Gefunden
von Mindy
Kurzbeschreibung
Dank Asmodeus’ vermeintlichem Geschenk an Alec, könnte er die gewonnene Unsterblichkeit mit Magnus genießen, doch dieser glaubt nicht an gute Absichten seines Vaters, was einen Schatten auf ihre sonst glückliche Ehe wirft. Andrew und Lorenzo versuchen derweil, sich von ihrer Trennung zu erholen und gehen dabei völlig verschiedene Wege, während Simon und Clary ihre ganz eigene Mission verfolgen. Möglicherweise finden sie dabei aber mehr, als sie geplant hatten – und mehr, als gut für sie ist. (Fortsetzung von ,,Verloren")
GeschichteDrama, Schmerz/Trost / P16 / MaleSlash
Alexander "Alec" Lightwood
Andrew Underhill
Clarissa "Clary" Fray
Isabelle "Izzy" Lightwood
Lorenzo Rey
Magnus Bane
21.08.2022
26.09.2023
48
206.597
28
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Dieses Kapitel
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18.09.2023
4.028
Huhu ihr Lieben,
bin immer noch nicht ganz gesund, darum hinke ich auch mit den Kapiteln hinterher, aber hier noch zum Montagabend - der Anfang der Woche ist immer am härtesten!
Und uiiii, 27 Sterne, mal sehen, ob wir noch die 30 knacken bis zum Ende XD Dem nähern wir uns ja jetzt in großen Schritten, wie ihr merkt.^^
Viel Spaß!
__________________________
„…wenn du viel zu tun hast, ist das immer übel und nicht nur, weil ich dann kaum Zeit mit dir verbringen kann“, murmelte Ariana, die mit Sam in der Krankenstation des Instituts stand und auf die belegten Betten blickte.
Lindsay saß an Vivians Bett, in dem diese noch schlief und sich von ihren Verletzungen erholte.
Der Vampir-Deputy Liam saß mit Satoshi an dessen Krankenbett und spielte ein Kartenspiel, obwohl dieser eine Schulter noch im Verband hatte. Überhaupt war es faszinierend, wie sie spielen konnten, denn zu Liams Schutz hatten sie die Fenster um Satoshis Bett verhüllt, um das Sonnenlicht fernzuhalten.
Jasmin, Sams Assistentin, tadelte Satoshi gerade, es langsamer angehen zu lassen, während sie geschickt Amys Wunde im Bett gegenüber verband.
Diese starrte für ihre Verhältnisse recht nachdenklich an die Wand, bis Liam ihr eine Karte an den Kopf schnippte und meinte, sie solle mit ihnen spielen, wenn Jasmin fertig sei.
„Au, die hat fast mein Piercing getroffen! Warte ab, dafür ziehe ich dir jeden Cent aus der Tasche!“
„Wir spielen gar nicht um Geld.“
„Ab jetzt schon, seid keine Waschlappen.“
Sam nickte seufzend. „Die Unterweltler heilen zum Glück viel schneller als wir, das hilft…“
„Es hilft bestimmt auch, dass du dich und dein Team so weitergebildet hast in diesem Bereich“, erinnerte Ariana.
Schließlich hatte Sam einige Fortbildungen dazu besucht und sogar gehalten, wie man mit verschiedenen Wunden bei Unterweltlern umging, wie man ihnen Schmerzen nehmen konnte und was man beachten musste, im Unterschied zur Behandlung von Nephilim.
Zwar wurde ihnen in der Ausbildung alles über Unterweltler beigebracht, aber eher, wie man sie unschädlich machen, verletzen und töten konnte, wenn sie eine Gefahr darstellten. Mit ihrer Physiologie zum Ziel ihrer Heilung oder bestmöglichen Versorgung, hatte man sich zuvor nie derart intensiv beschäftigt.
Jasmin hatte Sam tatkräftig dabei unterstützt, auch die anderen Ärzte und Ärztinnen hier entsprechend fortzubilden und bald würde Sam sogar eine institutsübergreifende Veranstaltung dazu leiten, weil er in diesem Bereich so progressiv arbeitete.
Ariana war sehr stolz darauf, dass Sam diese neue Aufgabe von Anfang an derart ernst genommen hatte und ihm das Wohlergehen der Deputies ebenso wichtig war wie das der Nephilim.
Dafür sprach ferner, dass er eine Elbin eingestellt hatte, die hier seit einigen Monaten als Ärztin arbeitete.
Gwenhwyfar hatte das Deputy-Programm erst zur Hälfte abgeschlossen, allerdings gab es noch immer verhältnismäßig wenig Elben, die sich überhaupt darum bemühten. Einerseits, weil Königin Dineth es wohl nicht gerne sah, andererseits, weil Schattenjäger den Elben am meisten von allen Unterweltlern misstrauten, da sie zur Hälfte Dämon waren und ihr Komplott, erst mit Valentine, später mit Jonathan, nicht dazu beigetragen hatte, eine tiefere Vertrauensbasis zu schaffen.
Gwenhwyfar hatte trotz guter Ergebnisse und intensivem Bemühen nirgends Anschluss finden können, also hatte Sam sich ein Herz gefasst und sich ihrer angenommen, indem er sie in sein Team geholt hatte.
Wie alle Elben verfügte sie über umfangreiches Heilwissen und zeigte sich scheinbar sehr wissbegierig darin, mehr über Nephilim und andere Unterweltler zu lernen, um auch sie optimal versorgen zu können.
Durch das Vertrauen, das Sam der Elbin schenkte, baute er neue Brücken zwischen ihren Völkern und auch darauf war Ariana natürlich sehr stolz…wäre da nicht das Problem, dass Gwenhwyfar unverschämt schön war, eben wie eine typische Elbin.
Die strahlend blauen Augen, die in ihrem Gesicht glänzten wie sonnenbeschienene Seen, die makellose Haut, das schulterlange, dunkelbraune Haar, das sich mal in sanften Wellen, mal in perfekt springenden Locken präsentierte, als hätte Gwenhwyfar einen persönlichen Hairstylisten Zuhause, der sich morgens um ihre Frisur kümmerte, dazu die üppigen Brüste und gut gebauten, breiten Hüften…selbst in der schlichten Uniform der Ärzte und Pfleger hier sah sie so großartig aus, dass Ariana sich persönlich davon veräppelt fühlte, wenn ihr Kinn im Vergleich mal wieder einen Pickel ausspuckte, nur, weil sie zu wenig geschlafen oder zu viel Kaffee getrunken hatte.
Die Engel hätten sie nicht nur über gewöhnliche Mundie- Krankheiten erhaben machen können, sondern auch über so etwas…
„Die Schattenjäger sind größtenteils aber auch wieder hergestellt“, fuhr Sam jetzt fort und riss Ariana aus ihren Gedanken darüber, wie sie Gwenhwyfar eben solch einen Kaffee vielleicht mal ganz ausversehen über die helle Hose goss. „Sie brauchen vor allem Ruhe, weil sie so viel Energie abgegeben haben.“
„Ja. Weil sie Andrew gerettet haben.“
Das würde Ariana niemals vergessen.
Sie hatte an diesem Abend deutlich gespürt, dass etwas Furchtbares geschehen war.
Erst hatte sie es nicht zuordnen können, denn in letzter Zeit spielte ihr Körper ein wenig verrückt, aber dieses Gefühl war anders gewesen: Als wäre ihr Herz stehen geblieben und als müsse sie grundlos in Tränen ausbrechen, ohne jemals wieder damit aufhören zu können.
Inzwischen wusste sie, dass dies der Augenblick gewesen war, in dem ihr Bruder beim Kampf in der Kirche gestorben war.
