the sea hates a coward
von eigengrau
Kurzbeschreibung
❝ pathetic. ❞ [Anmeldung geschlossen]
MitmachgeschichteAbenteuer, Freundschaft / P16 / Gen
OC (Own Character)
07.09.2022
23.03.2023
11
45.621
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Dieses Kapitel
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15.09.2022
3.828
chapter o1.
Emory wollte die Augen schließen, der Szene, die sich vor ihm abspielte, keine Aufmerksamkeit schenken. Doch so sehr er sich bemühte, er schaffte es einfach nicht, seinen Blick abzuwenden.
Während seine Wangen und seine Ohren immer stärker glühten, waren es doch seine Augen, die brannten. Weil er einfach nicht genug Selbstbeherrschung besaß, um sich zusammenzureißen.
Emorys Blick lag auf Moxley. Er konnte ihm ansehen, wie es hinter seiner, in Falten gelegten Stirn, zu arbeiten begonnen hatte. Wie er vor seinen inneren Stilaugen den Stoff, in welchen sein Gesicht noch immer gebettet war, zur Seite schob und sich die Rundungen des weiblichen Körpers, der ihn vor einem jähen Sturz bewahrt hatte, einprägte.
In einem vergeblichen Versuch, die Hitze, die sich immer weiter in seinem Körper ausbreitete, zu stoppen, legte Emory sich die kalten Finger an die Wangen. Auch, um zu verbergen, wie rot er bereits geworden war.
Im Gegensatz zu ihm, schien Moxley jegliches Schamgefühl abhandengekommen zu sein. Seine rauen Finger zuckten unruhig. Fast so, als würde er ein imaginäres Paar Brüste abtasten und jegliche Form und Größe, der er je begegnet war, mit dem Dekolletee vergleichen, in welchem er gelandet war.
Je länger Emory ihn dabei betrachtete, desto mehr bezweifelte er, dass Moxley zufällig in seine Gegenüber gestolpert war.
Emorys Blick glitt zur Seite. Glühende Wangen, heißer als jeder Waldbrand und ein Herz, dass schneller Schlug, als das eines Häschens auf der Flucht. Die Scham über das Verhalten Moxleys zerfraß ihn. Und doch fühlte er sich nicht bereit, einzuschreiten und dem Ganzen ein vorzeitiges Ende zu setzen.
Emorys letzte Hoffnung beruhte darauf, dass die Fremde mit Sicherheit selbst etwas unternehmen würde, wenn Moxley zu weit ging. Immerhin war sie, auch dank ihrer erhöhten Holzsandalen, ein gutes Stück größer, als die beiden Männer. – Etwas, was Moxley in diesem Moment leider sehr zugute kam.
Dieser machte sich derweil immer noch nicht die Mühe, die gierigen Augen weiter nach oben wandern zu lassen, um einen Blick auf das Gesicht der Fremden zu erhaschen. Vielmehr legte er den Kopf etwas schief, um die Oberweite, die sich vor ihm ergoss, noch intensiver zu betrachten. Ganz so, als würde sich die Antwort auf alle Fragen des Universums genau dort verstecken.
»Ich komm nicht drauf.«, kam es schließlich nachdenklich von Moxley. »Entweder, wir hatten mal was miteinander, oder ich hab dich verdroschen. Oder beides? – Du siehst aus, als könnte dir das gefallen. Wärst du so gut, dein Hemd auszuziehen, um mir auf die Sprünge zu helfen?«
»Moxley.«
Für einen Moment glaubte Emory, dass sein Mund sich verselbstständigt hatte. Doch dafür war die Art, wie der Name gefallen war, nicht einmal ansatzweise entrüstet genug gewesen. Die Stimme der Fremden klang zwar geringfügig angewidert, im Großen und Ganzen schien sie jedoch eher belustigt.
Erstmals traute auch Emory sich, die großgewachsene Frau genauer zu betrachten. Lange, grüne Haare, flossen über ihren teilweise entblößten Rücken. Das Gewand, was sie trug, erinnerte ihn an die Illustrationen aus Büchern über Ka no Kuni, die er als Kind verschlungen hatte.
Gerade, als er den Blick weiter wandern lassen wollte, zog eine Schatten in seinem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit auf sich.
