Lerne mich kennen, um mich zu verstehen
von Aniera
Kurzbeschreibung
Was könnte schlimmer sein, als allein mit einem Psychopathen in einer Gefängniswelt eingesperrt zu sein? Dieser Frage muss sich Anni Preston stellen, die mit Kai Parker in der Gefängniswelt von 1994 feststeckt und sich wohl oder übel mit ihm abgeben muss. Doch der ewig redende Psychopath ist nicht so, wie er auf den ersten Blick scheinen mag.
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / Het
Damon Salvatore
Malachai "Kai" Parker
OC (Own Character)
05.08.2022
18.03.2023
84
166.516
4
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06.08.2022
4.219
Ich glaube nicht, dass ich geschlafen habe. Die ganze Nacht über drehte ich mich mehrfach in meinem Bett umher, deckte mich auf und wieder zu, schmiss das Kissen aus dem Bett und holte es wieder herauf. Es war zwar kein Geräusch zu hören, aber ich fühlte mich mit einem Psychopathen unter einem Dach nicht gerade sicher. Verständlicherweise, oder?
Nachdem ich eine Weile im Bett lag und gedankenverloren an die Decke starrte, ging ich ins Bad, um mich zu duschen. Das warme Wasser, das über meinen Körper lief, fühlte sich gut an und gab mir ein geborgenes Gefühl, was in den letzten Wochen wirklich eher zur Seltenheit gehörte. Wieder kreisten meine Gedanken um Bonnie und Damon. Ob sie es geschafft haben? Ob sie mich hier rausholen können? Wie lange werde ich hier drin gefangen sein? Ich versuchte die Gedanken abzuschütteln, denn sie machten mich traurig. Mit etwas positiveren Gedanken versuchte ich den Rest meiner Dusche zu genießen.
Nach der Dusche wickelte ich mich und meine Haare in ein Handtuch und stellte mich vor den Spiegel. Ich betrachtete meine Schulter: nichts. Ich betrachtete auch meinen Hals: nichts. Es erstaunte mich immer wieder, wie gut meine Wunden heilten durch den Vampirismus. Ein eindeutiger Vorteil. Nachdem ich mir noch die Zähne putzte und mit Anziehen fertig war, verließ ich mein Zimmer.
Moment mal… war das etwa… Kaffee? Herrlicher Kaffeeduft erfüllte den Flur. Kein Geruch der Welt sagt viel besser >Guten Morgen<, als frischer Kaffee. Natürlich wusste ich, wer den Kaffee kochte, dennoch lockte mich der wunderbare Duft zur Küche, wo Kai am Herd stand und gerade einen Pfannkuchen in der Luft wendete.
„Guten Morgen, ich hoffe du hast gut geschlafen. Hast du Hunger?“, flötete Kai, ohne mich dabei anzusehen. Sein Gehör war makellos. Wahrscheinlich kam das durch die lange Einsamkeit, die er bereits mitgemacht hatte. Ein Lächeln strahlte über sein ganzes Gesicht. Er sah so unbeschwert aus, dass mir richtig schlecht wurde.
„Was soll das Kai?“, fragte ich stirnrunzelnd. Ich misstraute ihm in jeder Lage. „Wieso? Ich mache Frühstück. Magst du keine Pfannkuchen?“, entgegnete er, während er gespielt einen Schmollmund machte. Gekonnt schob Kai den Pfannkuchen von der Pfanne auf einen Teller und legte die heiße Pfanne in die Spüle, die dabei kurz zischte.
„Das meinte ich nicht. Gestern hast du mich aufgespießt und heute machst du Frühstück? Warum verschwindest du nicht einfach und lässt mich in Ruhe.“, sagte ich kühl, während ich mich an den Küchentisch setzte und mir eine Tasse Kaffee einschenkte. Kai stütze sich auf der Kücheninsel ab und sah mich ernst an. „Anni, das verletzt mich jetzt aber. Schließlich habe ich mir allergrößte Mühe mit deinem Frühstück gegeben.“, säuselte er. Ich verdrehte die Augen und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.
Augenblicklich prustete ich ihn wieder aus. Eisenkraut. Dieser Mistkerl hat Eisenkraut in den Kaffee getan. Ich hustete, spuckte und krümmte mich vor Schmerzen. Mein Hals und mein Mund brannten wie Feuer. Es schien mir, als zersetzte sich die innere Schleimhaut meines Mundes. Als schnitten winzig kleine Messer die Haut meiner Mundhöhle ab. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und wimmerte, als mir Tränen in die Augen stiegen. Es tat so weh. Dabei hörte ich Kais Lachen und ich warf ihm einen bösen Blick zu. Er nahm die Hände hoch, als würde er sich ergeben wollen.