Schattenjäger wussten, dass dieser Tag eher früher als später kommen würde, dass sie ihre Eltern, Geschwister, Parabatai, Freunde oder Kinder im Kampf verlieren konnten, aber nachdem sie über 30 Jahre beieinander und sich dabei so nahe gewesen waren, hatte der bloße Gedanke an den Tod ihres Bruders Ariana beinahe völlig zusammenbrechen lassen.
Andrews Anruf hatte sie von diesem Schmerz erlöst und sie war direkt nach New York gereist, um ihn innig in die Arme zu schließen.
Sie war bereits am frühen Morgen da gewesen, als Andrew an Lorenzos Bett gewacht und all die Untersuchungen von Magnus und Sam hinter sich gebracht hatte, so dass Ariana über alles im Bilde war und die meisten dieser Informationen sogar bereits verdaut hatte.
Das Wie war ihr, wenn sie ehrlich war, letztlich herzlich egal gewesen, das Wichtigste war, dass ihr Bruder am Leben und gesund war.
„Eigentlich müsste ich ihnen allen persönlich danken…und dir, der du dich einmal wieder um meinen Bruder gekümmert hast.“ Ariana nahm Sams Hand und schenkte ihm ein Lächeln, das der Blonde sanft erwiderte.
„Ich würde alles tun, damit du glücklich bist, Ariana. Davon abgesehen ist dies meine Aufgabe und Andrew ist so ein toller Kerl…und ich will, dass er mich mag.“
„Tut er…und selbst wenn nicht, wichtig ist, dass ich dich mag.“
„Aber es hilft schon sehr, dass dein Bruder mich auch mag.“
„Das kann ich nicht leugnen.“ Verspielt schubste sie ihn mit der Schulter an und lehnte sich an ihn, was sich nach Sicherheit und Frieden anfühlte. „Die Stillen Brüder werden dafür sorgen, dass ihm jetzt nichts mehr geschehen kann, richtig?“ Sorge sprach deutlich aus Arianas Ton, obwohl sie äußerlich unbewegt blieb.
Sam schien sie wie immer zu durchschauen, denn er nickte eifrig. „Natürlich, sie werden alle Schutz- und Abwehrzauber so erneuern, dass kein Dämon an ihn heran kann. Wenn alles ohne Komplikationen funktioniert, ist er heute Abend wieder daheim.“
Daheim…das war ein gutes Stichwort.
Ariana stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Sam einen zärtlichen Kuss.
„Ich werde mal Lorenzo besuchen, wenn er nur halb so durcheinander ist, wie Andrew es war, kann er etwas Beistand gebrauchen.“
„Du bist wundervoll.“
Ariana lächelte geschmeichelt. Sie sollte aufhören, sich über Gwenhwyfar oder sonst jemanden zu sorgen. Sam liebte sie, diese Verbindung würde jeder noch so hübschen, klugen und begabten Elbin trotzen.
Und falls nicht, blieb da immer noch Arianas Fantasie mit der kochend heißen Kaffeetasse.
„Merk dir das für heute Abend“, sagte sie zwinkernd, „denn ich will schon wieder Pizza essen.“
„Wieder mit Obst?“
„Nein, ich dachte, ich versuche mal Schokolade. Schau mich nicht so an, das bieten sie auf der Karte an“, verteidigte Ariana sich lachend, ehe sie den Weg zu Lorenzos Krankenlager einschlug, auch, um Sams halb amüsiertem, halb entsetztem Blick zu entkommen.
Sie fand den Hexenmeister auf seinem Bett sitzend vor, ein Tablet auf dem Schoß und das Gesicht voller Konzentration verzogen.
Schwungvoll ließ Ariana sich auf die Bettkante fallen und nahm ihm dabei das Tablet aus der Hand. Arbeiten konnte Lorenzo später noch genug, also legte sie es auf das Fußende des Bettes.
„He“, sagte Lorenzo unwillig, allerdings glätteten sich seine Gesichtszüge, als er Ariana erkannte. Er setzte sich so, dass er seine Beine über den Bettrand strecken konnte.
„Ariana. Schön, dich zu sehen. Was führt dich her?“
„Hm, keine Ahnung, ich habe einen Fetisch für Krankenflügel.“ Sie rollte grinsend die Augen.
„Andrew ist…“
„Ich weiß, in der Stadt der Stille. Ich wollte sehen, wie es dir geht.“
Über diese Worte schien Lorenzo kurz überrascht, was genauso traurig wie liebenswert war.
„Kein Grund, mich so anzusehen, du weißt doch, dass du zur Familie gehörst.“ Sie schob sich weiter in das Bett, um bequem zu sitzen. „Ich war schon heute Morgen hier, als du noch geschlafen hast, da habe ich mich bereits mit meinem Bruder beschäftigt.“
„Vermutlich hat Andrew deinen Beistand gebraucht.“
„Na ja…erst einmal hatte ich den gebraucht, nachdem ich erfahren habe, was passiert ist.“
Den Inhalt, dass man gestorben und fast zehn Minuten tot gewesen, die Seele sogar schon aus dem Körper gefahren war, den konnte man nicht schonend übermitteln, obwohl Ariana sonst wirklich nicht zur Hysterie neigte. Da Andrew allerdings selbst aufgewühlt gewesen war, hatte ihr das geholfen, sich selbst schneller zu beruhigen, um ihm beistehen zu können.
Trotzdem, obwohl ihr Bruder wieder wohlauf war, hatte sie den schönen Traum, in die Hölle zu fahren, Charles Whitelaw dort zu finden und ihm eigenhändig jeden Knochen zu brechen.
Miguel hatte ihr bei ihrem Besuch allerdings wortreich versichert, dass das Schicksal, das Charly zuteil geworden war, ausreichend grausam und schmerzhaft war, was sie immerhin einigermaßen versöhnlich stimmte.
„Ja.“ Ein Schleier legte sich über Lorenzos Augen. „Es tut mir leid, dass dein Bruder all das meinetwegen…“
Ehe Lorenzo auf die Idee kam, sich bei ihr entschuldigen zu müssen, überbrückte Ariana den Abstand und schloss den Spanier in ihre Arme.
„Lorenzo, ich bin nicht hier, weil ich eine Entschuldigung von dir will“, sagte sie leise und drückte ihn liebevoll. „Eltern treiben ihre Kinder immer an ihre Grenzen und ein Höllenfürst ist eine ganz andere Kategorie. Trotzdem hast du alles getan, um Andrew weiter zu schützen und am Ende hast du sein Leben gerettet…du hast so viele Leben und vielleicht unsere Dimension damit gerettet, denn Belial hätte bestimmt auch ohne dich versucht, das Tor zu öffnen. Wärst du nicht sein Vertrauter gewesen, hätte man ihn vielleicht nicht einmal aufhalten können. Du bist doch sonst so klug und schätzt Logik, also kannst du das bestimmt nachvollziehen.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und löste sich wieder ein Stück, blickte dabei in sein Gesicht, das von Überraschung und Rührung gleichermaßen gezeichnet war.
„Ich bin weit weg davon mich von jeder Schuld freizusprechen, aber ich werde versuchen das wieder gut zu machen, das man mir berechtigterweise anlasten kann.“
Ariana nickte und blieb dicht neben Lorenzo sitzen, so dass ihre Schultern sich berührten. So konnte Ariana spüren, dass Lorenzo noch immer angespannt schien.
Seine folgenden Worte erklärten ihr die Ursache dafür: „Dann…hast du auch Kenntnis davon, welche Folge…von…“
Offenbar wollte Lorenzo nicht ausversehen Geheimnisse verraten, daher fiel Ariana ihm helfend ins Wort.