Mit Schrecken verfolgte Emory, wie die Fremde Moxleys Kinn ergriff. Ihre langen Fingernägel kratzen über seine raue Haut, über den wilden Bartansatz. So weiß, wie ihre Fingerknöchel hervortraten, schien sie äußerst fest zuzupacken. Doch in Moxleys Mimik spiegelte sich kein Anzeichen von Schmerz. Nur das verwegene Lächeln auf seinen Lippen ließ erkennen, dass er überhaupt noch registrierte, was gerade mit ihm passierte.
Betont langsam hob die Fremde die Hand und zog somit auch Moxleys Blickwinkel immer weiter nach oben. Sekunden, nachdem sie ihn dazu zwang, Augenkontakt mit ihr aufzubauen, blitzen seine Augen auf.
»Nobubaka!« Der lüsterne Tonfall kehrte sogleich zurück. »Du bist groß geworden.«
Emory würde jegliche seiner Malutensilien darauf verwetten, dass Moxley damit keineswegs auf die Körpergröße der Frau, sondern ihre Brüste anspielte.
Die Hitze in seinen Wangen wurde immer unerträglicher.
»Nobunaga.«
»Nobubaka.«, grinsend überging Moxley ihre Berichtigung. »Sag ich doch.«
Für einen viel zu kurzen – aber sehr erleichternden – Augenblick wich jegliche sexuelle Spannung, die sich zwischen den beiden aufgebaut hatte. Nur, um einer noch intensiveren ihren Platz zu überlassen.
Blitze zuckten. Die Luft um die beiden herum schien zu vibrieren. Und für einen Moment glaubte Emory, dass die Zeit um ihn herum angehalten hatte. So still schien die Schwanhilde plötzlich.
So heiß, wie ihm zuvor gewesen war, so kalt war der Schauer, der ihm über den Rücken jagte.
Er hatte das Gefühl, einschreiten zu müssen, doch selbst, wenn Emory über den nötigen Mut verfügt hätte, die beiden Raubtiere voneinander zu trennen, so war sein Körper noch immer nicht bereit, diesem wahnwitzigen Impuls Folge zu leisten.
»Schön, dass du nicht abgeschmiert bist.« Moxley klang gelangweilt und doch war es eben diese desinteressierte Beiläufigkeit, die die Situation augenblicklich aufzulockern wusste. »Haben die Schläge früher sich also doch bezahlt gemacht, was?«
»Du verprügelst kleine Mädchen!?«, entfuhr es Emory entsetzt.
Moxleys Augen blitzen gefährlich auf, als sie ihn unvermittelt fixierten. »Willst du es herausfinden?«
Emorys Versuch, dem Augenkontakt standzuhalten, scheiterte bereits nach wenigen Augenblicken. Das verächtliche Schnauben aus Moxleys Richtung hatte er sich mit Sicherheit nicht nur eingebildet. Warum musste der einzige Kerl, der Informationen über seinen Vater hatte, ausgerechnet so sein.
»Kleiner, zieh Leine und mach der Dame Platz.«
»Aber was ist mit-«
Emory kam nicht dazu, seinen Einwand zu beenden, da Moxley ihn augenblicklich mit einem ‚wird’s bald‘ zum Schweigen brachte. Dass er eigentlich das Bad aufsuchen wollte, schien er über den unverhofften Ausblick vollkommen vergessen zu haben.
Ungelenk ließ Emory sich von seinem Hocker rutschen. Der Gedanke daran, dass er Nobunaga seinen Platz aus Höflichkeit und guter Etikette überließ und nicht, weil Moxley ihm eine Heidenangst einjagte, war weniger tröstlich, als er gehofft hatte. Und auch das Lächeln, welches sie ihm schenkte, während sie sich auf seinem Platz niederließ, half nicht dabei, Emorys Unmut zu überwinden.
Unschlüssig ließ er seinen Blick durch den Raum wandern. Anstatt an einem leeren Barhocker, den er sich heranziehen konnte, blieb er jedoch nur wieder an Moxley hängen, dessen Augen Nobunaga, ohne jegliche Scham, auszogen.
»Bestell dir, was du willst. Geht auf den Kleinen.«
»Ähm-«, begann Emory schwach, wurde jedoch sogleich von einer begeisterten Nobunaga übertönt.
»Mega, danke!«
Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, noch einmal etwas einzuwenden, sagte Moxleys Blick ihm deutlich, dass er die Chance nicht ergreifen sollte, wenn er heute noch eine Antwort auf irgendetwas haben, oder zumindest lebend aus der Schwanhilde kommen wollte.
