Die Wandler: Der Wolf und die Lady
von Hopy1x2y
Kurzbeschreibung
Phil ist ein Wolfswandler, der von seinem Rudel getrennt in der Stadt lebt, und dort eine schlechtgehende Detektei betreibt. Als eines Tages Clarissa Fowler in seinem Büro auftaucht und ihm einen lukrativen Job anbietet, sieht er wieder Licht am Ende des Tunnels. Dass er sie außerdem außerordentlich sexy findet, ist noch die Kirsche auf der Sahnetorte. Clarissa fragt sich, ob der Vorschlag ihres Anwalts, Phil zu engagieren, wirklich so gut war. Dessen Arbeitsweise und seine ganze Art kommen ihr reichlich unkonventionell vor. Dennoch zeigen sich schnell positive Resultate, doch als sie sich zudem langsam näherkommen, wird sie in eine Welt hineingezogen, die ihr bis dahin völlig fremd war. Außerdem wird sie mit Dingen aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, die ihr Leben auf den Kopf stellen werden.
GeschichteRomance, Fantasy / P12 / Gen
10.08.2022
18.08.2022
30
60.768
7
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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10.08.2022
2.946
Clarissa
Als ich auf der Straße vor meiner Limousine stand, warf ich noch einen Blick zurück zum Haus. In diese morsche, halb abbruchreife Bruchbude war ich also tatsächlich gegangen, um einen Privatdetektiv zu engagieren. Der Kerl hatte mich durchaus beeindruckt und ich hoffte nur, dass er es mir nicht angesehen hatte. Irgendwas war an ihm, eine gewisse rohe Wildheit, die ich nicht genau beschreiben konnte.
Die Bezahlung, die ich ihm zugestanden hatte, war exorbitant. Warum war ich mit dem Vorschlag von 300 Dollar plus Spesen herausgekommen? Er hätte sich bestimmt mit der Hälfte zufriedengegeben. Egal, die Summe tat mir nicht weh, auch wenn er zwei Monate nur herumfaulenzen würde.
Mein Chauffeur stand immer noch in vorschriftsmäßiger Haltung neben dem Fahrzeug und hielt mir den Wagenschlag auf. Unwillkürlich verglich ich ihn mit Phil, was natürlich albern war. Mit einem leichten Kopfschütteln ließ ich mich auf dem Rücksitz nieder.
»Nach Hause«, sagte ich dem Fahrer und fuhr anschließend die Trennscheibe hoch. Ich wollte ungestört über meine Schwierigkeiten nachdenken. Ich hatte dem Detektiv die Lage, in der ich mich befand, noch schöngefärbt. Es war nicht nur das eine oder andere Geschäft, was nicht zustande gekommen war und von dem ich annahm, dass es jemand in der Firma der Konkurrenz verraten hatte. So etwas war schon zu Vaters Zeiten vorgekommen - nein, es war damit nicht zu vergleichen, sondern es war viel dramatischer. Irgendjemand wollte mich aus dem Unternehmen drängen, indem er die Banken unruhig werden ließ. Der Kreditrahmen der Firma war schon ziemlich angespannt und noch mehr Verluste konnten wir uns nicht leisten.
Ich lehnte mich zurück und lächelte grimmig. Jetzt sollte mir also ein Detektiv aus der Schmuddelecke der Stadt aus der Patsche helfen. Es war eigentlich lächerlich, aber irgendwie traute ich Phil einiges zu, auch wenn ich nur wenige Minuten mit ihm gesprochen hatte.
Das Signal meines Handys riss mich aus den Gedanken.
Meet the Flintstones, meet the Flintstones, Yabbadabadu …
Ich sollte mir wirklich mal ein neues Klingelsignal aufspielen und nicht mehr die Titelmelodie meiner Lieblingsserie aus der Kindheit verwenden. Aber irgendwie sah ich dann immer Vater und mich auf dem Sofa sitzen und die uralte Zeichentrickserie auf dem Fernseher anschauen. In den Meetings benutzte ich sinnvollerweise den Vibrationsalarm.
Ein Blick auf die Rufnummer ließ mich dann doch wieder lächeln.
»Hallo, Derek!«
»Hallo, Schätzchen. Wie geht es denn meinem armen, schwer schuftenden Mäuschen?«
»Wie soll es schon gehen? Viel Arbeit, einige Probleme und … du fehlst mir. Wo bist du? Wann sehen wir uns wieder?« Oh mein Gott, klang das erbärmlich. Aber es war auch die Wahrheit. Die letzten Tage waren wirklich schwer gewesen und ich brauchte jemanden, um mich auszusprechen.
»Ich bin noch in L.A. und treffe mich morgen mit einem Geschäftsfreund, um einen Deal in trockene Tücher zu bringen. In drei Tagen werde ich wieder in Seattle sein können.«
»Das wäre schön. Du fehlst mir so sehr.«
Für einen Moment blieb es still in der Leitung. »Sag mal, Clarissa, ich höre doch, dass du große Probleme hast. Ist es was Geschäftliches? Soll ich besser noch heute zurückfliegen? Ich könnte bestimmt eine Ausrede erfinden, um …«
»Nein, das möchte ich nicht!« Es entsprach auch der Wahrheit. Was würde es bringen, wenn er eine lukrative Möglichkeit verstreichen ließ, nur um sich am Abend mein Gejammer anzuhören. So tief gesunken war ich dann doch noch nicht. »In drei Tagen reden wir über alles, Derek.«
»Gut, wenn du dir sicher bist …«
Er klang nicht völlig überzeugt, aber bis zum Ende des Gesprächs gab ich mir alle Mühe, seine Bedenken zu zerstreuen. Dennoch hätte ich mir fast gewünscht, er wäre in den nächsten Flieger gestiegen.