„Eurer Verbindung, die das Specto geschaffen hat, als du sein Leben gerettet hast? Ja. Andrew hat es mir erklärt. Er war völlig aufgelöst, weil er Angst hatte, dich damit zu verschrecken und gleich die nächste Trennung herbeizuführen. Solch eine schwerwiegende Verbindung, bei dem wörtlich das eigene Leben an dem des Partners hängt, ist nicht gerade alltäglich…du bist aber hoffentlich nicht ausgeflippt?“
„Nein, bin ich nicht…aber ich frage mich, wieso ihr diese Wortwahl in Bezug auf mich so gerne verwendet“, sagte Lorenzo mit tief gerunzelter Stirn, was Ariana fast hätte auflachen lassen.
„Wie viele Monate hat es gedauert, bis du eure regelmäßigen Treffen als Beziehung bezeichnet hast? Und das Wort Partner, das kam erst nach…“
Unwillig winkte Lorenzo ab. „Schon gut, schon gut. Die Sorge war sicher nicht unberechtigt, aber wie ich Andrew sagte: Dies ist keine Strafe, sondern ein Geschenk. Ihn in dieser Kirche sterben zu sehen…“
Jeglicher Frohgemut verließ Ariana, denn sie konnte in Lorenzos Gesicht deutlich sehen, dass er den Augenblick noch einmal durchlebte.
Andrew war diesbezüglich natürlich nicht ins Detail gegangen, doch ihre schlimmste Fantasie reichte vermutlich nicht an das heran, was Lorenzo miterlebt hatte, als Andrew in seinen Armen gestorben war und er es nicht hatte verhindern können.
Verständnisvoll ergriff sie seine Hand und hielt sie fest, während er sich sammelte.
Kurz schluckte Lorenzo, blickte ihr dann in das geduldige Gesicht und lächelte tapfer.
„Ich dachte nie zuvor, dass ich bereit wäre, mein Leben für ein anderes aufzugeben, denn ich weiß, dass man jeden Verlust überleben kann. Niemals sollte man so abhängig von einem anderen Lebewesen sein, dass man nicht ohne es existieren kann, denn wir werden alleine geboren und sterben alleine.“
„Dir ist klar, dass du dir gerade ziemlich heftig widersprichst?“
„Ich sagte, dass ich das dachte…und es ist die Wahrheit, aber nicht mehr die meinige. Mein Leben ohne Andrew war dunkel und ziellos. Es ist existieren, nicht leben. Aus diesem Grund bin ich den Engeln dankbar, dass sie ihm mittels dieser Verbindung zu mir eine zweite Chance gegeben haben…ihm und uns.“ Lorenzo lächelte derart selig, dass Ariana warm ums Herz wurde.
Aus jeder Silbe klang die Liebe, die Lorenzo für ihren Bruder empfand und die Zeit, in der die beiden getrennt gewesen waren und so gelitten hatten, schien ihr ewig her.
„Aber du weißt, wenn er auf einer Mission stirbt, bedeutet das wohl deinen Tod“, sagte sie, weil sie sicher sein wollte, dass Lorenzo wusste, worauf er sich einließ.
„Das ist mir bewusst. Doch er trägt das gleiche Risiko durch die Verbindung mit mir.“
„Schattenjäger leben allerdings gefährlicher als du das tust.“
„Das mag sein, aber, und hier spreche ich bewusst egoistisch, wenn Andrew stirbt und ich in der Sekunde seines Todes ebenfalls sterbe, muss ich mich nie wieder mit dem Schmerz des Verlusts konfrontiert sehen, wie ich es gestern tun musste. Du kannst mir glauben, es ist eine Erleichterung.“
Das war es, was Ariana hatte hören wollen.
Lächelnd drückte sie Lorenzos Hand noch einmal und ließ sie dann los. Vielleicht überdachte Lorenzo all dies, sobald er sich von dem Schock erholt hatte, aber im Moment klang er aufrichtig, das genügte ihr.
„Vor allem, dass Andrew jetzt jung bleiben und die Ewigkeit mit mir verbringen kann…“
Moment.
„Warte, warte…Auszeit“, sagte Ariana und schüttelte irritiert den Kopf, die Hände dabei hebend. „Wie ist das denn gemeint?“
Sie sah an Lorenzos großen Augen, dass er geglaubt hatte, sie wäre über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt. „Ich dachte, Sam oder Andrew…“
„Andrew war eben schon weg und Sam legt viel Wert auf seine Schweigepflicht.“ Ariana dämpfte gewaltsam ihre Stimme. „Du willst mir sagen, dass diese Verbindung…dass sie Andrew unsterblich macht?“
„…es scheint so. Es ist logisch, bedenkt man…“
Die genauen Details oder die Logik interessierten Ariana gerade allerdings nicht, zumal sie es sich ungefähr denken konnte: Das Specto benötigte für die Verbindung ein Gegengewicht und wenn Andrew von Lorenzos Lebenskraft, seiner Magie, seiner Seele profitierte, war es wohl eine logische Konsequenz, dass sich das auf seinen ganzen Organismus auswirkte.
„Beim Engel, das ist unfassbar…und so wunderbar!“ Sie schlug die Hände vor den Mund.
„Wirklich?“, fragte Lorenzo vorsichtig und legte leicht den Kopf schräg.
„Ja, natürlich! Andrew hat sich nie Gedanken deswegen gemacht, aber ich mir ehrlich gesagt schon. Ich meine, ob du ihn noch immer willst, wenn er alt und runzlig ist, wenn ihr nicht mehr ständig übereinander herfallen könnt…jetzt mach nicht so ein Gesicht, das gehört in einer Partnerschaft eben dazu. Diese Beziehungen zwischen Hexenmeistern und Sterblichen sind nicht umsonst so selten, es ist nicht einfach, für beide Seiten nicht“, erklärte Ariana ernst. „Aber so…das wäre alles, was ich mir je für Andrew gewünscht habe, es wäre das Happy End, das er sich so sehr verdient hat, nach allem, was er durchgemacht hat.“
„Dann…flippst du nicht aus ob dieser Neuigkeit?“, fragte Lorenzo und diese widersprüchliche und vor allem ungewohnte Wortwahl aus seinem Mund brachte Ariana jetzt doch zum Lachen.
„Ich flippe aus, aber auf eine gute Weise. Ich bin sehr glücklich und noch einmal, ich will dir danken, für alles.“
Denn Ariana hatte durchaus begriffen, dass Lorenzo bei dem Versuch, Andrews Leben zu retten, hätte sterben können und trotzdem hatte er es riskiert – und wenn er wirklich so froh über diese Verbindung war, wie er sagte, würde das Andrew helfen, der noch immer damit haderte, seinem Geliebten so etwas zumuten zu müssen.
„Jetzt benimm dich künftig aber bitte nicht mehr wie ein Idiot, denn ab sofort kann ich dich nicht mehr dafür lynchen, wenn du Andrew wehtust.“
„Ich werde mein Bestes tun, dir diese Bürde zu ersparen“, sagte Lorenzo trocken.
Wieder grinste Ariana.
Das hatte ihr gefehlt.
„Prima. Tja, dann gehe ich mal zu meinem Freund zurück. Du hast ja sicher auch noch etwas zu erledigen.“ Sie sprang vom Bett und nickte zum Saalende. „Ich habe gesehen, dass John Shaw da drüben liegt.“
„Und? Für seinen Verrat wird er sicher in den Gard verbracht und uns so nicht länger mit seiner zweifelhaften Anwesenheit belästigen.“
„Oooder er wird wegen seiner Mithilfe begnadigt und arbeitet weiter als Schattenjäger, vielleicht sogar hier, wo er weiter an Andrew rumgraben kann“, konterte Ariana.
Jetzt zuckten mindestens drei Muskeln in Lorenzos Gesicht. „Danke für den Hinweis. Ich werde ihn überdenken.“
„Tu das. Bis dann, Lorenzo.“
Mit einem freudigen Winken und leichtem Herzen verabschiedete sie sich.
