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Auf dem Reiterhof

Kurzbeschreibung
KurzgeschichteRomance / P12 / Het
Ally Henson Dan Price
11.09.2022
11.09.2022
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„Ally?“, rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer. „Komm mal bitte kurz her. Es ist wichtig.“ Schnell verabschiedete ich mich von Jackie und Emma und loggte mich aus dem Chatroom aus. Im Wohnzimmer sah ich meine Eltern mit bedrückten Mienen am Esstisch sitzen. Besorgt nahm ich Platz. Meine Mutter griff nach meiner Hand: „Meine Tante Elisa hatte einen Unfall. Wir wissen noch nicht, wie schlimm es ist, aber wir müssen sofort zu ihr fahren. Kannst du dieses Wochenende auf den Reiterhof aufpassen?“ Ich schluckte. Großtante Elisa hatte mir als Kind immer Süßigkeiten zugesteckt, wenn meine Eltern nicht hingesehen hatten. „Natürlich kümmere ich mich um den Hof. Aber haltet mich bitte auf dem Laufenden.“ „Danke, Liebling!“ Hastig küsste sie mich auf die Stirn und ehe ich mich versah, waren sie aus der Tür und das Geräusch des Motors verklang in der Nacht.

Unruhig lief ich immer schneller. Den ganzen Tag hatte ich mich schon mit dieser Nervosität herumschlagen müssen. Selbst die Pferde hatten es gemerkt und die Arbeit war eine Qual gewesen. Ich bog um die letzte Ecke und sah unser Haus vor mir. Außer Atem schloss ich die Tür auf und warf einen Blick auf den Anrufbeantworter. Keine neue Nachricht. Ich schenkte mir ein Glas Wasser ein und als ich zum Trinken ansetzen wollte, klingelte es. „Reitschule Hensen. Was kann ich für Sie tun?“ „Hallo Ally, wir sind’s.“ Erleichtert vernahm ich die Stimme meiner Mutter. „Tante Elisa geht es so weit ganz gut. Allerdings wird sie in den nächsten Wochen noch Hilfe brauchen. Ich weiß, dass du dir die Zeit nach deinem College-Abschluss anders vorgestellt hast, aber könntest du die nächsten Wochen weiter die Farm übernehmen?“ „Ja, natürlich.“ Meine Mutter seufzte erleichtert. „Danke, Liebes! Ich weiß nicht, was wir ohne dich machen würden.“ Ich schluckte. Allein die Farm zu unterhalten würde Schwerstarbeit werden und auf die Hilfe von Damon konnte ich nicht zählen. Er machte gerade sein Auslandssemester in Kanada und hatte bald Prüfungen. Erschlagen ließ ich mich auf den Stuhl fallen. Das würde nichts werden mit dem Urlaub in Singapur und Deutschland.

Ich striegelte gerade Prince als mich eine vertraute Stimme aus den Gedanken riss: „Hallo Ally!“  Ich erstarrte. Diese Stimme würde ich immer wiedererkennen. Wie lange war es jetzt her, dass wir uns gesehen haben? Bestimmt fünf Jahre.  Und trotzdem lief mir immer noch ein Schauer über den Rücken. Langsam drehte ich mich um und betrachtete ihn. An die Tür angelehnt, im Karohemd und Arbeitsstiefeln grinste er mich schief an. Er hatte sich verändert - er war muskulöser geworden und auf seinen Wangen konnte ich Bartstoppeln erkennen – nur sein Lächeln war immer noch das Gleiche. „Hallo, Dan!“
Lächelnd ging ich auf ihn zu. „Lange nicht gesehen.“ Er lachte: „Ja, es ist schon etwas her.“ „Was führt dich denn hier her?“ „Dein Vater hat mich angerufen und erzählt, dass du dich die nächsten Wochen allein um den Reiterhof kümmern musst.“ „Und jetzt bist du hier?“ „Ja, ein wenig Unterstützung wäre doch nicht schlecht und dein Vater meinte, dass wir doch früher so ein tolles Team waren.“ Er verstummte. Peinlich berührt schaute ich zur Seite. Wir waren ein tolles Team gewesen. Früher… bevor die Sache passiert war. Schnell schüttelte ich den Gedanken ab und gemeinsam gingen wir ins Haus.