„Ach komm, es sollte nur ein Scherz sein.“, sagte er und kicherte munter weiter, als er mich beobachtete. Mehrfach schnappte ich nach Luft, als der Schmerz langsam nachließ. „Haha, was haben wir gelacht.“, krächzte ich und stand betont vom Tisch auf.
„Nein, bleib doch noch. Du hast die Pfannkuchen noch gar nicht probiert.“, rief mir Kai hämisch nach, aber ich stampfte erschöpft aus der Küche. Ich konnte sein dämliches Lachen nicht mehr ertragen.
Als ich zur Haustür hinauslief wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Ich lief einfach immer weiter und weiter und hoffte dabei, dass das Brennen in meiner Kehle aufhören würde. Die Sonne schien schon warm vom Himmel, doch es tröstete mich nicht. Es gab hier rein gar nichts, was mich trösten konnte. Hier war die Hölle und der Teufel persönlich lebte bei mir unterm Dach. Allmählich merkte ich, wie das Brennen nachließ. Erschöpft setzte ich mich an den Wegrand und lehnte mich gegen einen Baumstamm.
Wie soll ich das hier aushalten? Dieser Wahnsinnige wird mich ewig so weiter quälen. EWIG. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht und ich musste ein Würgen unterdrücken. Damon… Bonnie… ich hoffte so sehr, dass es ihnen gut ging. Bitte holt mich hier raus. Bitte… Ich spürte, wie Tränen in meine Augen stiegen, doch ich wollte nicht weinen. Mühsam atmete ich langsam und tief, um sie zu unterdrücken. Du musst stark bleiben. Gib dich nicht auf.
Plötzlich hörte ich ein Pfeifen, das mich aufschrecken ließ. Kai näherte sich mir und pfiff fröhlich ein Lied vor sich hin. Hastig stand ich auf und ging weiter meines Weges. Ich wollte jetzt nicht mit ihm reden. Wieso konnte er mich nicht in Ruhe lassen?
„Du weißt, dass du hier nicht vor mir weglaufen kannst, oder? Ich werde dich immer finden.“, rief er mir mit einem ekligen Grinsen hinterher, als ich mich zu ihm umdrehte. Ich lief schneller, wohl bedacht, dass ich immer noch im Zweifelsfall meine Vampirkraft nutzen konnte, um schnell vor ihm zu verschwinden.
„Verpiss dich einfach Kai!“, rief ich, während ich allmählich zu schnaufen begann. Seine Schritte blieben weiter entspannt hinter mir und unser Abstand wurde größer.
Dieser Dreckskerl… Gott, ich hätte gut Lust ihm das Genick zu brechen, aber so bin ich nicht. Nein… ich hatte noch nie einen Menschen aus purer Freude oder Genugtuung verletzt. Ich hatte auch noch nie einen Menschen getötet. Und um ehrlich zu sein, war ich darüber als Vampir ziemlich stolz, denn das können nur wenige von sich behaupten. Aber dieser Kerl weckt in mir wirklich Mordfantasien. Nun ja, aber er kann hier nicht sterben. Es ist schließlich sein Gefängnis und seine Strafe. Damon hat es weiß Gott ein paar Mal versucht.
Plötzlich riss mich der Klang von schnellen Schritten aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und sah, dass Kai auf mich zu rannte. Bin ich hier in einem schlechten Horrorfilm? Zunächst war ich nur erschrocken von dem Anblick, wie dieser Irre grinsend auf mich zu rannte und ich fragte mich, was er in der Hand hielt. Dann aber riss ich mich aus der Starre und verschwand mit meiner Vampirkraft so schnell ich nur konnte aus seinem Sichtfeld.
Als es dunkel wurde wollte ich schließlich nach Hause. Ich sah es gar nicht ein, mir ein anderes Zuhause zu suchen, nur weil dieser Scheißkerl meinte, sich hier niederzulassen. Ich wollte mich nicht vertreiben lassen, auch wenn das hieß, dass ich mich mit ihm auseinandersetzen musste. Außerdem würde er mir sowieso nur folgen, wenn ich mich wo anders niederließ. Dann bleibe ich lieber bei mir zuhause.