Obwohl Lorenzo keinerlei Zweifel an a) Andrews Treue, b) seiner Liebe und c) seiner eigenen Anziehungskraft hegte, auch nicht im Vergleich zu dem braungebrannten, muskelbepackten Nephilim mit den gebleichten Zähnen, dachte Lorenzo in der nächsten Stunde intensiv über Arianas Worte nach.
Zwar würde er, wäre er der Rat, ein deutliches Exempel an John statuieren, doch bedachte man, wie viele der Abtrünnigen in der Kirche ihren Fehler eingesehen und auf der richtigen Seite gekämpft hatten, war es nicht einmal unwahrscheinlich, dass man versuchen würde, diese Loyalität zu honorieren, um die eigenen Reihen wieder zu füllen. Ähnlich war man mit ehemaligen Kreismitgliedern in der Vergangenheit verfahren.
Vielleicht würde er John Shaw wahrhaftig noch länger erdulden müssen, weil dieser unsympathische Tunichtgut seine Schuld abarbeiten durfte und dies vermutlich nicht auf einem anderen Kontinent…
Tief schnaubend stieg Lorenzo aus dem Bett und strich über sein Hemd. Natürlich hatte er sich inzwischen anständig eingekleidet, dieser grässliche Schattenjägerstoff war pures Gift für die Haut…
Er strich sich den Zopf zurück und lief durch den Raum; manchen der verwundeten Jäger nickte oder lächelte er zu. Die Toten waren vermutlich einige Räume weiter aufgebahrt.
Lorenzo hatte gehört, dass morgen oder übermorgen das Bestattungsritual stattfinden würde, um die Nephilim mit einer letzten Ehre zu den Engeln zu geleiten.
Da Unterweltler hierbei wohl wie immer nicht gestattet sein würden, würde Lorenzo Andrew beim Abschied von seinen Kameradinnen und Kameraden keinen Beistand anbieten können, aber er würde danach auf ihn warten.
Jetzt steuerte er das Bett an der rechten Fensterseite an, in dem John Shaw lag.
Sein Oberkörper war frei, daher sah Lorenzo den bandagierten Rücken. Die Wunde, die Boris ihm zugefügt hatte, war wohl zu schwer für eine sofortige Heilung durch die Iratze gewesen.
Ein wenig stellte Lorenzo dies zufrieden.
Ebenfalls zufrieden stimmte ihn, dass der Nephilim mit dem Fußgelenk an das Bett gekettet war.
Zumindest etwas gesunder Menschenverstand schien hier noch zu herrschen, denn wer konnte schon mit Sicherheit sagen, dass einer dieser Verräter es sich nicht anders überlegte und die übrigen Verletzten im Flügel des Nachts meuchelte.
„Das freut dich, hm?“
Lorenzos Blick wanderte zu Johns Gesicht, aus dem seine blauen Augen ihn abschätzig anblitzten.
Offensichtlich hatte man Lorenzo die Zufriedenheit zu deutlich angesehen.
„Diese Maßnahme ist objektiv gerechtfertigt“, erwiderte Lorenzo, nahm sich ungeniert einen freien Stuhl und setzte sich an Johns Bett.
„Schon klar. Ich bin bereits verwundet und gefangen, bist du jetzt die erwählte Folter, als Strafe für meinen Verrat?“
„Schmeichelhaft und eine äußerst erquickliche Vorstellung, aber nein.“ Lorenzo straffte die Schultern und richtete den Rücken auf. „Du bist ein Verräter und Lügner.“
„Willkommen im Club, würde ich sagen.“
Lorenzo schnitt dem Nephilim eine Grimasse. „Ich hoffe, dass du für deine Kollaboration mit den Abtrünnigen eine entsprechende Strafe erhältst. Ich habe allerdings nicht vergessen, dass du Andrews Leben gerettet hast – und mir mit deinem anonymen Hinweis geholfen hast, Whitelaw zu beseitigen und Andrew zu schützen. Dafür…bedanke ich mich.“
Johns Augenbraue zuckte hinauf. Er setzte sich etwas mehr im Bett auf und musterte Lorenzo.
„Das habe ich zwar nicht für dich getan, aber es war mir eine Freude und ich würde es wieder tun. Ich liebe Drew, das war die Wahrheit.“
„Ja, auch das habe ich nicht vergessen. Sollten sich unsere Wege noch einmal kreuzen, in welcher Weise auch immer, wirst du…“
„Was? Die Finger von Andrew lassen, weil er dir gehört?“, unterbrach John ihn spöttisch. „Ist das der Teil, an dem du mir drohst, mir sonst etwas anzutun, wenn ich nicht gehorche?“
Ein freundliches Lächeln erschien auf Lorenzos Gesicht. „Ich hätte es weitaus bedrohlicher und weniger plump formuliert, aber im Grundsatz ist das korrekt. Jedes Wiedersehen mit mir wäre schlimmer als alles, was du dir in deinen dunkelsten, grauenvollsten Vorstellungen ausmalen könntest. Selbst der Schmerz durch diese fast tödliche Schwertwunde wird im Vergleich dazu nicht mehr sein als ein Mückenstich, solltest du Andrew jemals belästigen oder versuchen, unsere Beziehung zu sabotieren.“
Johns tiefes Schlucken gefiel Lorenzo wirklich gut, denn es sprach mehr Wahrheit, als seine Antwort:
„…ich habe keine Angst vor dir. Wenn ich kann, werde ich um Drew kämpfen.“
„Die Wahl deiner Gegner ist ebenso unklug wie die deiner Verbündeten“, stellte Lorenzo fest, war aber nicht von dieser Reaktion überrascht.
Irgendwie war sie sogar beruhigend und er konnte John ansehen, dass ihn Lorenzos Lächeln irritierte.
„Lach du nur, Hexer, aber ich meine es ernst!“, blaffte John deswegen, als Lorenzo sich erhob.
„Oh, das weiß ich. Allerdings ist das, was Andrew und mich verbindet, von nichts und niemandem zu begreifen oder gar zu entzweien. Nie wieder.“
Jetzt noch weniger als jemals zuvor.
„Und obwohl ich dich absolut nicht ausstehen kann, ist der Gedanke tröstlich, dass es jemanden außer mir gibt, der Andrew liebt und ihn beschützen will.“
Davon konnte es nicht genug Menschen geben und Lorenzo wäre niemals so egoistisch, dies zu unterbinden.
„Fein.“ Grimmig lehnte John sich wieder zurück. „Denk jetzt nicht, dass uns das zu Freunden macht, aber…ich habe gehört, dass auch du Drew das Leben gerettet hast…und dank dir unser Fehler nicht zur Vernichtung der Welt geführt hat, also…danke.“
John sah aus, als hätte er sich das Wort mit einem rostigen Nagel aus dem Mund schneiden müssen, dennoch rechnete Lorenzo es ihm hoch an, dass es ihm überhaupt über die Lippen gekommen war.
Einen Augenblick maßen sie sich noch mit Blicken der gegenseitigen Antipathie, lediglich geeint durch die Liebe zu dem gleichen Mann und einen Hauch Respekt, als jemand nach Lorenzo rief.
„Lorenzo, darfst du schon wieder stehen?! Komm, ich habe Essen für dich!“
Simon…offenbar machte er einen Krankenbesuch.
Lächelnd wandte Lorenzo sich um, damit er zu seinem Lager zurückkam.
Wirklich nett, dieser Besuch.
„Es hat ganze 22 Dollar gekostet, bessere Frühlingsrollen findest du nirgends, sage ich dir!“
„…“
Nett und bemüht, aber wie immer auf dem völlig falschen Weg…
Wenn Lorenzo allerdings so in Simons erwartungsvolles Gesicht blickte, dem er sich näherte, glaubte er doch, sich mit diesem qualitativ-fragwürdigen Essen arrangieren zu können.
bin immer noch nicht ganz gesund, darum hinke ich auch mit den Kapiteln hinterher, aber hier noch zum Montagabend - der Anfang der Woche ist immer am härtesten!