Während Emory sich Gedanken darüber machte, wie er es, trotz der neuen Ablenkung dennoch schaffen konnte, das Gespräch wieder zu seinem Vater zu lenken, bekam er nur beiläufig mit, wie nicht nur Nobu sich ein Getränk auf seinen Nacken bestellte, sondern auch Moxley noch einmal ordentlich zulangte.
Dass Moxley Emory noch immer eindeutige Blicke zuwerfen konnte, die dem Blonden verdeutlichen sollten, endlich abzuhauen, war, gemessen an dem Pegel, den er bereits erreicht haben musste, ebenso erstaunlich wie frustrierend. Doch Emory dachte gar nicht daran, das Weite zu suchen. Dies schien auch Moxley zu begreifen, der es nach einigen weiteren Minuten schließlich aufgab, Emory nonverbale Einläufe zu verpassen, sondern seinen Blick nun ausschließlich auf die schönen Dinge im Leben eines Mannes richtete.
Nobunaga ließ sich davon nicht beirren. Mit kräftigen Zügen hatte sie ihr erstes Bier bereits geleert und wartete nun darauf, dass Alma ihr das nächste servierte. Auf eine deutlich zurückhaltendere Art ähnelte das Glitzern in ihren Augen dem, welches Emory auch bei Moxley hatte beobachten können. Was sie wohl in die Fänge des Alkohols getrieben hatte?
»Wieso trinkst du eigentlich nichts?«
Ihre helle, klare Stimme, war eine willkommene Abwechslung zu Moxleys rauch- und rumgetränkter. Und doch bot sich Emory keine Möglichkeit, auf die Frage, die klar an ihn gerichtet gewesen war, zu antworten.
»Scheiße, du bist ja immer noch da.« Moxley, der sich mittlerweile eine Zigarette angezündet hatte, blies den Rauch gezielt in Emorys Richtung. »Ist nicht langsam Schlafenszeit für dich?«
Emory versuchte den stinkenden Dunst mit einer Handbewegung zu vertreiben, doch das wilde Fächern schien ihn nur noch mehr an Ort und Stelle zu halten, sodass er nach wenigen Sekunden resigniert die Hand senkte.
»Du wirst mich nicht los.« Anders, als der Wille, den Qualm weg zu wedeln, war sein Wunsch nach Antworten längst nicht gebrochen. »Nicht, bevor du mir nicht mehr erzählst. Und könntest du den Rauch bitte nicht in mein Gesicht blasen?«
»Kleiner, ich erzähl dir gleich, was du mir bla-«
»Wer ist eigentlich die halbe Portion?«, fiel Nobunaga ihm ins Wort. »Sag bloß, du hast doch noch ein Kind in die Welt gesetzt?«
Moxley verschluckte sich an seinem Rum. Er würgte und hustete und für einen Moment glaubte Emory, er würde all das, was er innerhalb der letzten eineinhalb Stunden in sich hineingekippt hatte, gleich zum zweiten Mal zu Gesicht bekommen. Doch Moxley fing sich wieder und betrachtete Nobunaga nun mit sichtlich angewiderter Mine.
»In meinem ganzen Leben bin ich noch nie so beleidigt worden. Ich meine, sieh ihn dir doch nur mal an« Ohne Vorwarnung packte Moxley Emory grob am Haarschopf, verpasste ihm einen Ruck und hielt sein Gesicht vor das von Nobunaga, sodass diese einen besseren Blick auf ihn werfen konnte.
»Er hat eine Fresse zum Reinschlagen. Und diese schmierige blonde Friese. Ganz zu schweigen von dem dummen Lächeln und dem träumerischen Funkeln in den Augen, das schreit: Seht mich an. Ich bin ein erbärmlicher kleiner Loser, aber eines Tages wird die Welt mich beachten, ganz bestimmt. Buhu.«
Er ließ Emory los und wischte die Hand an der Hose ab, als ob er Dreck davon abstreifen musste. Anstatt sich von der Geste angegriffen zu fühlen, bemühte Emory sich indes, seine schmerzende Kopfhaut zu massieren.
