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2022 09 14: Besser offline [by Liana-Medea]

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFreundschaft / P12 / Gen
14.09.2022
14.09.2022
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1.175
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Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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14.09.2022 1.175
 
Tag der Veröffentlichung: TT.MM.2022
Titel der Geschichte:
Song: “Mehr als nur ein Like” von Amy Wald
Autor: Liana-Medea
Kommentar des Autors: Die Idee dazu hatte ich, weil mir, während ich den Song gehört habe, sofort die Worte einer anderen queeren Frau ins Gedächtnis kamen: "Hier brauchst du nicht versuchen, aktiv online zu daten".  Tja und dann ist das ganze etwas außer Kontrolle geraten... Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!



Besser offline


Entnervt legte Theresa das Handy zur Seite. Marie hatte definitiv recht gehabt, das war ein Fehler gewesen. Dabei war ihr ihr Plan gestern noch so gut vorgekommen – sie war neu hier, warum sollte sie also nicht ein paar queere Datingwebsites ausprobieren? Nur, dass von den ungefähr fünfhundert Profilen vielleicht zehn aktiv waren und davon sprach Theresa keins an.

Immerhin hatte sie noch keine seltsamen Anfragen bekommen – dafür allerdings schon Werbung für das Bezahlangebot der Website. Vermutlich war es offline doch einfacher.

„Ach Resa, geh doch zum CSD-Basteln am Dienstag- da erreichst du vermutlich mehr“, war Maries Kommentar gewesen, „online daten ist hier einfach nur eine Katastrophe  - es gibt vielleicht fünf aktive Profile und eins davon gehört mir“. Nun, Marie hatte etwas übertrieben, aber zehn aktive Profile waren nicht viel besser als fünf.

Offensichtlich war das CSD-Basteln wirklich ihre beste Chance – auch wenn Theresa keine Ahnung hatte, wo dieser Raum nun war und Marie war leider keine große Hilfe: „Tut mir leid, ich muss da arbeiten, sonst wäre ich selbst gerne hingegangen, aber du findest das schon, es ist nicht zu verfehlen“.

Als ob Marie es verschrien hatte, dachte sich Theresa drei Tage später, als sie das Gebäude suchte. Nicht zu verfehlen? Wohl eher nicht zu finden oder zumindest nicht für Google Maps. Zum Glück sah Theresa nach einer Weile einen jungen Mann mit einem Regenbogenanstecker am Rucksack in Richtung einer Seitenstraße verschwinden und folgte ihm.

Und tatsächlich, das Gebäude war nicht zu verfehlen, wenn man eben die richtige Straße gefunden hätte – außen war mehr als eine Regenbogenflagge befestigt, es war klar, das sie am richtigen Ort war.

Von drinnen hörte sie Stimmen  – als Theresa durch die Tür trat, sah sie, dass das Basteln schon im vollen Gange war. Und es waren deutlich mehr Menschen da, als Theresa gedacht hatte – aber wo sollte sie sich am besten dazusetzen, wenn sie niemanden kannte?

Zu den Menschen, die fleißig Pride-Flags ausschnitten und daraus dekorative Girlanden bastelten? Zu den Menschen, die sich Schilder für die Demonstration bastelten? Zu denjenigen, die ein Banner bemalten? So blieb sie überfordert neben der Tür stehen.

Zum Glück schien sie jemand bemerkt zu haben – eine junge Frau, die laut ihrem Namensschild „Wilma“ hieß. „Willkommen beim Basteln – schnapp dir ruhig einen Anstecker und schreib deinen Namen und deine Pronomen drauf“, während sie das sagte, hielt sie Theresa schon einen Anstecker und einen Stift hin.

Theresa nahm den Stift und schrieb ihren Namen und ihre Pronomen auf den Anstecker. Währenddessen fragte Wilma sie, wo sie sich am liebsten dazusetzen wollte.  Theresa überlegte kurz und entschied sich dann dafür, sich zu den Menschen dazuzusetzen, die Schilder für den CSD bemalten.

„Hi Leute, das ist Theresa – macht mal ein bisschen Platz hier, sie möchte gerne auch ein Schild für den CSD basteln“, verkündete Wilma. Die Menschen rückten etwas mehr zusammen und Theresa setzte sich an den freigewordenen Platz, neben einen jungen Mann, der bereits fleißig am Malen war.