Und uiiii, 27 Sterne, mal sehen, ob wir noch die 30 knacken bis zum Ende XD Dem nähern wir uns ja jetzt in großen Schritten, wie ihr merkt.^^
Viel Spaß!
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„Trotzdem…keine Geheimnisse mehr“, sagte Alec feierlich, drückte dabei seine Stirn an die von Magnus, die Augen noch immer geschlossen.
Magnus musste daran denken, wie er Alec über die Verbindung zu Jace überwachte und hatte einen Moment den Wunsch, Alec davon zu erzählen.
Magnus musste daran denken, wie er Alec über die Verbindung zu Jace überwachte und hatte einen Moment den Wunsch, Alec davon zu erzählen.
Dann würde diese Möglichkeit, etwaige Attacken von Asmodeus vorab zu entdecken aber verloren gehen, denn Alec könnte dies, bewusst oder unbewusst, sabotieren. Immerhin hatte er gerade selbst zugegeben, dass er manchmal Dinge tat, von denen er wusste, dass sie falsch waren, es ihn aber nicht genug kümmerte, um es aufhalten zu können.
„Das klingt gut…“, antwortete er daher nur und war froh, Alec in diesem Moment nicht in die Augen sehen zu müssen.
„Das klingt gut…“, antwortete er daher nur und war froh, Alec in diesem Moment nicht in die Augen sehen zu müssen.
~*~
„…wenn du viel zu tun hast, ist das immer übel und nicht nur, weil ich dann kaum Zeit mit dir verbringen kann“, murmelte Ariana, die mit Sam in der Krankenstation des Instituts stand und auf die belegten Betten blickte.
Lindsay saß an Vivians Bett, in dem diese noch schlief und sich von ihren Verletzungen erholte.
Der Vampir-Deputy Liam saß mit Satoshi an dessen Krankenbett und spielte ein Kartenspiel, obwohl dieser eine Schulter noch im Verband hatte. Überhaupt war es faszinierend, wie sie spielen konnten, denn zu Liams Schutz hatten sie die Fenster um Satoshis Bett verhüllt, um das Sonnenlicht fernzuhalten.
Jasmin, Sams Assistentin, tadelte Satoshi gerade, es langsamer angehen zu lassen, während sie geschickt Amys Wunde im Bett gegenüber verband.
Diese starrte für ihre Verhältnisse recht nachdenklich an die Wand, bis Liam ihr eine Karte an den Kopf schnippte und meinte, sie solle mit ihnen spielen, wenn Jasmin fertig sei.
„Au, die hat fast mein Piercing getroffen! Warte ab, dafür ziehe ich dir jeden Cent aus der Tasche!“
„Wir spielen gar nicht um Geld.“
„Ab jetzt schon, seid keine Waschlappen.“
Sam nickte seufzend. „Die Unterweltler heilen zum Glück viel schneller als wir, das hilft…“
„Es hilft bestimmt auch, dass du dich und dein Team so weitergebildet hast in diesem Bereich“, erinnerte Ariana.
Schließlich hatte Sam einige Fortbildungen dazu besucht und sogar gehalten, wie man mit verschiedenen Wunden bei Unterweltlern umging, wie man ihnen Schmerzen nehmen konnte und was man beachten musste, im Unterschied zur Behandlung von Nephilim.
Zwar wurde ihnen in der Ausbildung alles über Unterweltler beigebracht, aber eher, wie man sie unschädlich machen, verletzen und töten konnte, wenn sie eine Gefahr darstellten. Mit ihrer Physiologie zum Ziel ihrer Heilung oder bestmöglichen Versorgung, hatte man sich zuvor nie derart intensiv beschäftigt.
Jasmin hatte Sam tatkräftig dabei unterstützt, auch die anderen Ärzte und Ärztinnen hier entsprechend fortzubilden und bald würde Sam sogar eine institutsübergreifende Veranstaltung dazu leiten, weil er in diesem Bereich so progressiv arbeitete.
Ariana war sehr stolz darauf, dass Sam diese neue Aufgabe von Anfang an derart ernst genommen hatte und ihm das Wohlergehen der Deputies ebenso wichtig war wie das der Nephilim.
Dafür sprach ferner, dass er eine Elbin eingestellt hatte, die hier seit einigen Monaten als Ärztin arbeitete.
Gwenhwyfar hatte das Deputy-Programm erst zur Hälfte abgeschlossen, allerdings gab es noch immer verhältnismäßig wenig Elben, die sich überhaupt darum bemühten. Einerseits, weil Königin Dineth es wohl nicht gerne sah, andererseits, weil Schattenjäger den Elben am meisten von allen Unterweltlern misstrauten, da sie zur Hälfte Dämon waren und ihr Komplott, erst mit Valentine, später mit Jonathan, nicht dazu beigetragen hatte, eine tiefere Vertrauensbasis zu schaffen.
Gwenhwyfar hatte trotz guter Ergebnisse und intensivem Bemühen nirgends Anschluss finden können, also hatte Sam sich ein Herz gefasst und sich ihrer angenommen, indem er sie in sein Team geholt hatte.
Wie alle Elben verfügte sie über umfangreiches Heilwissen und zeigte sich scheinbar sehr wissbegierig darin, mehr über Nephilim und andere Unterweltler zu lernen, um auch sie optimal versorgen zu können.
Durch das Vertrauen, das Sam der Elbin schenkte, baute er neue Brücken zwischen ihren Völkern und auch darauf war Ariana natürlich sehr stolz…wäre da nicht das Problem, dass Gwenhwyfar unverschämt schön war, eben wie eine typische Elbin.
Die strahlend blauen Augen, die in ihrem Gesicht glänzten wie sonnenbeschienene Seen, die makellose Haut, das schulterlange, dunkelbraune Haar, das sich mal in sanften Wellen, mal in perfekt springenden Locken präsentierte, als hätte Gwenhwyfar einen persönlichen Hairstylisten Zuhause, der sich morgens um ihre Frisur kümmerte, dazu die üppigen Brüste und gut gebauten, breiten Hüften…selbst in der schlichten Uniform der Ärzte und Pfleger hier sah sie so großartig aus, dass Ariana sich persönlich davon veräppelt fühlte, wenn ihr Kinn im Vergleich mal wieder einen Pickel ausspuckte, nur, weil sie zu wenig geschlafen oder zu viel Kaffee getrunken hatte.
Die Engel hätten sie nicht nur über gewöhnliche Mundie- Krankheiten erhaben machen können, sondern auch über so etwas…
„Die Schattenjäger sind größtenteils aber auch wieder hergestellt“, fuhr Sam jetzt fort und riss Ariana aus ihren Gedanken darüber, wie sie Gwenhwyfar eben solch einen Kaffee vielleicht mal ganz ausversehen über die helle Hose goss. „Sie brauchen vor allem Ruhe, weil sie so viel Energie abgegeben haben.“
„Ja. Weil sie Andrew gerettet haben.“
Das würde Ariana niemals vergessen.
Sie hatte an diesem Abend deutlich gespürt, dass etwas Furchtbares geschehen war.
Erst hatte sie es nicht zuordnen können, denn in letzter Zeit spielte ihr Körper ein wenig verrückt, aber dieses Gefühl war anders gewesen: Als wäre ihr Herz stehen geblieben und als müsse sie grundlos in Tränen ausbrechen, ohne jemals wieder damit aufhören zu können.
Inzwischen wusste sie, dass dies der Augenblick gewesen war, in dem ihr Bruder beim Kampf in der Kirche gestorben war.