*****
Am anderen Morgen ließ ich mich recht früh in die Firma fahren. Ich wechselte ein paar Worte mit Poulter, dem Abteilungsleiter der Zentralen Dienste, und wies ihn noch einmal auf die besonderen Aufgaben des von mir engagierten Detektivs hin.
»Sie können sich auf mich verlassen, Miss Fowler«, versicherte er mir, und ich glaubte ihm. Poulter war schon in der Firma gewesen, als Vater die Leitung des Unternehmens übernommen hatte. Wenn ich ihm nicht vertrauen konnte, wem dann?
Mein Assistent Stuart Clarkson war überrascht, als ich um kurz vor acht in das Büro marschierte.
»Haben Sie es schon gehört?«, fragte er.
Mein Warnmelder sprang mit lautem Heulen an und ich wandte mich ihm alarmiert zu. »Wovon sprechen Sie da?«
»Ach so … ich dachte … ich habe Ihnen eine Notiz auf den Schreibtisch gelegt.«
Das klang nach mächtig Ärger. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter und sagen Sie es mir ins Gesicht, was passiert ist.«
»Die Allgemeine hat den Kreditrahmen gekündigt.«
Ich fühlte mich in dem Moment, als hätte mir der Weltmeister im Schwergewichtsboxen einen harten Treffer verpasst. »Wann? Wieso?«
»Ein Kurier hat noch kurz vor Mitternacht einen Brief beim Nachtportier abgegeben. Ich habe ihn heute als allererstes aufgemacht, weil ich mir dachte, dass es wichtig sei. Die Bank wollte wohl einen bestimmten Termin einhalten.«
Darauf wäre ich auch von selbst gekommen. Gestern war der Monatsletzte und heute …
»Verbinden Sie mich mit der Allgemeinen, mit … Jefferson!«
Der Kerl war der Generaldirektor der Bank. Es war viel zu spät, mich jetzt noch mit Leuten aus der Kreditabteilung herumzuärgern. Das kam von ganz oben. Ich stürmte in mein Büro, warf den Mantel auf die Möbel in der Besucherecke, setzte mich hinter den Schreibtisch und wartete darauf, dass das Telefon klingelte. Doch stattdessen öffnete sich die Bürotür und Clarkson blickte zerknirscht in den Raum.
»Tut mir leid, aber Mr. Jefferson ist in einer Besprechung und kann nicht ans Telefon kommen.«
Jetzt? Um acht Uhr morgens? Wollte mich der Kerl verarschen?
»Soll ich jemanden aus der Kreditabteilung zu erreichen versuchen?«
Hatte das einen Zweck? Nein, wohl kaum. Die Allgemeine würde mir keinen Kredit mehr einräumen, das war sonnenklar. »Richten Sie Jeffersons Sekretärin aus, dass ich um einen Rückruf bitte«, sagte ich Clarkson, um ihn loszuwerden.
Er nickte und wir beide wussten nur zu genau, dass ich auf den Rückruf würde warten können, bis die Hölle zufror … und wahrscheinlich noch ein bisschen länger. Ich lehnte mich im Sessel zurück und massierte mir die Schläfen. »Denk nach, Clarissa, denk nach!«, murmelte ich ständig, als ob ich ein Mantra beten würde. Als allererstes musste ich in Erfahrung bringen, wie viel Geld wir innerhalb der nächsten Tage brauchten, damit mir der Laden nicht mit einem Knall um die Ohren flog.
In den folgenden Stunden konferierte ich mit dem Chefbuchhalter, der Rechtsabteilung, den obersten Einkäufern und dem Vertriebsleiter. Wenn es schon vorher nicht rosig ausgesehen hatte, so lag die Zukunft nun pechschwarz vor mir.
»Wir hätten ohnehin um eine Kreditausweitung nachsuchen müssen«, sagte der Buchhalter und präsentierte mir einen ellenlangen Bankauszug. »Jetzt, wo die Allgemeine ausfällt …«
Er sprach nicht weiter, aber ich konnte mir die Konsequenzen auch so vorstellen.
»Wie viel benötigen wir?«
»Fünf Millionen – das ist das Minimum – zuzüglich zu den zehn Millionen, die die Allgemeine uns bisher eingeräumt hat.«
Erneut spürte ich einen harten Wirkungstreffer. Im Geiste ging ich die ganzen Banken durch, die uns vielleicht noch einen Kredit gewähren würden – und wurde damit schnell fertig. Wenn nicht ein Wunder geschah, dann musste ich noch dieses Quartal Insolvenz anmelden. Es sah nicht so aus, als würde Mr. Phil Whitefang allzu lange für mich tätig sein.
*****
Letztendlich löste ich das Meeting ohne konkrete Ergebnisse auf. Meine Mitarbeiter schienen fast erleichtert zu sein. Vermutlich kontaktierten sie in dem Moment bereits ein paar Headhunter, damit diese für sie neue, lukrative Pöstchen besorgten. Ob ich auch einen anrufen sollte? Aber wer würde jemanden einstellen, der einen geerbten Konzern in relativ kurzer Zeit in die Insolvenz geritten hatte? Nicht einmal ich würde mir einen Job anbieten.
Ich rief Poulter an, um ihn zu fragen, ob mein Detektiv seine Stelle bereits angetreten hatte. Dem war so. Da gingen die ersten dreihundert Dollar durch den Schornstein, aber retten könnte mich der Betrag ohnehin nicht mehr.