»Ist doch offensichtlich, dass das Zars Drecksbalg ist.«
»Äh-äh?« Nobunaga knallte das Bierglas, aus welchem sie soeben trinken wollte, lautstark auf die Theke. »Lazarus hat einen Sohn!?«
Emory zuckte zusammen. Nicht, weil der Knall oder ihre laute Stimme ihn erschreckt hatten. Es war weniger die Art, wie sie ihre Worte gerufen hatte, als das, was sie gesagt hatte.
Allmählich fühlte er sich verdammt veralbert. Kannte hier plötzlich jeder seinen Vater?
Ehe Emory seinen Unmut jedoch öffentlich äußern konnte, spürte er einen unvermittelten Druck auf seinen Unterkiefer. Sein Versuch, sich loszureißen, wurde von Nobunaga ohne Anstrengung unterbunden.
Ebenso wie Moxley zuvor, hatte sie nun sein Kinn gepackt und drehte seinen Kopf erst nach links und dann nach rechts.
»Ich dachte, du willst mich verarschen.« Nobunagas Blick lag auf Moxley. »Aber stimmt. Dieselbe krumme Nase.«
»Ey!«
Endlich schaffte Emory es, sich ihrem Griff zu entziehen. Augenblicklich senkte er den Kopf, um seine arme, perfekte Nase aus dem Blickfeld der Frau zu ziehen, die ihn beleidigte, ehe sie überhaupt seinen Namen kannte.
Dies schien nun auch Nobunaga aufzufallen, schließlich verließ die Frage danach nur Sekunden später ihren Mund.
»Emory.«
»Passt zu dir.«, sie lächelte freundlich und hielt Emory dadurch davon ab, nachzufragen, was das nun wieder bedeuten sollte. »Ich bin Nobu.«
Emory nickte ihr zu, doch Nobu schien ihn schon gar nicht mehr zu beachten. Anstatt sich ihm oder Moxley zuzuwenden, hatte sie sich zu ihrem Sitznachbar auf der anderen Seite gedreht. »Wärst du so freundlich, meinem Freund hier deinen Platz zu überlassen?«
So freundlich der Ton ihrer Stimme auch klang, so tödlich war der Blick, den sie dem jungen Mann schenkte, der sich, ebenso wie Emory es getan hätte, leise grummelnd von seinem Hocker gleiten ließ.
Mit einer viel zu leichten Bewegung hob die junge Frau den Sitz mit einem Arm an und ließ ihn nur Millimeter vor Emorys Füßen zu Boden fallen. Ihre Augen strahlten.
»Willst du gar nicht fragen, was ich hier mache?«
Moxley schien absolut nicht davon begeistert, dass Nobu sich – und damit auch ihre Körpermitte – nun Emory zugewandt hatte. Die junge Frau überging seinen Kommentar jedoch einfach und fokussierte weiter Emory.
»Dass du Zars Sohn bist, erklärt auf jeden Fall, wie du zu dem da kommst.« Ihr Blick traf Moxley. »Ihr habt anscheinend dasselbe Talent für seltsame Gestalten.«
»Du-«
»Was soll das denn heißen!?«
Moxley hatte sich auf seinen linken Arm gestützt, den Kopf lässig auf dem Handballen abgelegt, während zwischen seinen Fingern bereits die nächste Zigarette balancierte. Der Blick, den er Nobunaga zuwarf, ließ erkennen, dass er ihr noch immer nicht verziehen hatte, dass sie Emory zuvor für seinen Sohn gehalten hatte. Dass sie nun noch mehr Seitenhiebe verteilte, half ihr keineswegs.
»Was für seltsame Gestalten?«
»Gestalten wie ihn.« Nobu deutete zunächst auf Moxley, der leise grummelte, dann tippte sie gegen das einzelne Horn, welches aus ihrer Stirn entsprang. »Und mich.«
Sie schien ihm die Verunsicherung anzusehen, weshalb sie weitersprach, ehe Emory etwas einwenden konnte.
»Ich weiß nicht, ob es an eurem Blut liegt, aber ihr zieht nur die schrägsten Vögel an.« Sie grinste, ehe sie sich zu Moxley drehte. »Weißt du noch, Lesley?«
»Der verdammte Fischkopf.« Moxley knurrte leise. »An sonnigen Tagen habe ich den Bastard am anderen Ende des Decks gerochen.«
»Oh ja.«
Kurz grinsten die beiden sich stumm an. Emory ließ seinen Blick zwischen ihnen hin und her schweifen. Auf eine seltsame Art wirkten sie in diesem Moment vertrauter, als ein altes Ehepaar.