„Und jetzt sitzt er in Damons Zimmer“, schloss ich meinen Bericht und ließ mich in meinen Stuhl zurückfallen. „Also lebst du jetzt die nächsten Wochen mit Dan zusammen?“, fragte Jackie vorsichtig. „Nachdem du ihn nach…“ Sie stockte. „… Jahren nicht mehr gesehen hast?“ Ich nickte und legte meinen Kopf auf meinen Händen ab. „Und habt ihr darüber gesprochen, was damals passiert ist?“, fragte Emma. Meine Muskeln verkrampften sich und ich murmelte: „Nein, ich weiß nicht, ob ich das überhaupt will.“ „Ally! Ihr müsst das klären!“ Aufgebracht unterbrach mich Emma und Jackie sah mich vorwurfsvoll an. „Ihr könnt doch nicht einfach so tun, als ob nichts gewesen wäre.“ „Aber wie soll ich das denn machen? Was ist, wenn er sich nicht mehr daran erinnert? Oder es für ihn einfach nicht wichtig ist?“ „Ally!“ Emma schüttelte den Kopf. „Rede mit ihm!“ „Na gut“, lenkte ich ein. „Falls sich die Gelegenheit ergeben sollte.“
Es war alles wie früher. Wir verstanden uns immer noch blind. Während ich die Pferde für den Unterricht fertig machte, mistete er die Ställe aus. Und als ob keine Zeit vergangen wäre, merkte ich immer noch, wie oft mein Blick zu ihm wanderte und wie die Schmetterlinge in meinem Bauch tanzten, wenn wir uns aus Versehen berührten. Nachdem ich das letzte Pferd in den Stall gebracht hatte, ging ich vollkommen erschöpft zurück ins Haus. Ich schnupperte. Es roch nach Pfannkuchen. Neugierig folgte ich dem Geruch in die Küche. Überrascht sah ich Dan an, der mit einer Schürze am Herd stand und gerade einen Pfannkuchen wendete. „Ah, hi Ally. Ich habe Pfannkuchen gemacht. Dauert noch etwa 15 min.“ „Äh... super. Ich gehe noch schnell duschen.“
Ich spürte das warme Wasser über meine verspannten Schultern laufen. Seit wann konnte Dan kochen? Und warum fühlte es sich so vertraut an mit ihm zusammenzuleben? Nur weil wir das mal als Teenager gemacht hatten? Bei Hector und mir hatte sich das nie so angefühlt. So ungezwungen. Schnell rief ich mich wieder zur Ordnung. Dan und ich waren nur… Kollegen. Und Hector war Vergangenheit.
Frisch geduscht ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und verschlang gleich meinen ersten Pfannkuchen. „Sehr lecker“, nuschelte ich mit vollem Mund, was Dan ein Lachen entlockte. Nachdem wir eine Weile schweigend gegessen hatten, unterbrach ich zögerlich die Stelle: „Was hast du eigentlich die letzten Jahre so gemacht?“ „Ich habe in Melbourne an einem Leistungsstützpunkt für Springpferde gearbeitet.“ Beeindruckt schaute ich ihn an. „Springreiten? Wie bist du denn darangekommen?“ Dan zuckte nur mit den Schultern: „Hat sich irgendwie so ergeben. Ich weiß auch nicht.“ Er lächelte mich an und meine Knie wurden weich. Zum Glück saß ich. „Wie sieht es bei dir aus?“ „Ich habe BWL studiert.“ Überrascht riss er die Augen auf. „BWL? Das hätte ich jetzt nicht gedacht.“ Ich lachte. „Ich habe das auch nur gemacht, damit ich irgendwann die Reitschule übernehmen kann.“ Dan lächelte mich sanft an: „Das hört sich schon mehr nach der Ally an, die ich kenne.“ Ich merkte, wie sich meine Mundwinkel ebenfalls zu einem Lächeln verzogen. Die Bartstoppeln ließen ihn älter aussehen. Mein Blick wanderte weiter über sein Gesicht und blieb schließlich an seinen Augen hängen. Mein Lächeln vertiefte sich. Ein Scheppern schreckte uns auf. „Ähm... ich gehe mal draußen schauen, was da so einen Lärm gemacht hat.“ Hastig eilte ich aus dem Haus und die kühle Luft schlug mir entgegen. Tief atmete ich ein. Was war das da gerade? Ich atmete tief ein und wieder aus. Bitte nicht schon wieder.
Keiner von uns beiden erwähnte diesen seltsamen Moment. Wir taten die nächsten Tage einfach so als ob nichts gewesen wäre. Aber trotzdem hatte sich was verändert. Abends kochten wir zusammen, schauten einen Film oder saßen einfach nur zusammen auf dem Sofa, während jeder mit sich selbst beschäftigt war. Aber nachts wachte ich mit rasendem Herzen auf und brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. „Heute Nacht soll es einen Sternschnuppenschauer geben“, meinte Dan zwei Wochen später. „Hast du Lust ihn mit mir anzuschauen?“ Ich lächelte, während die Schmetterlinge in meinem Bauch Samba tanzten: „Sehr gerne.“