»Schicken Sie ihn bitte in mein Büro.«
Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Warum denn? Wenn ich mich so fragte, dann lag es womöglich daran, dass ich mich unterhalten wollte, ohne an die riesigen Schuldenberge zu denken, die ich aufgehäuft hatte. Im Grunde genommen wusste ich noch nicht einmal, wie ich das geschafft hatte. Mein Einkaufsdirektor hatte etwas von steigenden Rohstoffpreisen gefaselt und der Vertriebschef über anspruchsvolle Kunden schwadroniert. Der oberste Jurist hatte mich vor dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung gewarnt … ich wollte nicht weiter darüber nachdenken.
Es war zwar erst elf Uhr, aber vielleicht konnte ich Phil zum Essen ausführen und ihm dabei mitteilen, dass er ab morgen nicht mehr zu kommen brauchte. Wenn ich mir meine finanzielle Situation so überlegte, sollte ich mich möglicherweise besser einladen lassen.
So ein Unsinn! Resolut warf ich den Kugelschreiber, den ich immer noch in der Hand hielt, auf die Schreibtischablage. So schnell gab ich nicht auf, das sah mir gar nicht ähnlich. »Krönchen richten und Klinken bei den Banken putzen, das steht nun auf dem Programm! Noch ist nicht aller Tage Abend. Also jammer nicht herum, Clarissa!«
Ich seufzte leise. So weit war es schon gekommen. Ich führte Selbstgespräche und gab dabei Glückskekssprüche von mir.
Es klopfte an der Tür und meine Sekretärin meldete Phil an. Sie sah ziemlich verwirrt aus, weil ich einen Büroboten in das Arbeitszimmer bat. Vielleicht lag es aber auch an dem Anzug, in dem er steckte und irgendwie verkleidet darin aussah. Nicht, dass er ihm schlecht stand, das nicht. Es war nur so, dass er unverkennbar einen extrem athletischen Körperbau besaß und daher wohl in jedem Anzug merkwürdig wirkte.
Sein Erscheinen hatte gleichzeitig eine anregende und beruhigende Wirkung auf mich. Ersteres, da er wirklich unverschämt gut aussah, und Letzteres, weil ich mich in seiner Gegenwart geborgen fühlte. War das jetzt erbärmlich? Ach zum Teufel, er war ein Mann und ich eine Frau!
»Sie wollten mich sprechen, Miss Fowler?«
»Natürlich. Deswegen habe ich Sie ja hergebeten. Setzen Sie sich!« Es klang viel barscher, als ich es vorgehabt hatte. Aber ich war es gewohnt, in jeder Lage die Zügel in der Hand zu halten, und wollte nicht gerade bei einem engagierten Detektiv mit dieser Angewohnheit brechen.
»Ich habe noch nichts herausgefunden, wenn es um meinen Auftrag gehen sollte.«
Er lächelte geradezu unverschämt, während er mich mit seinen grünlich schillernden Augen betrachtete. Wusste er eigentlich um die Wirkung dieses Blickes? Mit Sicherheit, wie könnte er denn nicht? Ich schluckte die Spucke runter, die sich im Mund angesammelt hatte, und winkte nur ab.
»Mittlerweile habe ich weitere Probleme bekommen – mehr als genug, um es genau zu sagen.«
»Erzählen Sie mir mehr.«
»Dabei werden Sie mir kaum weiterhelfen können. Es geht um Kreditlinien, die sich auf einmal in Luft aufgelöst haben.«
»Einfach so?«
»Die Allgemeine hat mich im Stich gelassen und somit habe ich jetzt eine Lücke in den Büchern, wenn man es salopp formulieren will.«
»Und Sie meinen nicht, dass es mit den Gründen zusammenhängt, weswegen Sie mich engagiert haben?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn man den Vertrieb sabotiert oder der Firma Kunden abspenstig macht, ist das eine Sache. Aber um eine Bank dazu zu bringen, auf das Geschäft zu verzichten, das ist doch ein ganz anderes Kaliber.«
»Und was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie mich rauswerfen, bevor ich angefangen habe?«
»Die Idee war mir tatsächlich gekommen, aber Ihre Tagesgage kann ich mir noch leisten.«
Er lächelte. »Sagen Sie mir bitte rechtzeitig Bescheid, bevor ein Scheck platzt.«
Ich lehnte mich enttäuscht zurück. »Nur keine Sorge. Sie bekommen schon Ihr Geld.«
»Jetzt habe ich Sie verärgert.«
»Wie kommen Sie denn darauf? Nein, ich … habe jetzt nur viel zu tun. Halten Sie weiter Augen und Ohren offen und melden Sie, wenn Ihnen etwas auffällt.« Komisch, heute Morgen hatte ich noch recht viel Hoffnung in seine Arbeit gesetzt, aber nun brauchte ich keinen Detektiv, sondern ein Wunder.
Er musterte mich herausfordernd und traf keinerlei Anstalten, mein Büro zu verlassen.
»War noch was?«, fragte ich daher.
»Ich hatte recht, Sie sind verärgert.«
»Ich habe ja auch recht viele Probleme am Hals. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss mit sehr vielen Banken sprechen, um irgendwie an Geld zu kommen.«
Nun lehnte auch er sich zurück und faltete seine Hände. »Etwas sagt mir, dass Sie damit kaum Glück haben werden.«
»Versuchen muss ich es ja wohl!«, fauchte ich ihn an, da er allmählich meine Geduld strapazierte. »Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Den habe ich.«
»Ich lausche gespannt.«
»Ich würde anregen, Sie klappern gemeinsam mit mir die großen Banken ab. Wir sprechen zusammen mit den Bankdirektoren und es wäre doch gelacht, wenn wir nichts erreichen.«
Ich deutete auf das Telefon. »Meinen Sie nicht, dass Telefonate zielführender wären? Glauben Sie wirklich, dass man uns ohne Probleme vorlässt? Einen Privatdetektiv in Verkleidung und eine Frau mit einem fast bankrotten Unternehmen?«
»Wieso Verkleidung?«
»Na, wegen Ihres Anzugs ... darin sehen Sie recht merkwürdig aus. Ich weiß, ich wollte es so, aber trotzdem ...«
»Lassen Sie es uns auf meine Art versuchen. Ich habe gelernt, dass ich auf viele Menschen sehr überzeugend wirken kann.«
»Vermutlich auf den weiblichen Teil der Menschheit.«
Nun grinste er wie ein kleiner Junge, dem man sein Lieblingseis versprochen hatte. »Die im Besonderen. Nun? Was haben Sie denn zu verlieren? Außerdem ... vielleicht habe ich noch eine Idee.«
Ich sah mich schon bei ihm im Bett liegen, mit einer großen, roten Schleife um den Körper und ihn nackt neben mir ...
