mich seine Augen, die mich nachdenklich musterten. „Jeder hat manchmal schlechte Tage, auch ich. Aber im Moment möchte ich mich lieber den schönen Seiten des Lebens widmen."

Seine Stimme war nur ein Hauch und doch waren seine Worte so klar, dass ich sie verstand. „Sie haben recht", murmelte ich. Vielleicht sollte ich mir seine Worte zu Herzen nehmen ...

„Kommen Sie, heute kommen endlich die Terrassenmöbel!", sagte Adrian plötzlich enthusiastisch und ließ meine Hand los, um sein Motorrad abzuschließen und seinen Helm hervorzuholen. Ob er mich damit aufheitern wollte?

„Haben Sie sich überlegt, wie Sie die nicht gebrauchten Möbel zu Ihnen bringen?", fragte ich auf dem Weg hinein. Bevor wir uns weiter unterhielten, begrüßten wir die Belegschaft, wechselten einige Worte und versprachen, in wenigen Minuten bei ihnen zu sein.

Erst auf dem Weg zu den Umkleideräumen äußerte sich Adrian zu meiner Frage. „Idun hat angeboten, sie zu bringen", sagte er.

„Wo ist Idun eigentlich?", fragte ich und runzelte die Stirn. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich weder ihr Auto noch sie selbst gesehen hatte.

„Das finden wir sicher gleich heraus", meinte Adrian zwinkernd und unsere Wege trennten sich vor den Umkleideräumen.

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Skive = eine Scheibe Brot

Macaroner = Macarons

Fruktkarameller = Fruchtkaramell

Konfektpose med hjerte = Süßwarenbeutel mit Herz

Trøffelkuler i pose = Trüffelkugeln im Beutel
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