Die Sonne stand schon tief am Himmel als wir unsere Pferde sattelten. Gemächlich ritten wir durch das Outback zu einer etwas versteckt liegenden Aussichtsplattform. Der Himmel färbte sich bereits rot als wir ankamen und unser Picknick auspackten. Wir plauderten über alles und nichts, nur ein Thema vermieden wir beide. Da entdeckte ich die erste Sternschnuppe. Er lag so dicht neben mir, dass ich seine Körperwärme spürte. Ich betrachtete die Sternschnuppen, schloss die Augen und wünschte mir was. „Was hast du dir gewünscht?“, flüsterte Dan leise. Ich lachte: „Wenn ich dir das verrate, wird es nicht wahr.“ Stille breitete sich aus.
„Ich war damals total in dich verknallt.“ Dans Stimme war kaum lauter als ein Wispern. „Wirklich? Warum hast du dann so reagiert als ich dir gesagt habe, was ich für dich empfinde?“ „Wovon sprichst du?“ Überraschung klang aus seiner Stimme. „Von dem Abend, bevor ich fürs Studium weggezogen bin.“ Dan drehte den Kopf zu mir, so dass wir uns anschauten. Seine Miene war unergründlich: „Das einzige, wovon ich mich an diesem Abend erinnere, ist, wie du den ganzen Abend mit Luke geflirtet hast.“ Er schluckte. Ungewollt musste ich lachen. „Luke hat mir nur Mut gemacht, endlich mit dir zu sprechen. Erinnerst du dich nicht mehr an unser Gespräch?“ Hatte er deswegen nie etwas gesagt? Beschämt schaute er wieder in den Himmel. „Ich habe an dem Abend wohl doch mehr getrunken als ich dachte.“ Er machte eine kurze Pause. „Worum ging es denn in dem Gespräch?“ Ich holte tief Luft. Jetzt oder nie. „Ich habe dir gesagt, wie gerne ich dich habe und du bist völlig hysterisch geworden.“ „Ich bin so ein Idiot“, murmelte Dan. Erst war es nur eine leichte Berührung, aber dann spürte ich Dans Hand deutlich an meiner. Vorsichtig verschränkte ich meine Finger mit seinen. Dann sah er mich einen Moment an, bevor er etwas lauter fortfuhr: „Ich habe dich damals gemocht und wenn ich ehrlich bin, mag ich dich jetzt immer noch genauso sehr wie damals.“ Langsam näherten sich unsere Gesichter. Die kühle Luft, der harte Boden und seine Nähe waren mir mehr als überdeutlich bewusst. Doch in dem Moment, in dem sich unsere Lippen berührten, verschwand alles um mich rum.
 
 
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