Ich schüttelte den Kopf, um ihn wieder klarzubekommen. »Also gut. Ich werde es zwar bereuen, aber wir treffen uns um ein Uhr nachmittags im Restaurant 'Vier Jahreszeiten'. Es liegt ...«
»Ich weiß, wo es ist«, sagte er und überraschte mich erneut. Die Preise auf der Speisekarte waren eigentlich weit über seiner Gehaltsklasse, wie ich annahm. Und auch weit über dem, was ich mir leisten sollte, aber für Tütensuppen und stilles Wasser war ich noch nicht bereit.
»Abgemacht«, sagte Phil und stand auf. »Seien Sie pünktlich.«
Mir blieb vor Verwunderung der Mund offenstehen, und ich sah ihm nur stumm nach, wie er aus meinem Büro stiefelte. Was für eine Chuzpe ... und was für ein Arsch – in doppelter Hinsicht.
*****
Ich erschien um fünfzehn Minuten nach eins im Restaurant und ließ mich vom Empfangschef zu Phils Tisch führen.
Er deutete nur ein kurzes Nicken zur Begrüßung an und blickte danach weiter in die Karte, während ich mich auf meinen Platz setzte. Sogar der Ober zog erstaunt eine Augenbraue nach oben, als er diesen seltsamen Empfang bemerkte.
»Sonderlich gute Manieren haben Sie nicht«, schnappte ich, nachdem der Empfangschef gegangen war.
»Sie sind zu spät!«
»Das ist die akademische viertel Stunde.«
»Sie sind hier nicht an der Uni!«
Langsam hatte ich genug. »Ich treff mich hier mit Ihnen – warum auch immer – obwohl ich Besseres zu tun hätte und Sie …«
»So? Was haben Sie denn vor? Ich nehme an, Sie haben in den letzten beiden Stunden einige Ihrer sogenannten Freunde angerufen und um Hilfe gebeten. Lieg ich damit richtig?«
Ohne es zu wollen, lief ich rot an. War ich denn so leicht zu durchschauen? »Und wenn dem so wäre? Sollte ich die ganze Zeit über im Büro sitzen und Däumchen drehen?«
»Haben Sie irgendwelche Banken angerufen?«
»Wieso wollen Sie das wissen? Ja, ich habe den Direktor der Danziger Bank angerufen. Mit dem Herrn hat mein Vater vor drei Jahren sehr gute Geschäfte gemacht, die ihm zu einigem Wohlstand verholfen haben.«
»Aha. Und ich nehme an, er hat Ihnen einen herzlichen, aber gut gemeinten Tritt verpasst, als Sie ihn um einen Kredit angegangen sind?«
Nun glühte ich wahrscheinlich wie eine Verkehrsampel. »Der Kerl … sagte, es wäre jetzt keine gute Zeit … die Konjunktur und das Finanzwesen lägen am Boden … daher täte es ihm leid …«
Phil hatte mir aufmerksam zugehört und … jetzt lächelte er auch noch! Das war zu viel!
»Grinsen Sie nicht so dämlich! Lassen Sie uns diese Farce beenden und …«
Er schob mir eine Liste zu. »Ich habe in den letzten zwei Stunden ein paar vielversprechende Adressen rausgesucht, die wir heute Nachmittag abklappern sollten.«
Ich nahm das Blatt Papier und ging die Namen durch. Keiner darauf sagte mir etwas. »Was soll das sein? Sind das Ihre Buchhalter? Zocken Sie gerne? Wie können uns die Kerle helfen?«
»Es sind auch ein paar Frauennamen auf der Liste.«
Ich schnaubte durch die Nase. »Das sehe ich, bin ja nicht blind! Dennoch steht die Frage im Raum: Was soll ich damit anfangen? Es geht um zehn Millionen Dollar, nicht um ein paar Cent für einen Hamburger!«
»Dies sind alles gute Bekannte, Kumpel, Freunde von mir. Jeder Name auf der Liste hat so einiges an Bargeld in der Hinterhand, die er mir sicher gerne ausleihen wird.«
»Ich sag es gerne noch einmal, falls Sie es nicht verstanden haben sollten: Zehn Millionen Dollar!«
»Und deswegen steht nicht nur ein Name auf der Liste. Vorher können wir aber dem Plan gemäß die verschiedenen Banken abklappern. Ich habe mich aber schlau gemacht und vorher etwas recherchiert.«
»Alles in den zwei Stunden?«
Er grinste schon wieder so anzüglich und nickte. »Ja, habe ich. Mein Job als Bürobote ist dabei leider etwas zu kurz gekommen, aber Sie können es mir ja vom Gehalt abziehen.«
Ich trommelte mit den Fingern nervös auf die Tischplatte. Da saß ich hier in einem Restaurant und vergeudete Zeit. Vielleicht sollte ich jetzt und hier meinen Anwalt anrufen und ihn feuern.