Ich öffnete die Haustür und schlüpfte leise hinein, als mich ein stechender Schmerz im Rücken aufschreien ließ. Hastig versuchte ich nach Luft zu schnappen, als mich eine Hand am Hals packte und fest zudrückte. Ich spürte, wie der Schmerz im Rücken brannte, als sich der fremde Gegenstand weiter in mich hineinbohrte.
„Du bist einfach so weggelaufen. Das war gar nicht nett von dir.“, flüsterte mir Kai ins Ohr, während er mir weiter den Hals zudrückte und mir den Rücken durchbohrte. Ich war wie gelähmt vor Schmerzen. Mühsam versuchte ich nicht das Bewusstsein zu verlieren, während er mir weiter die Luft abdrückte.
„Du bist zwar ein Vampir, aber ich kenne deine Schwachstellen. Wie viel Spaß wir beide miteinander haben können.“, flötete er mir weiter ins Ohr, während mir langsam schwarz vor Augen wurde. Bevor ich ohnmächtig wurde, ließ er mich los und warf mich zu Boden, ohne mir den Gegenstand aus dem Rücken zu entfernen.
Hustend und keuchend lag ich am Boden und versuchte wieder meine Kraft zu sammeln. Verzweifelt griff ich hinter mich, um an den Gegenstand im Rücken zu kommen, um ihn endlich herauszuziehen, aber ich konnte nichts erreichen.
„Mach es weg… mach es weg…“, wimmerte ich, da mich der Schmerz wahnsinnig machte. Vor meinen Augen erschienen Funken, die aufleuchteten. Was ist das? Wieso tut es so höllisch weh?
„Naja, vielleicht sollte ich den Holzpfahl noch ein bisschen stecken lassen, so als kleine Erinnerung an dein mehr als unfreundliches Benehmen.“, sagte Kai gespielt ermahnend. Ein Holzpfahl. Ausgerechnet. Er wusste, dass ein Holzpfahl an der richtigen Stelle mich töten könnte. Ich konnte sein Grinsen hinter mir spüren.
Schließlich drehte ich mich um und funkelte ihn wütend an. „Mach es weg!“, schrie ich ihn an. Kai kicherte und verschränkte die Arme vor der Brust, während er mir weiter genussvoll beim Leiden zusah. Am liebsten hätte ich ihm das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, aber ich konnte mich kaum bewegen. Der Pfahl in meinem Rücken verursachte bei jeder meiner Bewegungen Schmerzen und bohrte sich auch bei jeder weiter durch mein Fleisch. Ich saß immer noch auf allen vieren auf dem Boden und konzentrierte mich nur darauf stillzuhalten. Kai kam zu mir und ging vor mir in die Hocke.
„Weißt du Anni? Ihr Vampire verwundert mich jedes Mal. So stark und doch so verletzlich.“, sagte er und strich mir eine Strähne von der mittlerweile schweißnassen Stirn. Ich wollte mich wegdrehen, damit er mich nicht berühren konnte, doch die Bewegung schmerzte zu sehr. Ich wimmerte und allmählich füllten sich meine Augen mit Tränen.
„Bitte Kai… zieh ihn endlich raus…“, flehte ich. „Wieso sollte ich das tun? Damit du wieder wegrennst? Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet Anni. Das war sehr unhöflich.“, tadelte er mich wieder mit diesem aufgespielten Ton. Es war lächerlich und ich hasste es. „Ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, wie gekränkt ich gerade bin. Vielleicht sollte ich es dir zeigen.“, sprach er gespielt traurig. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr mich seine psychopatische Art und sein gespieltes Verhalten in den Wahnsinn treibt.
Er griff nach meiner Schulter und saugte meine Magie ab. Es tat höllisch weh, sodass ich aufstöhnte und mich krümmte. Dadurch verschob sich der Holzpfahl in meinem Rücken noch mehr, wodurch ich schmerzhaft aufschrie und zu zittern begann. Kai ließ mich los und kicherte, als er mich beobachtete. Meine Arme und Knie zitterten heftig und ich wusste nicht, wie lange ich mich so noch halten könnte. Doch wenn ich losließ, wenn ich zusammenbrechen würde, stieße der Holzpfahl wieder zu. Ich wollte nur noch das es aufhörte. Verzweifelt fing ich an zu weinen und zu schluchzen.
Schließlich stand Kai auf und mit einem heftigen Ruck nahm er den Holzpfahl aus meinen Rücken. Ich fiel zu Boden, kraftlos von diesem unerbittlichen Schmerz, und weinte, zitterte, wimmerte. „Du wirst nicht mehr weglaufen, verstanden?“, knurrte er, während er sich zu mir beugte. Ich konnte ihm keine Antwort geben, ich hatte keine Kraft mehr. Er nickte stumm und ließ den Holzpfahl neben mich krachend und klackernd auf den Boden fallen. Dann ließ er mich im Flur liegen.