Schattenjäger wussten, dass dieser Tag eher früher als später kommen würde, dass sie ihre Eltern, Geschwister, Parabatai, Freunde oder Kinder im Kampf verlieren konnten, aber nachdem sie über 30 Jahre beieinander und sich dabei so nahe gewesen waren, hatte der bloße Gedanke an den Tod ihres Bruders Ariana beinahe völlig zusammenbrechen lassen.
Andrews Anruf hatte sie von diesem Schmerz erlöst und sie war direkt nach New York gereist, um ihn innig in die Arme zu schließen.
Sie war bereits am frühen Morgen da gewesen, als Andrew an Lorenzos Bett gewacht und all die Untersuchungen von Magnus und Sam hinter sich gebracht hatte, so dass Ariana über alles im Bilde war und die meisten dieser Informationen sogar bereits verdaut hatte.
Das Wie war ihr, wenn sie ehrlich war, letztlich herzlich egal gewesen, das Wichtigste war, dass ihr Bruder am Leben und gesund war.
„Eigentlich müsste ich ihnen allen persönlich danken…und dir, der du dich einmal wieder um meinen Bruder gekümmert hast.“ Ariana nahm Sams Hand und schenkte ihm ein Lächeln, das der Blonde sanft erwiderte.
„Ich würde alles tun, damit du glücklich bist, Ariana. Davon abgesehen ist dies meine Aufgabe und Andrew ist so ein toller Kerl…und ich will, dass er mich mag.“
„Tut er…und selbst wenn nicht, wichtig ist, dass ich dich mag.“
„Aber es hilft schon sehr, dass dein Bruder mich auch mag.“
„Das kann ich nicht leugnen.“ Verspielt schubste sie ihn mit der Schulter an und lehnte sich an ihn, was sich nach Sicherheit und Frieden anfühlte. „Die Stillen Brüder werden dafür sorgen, dass ihm jetzt nichts mehr geschehen kann, richtig?“ Sorge sprach deutlich aus Arianas Ton, obwohl sie äußerlich unbewegt blieb.
Sam schien sie wie immer zu durchschauen, denn er nickte eifrig. „Natürlich, sie werden alle Schutz- und Abwehrzauber so erneuern, dass kein Dämon an ihn heran kann. Wenn alles ohne Komplikationen funktioniert, ist er heute Abend wieder daheim.“
Daheim…das war ein gutes Stichwort.
Ariana stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Sam einen zärtlichen Kuss.
„Ich werde mal Lorenzo besuchen, wenn er nur halb so durcheinander ist, wie Andrew es war, kann er etwas Beistand gebrauchen.“
„Du bist wundervoll.“
Ariana lächelte geschmeichelt. Sie sollte aufhören, sich über Gwenhwyfar oder sonst jemanden zu sorgen. Sam liebte sie, diese Verbindung würde jeder noch so hübschen, klugen und begabten Elbin trotzen.
Und falls nicht, blieb da immer noch Arianas Fantasie mit der kochend heißen Kaffeetasse.
„Merk dir das für heute Abend“, sagte sie zwinkernd, „denn ich will schon wieder Pizza essen.“
„Wieder mit Obst?“
„Nein, ich dachte, ich versuche mal Schokolade. Schau mich nicht so an, das bieten sie auf der Karte an“, verteidigte Ariana sich lachend, ehe sie den Weg zu Lorenzos Krankenlager einschlug, auch, um Sams halb amüsiertem, halb entsetztem Blick zu entkommen.
Sie fand den Hexenmeister auf seinem Bett sitzend vor, ein Tablet auf dem Schoß und das Gesicht voller Konzentration verzogen.
Schwungvoll ließ Ariana sich auf die Bettkante fallen und nahm ihm dabei das Tablet aus der Hand. Arbeiten konnte Lorenzo später noch genug, also legte sie es auf das Fußende des Bettes.
„He“, sagte Lorenzo unwillig, allerdings glätteten sich seine Gesichtszüge, als er Ariana erkannte. Er setzte sich so, dass er seine Beine über den Bettrand strecken konnte.
„Ariana. Schön, dich zu sehen. Was führt dich her?“
„Hm, keine Ahnung, ich habe einen Fetisch für Krankenflügel.“ Sie rollte grinsend die Augen.
„Andrew ist…“
„Ich weiß, in der Stadt der Stille. Ich wollte sehen, wie es dir geht.“
Über diese Worte schien Lorenzo kurz überrascht, was genauso traurig wie liebenswert war.
„Kein Grund, mich so anzusehen, du weißt doch, dass du zur Familie gehörst.“ Sie schob sich weiter in das Bett, um bequem zu sitzen. „Ich war schon heute Morgen hier, als du noch geschlafen hast, da habe ich mich bereits mit meinem Bruder beschäftigt.“
„Vermutlich hat Andrew deinen Beistand gebraucht.“
„Na ja…erst einmal hatte ich den gebraucht, nachdem ich erfahren habe, was passiert ist.“
Den Inhalt, dass man gestorben und fast zehn Minuten tot gewesen, die Seele sogar schon aus dem Körper gefahren war, den konnte man nicht schonend übermitteln, obwohl Ariana sonst wirklich nicht zur Hysterie neigte. Da Andrew allerdings selbst aufgewühlt gewesen war, hatte ihr das geholfen, sich selbst schneller zu beruhigen, um ihm beistehen zu können.
Trotzdem, obwohl ihr Bruder wieder wohlauf war, hatte sie den schönen Traum, in die Hölle zu fahren, Charles Whitelaw dort zu finden und ihm eigenhändig jeden Knochen zu brechen.
Miguel hatte ihr bei ihrem Besuch allerdings wortreich versichert, dass das Schicksal, das Charly zuteil geworden war, ausreichend grausam und schmerzhaft war, was sie immerhin einigermaßen versöhnlich stimmte.
„Ja.“ Ein Schleier legte sich über Lorenzos Augen. „Es tut mir leid, dass dein Bruder all das meinetwegen…“
Ehe Lorenzo auf die Idee kam, sich bei ihr entschuldigen zu müssen, überbrückte Ariana den Abstand und schloss den Spanier in ihre Arme.
„Lorenzo, ich bin nicht hier, weil ich eine Entschuldigung von dir will“, sagte sie leise und drückte ihn liebevoll. „Eltern treiben ihre Kinder immer an ihre Grenzen und ein Höllenfürst ist eine ganz andere Kategorie. Trotzdem hast du alles getan, um Andrew weiter zu schützen und am Ende hast du sein Leben gerettet…du hast so viele Leben und vielleicht unsere Dimension damit gerettet, denn Belial hätte bestimmt auch ohne dich versucht, das Tor zu öffnen. Wärst du nicht sein Vertrauter gewesen, hätte man ihn vielleicht nicht einmal aufhalten können. Du bist doch sonst so klug und schätzt Logik, also kannst du das bestimmt nachvollziehen.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und löste sich wieder ein Stück, blickte dabei in sein Gesicht, das von Überraschung und Rührung gleichermaßen gezeichnet war.
„Ich bin weit weg davon mich von jeder Schuld freizusprechen, aber ich werde versuchen das wieder gut zu machen, das man mir berechtigterweise anlasten kann.“
Ariana nickte und blieb dicht neben Lorenzo sitzen, so dass ihre Schultern sich berührten. So konnte Ariana spüren, dass Lorenzo noch immer angespannt schien.
Seine folgenden Worte erklärten ihr die Ursache dafür: „Dann…hast du auch Kenntnis davon, welche Folge…von…“
Offenbar wollte Lorenzo nicht ausversehen Geheimnisse verraten, daher fiel Ariana ihm helfend ins Wort.
