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2022 08 08: Wunder [by Sira-la]

Kurzbeschreibung
OneshotDrama, Familie / P12 / Gen
James Cogan Sarah Vernon
08.08.2022
08.08.2022
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08.08.2022 1.107
 
Tag der Veröffentlichung: 08.08.2022
Titel der Geschichte: Wunder
Song: „Geboren um zu leben“ von Unheilig
Autor: Sira-la
Kommentar des Autors: Diesen Tag habe ich wieder ziemlich spontan übernommen. Aber bei dem Liedtitel musste ich sofort an James Cogan denken und an Sarah, wie sie die Wahl treffen muss, was mit ihrem Sohn geschehen soll.
Viel Spaß (oder so) beim Lesen,
Sira



Wunder


Andächtig strich Sarah über die Wange des Babys. Seine Haut fühlte sich samten weich an und Sarah lächelte. Es war ein Wunder. Der kleine Junge in ihren Armen war ein Wunder.
Sie änderte ihren Griff, damit sie ihn an ihre Brust legen konnte. Sofort begann der Kleine zu saugen. Es war ein merkwürdiges Gefühl und doch fühlte es sich erstaunlich richtig an. Ihr kleines Wunder war stark und trank kräftig. Sarah wusste, dass das wichtig war. Er musste so viel ihrer Milch aufnehmen, wie er konnte. Denn Sarah wusste auch, dass sie ihn nicht sehr lange bei sich behalten konnte.
Die beiden Teague-Brüder hatten sich ins Zeug gelegt, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln, kaum dass sie sie aufgesucht hatte. Der Rat dieser Zeitreisenden war gut gewesen. Vince und Dave hatten ihr geholfen, nicht nur mit den Unruhen, sondern auch mit ihrer Schwangerschaft, die Sarah völlig überrumpelt hatte. Und neben all dem war es den beiden sogar gelungen, etwas über Sarah selbst herauszufinden. Oder zumindest über die Verbindung, die sie mit den Unruhen hatte.
Sarah legte den kleinen Jungen an ihre andere Brust und seufzte leise. Noch immer fiel es ihr schwer, zu akzeptieren, dass sie alle 27 Jahre in diese Stadt kam, um den Behafteten zu helfen. Noch viel schwerer kam sie allerdings mit dem Wissen zurecht, dass sie Haven würde verlassen müssen, wenn der Meteoritensturm über die Stadt hinwegzog. Der Jäger lauerte bereits auf sie. Vinces Vater war sehr deutlich darin gewesen, was Sarah tun musste, wenn der Jäger erschien. Und tatsächlich träumte Sarah bereits von der Scheune, in die sie gehen sollte, um die Unruhen zu beenden.
„Es tut mir so leid, mein Wunder“, flüsterte sie ihrem Sohn zu und strich in sanften, kreisenden Bewegungen über seinen Rücken. „Ich kann dich nicht mitnehmen. Niemand weiß, was passiert, wenn die Scheune verschwindet. Aber Mister Teague hat gesagt, dass ich jedes Mal mit einem anderen Namen und anderen Erinnerungen in die Stadt komme. Ich kann nicht riskieren, dass diese Scheune dich umbringt.“
Sarah blinzelte heftig, um die Tränen zurückzuhalten. Sie war sich sicher, dass es ihr Todesurteil war, wenn sie die Scheune betrat. Für sich selbst würde sie es unterschreiben, wenn nur dadurch die Stadt wieder sicher war. Aber niemals für ihren Sohn.
„Ich werde für dich eine Familie finden“, versprach sie. „Eine, in der du sicher aufwachsen kannst. Ich hab dich geboren, damit du leben kannst.“ Sarah schnaubte leise. „Und so sehr ich Vince und Dave auch mag, und so wohl ich mich in Haven fühle … Auf gar keinen Fall lass ich zu, dass du in dieser Stadt aufwächst.“