»Wenn Sie mich nur verarschen, dann ziehe ich Ihnen mehr als nur das Gehalt ab!«
Nun schüttelte er den Kopf, während sein Grinsen noch breiter wurde. »So hässliche Drohungen aus einem so hübschen Mund.«
Ich gab es auf. Dann würde ich eben das Spiel mitspielen und falls dabei nichts herauskam, würde ich ihn achtkantig feuern. Resolut langte ich über den Tisch und riss ihm die Karte aus der Hand – auch wenn vor mir natürlich eine eigene lag. »Geben Sie her. Jetzt essen wir eine Kleinigkeit und dann machen wir uns endlich an die Arbeit!«
Als ich auf der Straße vor meiner Limousine stand, warf ich noch einen Blick zurück zum Haus. In diese morsche, halb abbruchreife Bruchbude war ich also tatsächlich gegangen, um einen Privatdetektiv zu engagieren. Der Kerl hatte mich durchaus beeindruckt und ich hoffte nur, dass er es mir nicht angesehen hatte. Irgendwas war an ihm, eine gewisse rohe Wildheit, die ich nicht genau beschreiben konnte.
Die Bezahlung, die ich ihm zugestanden hatte, war exorbitant. Warum war ich mit dem Vorschlag von 300 Dollar plus Spesen herausgekommen? Er hätte sich bestimmt mit der Hälfte zufriedengegeben. Egal, die Summe tat mir nicht weh, auch wenn er zwei Monate nur herumfaulenzen würde.
Mein Chauffeur stand immer noch in vorschriftsmäßiger Haltung neben dem Fahrzeug und hielt mir den Wagenschlag auf. Unwillkürlich verglich ich ihn mit Phil, was natürlich albern war. Mit einem leichten Kopfschütteln ließ ich mich auf dem Rücksitz nieder.
»Nach Hause«, sagte ich dem Fahrer und fuhr anschließend die Trennscheibe hoch. Ich wollte ungestört über meine Schwierigkeiten nachdenken. Ich hatte dem Detektiv die Lage, in der ich mich befand, noch schöngefärbt. Es war nicht nur das eine oder andere Geschäft, was nicht zustande gekommen war und von dem ich annahm, dass es jemand in der Firma der Konkurrenz verraten hatte. So etwas war schon zu Vaters Zeiten vorgekommen - nein, es war damit nicht zu vergleichen, sondern es war viel dramatischer. Irgendjemand wollte mich aus dem Unternehmen drängen, indem er die Banken unruhig werden ließ. Der Kreditrahmen der Firma war schon ziemlich angespannt und noch mehr Verluste konnten wir uns nicht leisten.
Ich lehnte mich zurück und lächelte grimmig. Jetzt sollte mir also ein Detektiv aus der Schmuddelecke der Stadt aus der Patsche helfen. Es war eigentlich lächerlich, aber irgendwie traute ich Phil einiges zu, auch wenn ich nur wenige Minuten mit ihm gesprochen hatte.
Das Signal meines Handys riss mich aus den Gedanken.
Meet the Flintstones, meet the Flintstones, Yabbadabadu …
Ich sollte mir wirklich mal ein neues Klingelsignal aufspielen und nicht mehr die Titelmelodie meiner Lieblingsserie aus der Kindheit verwenden. Aber irgendwie sah ich dann immer Vater und mich auf dem Sofa sitzen und die uralte Zeichentrickserie auf dem Fernseher anschauen. In den Meetings benutzte ich sinnvollerweise den Vibrationsalarm.
Ein Blick auf die Rufnummer ließ mich dann doch wieder lächeln.
»Hallo, Derek!«
»Hallo, Schätzchen. Wie geht es denn meinem armen, schwer schuftenden Mäuschen?«
»Wie soll es schon gehen? Viel Arbeit, einige Probleme und … du fehlst mir. Wo bist du? Wann sehen wir uns wieder?« Oh mein Gott, klang das erbärmlich. Aber es war auch die Wahrheit. Die letzten Tage waren wirklich schwer gewesen und ich brauchte jemanden, um mich auszusprechen.
»Ich bin noch in L.A. und treffe mich morgen mit einem Geschäftsfreund, um einen Deal in trockene Tücher zu bringen. In drei Tagen werde ich wieder in Seattle sein können.«
»Das wäre schön. Du fehlst mir so sehr.«
Für einen Moment blieb es still in der Leitung. »Sag mal, Clarissa, ich höre doch, dass du große Probleme hast. Ist es was Geschäftliches? Soll ich besser noch heute zurückfliegen? Ich könnte bestimmt eine Ausrede erfinden, um …«
»Nein, das möchte ich nicht!« Es entsprach auch der Wahrheit. Was würde es bringen, wenn er eine lukrative Möglichkeit verstreichen ließ, nur um sich am Abend mein Gejammer anzuhören. So tief gesunken war ich dann doch noch nicht. »In drei Tagen reden wir über alles, Derek.«
»Gut, wenn du dir sicher bist …«
Er klang nicht völlig überzeugt, aber bis zum Ende des Gesprächs gab ich mir alle Mühe, seine Bedenken zu zerstreuen. Dennoch hätte ich mir fast gewünscht, er wäre in den nächsten Flieger gestiegen.
*****
Am anderen Morgen ließ ich mich recht früh in die Firma fahren. Ich wechselte ein paar Worte mit Poulter, dem Abteilungsleiter der Zentralen Dienste, und wies ihn noch einmal auf die besonderen Aufgaben des von mir engagierten Detektivs hin.
»Sie können sich auf mich verlassen, Miss Fowler«, versicherte er mir, und ich glaubte ihm. Poulter war schon in der Firma gewesen, als Vater die Leitung des Unternehmens übernommen hatte. Wenn ich ihm nicht vertrauen konnte, wem dann?