»Warum bist du gegangen? Hast du irgendwann auch mitbekommen, dass V dich nachts immer angestarrt hat? Oder hat Birch deinen ganzen Schnaps geleert?«
»Weder noch.« Moxleys Stimme war plötzlich eine Spur klarer. »Außerdem habe ich seinen Schnaps geleert. Sagen wir, es hat sich einfach so ergeben.«
»Moxley.« Ihr Blick nagelte ihn fest. »Bei dir ergibt sich nichts einfach so.«
»Könnt ihr mir jetzt mal sagen, über wen ihr die ganze Zeit redet!?«
Emory hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Entrüstet starrte er von einem zum anderen. Anders, als erhofft, schien jedoch keiner der beiden bereit, ihm zu antworten. Moxley ließ sich gerade noch dazu herab, mit den Augen zu rollen, ehe er Alma heranwinkte, um eine neue Bestellung in Auftrag zu geben. Nobu hingegen beachtete ihn gar nicht, sondern ließ schnell zwei weitere Bier auf den Deckel schreiben.
Alma nickte, noch immer ohne ein Zeichen der Müdigkeit oder des Unmutes im Gesicht und verschwand sogleich hinter dem Tresen. Keine zwei Minuten später stellte sie drei Gläser vor den Saufkumpanen ab.
»Für dich.«
Nobunaga hatte Emory eines der Biergläser in die Hand gedrückt, ehe der Junge so richtig wusste, wie ihm geschah.
»Ich trinke nicht. Danke.«
»Wenn du Antworten willst, trinkst du.«
Ihr Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. Emory schluckte schwer. In seinem Kopf wägte er das Für und Wider ab, doch schon nach wenigen Sekunden war ihm klar, dass das Für ‚Antworten‘ alle Wider überschatten würde.
Vorsichtig führte er das viel zu schwere Glas zum Mund.
Der herbe Geschmack des Bieres breitete sich innerhalb von Sekunden in Emorys Mund aus. Der viel zu bittere Schaum benetzte seine Lippen und hätte er nicht im letzten Moment reagiert, hätte er beinahe auch die Nase darin eingetaucht.
Während er sich bemühte, nicht zu peinliche Grimassen zu schneiden, schien Nobu äußerst zufrieden mit ihm und mit sich selbst.
»Die Crew deines Vaters.«
»Wart ihr in seiner Crew?«
»Trink.«
Nobus Blick ruhte nicht auf Emory, sondern auf dem Glas, welches er bereits wieder hatte sinken lassen.
Innerlich fluchte Emory, doch das Gefühl, den Antworten auf all seine Fragen näher als je zuvor zu sein, trieb den Alkohol hinein. Er nahm einen weiteren Schluck.
»Ja.«
»Wenn du mich schon trinken lässt, dann antworte mir wenigstens richtig.«, beleidigt plusterte Emory die kribbelnden Wangen auf.
»Ja, wir waren Teil seiner Crew.«
Emory brauchte einen Moment, um die Information sacken zu lassen.
Nicht nur, dass er hier, auf seiner Heimatinsel, eine Person getroffen hatte, die seinen Vater kannte. Er hatte sogar zwei Personen auf seiner Heimatinsel getroffen, die seinen Vater nicht nur kannten, sondern Teil seiner Crew gewesen waren. Wie viel Glück konnte ein einzelner Mensch haben?
»Und warum seid ihr hier? Und nicht bei ihm?«
»Trink.«
Wachsam verfolgte Nobu, dass sich das Glas, welches Emory zum Mund führte, tatsächlich etwas weiter leerte. Erst, als sie sich sicher war, dass er nicht betrog, setzte sie zu ihrer nächsten Antwort an. Nicht, ohne vorher in einem Schluck so viel aus ihrem eigenen Glas zu trinken, wie Emory in drei nicht vermocht hatte.
»Ich bin schon seit knapp 10 Jahren raus. Hab nach was gesucht, was mehr Berrys abwirft, als den Schiffsjungen für eine Gruppe Trunkenbolde zu spielen. Dass Moxley gegangen ist, weiß ich auch erst seit zwei Jahren. Laut Birch ist es aber auch schon länger her, dass er die Crew verlassen hat.«
»Du hast sie nochmal getroffen?«
Moxley, der nur noch mit halbem Ohr zugehört hatte, war plötzlich wieder hellwach. In seiner Stimme schwang jedoch keinerlei Freude über das angebliche Treffen zwischen seinen alten Kameraden mit.