„Eurer Verbindung, die das Specto geschaffen hat, als du sein Leben gerettet hast? Ja. Andrew hat es mir erklärt. Er war völlig aufgelöst, weil er Angst hatte, dich damit zu verschrecken und gleich die nächste Trennung herbeizuführen. Solch eine schwerwiegende Verbindung, bei dem wörtlich das eigene Leben an dem des Partners hängt, ist nicht gerade alltäglich…du bist aber hoffentlich nicht ausgeflippt?“
„Nein, bin ich nicht…aber ich frage mich, wieso ihr diese Wortwahl in Bezug auf mich so gerne verwendet“, sagte Lorenzo mit tief gerunzelter Stirn, was Ariana fast hätte auflachen lassen.
„Wie viele Monate hat es gedauert, bis du eure regelmäßigen Treffen als Beziehung bezeichnet hast? Und das Wort Partner, das kam erst nach…“
Unwillig winkte Lorenzo ab. „Schon gut, schon gut. Die Sorge war sicher nicht unberechtigt, aber wie ich Andrew sagte: Dies ist keine Strafe, sondern ein Geschenk. Ihn in dieser Kirche sterben zu sehen…“
Jeglicher Frohgemut verließ Ariana, denn sie konnte in Lorenzos Gesicht deutlich sehen, dass er den Augenblick noch einmal durchlebte.
Andrew war diesbezüglich natürlich nicht ins Detail gegangen, doch ihre schlimmste Fantasie reichte vermutlich nicht an das heran, was Lorenzo miterlebt hatte, als Andrew in seinen Armen gestorben war und er es nicht hatte verhindern können.
Verständnisvoll ergriff sie seine Hand und hielt sie fest, während er sich sammelte.
Kurz schluckte Lorenzo, blickte ihr dann in das geduldige Gesicht und lächelte tapfer.
„Ich dachte nie zuvor, dass ich bereit wäre, mein Leben für ein anderes aufzugeben, denn ich weiß, dass man jeden Verlust überleben kann. Niemals sollte man so abhängig von einem anderen Lebewesen sein, dass man nicht ohne es existieren kann, denn wir werden alleine geboren und sterben alleine.“
„Dir ist klar, dass du dir gerade ziemlich heftig widersprichst?“
„Ich sagte, dass ich das dachte…und es ist die Wahrheit, aber nicht mehr die meinige. Mein Leben ohne Andrew war dunkel und ziellos. Es ist existieren, nicht leben. Aus diesem Grund bin ich den Engeln dankbar, dass sie ihm mittels dieser Verbindung zu mir eine zweite Chance gegeben haben…ihm und uns.“ Lorenzo lächelte derart selig, dass Ariana warm ums Herz wurde.
Aus jeder Silbe klang die Liebe, die Lorenzo für ihren Bruder empfand und die Zeit, in der die beiden getrennt gewesen waren und so gelitten hatten, schien ihr ewig her.
„Aber du weißt, wenn er auf einer Mission stirbt, bedeutet das wohl deinen Tod“, sagte sie, weil sie sicher sein wollte, dass Lorenzo wusste, worauf er sich einließ.
„Das ist mir bewusst. Doch er trägt das gleiche Risiko durch die Verbindung mit mir.“
„Schattenjäger leben allerdings gefährlicher als du das tust.“
„Das mag sein, aber, und hier spreche ich bewusst egoistisch, wenn Andrew stirbt und ich in der Sekunde seines Todes ebenfalls sterbe, muss ich mich nie wieder mit dem Schmerz des Verlusts konfrontiert sehen, wie ich es gestern tun musste. Du kannst mir glauben, es ist eine Erleichterung.“
Das war es, was Ariana hatte hören wollen.
Lächelnd drückte sie Lorenzos Hand noch einmal und ließ sie dann los. Vielleicht überdachte Lorenzo all dies, sobald er sich von dem Schock erholt hatte, aber im Moment klang er aufrichtig, das genügte ihr.
„Vor allem, dass Andrew jetzt jung bleiben und die Ewigkeit mit mir verbringen kann…“
Moment.
„Warte, warte…Auszeit“, sagte Ariana und schüttelte irritiert den Kopf, die Hände dabei hebend. „Wie ist das denn gemeint?“
Sie sah an Lorenzos großen Augen, dass er geglaubt hatte, sie wäre über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt. „Ich dachte, Sam oder Andrew…“
„Andrew war eben schon weg und Sam legt viel Wert auf seine Schweigepflicht.“ Ariana dämpfte gewaltsam ihre Stimme. „Du willst mir sagen, dass diese Verbindung…dass sie Andrew unsterblich macht?“
„…es scheint so. Es ist logisch, bedenkt man…“
Die genauen Details oder die Logik interessierten Ariana gerade allerdings nicht, zumal sie es sich ungefähr denken konnte: Das Specto benötigte für die Verbindung ein Gegengewicht und wenn Andrew von Lorenzos Lebenskraft, seiner Magie, seiner Seele profitierte, war es wohl eine logische Konsequenz, dass sich das auf seinen ganzen Organismus auswirkte.
„Beim Engel, das ist unfassbar…und so wunderbar!“ Sie schlug die Hände vor den Mund.
„Wirklich?“, fragte Lorenzo vorsichtig und legte leicht den Kopf schräg.
„Ja, natürlich! Andrew hat sich nie Gedanken deswegen gemacht, aber ich mir ehrlich gesagt schon. Ich meine, ob du ihn noch immer willst, wenn er alt und runzlig ist, wenn ihr nicht mehr ständig übereinander herfallen könnt…jetzt mach nicht so ein Gesicht, das gehört in einer Partnerschaft eben dazu. Diese Beziehungen zwischen Hexenmeistern und Sterblichen sind nicht umsonst so selten, es ist nicht einfach, für beide Seiten nicht“, erklärte Ariana ernst. „Aber so…das wäre alles, was ich mir je für Andrew gewünscht habe, es wäre das Happy End, das er sich so sehr verdient hat, nach allem, was er durchgemacht hat.“
„Dann…flippst du nicht aus ob dieser Neuigkeit?“, fragte Lorenzo und diese widersprüchliche und vor allem ungewohnte Wortwahl aus seinem Mund brachte Ariana jetzt doch zum Lachen.
„Ich flippe aus, aber auf eine gute Weise. Ich bin sehr glücklich und noch einmal, ich will dir danken, für alles.“
Denn Ariana hatte durchaus begriffen, dass Lorenzo bei dem Versuch, Andrews Leben zu retten, hätte sterben können und trotzdem hatte er es riskiert – und wenn er wirklich so froh über diese Verbindung war, wie er sagte, würde das Andrew helfen, der noch immer damit haderte, seinem Geliebten so etwas zumuten zu müssen.
„Jetzt benimm dich künftig aber bitte nicht mehr wie ein Idiot, denn ab sofort kann ich dich nicht mehr dafür lynchen, wenn du Andrew wehtust.“
„Ich werde mein Bestes tun, dir diese Bürde zu ersparen“, sagte Lorenzo trocken.
Wieder grinste Ariana.
Das hatte ihr gefehlt.
„Prima. Tja, dann gehe ich mal zu meinem Freund zurück. Du hast ja sicher auch noch etwas zu erledigen.“ Sie sprang vom Bett und nickte zum Saalende. „Ich habe gesehen, dass John Shaw da drüben liegt.“
„Und? Für seinen Verrat wird er sicher in den Gard verbracht und uns so nicht länger mit seiner zweifelhaften Anwesenheit belästigen.“
„Oooder er wird wegen seiner Mithilfe begnadigt und arbeitet weiter als Schattenjäger, vielleicht sogar hier, wo er weiter an Andrew rumgraben kann“, konterte Ariana.
Jetzt zuckten mindestens drei Muskeln in Lorenzos Gesicht. „Danke für den Hinweis. Ich werde ihn überdenken.“
„Tu das. Bis dann, Lorenzo.“
Mit einem freudigen Winken und leichtem Herzen verabschiedete sie sich.