Mein Assistent Stuart Clarkson war überrascht, als ich um kurz vor acht in das Büro marschierte.
»Haben Sie es schon gehört?«, fragte er.
Mein Warnmelder sprang mit lautem Heulen an und ich wandte mich ihm alarmiert zu. »Wovon sprechen Sie da?«
»Ach so … ich dachte … ich habe Ihnen eine Notiz auf den Schreibtisch gelegt.«
Das klang nach mächtig Ärger. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter und sagen Sie es mir ins Gesicht, was passiert ist.«
»Die Allgemeine hat den Kreditrahmen gekündigt.«
Ich fühlte mich in dem Moment, als hätte mir der Weltmeister im Schwergewichtsboxen einen harten Treffer verpasst. »Wann? Wieso?«
»Ein Kurier hat noch kurz vor Mitternacht einen Brief beim Nachtportier abgegeben. Ich habe ihn heute als allererstes aufgemacht, weil ich mir dachte, dass es wichtig sei. Die Bank wollte wohl einen bestimmten Termin einhalten.«
Darauf wäre ich auch von selbst gekommen. Gestern war der Monatsletzte und heute …
»Verbinden Sie mich mit der Allgemeinen, mit … Jefferson!«
Der Kerl war der Generaldirektor der Bank. Es war viel zu spät, mich jetzt noch mit Leuten aus der Kreditabteilung herumzuärgern. Das kam von ganz oben. Ich stürmte in mein Büro, warf den Mantel auf die Möbel in der Besucherecke, setzte mich hinter den Schreibtisch und wartete darauf, dass das Telefon klingelte. Doch stattdessen öffnete sich die Bürotür und Clarkson blickte zerknirscht in den Raum.
»Tut mir leid, aber Mr. Jefferson ist in einer Besprechung und kann nicht ans Telefon kommen.«
Jetzt? Um acht Uhr morgens? Wollte mich der Kerl verarschen?
»Soll ich jemanden aus der Kreditabteilung zu erreichen versuchen?«
Hatte das einen Zweck? Nein, wohl kaum. Die Allgemeine würde mir keinen Kredit mehr einräumen, das war sonnenklar. »Richten Sie Jeffersons Sekretärin aus, dass ich um einen Rückruf bitte«, sagte ich Clarkson, um ihn loszuwerden.
Er nickte und wir beide wussten nur zu genau, dass ich auf den Rückruf würde warten können, bis die Hölle zufror … und wahrscheinlich noch ein bisschen länger. Ich lehnte mich im Sessel zurück und massierte mir die Schläfen. »Denk nach, Clarissa, denk nach!«, murmelte ich ständig, als ob ich ein Mantra beten würde. Als allererstes musste ich in Erfahrung bringen, wie viel Geld wir innerhalb der nächsten Tage brauchten, damit mir der Laden nicht mit einem Knall um die Ohren flog.
In den folgenden Stunden konferierte ich mit dem Chefbuchhalter, der Rechtsabteilung, den obersten Einkäufern und dem Vertriebsleiter. Wenn es schon vorher nicht rosig ausgesehen hatte, so lag die Zukunft nun pechschwarz vor mir.
»Wir hätten ohnehin um eine Kreditausweitung nachsuchen müssen«, sagte der Buchhalter und präsentierte mir einen ellenlangen Bankauszug. »Jetzt, wo die Allgemeine ausfällt …«
Er sprach nicht weiter, aber ich konnte mir die Konsequenzen auch so vorstellen.
»Wie viel benötigen wir?«
»Fünf Millionen – das ist das Minimum – zuzüglich zu den zehn Millionen, die die Allgemeine uns bisher eingeräumt hat.«
Erneut spürte ich einen harten Wirkungstreffer. Im Geiste ging ich die ganzen Banken durch, die uns vielleicht noch einen Kredit gewähren würden – und wurde damit schnell fertig. Wenn nicht ein Wunder geschah, dann musste ich noch dieses Quartal Insolvenz anmelden. Es sah nicht so aus, als würde Mr. Phil Whitefang allzu lange für mich tätig sein.
*****
Letztendlich löste ich das Meeting ohne konkrete Ergebnisse auf. Meine Mitarbeiter schienen fast erleichtert zu sein. Vermutlich kontaktierten sie in dem Moment bereits ein paar Headhunter, damit diese für sie neue, lukrative Pöstchen besorgten. Ob ich auch einen anrufen sollte? Aber wer würde jemanden einstellen, der einen geerbten Konzern in relativ kurzer Zeit in die Insolvenz geritten hatte? Nicht einmal ich würde mir einen Job anbieten.
Ich rief Poulter an, um ihn zu fragen, ob mein Detektiv seine Stelle bereits angetreten hatte. Dem war so. Da gingen die ersten dreihundert Dollar durch den Schornstein, aber retten könnte mich der Betrag ohnehin nicht mehr.
»Schicken Sie ihn bitte in mein Büro.«
Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Warum denn? Wenn ich mich so fragte, dann lag es womöglich daran, dass ich mich unterhalten wollte, ohne an die riesigen Schuldenberge zu denken, die ich aufgehäuft hatte. Im Grunde genommen wusste ich noch nicht einmal, wie ich das geschafft hatte. Mein Einkaufsdirektor hatte etwas von steigenden Rohstoffpreisen gefaselt und der Vertriebschef über anspruchsvolle Kunden schwadroniert. Der oberste Jurist hatte mich vor dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung gewarnt … ich wollte nicht weiter darüber nachdenken.
Es war zwar erst elf Uhr, aber vielleicht konnte ich Phil zum Essen ausführen und ihm dabei mitteilen, dass er ab morgen nicht mehr zu kommen brauchte. Wenn ich mir meine finanzielle Situation so überlegte, sollte ich mich möglicherweise besser einladen lassen.