»Nur Birch. Hab ihn in ner Bar getroffen, wir haben ein bisschen was getrunken, er hat erzählt, dass du nicht mehr dabei bist und sich dann verabschiedet, weil er noch ne Verabredung hatte.«
»Hmm.«
Ihre Antwort schien Moxley nicht zu befriedigen. Doch er hakte nicht weiter nach und gab Emory somit wieder die Möglichkeit, das Gespräch mit Nobu fortzusetzen. Ehe sie ihm auf irgendetwas antwortete, verlange sie jedoch von ihm, sein Bier zur Hälfte auszutrinken.
»Bier ist etwas, womit man sich anfreunden muss. Das dauert ein paar Liter. Und wenn du es noch wärmer werden lässt, schmeckt es dir noch weniger.«
Den Hinweis, dass Emory sich mit dem Bier gar nicht anfreunden wollte, dass seine Wangen jetzt schon kribbelten, als würde ein Kolonie Ameisen über ihn hinwegkrabbeln und brannten, als wäre das Feuer der Scham, welches zwischendurch erloschen war, neu entfacht worden, schluckte er hinunter.
»Wie alt bist du eigentlich?«
»Neunzehn.«
Beinahe hätte Emory sich an dem Bier verschluckt, so perplex starrte Nobu ihn an.
»Neunzehn? Ernsthaft?« Sie schien wahrhaftig auf eine andere Antwort zu warten. »Ich hätte dich auf maximal fünfzehn geschätzt.«
»Und dann gibst du mir Bier?«
So argwöhnisch, wie sie ihn betrachtete, glaubte Emory, dass sie die Frage nicht einmal verstanden hatte. Kein Wunder, so, wie sie das goldene Gebräu in sich hineinschüttete, hatte sie bereits jahrelange Übung.
Seine Vermutung wurde nur Sekunden später bestätigt.
»Bei uns bekommen alle Kinder Sake. Hilft beim Wachstum. Und beim Einschlafen.« Nobu schien einen Moment zu grübeln. »Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir nichts ein, wobei Sake nicht hilft. Aber wenn du das nicht kennst, ist es kein Wunder, dass das aus dir geworden ist.«
»Wo sie Recht hat.«
Moxley, der mittlerweile nicht mehr allzu gerade auf seinem Hocker saß, hob das Glas, als ob er auf Nobu anstoßen wollte und ließ den kümmerlichen Rest des Rums in seinem Rachen verschwinden.
Nobu überging seine Geste vollkommen. Sie hing mit ihren Gedanken noch immer bei Emorys nahezu nicht existentem Alkoholkonsum der Vergangenheit. Etwas, was sich für sie absolut nicht einordnen ließ.
»Was bist du eigentlich?«
Erfüllt von Mut, dessen Ursprung Emory sich beim besten Willen nicht erklären konnte, versuchte er, die Frage so abwertend wie möglich klingen zu lassen. Wenn Nobu pausenlos gegen ihn austeilte, dann konnte er ihr dies ebenso zurückzahlen.
»Das wüsstest du wohl gerne.«
Selbstbewusst grinste Nobu auf Emory herab. Das spitze Horn, dass aus ihrer Stirn ragte, glänzte im fahlen Licht.
Unsicher, wie er mit der Situation umgehen sollte, griff Emory nach seinem Bier und trank das letzte Viertel, welches er bis jetzt hatte umgehen können, mit wenigen Zügen leer.
»Bist du etwa jetzt schon auf den Geschmack gekommen?«
Nein, auf den Geschmack gekommen, war er ganz sicher nicht. Doch die Art, wie Nobu ihn musterte, ehrlich beeindruckt, zeigte, dass die Aktion zumindest die gewünschte Wirkung erzielt hatte.
Zumindest im Kern, denn womit Emory nicht gerechnet hatte, war, dass sie ihm nur Sekunden später das nächste Glas in die Hand drücken würde.
Dennoch wirkte Nobu plötzlich deutlich lockerer. Ihre Lippen umspielte ein leicht verschmitztes Lächeln, in ihren Augen blitze es verheißungsvoll.