Zwei Wochen lebte ich nun mit diesem Psychopathen unter einem Dach. Manchmal schaffte ich es, etwas nach draußen zu gehen und ein wenig meine Ruhe zu haben. Die meiste Zeit jedoch verfolgte er mich.
>Ich sagte dir doch, ich brauche jemanden zum Quälen und außer dir ist sonst keiner hier. Also werde ich dir immer folgen.<, wiederholte er immer wieder. Wenn er mir nicht die Ohren zulaberte, bewarft er mich mit einem Messer oder stellte mir eine Falle. Gestern Morgen war mein Duschwasser voller Eisenkraut, sodass ich den Tag damit begann, mich zu fühlen, als würde mir die Haut bei lebendigem Leib abgerissen werden.
Doch heute war Kai nicht da. Tatsächlich ertappte ich mich dabei, wie ich ihn zunächst im Haus suchte. Was hatte er nun schon wieder vor? Aber ich konnte ihn nicht finden. Es beunruhigte mich und ich fürchtete zunächst, dass es wieder eine Falle sein könnte. Nach einer Weile bemerkte ich, wie ich mich entspannte und beschloss deshalb einen ruhigen, eisenkrautfreien Kaffee auf der Terrasse zu genießen. Gut, dass ausgerechnet an diesem sich ewig wiederholenden Tag die Sonne schien. Jeden Tag Regen würde die Situation nicht gerade angenehmer gestalten. Ich wollte eigentlich einkaufen gehen, aber zu meiner Überraschung, war Kai auch bis zum Mittag nicht da. Deshalb verschob ich meine Einkaufs-Pläne und genoss die Stille im Garten auf dem Liegestuhl ohne sein ewiges Gerede. Es erleichterte mich auf der einen Seite, endlich meine Ruhe zu haben, aber auf der anderen Seite beschlich mich immer wieder dieses beunruhigende Gefühl. Hatte er irgendetwas vor? Immer wieder ging mir diese Frage durch den Kopf.
Doch schließlich bereute ich den Gedanken schon, als ich seine Stimme hörte. „Liebling, ich bin zuhause!“, rief er von drinnen. Ich sank in meinen Liegestuhl. Tief. Nein, noch tiefer. Viel-leicht sah er mich nicht.
„Anni? Wo bist du?“, trällerte er erneut. Ich bemerkte, dass er durch die Küche ging. Verdammt, die Terrassentür. Natürlich hatte ich sie offenstehen lassen. Und natürlich ging er genau hindurch und stand wenig später neben mir.
„Ach da bist du. Ich habe dich noch nie auf dem Liegestuhl liegen sehen.“, er grinste mich an und hatte eine Tüte in der Hand. „Naja, die meiste Zeit bin ich damit beschäftigt mich zu heilen, nachdem du mich wieder mit irgendwas umbringen wolltest.“, entgegnete ich ihm kühl und legte meinen Arm über meine Augen, einmal um sie vor der Sonne zu schützen und einmal, um ihn nicht ansehen zu müssen.
„Verstehe. Nun, ich war einkaufen. Hast du Hunger? Ich koche uns Spaghetti.“ Er schaute mich stolz an. „Was erwartest du? Ein Freudentänzchen?“, ich runzelte die Stirn und blickte zu ihm.
„Naja, das jetzt nicht. Aber wenn dir danach ist. Nur zu.“, witzelte er und grinste. Ich rollte mit den Augen und wand den Blick wieder von ihm ab. „Ooookaaayyy.“, stieß er aus. „Willst du mir helfen? Ich könnte eine Schnibbelhilfe gebrauchen.“ Er hielt mir eine Karotte, die er aus der Tüte nahm, entgegen und grinste. Ich starrte ihn entsetzt und mit offenem Mund an.
„Ist das dein verdammter Ernst?“, schrie ich fast schon ein bisschen zu laut. Sein Grinsen verblich. „Na schön.“, murmelte er und ging nach drinnen. Der hat vielleicht Nerven. Ich schloss wieder die Augen und genoss die Sonne und meine wohlverdiente, aber unerwartete und sogar etwas beängstigende Ruhe, während Kai drin mit den Töpfen klapperte.