So ein Unsinn! Resolut warf ich den Kugelschreiber, den ich immer noch in der Hand hielt, auf die Schreibtischablage. So schnell gab ich nicht auf, das sah mir gar nicht ähnlich. »Krönchen richten und Klinken bei den Banken putzen, das steht nun auf dem Programm! Noch ist nicht aller Tage Abend. Also jammer nicht herum, Clarissa!«
Ich seufzte leise. So weit war es schon gekommen. Ich führte Selbstgespräche und gab dabei Glückskekssprüche von mir.
Es klopfte an der Tür und meine Sekretärin meldete Phil an. Sie sah ziemlich verwirrt aus, weil ich einen Büroboten in das Arbeitszimmer bat. Vielleicht lag es aber auch an dem Anzug, in dem er steckte und irgendwie verkleidet darin aussah. Nicht, dass er ihm schlecht stand, das nicht. Es war nur so, dass er unverkennbar einen extrem athletischen Körperbau besaß und daher wohl in jedem Anzug merkwürdig wirkte.
Sein Erscheinen hatte gleichzeitig eine anregende und beruhigende Wirkung auf mich. Ersteres, da er wirklich unverschämt gut aussah, und Letzteres, weil ich mich in seiner Gegenwart geborgen fühlte. War das jetzt erbärmlich? Ach zum Teufel, er war ein Mann und ich eine Frau!
»Sie wollten mich sprechen, Miss Fowler?«
»Natürlich. Deswegen habe ich Sie ja hergebeten. Setzen Sie sich!« Es klang viel barscher, als ich es vorgehabt hatte. Aber ich war es gewohnt, in jeder Lage die Zügel in der Hand zu halten, und wollte nicht gerade bei einem engagierten Detektiv mit dieser Angewohnheit brechen.
»Ich habe noch nichts herausgefunden, wenn es um meinen Auftrag gehen sollte.«
Er lächelte geradezu unverschämt, während er mich mit seinen grünlich schillernden Augen betrachtete. Wusste er eigentlich um die Wirkung dieses Blickes? Mit Sicherheit, wie könnte er denn nicht? Ich schluckte die Spucke runter, die sich im Mund angesammelt hatte, und winkte nur ab.
»Mittlerweile habe ich weitere Probleme bekommen – mehr als genug, um es genau zu sagen.«
»Erzählen Sie mir mehr.«
»Dabei werden Sie mir kaum weiterhelfen können. Es geht um Kreditlinien, die sich auf einmal in Luft aufgelöst haben.«
»Einfach so?«
»Die Allgemeine hat mich im Stich gelassen und somit habe ich jetzt eine Lücke in den Büchern, wenn man es salopp formulieren will.«
»Und Sie meinen nicht, dass es mit den Gründen zusammenhängt, weswegen Sie mich engagiert haben?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn man den Vertrieb sabotiert oder der Firma Kunden abspenstig macht, ist das eine Sache. Aber um eine Bank dazu zu bringen, auf das Geschäft zu verzichten, das ist doch ein ganz anderes Kaliber.«
»Und was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie mich rauswerfen, bevor ich angefangen habe?«
»Die Idee war mir tatsächlich gekommen, aber Ihre Tagesgage kann ich mir noch leisten.«
Er lächelte. »Sagen Sie mir bitte rechtzeitig Bescheid, bevor ein Scheck platzt.«
Ich lehnte mich enttäuscht zurück. »Nur keine Sorge. Sie bekommen schon Ihr Geld.«
»Jetzt habe ich Sie verärgert.«
»Wie kommen Sie denn darauf? Nein, ich … habe jetzt nur viel zu tun. Halten Sie weiter Augen und Ohren offen und melden Sie, wenn Ihnen etwas auffällt.« Komisch, heute Morgen hatte ich noch recht viel Hoffnung in seine Arbeit gesetzt, aber nun brauchte ich keinen Detektiv, sondern ein Wunder.
Er musterte mich herausfordernd und traf keinerlei Anstalten, mein Büro zu verlassen.
»War noch was?«, fragte ich daher.
»Ich hatte recht, Sie sind verärgert.«
»Ich habe ja auch recht viele Probleme am Hals. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss mit sehr vielen Banken sprechen, um irgendwie an Geld zu kommen.«
Nun lehnte auch er sich zurück und faltete seine Hände. »Etwas sagt mir, dass Sie damit kaum Glück haben werden.«
»Versuchen muss ich es ja wohl!«, fauchte ich ihn an, da er allmählich meine Geduld strapazierte. »Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Den habe ich.«
»Ich lausche gespannt.«
»Ich würde anregen, Sie klappern gemeinsam mit mir die großen Banken ab. Wir sprechen zusammen mit den Bankdirektoren und es wäre doch gelacht, wenn wir nichts erreichen.«
Ich deutete auf das Telefon. »Meinen Sie nicht, dass Telefonate zielführender wären? Glauben Sie wirklich, dass man uns ohne Probleme vorlässt? Einen Privatdetektiv in Verkleidung und eine Frau mit einem fast bankrotten Unternehmen?«
»Wieso Verkleidung?«
»Na, wegen Ihres Anzugs ... darin sehen Sie recht merkwürdig aus. Ich weiß, ich wollte es so, aber trotzdem ...«
»Lassen Sie es uns auf meine Art versuchen. Ich habe gelernt, dass ich auf viele Menschen sehr überzeugend wirken kann.«
»Vermutlich auf den weiblichen Teil der Menschheit.«
Nun grinste er wie ein kleiner Junge, dem man sein Lieblingseis versprochen hatte. »Die im Besonderen. Nun? Was haben Sie denn zu verlieren? Außerdem ... vielleicht habe ich noch eine Idee.«
Ich sah mich schon bei ihm im Bett liegen, mit einer großen, roten Schleife um den Körper und ihn nackt neben mir ...