„Hi, ich bin Caroline“, stellte sich eine junge Frau vor, die Theresa gegenüber saß und ihr Schild mit Bleistift beschrieb. „Möchtest du erst ein Skizzenblatt?“, fragte sie dann. „Gerne  – ich weiß noch nicht so wirklich, was ich schreiben oder malen soll“, gab Theresa zu.

„Das geht uns aber allen so“, warf eine Person vom Kopfende des Tisches ein. „Ich weiß auch nie wirklich, was ich machen möchte. Und heute habe ich schon das dritte Skizzenblatt angefangen, weil ich einfach nie zufrieden bin – irgendwie finde ich immer noch ein besseres Zitat“. Alle lachten.

„Du hast aber auch genügend Material, Robin – wenn ich mich richtig erinnere, hast du doch schon mal die Playlist für den CSD erstellt, oder?“, erkundigte sich der junge Mann neben Theresa.  Robin nickte: „Und genau das ist das Problem“

„Bist du nicht diesen Jahr dran, Simon?“, erkundigte sich die einzige Person am Tisch, die noch nichts gesagt hatte – laut ihrem Namensschild hieß sie Helena. Simon, der junge Mann neben Theresa, schaute auf: „Ja, stimmt, ich bin dran, die ist aber noch fertig – ich bin einfach noch nicht zufrieden“, er wirkte zerknirscht. „Ich weiß, dass die am Samstag fertig sein muss, aber irgendwie bin ich grad nur noch am Zweifeln. Was ist, wenn die Songs nicht passen? Oder sie unangemessen sind?“

Theresa wollte sich schon einmischen, aber Robin war schneller: „Was ist denn drauf? Born This Way? Ein paar Klassiker und etwas Neueres?“, Simon nickte, „Dann werden die Menschen zufrieden sein – ok, es wird immer welche geben, deren Musikgeschmack du nicht triffst, aber dagegen kannst du nichts machen.  Und vergiss nicht, es kann nicht mehr schlimmer werden als Alex´ Versuch einer Playlist“.

Alle prusteten los, Theresa musste verständnislos dreingeblickt haben, denn Caroline erklärte: „Er hat damals gemeint, „Born This Way“ und „Regenbogenfarben“ auf Dauerschleife wären eine gute Idee– ich mag beide Songs, aber nicht auf Dauerschleife“.

Jetzt musste Theresa auch grinsen: „Hilfe! Habt ihr das dann auf der ganzen Demo ertragen müssen?“. Helena winkte ab: „Zum Glück nicht, wir hatten noch die von letztem Jahr auf Lager und sie stattdessen abgespielt - ansonsten wären wir wirklich wahnsinnig geworden“.

Während sie geredet hatten, hatte Caroline ihr Schild fast fertig beschrieben und sie hielt es hoch: „Girls like girls like boys do – nothing new*“ stand dort. „Hayley Kiyoko?“, kam es gleichzeitig von Theresa und Helena. „Exakt – jetzt muss ich es nur noch ausmalen“.

Und das war leichter gesagt als getan, weil erst viele Farben angemischt werden mussten. Theresa hatte ursprünglich an etwas in den Farben der lesbischen Pride Flag gedacht, aber verwarf den Gedanken wieder, weil sie die Farben nicht perfekt genug mischen konnte.

Aber ein Songzitat war eine gute Idee: „I told my mom it´s not a phase ´cause I kissed a girl and I liked it**“ und das noch in Regenbogenfarben klang doch nach einem Plan. Auch Robin schien sich für ein Zitat entschieden zu haben und es in Regenbogenfarben auf das Schild zu malen. Simons Schild war sowieso schon halb fertig – er bemalte auch noch die Rückseite, anstatt dort einen Stab zu befestigen.

Er war daher auch der Einzige, der einen Föhn benutzte, alle anderen warteten geduldig, bis ihre Schilder trocken waren. Währenddessen tauschten sie Nummern aus. „Wir haben hier auch regelmäßige Treffen und schauen beispielsweise gemeinsam Filme an. Nach dem CSD schauen wir „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, du kannst gerne vorbeischauen“, lud sie Caroline zudem ein.

Als Theresa sich schließlich mit dem trockenen Schild auf den Heimweg machte, wusste sie, dass Marie definitiv recht gehabt hatte.  Hier funktionierte alles definitiv besser offline.

* "Girls Like Girls" von Hayley Kiyoko
** "girls, girls, girls" von FLETCHER
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