***

Das kleine Häuschen unterschied sich nur durch die Farbe von den Häusern der Nachbarschaft. Sarah drückte den kleinen Jungen enger an sich. Zweifel kamen in ihr auf. War es wirklich das Richtige, ihren Sohn aufzugeben? Aber sie konnte ihn nicht mitnehmen, der Jäger kam mit jedem Tag näher und wenn sie ihrem Sohn selbst eine Familie suchte, konnte sie zumindest sicher sein, dass es ihm gut gehen würde.
Sarah atmete tief durch, dann hob sie ihre Hand und klopfte zweimal kräftig an die Tür.
Ein Mann öffnete ihr. Er hatte blaue Augen, einen buschigen Schnauzer, aber erstaunlicherweise keine Haare auf dem Kopf, obwohl er kaum älter als Sarah sein konnte. „Ja?“ Zu ihrer Erleichterung klang er freundlich.
Sarah schluckte dennoch. „Ich suche June Cogan.“
„Dann kommen Se mal rein. Meine Frau kocht grade. Ich bin Paul.“
„Sarah“, stellte sie sich vor.
Paul führte sie in ein gemütlich eingerichtetes Esszimmer und bot ihr einen Platz an, bevor er durch eine Tür verschwand.
Erleichtert setzte Sarah sich und legte ihren Sohn auf dem Tisch ab. Sie konnte leise Stimmen hören.
„Sarah?“ June kam gemeinsam mit Paul in den Raum. Sie trocknete sich eben ihre Hände an einem Geschirrtuch ab. „Stimmt etwas nicht mit dem Kleinen?“
„Mit ihm ist alles bestens“, sagte Sarah. „Aber …“ Sie räusperte sich. „Ich habe erfahren, dass ich versetzt werde“, log sie dann. „Und da kann ich ihn nicht mitnehmen.“
„Oh, das ist …“ Junes Augen funkelten voller kaum unterdrückter Wut.
„Es ist meine Entscheidung“, sagte Sarah schnell. „Ich dürfte ihn mitnehmen. Aber das wäre viel zu gefährlich für ihn.“
„Können deine Vorgesetzten nicht jemand anderen schicken?“
Sarah schüttelte den Kopf. „Nein, das geht nicht. Das ist etwas, das nur ich tun kann.“
Die beiden fragten nicht weiter nach. Es war bezeichnend dafür, dass in Haven oft genug seltsame Dinge passierten.
„Warum kommst du zu uns?“, fragte June.
„Du hast mir mit der Geburt geholfen“, sagte Sarah. „Und du hast erwähnt, dass du dir Kinder wünscht. Ich … ähm …“ Plötzlich kam sie sich sehr töricht vor.
Die beiden sahen sie einfach nur an, schweigend und ohne Wertung.
„Ich hatte gehofft, dass ihr ihn vielleicht aufnehmen würdet“, flüsterte Sarah.
Paul und June tauschten einen langen Blick auf. Sie schienen ein ganzes Gespräch zu führen.
„Wir nehmen ihn auf“, sagte June nach einigen quälend langen Minuten.
Sarah lächelte erleichtert. „Ich habe noch eine Bitte“, sagte sie schnell. „Könnt ihr Haven verlassen? Diese Stadt …“
„Ist nicht sicher für so einen kleinen Burschen“, sagte Paul. „Dann nehm ich das Angebot an?“
June nickte und erklärte auf Sarahs verwirrten Blick hin: „Paul hat ein Angebot bekommen, nach Colorado zu gehen und dort zu arbeiten.“
Sarah lächelte. „Das klingt perfekt.“
June streckte eine Hand nach dem Jungen aus. „Wie hast du das kleine Würmchen denn jetzt genannt?“
Sarah biss sich auf die Unterlippe. „Er hat noch keinen Namen“, gab sie zu.
„Wie wäre es mit Harry?“, schlug Paul vor. „Oder James?“
Sarah sah fragend zu June. Diese lächelte. „James gefällt mir.“
„Mir auch“, sagte Sarah und erhob sich. Sie beugte sich vor und gab ihrem Wunder, ihrem Sohn einen Kuss auf die Stirn. „Lebe wohl“, flüsterte sie. „Lebe wohl, mein kleiner James.“
„Du gehst sofort?“, fragte Paul erstaunt.
„Es ist besser so.“ Sarah konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme erstickt klang. Sie kämpfte gegen die Tränen. Aber sie würde diese Trauer nicht in diesem Haus zulassen. Ein letztes Mal suchte sie die Blicke von June und Paul. „Ich werde nie zurückkommen“, sagte sie. „Bitte kümmert euch gut um ihn.“
„Als wäre er unser Sohn“, versprach June.
Sarah lächelte gequält. „Von heute an ist er es“, sagte sie. Dann floh sie aus dem Haus.
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