Ich schüttelte den Kopf, um ihn wieder klarzubekommen. »Also gut. Ich werde es zwar bereuen, aber wir treffen uns um ein Uhr nachmittags im Restaurant 'Vier Jahreszeiten'. Es liegt ...«
»Ich weiß, wo es ist«, sagte er und überraschte mich erneut. Die Preise auf der Speisekarte waren eigentlich weit über seiner Gehaltsklasse, wie ich annahm. Und auch weit über dem, was ich mir leisten sollte, aber für Tütensuppen und stilles Wasser war ich noch nicht bereit.
»Abgemacht«, sagte Phil und stand auf. »Seien Sie pünktlich.«
Mir blieb vor Verwunderung der Mund offenstehen, und ich sah ihm nur stumm nach, wie er aus meinem Büro stiefelte. Was für eine Chuzpe ... und was für ein Arsch – in doppelter Hinsicht.
*****
Ich erschien um fünfzehn Minuten nach eins im Restaurant und ließ mich vom Empfangschef zu Phils Tisch führen.
Er deutete nur ein kurzes Nicken zur Begrüßung an und blickte danach weiter in die Karte, während ich mich auf meinen Platz setzte. Sogar der Ober zog erstaunt eine Augenbraue nach oben, als er diesen seltsamen Empfang bemerkte.
»Sonderlich gute Manieren haben Sie nicht«, schnappte ich, nachdem der Empfangschef gegangen war.
»Sie sind zu spät!«
»Das ist die akademische viertel Stunde.«
»Sie sind hier nicht an der Uni!«
Langsam hatte ich genug. »Ich treff mich hier mit Ihnen – warum auch immer – obwohl ich Besseres zu tun hätte und Sie …«
»So? Was haben Sie denn vor? Ich nehme an, Sie haben in den letzten beiden Stunden einige Ihrer sogenannten Freunde angerufen und um Hilfe gebeten. Lieg ich damit richtig?«
Ohne es zu wollen, lief ich rot an. War ich denn so leicht zu durchschauen? »Und wenn dem so wäre? Sollte ich die ganze Zeit über im Büro sitzen und Däumchen drehen?«
»Haben Sie irgendwelche Banken angerufen?«
»Wieso wollen Sie das wissen? Ja, ich habe den Direktor der Danziger Bank angerufen. Mit dem Herrn hat mein Vater vor drei Jahren sehr gute Geschäfte gemacht, die ihm zu einigem Wohlstand verholfen haben.«
»Aha. Und ich nehme an, er hat Ihnen einen herzlichen, aber gut gemeinten Tritt verpasst, als Sie ihn um einen Kredit angegangen sind?«
Nun glühte ich wahrscheinlich wie eine Verkehrsampel. »Der Kerl … sagte, es wäre jetzt keine gute Zeit … die Konjunktur und das Finanzwesen lägen am Boden … daher täte es ihm leid …«
Phil hatte mir aufmerksam zugehört und … jetzt lächelte er auch noch! Das war zu viel!
»Grinsen Sie nicht so dämlich! Lassen Sie uns diese Farce beenden und …«
Er schob mir eine Liste zu. »Ich habe in den letzten zwei Stunden ein paar vielversprechende Adressen rausgesucht, die wir heute Nachmittag abklappern sollten.«
Ich nahm das Blatt Papier und ging die Namen durch. Keiner darauf sagte mir etwas. »Was soll das sein? Sind das Ihre Buchhalter? Zocken Sie gerne? Wie können uns die Kerle helfen?«
»Es sind auch ein paar Frauennamen auf der Liste.«
Ich schnaubte durch die Nase. »Das sehe ich, bin ja nicht blind! Dennoch steht die Frage im Raum: Was soll ich damit anfangen? Es geht um zehn Millionen Dollar, nicht um ein paar Cent für einen Hamburger!«
»Dies sind alles gute Bekannte, Kumpel, Freunde von mir. Jeder Name auf der Liste hat so einiges an Bargeld in der Hinterhand, die er mir sicher gerne ausleihen wird.«
»Ich sag es gerne noch einmal, falls Sie es nicht verstanden haben sollten: Zehn Millionen Dollar!«
»Und deswegen steht nicht nur ein Name auf der Liste. Vorher können wir aber dem Plan gemäß die verschiedenen Banken abklappern. Ich habe mich aber schlau gemacht und vorher etwas recherchiert.«
»Alles in den zwei Stunden?«
Er grinste schon wieder so anzüglich und nickte. »Ja, habe ich. Mein Job als Bürobote ist dabei leider etwas zu kurz gekommen, aber Sie können es mir ja vom Gehalt abziehen.«
Ich trommelte mit den Fingern nervös auf die Tischplatte. Da saß ich hier in einem Restaurant und vergeudete Zeit. Vielleicht sollte ich jetzt und hier meinen Anwalt anrufen und ihn feuern.
»Wenn Sie mich nur verarschen, dann ziehe ich Ihnen mehr als nur das Gehalt ab!«
Nun schüttelte er den Kopf, während sein Grinsen noch breiter wurde. »So hässliche Drohungen aus einem so hübschen Mund.«
Ich gab es auf. Dann würde ich eben das Spiel mitspielen und falls dabei nichts herauskam, würde ich ihn achtkantig feuern. Resolut langte ich über den Tisch und riss ihm die Karte aus der Hand – auch wenn vor mir natürlich eine eigene lag. »Geben Sie her. Jetzt essen wir eine Kleinigkeit und dann machen wir uns endlich an die Arbeit!«
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