„Essen ist fertig!“, rief Kai aus der Küche. Ich musste kurz eingenickt sein, da ich aufschreckte und für einen Moment nicht wusste, wo ich bin. „Na los, komm schon“, rief Kai erneut, der nun in der Terrassentür stand. Ich setzte mich auf und sah ihn an. Er zwinkerte mir zu und winkte mit der Hand. Ich verrollte die Augen und ging zur Küche. Kai hatte den Tisch gedeckt und es roch wirklich köstlich. Allerdings war das die anderen Male auch immer so gewesen. Man mag über Kai sagen, was man will, aber kochen konnte er wirklich fantastisch. Wenn er nicht gerade etwas nicht Essbares reinschummelte.
Ich setzte mich auf den Küchenstuhl und er sich mir gegenüber. Erwartungsvoll beobachtete er mich. Ich sah auf meinen Teller voller Spaghetti und dann auf seinen. „Was ist los? Hast du Angst, dass ich mir mehr drauf gemacht habe. In dem Topf sind auch noch welche.“, verteidigte er sich direkt. „So ein Quatsch.“, murmelte ich. „Ich frage mich nur, ob in meinem Teller sich vielleicht Eisenkraut verirrt hat-“
„Nöp“, antwortete er schnell. „Rasierklingen in der Bolognese Soße wie letztes Mal?“ „Nöp“, kam es wieder. „Mal was Neues? Rattengift oder so?“, fragte ich ihn und wieder kam nur ein knappes „Nöp“.
Kai nahm sein Besteck, fing an zu Essen und beobachtete mich mit einem zufriedenen Lächeln. Ich nahm die Gabel und fischte mir eine Nudel, erst einmal nur eine einzige Nudel, darauf, um zuerst daran zu riechen und sie dann vorsichtig in meinen Mund zu stecken. Ich erwartete irgendeine Art von Schmerz, aber es kam nichts. Es schmeckte einfach nur himmlisch. Kais Grinsen wurde größer. Ich wickelte mir nun eine größere Portion Nudeln auf den Löffel und steckte dann auch diese in meinen Mund. Wieder kein Schmerz. Aber wohl die besten Spaghetti mit Bolognese Soße, die ich jemals gegessen hatte. Was sollte das? Irgendetwas ist doch faul hier… Ich war sehr verwirrt.
„Schmeckt es dir denn?“, fragte Kai, der sich gerade einen Soßenfleck vom Kinn wischte. Ich nickte kurz, da ich mich nicht mit ihm unterhalten wollte. Wir aßen zusammen und komischerweise schwieg auch er dabei. Es war eigenartig und ich fühlte mich nicht wirklich wohl dabei. Aber ich war froh, dass er mal die Klappe hielt, und es etwas wirklich Leckeres zu essen gab, ohne dass ich dabei von innen verbrenne oder mir die Zunge zerschneide.
Als wir mit Essen fertig waren, saßen wir noch eine Weile schweigend am Tisch, bis ich es nicht mehr aushielt. „Was sollte das hier?“, fragte ich und legte dabei meine Hände betonend auf den Tisch. Er sah mich nicht an, sondern wischte sich nur mit der Serviette mehrmals über den Mund.
„Was meinst du?“, entgegnete er mir. „Na das hier?!“, meine Stimme war lauter, als ich es beabsichtigte. Ich versuchte mich zu beruhigen und fuhr mit einer bemüht sanfteren Stimme fort: „Dieses friedliche Abendessen. Was hast du vor Kai?“
Nun sah er mich an. Kein Grinsen. Kein Lachen. Er legte langsam die Serviette auf die Seite und holte tief Luft. „Nun… eigentlich sollte es eine Art Friedensangebot sein.“, sagte er in einem ebenfalls ruhigen Ton. Hatte ich mich verhört? Friedensangebot? Tatsächlich stutze ich kurz. Aber nein, ich hatte mich nicht verhört, doch mein Gefühl hatte mich auch nicht getäuscht, denn im nächsten Moment steckte sein Messer in meiner rechten Hand.
Ich schrie auf, als der brennende Schmerz durch meine Hand schoss. Die Haut meiner Hand wurde sauber aufgeschnitten und die Sehnen in meiner Handfläche durchtrennt, sodass ich die Explosionen des Schmerzes fühlen konnte. Ich konnte sie jedoch nicht wegziehen, da er das Messer immer noch darin festhielt. Wie gelähmt vor Schmerzen und vom Schock, saß ich da und wimmerte.