~*~
Obwohl Lorenzo keinerlei Zweifel an a) Andrews Treue, b) seiner Liebe und c) seiner eigenen Anziehungskraft hegte, auch nicht im Vergleich zu dem braungebrannten, muskelbepackten Nephilim mit den gebleichten Zähnen, dachte Lorenzo in der nächsten Stunde intensiv über Arianas Worte nach.
Zwar würde er, wäre er der Rat, ein deutliches Exempel an John statuieren, doch bedachte man, wie viele der Abtrünnigen in der Kirche ihren Fehler eingesehen und auf der richtigen Seite gekämpft hatten, war es nicht einmal unwahrscheinlich, dass man versuchen würde, diese Loyalität zu honorieren, um die eigenen Reihen wieder zu füllen. Ähnlich war man mit ehemaligen Kreismitgliedern in der Vergangenheit verfahren.
Vielleicht würde er John Shaw wahrhaftig noch länger erdulden müssen, weil dieser unsympathische Tunichtgut seine Schuld abarbeiten durfte und dies vermutlich nicht auf einem anderen Kontinent…
Tief schnaubend stieg Lorenzo aus dem Bett und strich über sein Hemd. Natürlich hatte er sich inzwischen anständig eingekleidet, dieser grässliche Schattenjägerstoff war pures Gift für die Haut…
Er strich sich den Zopf zurück und lief durch den Raum; manchen der verwundeten Jäger nickte oder lächelte er zu. Die Toten waren vermutlich einige Räume weiter aufgebahrt.
Lorenzo hatte gehört, dass morgen oder übermorgen das Bestattungsritual stattfinden würde, um die Nephilim mit einer letzten Ehre zu den Engeln zu geleiten.
Da Unterweltler hierbei wohl wie immer nicht gestattet sein würden, würde Lorenzo Andrew beim Abschied von seinen Kameradinnen und Kameraden keinen Beistand anbieten können, aber er würde danach auf ihn warten.
Jetzt steuerte er das Bett an der rechten Fensterseite an, in dem John Shaw lag.
Sein Oberkörper war frei, daher sah Lorenzo den bandagierten Rücken. Die Wunde, die Boris ihm zugefügt hatte, war wohl zu schwer für eine sofortige Heilung durch die Iratze gewesen.
Ein wenig stellte Lorenzo dies zufrieden.
Ebenfalls zufrieden stimmte ihn, dass der Nephilim mit dem Fußgelenk an das Bett gekettet war.
Zumindest etwas gesunder Menschenverstand schien hier noch zu herrschen, denn wer konnte schon mit Sicherheit sagen, dass einer dieser Verräter es sich nicht anders überlegte und die übrigen Verletzten im Flügel des Nachts meuchelte.
„Das freut dich, hm?“
Lorenzos Blick wanderte zu Johns Gesicht, aus dem seine blauen Augen ihn abschätzig anblitzten.
Offensichtlich hatte man Lorenzo die Zufriedenheit zu deutlich angesehen.
„Diese Maßnahme ist objektiv gerechtfertigt“, erwiderte Lorenzo, nahm sich ungeniert einen freien Stuhl und setzte sich an Johns Bett.
„Schon klar. Ich bin bereits verwundet und gefangen, bist du jetzt die erwählte Folter, als Strafe für meinen Verrat?“
„Schmeichelhaft und eine äußerst erquickliche Vorstellung, aber nein.“ Lorenzo straffte die Schultern und richtete den Rücken auf. „Du bist ein Verräter und Lügner.“
„Willkommen im Club, würde ich sagen.“
Lorenzo schnitt dem Nephilim eine Grimasse. „Ich hoffe, dass du für deine Kollaboration mit den Abtrünnigen eine entsprechende Strafe erhältst. Ich habe allerdings nicht vergessen, dass du Andrews Leben gerettet hast – und mir mit deinem anonymen Hinweis geholfen hast, Whitelaw zu beseitigen und Andrew zu schützen. Dafür…bedanke ich mich.“
Johns Augenbraue zuckte hinauf. Er setzte sich etwas mehr im Bett auf und musterte Lorenzo.
„Das habe ich zwar nicht für dich getan, aber es war mir eine Freude und ich würde es wieder tun. Ich liebe Drew, das war die Wahrheit.“
„Ja, auch das habe ich nicht vergessen. Sollten sich unsere Wege noch einmal kreuzen, in welcher Weise auch immer, wirst du…“
„Was? Die Finger von Andrew lassen, weil er dir gehört?“, unterbrach John ihn spöttisch. „Ist das der Teil, an dem du mir drohst, mir sonst etwas anzutun, wenn ich nicht gehorche?“
Ein freundliches Lächeln erschien auf Lorenzos Gesicht. „Ich hätte es weitaus bedrohlicher und weniger plump formuliert, aber im Grundsatz ist das korrekt. Jedes Wiedersehen mit mir wäre schlimmer als alles, was du dir in deinen dunkelsten, grauenvollsten Vorstellungen ausmalen könntest. Selbst der Schmerz durch diese fast tödliche Schwertwunde wird im Vergleich dazu nicht mehr sein als ein Mückenstich, solltest du Andrew jemals belästigen oder versuchen, unsere Beziehung zu sabotieren.“
Johns tiefes Schlucken gefiel Lorenzo wirklich gut, denn es sprach mehr Wahrheit, als seine Antwort:
„…ich habe keine Angst vor dir. Wenn ich kann, werde ich um Drew kämpfen.“
„Die Wahl deiner Gegner ist ebenso unklug wie die deiner Verbündeten“, stellte Lorenzo fest, war aber nicht von dieser Reaktion überrascht.
Irgendwie war sie sogar beruhigend und er konnte John ansehen, dass ihn Lorenzos Lächeln irritierte.
„Lach du nur, Hexer, aber ich meine es ernst!“, blaffte John deswegen, als Lorenzo sich erhob.
„Oh, das weiß ich. Allerdings ist das, was Andrew und mich verbindet, von nichts und niemandem zu begreifen oder gar zu entzweien. Nie wieder.“
Jetzt noch weniger als jemals zuvor.
„Und obwohl ich dich absolut nicht ausstehen kann, ist der Gedanke tröstlich, dass es jemanden außer mir gibt, der Andrew liebt und ihn beschützen will.“
Davon konnte es nicht genug Menschen geben und Lorenzo wäre niemals so egoistisch, dies zu unterbinden.
„Fein.“ Grimmig lehnte John sich wieder zurück. „Denk jetzt nicht, dass uns das zu Freunden macht, aber…ich habe gehört, dass auch du Drew das Leben gerettet hast…und dank dir unser Fehler nicht zur Vernichtung der Welt geführt hat, also…danke.“
John sah aus, als hätte er sich das Wort mit einem rostigen Nagel aus dem Mund schneiden müssen, dennoch rechnete Lorenzo es ihm hoch an, dass es ihm überhaupt über die Lippen gekommen war.
Einen Augenblick maßen sie sich noch mit Blicken der gegenseitigen Antipathie, lediglich geeint durch die Liebe zu dem gleichen Mann und einen Hauch Respekt, als jemand nach Lorenzo rief.
„Lorenzo, darfst du schon wieder stehen?! Komm, ich habe Essen für dich!“
Simon…offenbar machte er einen Krankenbesuch.
Lächelnd wandte Lorenzo sich um, damit er zu seinem Lager zurückkam.
Wirklich nett, dieser Besuch.
„Es hat ganze 22 Dollar gekostet, bessere Frühlingsrollen findest du nirgends, sage ich dir!“
„…“
Nett und bemüht, aber wie immer auf dem völlig falschen Weg…
Wenn Lorenzo allerdings so in Simons erwartungsvolles Gesicht blickte, dem er sich näherte, glaubte er doch, sich mit diesem qualitativ-fragwürdigen Essen arrangieren zu können.