»Ein Oni, Käpt’n.«
»Was?«, perplex schnellte Emorys Blick in die Höhe. »Wieso-«
»Du stellst Fragen. Keine Ahnung, wieso. Meine Eltern waren-«
»Nein, das meine ich nicht.«, zerknirscht schüttelte Emory den Kopf, sodass seine blonden Haare durch die Luft wirbelten. »Käpt’n. Warum nennst du mich so? Das hast du vorhin auch schon.«
»Würde ich auch gerne wissen.«
Vier Augen flogen zu Moxley, der zwischenzeitlich bereits für scheintot erklärt worden war. Sein Kopf ruhte auf seinen überkreuzten Armen, die, dank seiner stattlichen Größe, die Emory zuvor gar nicht so aufgefallen war, einen recht großen Teil der Tresenfläche einnahmen.
»Wenn ihr überprüfen wollt, wer eure kleine Wette gewinnt, müsst ihr wohl oder übel gemeinsam in See stechen.«, so, wie sie es formulierte, ließ Nobu keinen Zweifel daran zu, dass die Sache für sie bereits in Stein gemeißelt war. »Ich komme mit. Als Schiedsrichter. Und weil ihr gerade die angenehmste Möglichkeit seid, dieses Kuh-Kaff wieder zu verlassen.«
Sie pausierte, um einen tiefen Schluck von ihrem Bier zu nehmen.
»Ihr habt beide nicht das Zeug zum Käpt’n. Aber der Kleine bleibt wenigstens nüchtern. Also wird er’s.«
Abwartend betrachtete Nobunaga ihre Begleiter. Während Moxley die Worte noch nicht ganz verarbeitet zu haben schien – sonst hätte er längst lauthals protestiert – wirkte Emory, möglicherweise wegen der hohen Erwartungen, die plötzlich an ihn gestellt worden, leicht grünlich im Gesicht.
»Ach, guck nicht so. Wir wissen beide, dass du das nicht hinkriegst, also mach dir keinen Druck.«
Aufmunternd klopfte sie ihm auf den schmalen Rücken. Anstatt ihr zuzunicken und sich, eigentümlich bestärkt von ihren Worten, wieder etwas weiter aufzurichten, zog Emory jedoch nur scharf die Luft ein und rutschte dann, viel zu hektisch, von seinem Barhocker.
Moxley hatte es noch nicht einmal geschafft, den Kopf zu heben, da war Emory bereits aus dem Schankraum gestürmt.
»Was hat der Hosenscheißer denn jetzt?« Moxleys Blick wanderte zu Nobu, die viel zu breit grinste.
»Keine Ahnung. Bis gerade war noch alles gut.«, unschuldig blinzelte sie Moxley an. »Vielleicht hat er aber auch den Schnaps nicht vertragen, der in seinem Bier gelandet ist.«
Moxley schüttelte den Kopf, ehe er ihn wieder auf seine Arme sinken ließ. »Bier verschwenden. Aber mir sagen, ich wäre das Letzte. Ist klar.«
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nachwort
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nachwort
Hey ihr Lieben,
wie versprochen nun das erste richtige Kapitel. Ich bin wirklich überwältigt davon, wie groß die Resonanz trotz meiner… interessanten Kurzbeschreibung ist und freue mich sehr über die eingegangenen Anmeldungen!
Natürlich bleibt die Anmeldephase weiterhin, wie angekündigt, bestehen. Auch am Einsendeschluss ändert sich nichts.
Die nächsten drei vorgeschriebenen Kapitel werde ich nun im 2-Wochen-Takt hochladen. Somit kommt das letzte Kapitel kurz vor Einsendeschluss und ihr habt weiterhin die Möglichkeit, meine lieben Charaktere näher kennenzulernen.
Vielen Dank an der Stelle auch noch einmal für eure lieben Mails, an Kiraya für die Review, und an all diejenigen, die diese Geschichte anklicken und lesen!
Bei Fragen schreibt mir weiterhin gerne, ich bemühe mich, so zügig wie möglich zu antworten.
Ebenso bemühe ich mich, die Website immer fleißig zu updaten. Mit dem Erscheinen dieses Kapitels ist eine weitere Seite, unzwar die von Nobunaga, für euch zugänglich. Finden müsst ihr sie jedoch selbst.
Um euch dabei aber zumindest ein wenig unter die Arme zu greifen hier nochmal der Link zur Website.
Ein dickes, fettes Dankeschön an alle, die es bis hierher geschafft haben!
eigengrau ❤️
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