„Aber du wolltest mir ja nicht schneiden helfen. Schade, wirklich schade… wir wären sicherlich ein gutes Team gewesen. Aber mit dem Messer kann ich sowieso besser umgehen als du.“, murmelte er, als er anfing, das Messer in meiner Hand zu drehen. Es schmerzte höllisch und ich verzog das Gesicht. Ich bemühte mich, die Hand etwas mitzubewegen, damit er mich nicht noch mehr verletzte, aber es gelang mir nicht. Verzweifelt hielt ich die Luft an und versuchte den Schmerz zu unterdrücken.
Aber etwas stimmte nicht. Kein Grinsen. Kein Lachen. Normalerweise genoss er schadenfroh meinen Schmerz und erfreute sich daran, mir mit jeder Bewegung mehr Schmerzen zuzufügen. Aber diesmal sah sein Blick so leer aus. Was war los mit ihm? Ich sah ihm ins Gesicht und versuchte ihn wütend anzufunkeln, was unter diesen Bedingungen echt schwer war, da mir die Tränen über die Wange flossen. Aber irgendetwas stimmte nicht. Ich wusste nicht, ob mir das nicht noch mehr Angst machen sollte.
Ich nutze einen Moment, in dem er etwas Druck nachließ und griff mit meiner anderen Hand nach dem Messer. Mit einem heftigen Wurf traf ich mit dem Messer seine Brust. Seine Augen weiteten sich und Kai fiel vom Stuhl. Ich warf meinen Stuhl nach hinten und rannte auf mein Zimmer.
Meine Hand war fast geheilt, als ich sie noch einmal betrachtete. Ich saß auf meinem Bett, nachdem ich meine Hand im Bad abgewaschen hatte, um mit dem kühlenden Wasser den Schmerz etwas zu betäuben, als sie jedoch bereits wieder zu heilen begann. Was war da gerade passiert? Ein Friedensangebot? Nein, nicht von diesem Psychopathen. Vielleicht würde er jetzt vollkommen durchschnappen und den richtigen Psycho raushängen lassen. Ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen und atmete tief ein und wieder aus. Wie lange soll ich das noch aushalten?
Es klopfte an der Zimmertür und ich wusste natürlich, dass ER es war. Wer sonst? Ich wusste auch, dass ihn das Messer in der Brust zwar außer Gefecht setzte, aber ihn nicht töten würde. Er konnte hier nicht sterben. Allerdings hatte ich gehofft, ich würde etwas länger meine Ruhe vor ihm haben. Vor allem nach dieser unschönen Situation in der Küche.
„Anni, darf ich reinkommen?“, hörte ich seine Stimme dumpf durch die Tür. „Vergiss es!“, rief ich und merkte, wie meine Stimme wegbrach. Er sollte mich in Ruhe lassen. Einfach nur in Ruhe lassen. Ich legte meine Hände auf meine Ohren, damit ich sein Klopfen nicht mehr hören konnte. Irgendwie fühlte ich mich wie ein Kleinkind, bis ich schließlich bemerkte, dass er in meinem Zimmer stand.
„Was? Nicht mal hier lässt du mir mehr meine Ruhe?“, schrie ich ihn an, nachdem ich mich ruckartig aufsetzte. Tatsächlich hatte er mir mein Zimmer immer als Privatsphäre gelassen. So fair war er… bis jetzt.
Kai hob die Arme und kam langsam auf mich zu. „Bitte, ich möchte nur mit dir reden.“, sagte er ruhig, als er schon fast bei mir war. „Das ist es ja Kai, du redest und redest und redest und redest… halt doch einfach mal die Klappe.“, brüllte ich ihn wütend an. Allerdings erschrak ich etwas, als ich in sein Gesicht sah. Ich dachte wirklich, ich hätte so etwas wie Traurigkeit gesehen. Irgendwie kam er mir heute so seltsam vor. Noch merkwürdiger, als er nicht sowieso schon auf mich wirkte.
Jedoch war mir auch klar, dass er das Zimmer nicht verlassen würde, bis er nicht das bekam, was er wollte. So wie immer. Ich seufzte lange, bis ich mir mit den Händen noch einmal durchs Gesicht rieb. „Na gut… rede.“, sagte ich dann schließlich augenrollend.
Kai lächelte ein wenig und kam weiter auf mich zu. „Darf ich?“, er deutete dabei auf mein Bett und als ich die Beine anwinkelte saß er schon auf darauf. Ich hielt meine Beine eng umschlungen, um meinen Abstand zu ihm zu vergrößern. Er war mir nah, zu nah. Das eigene Bett ist eine noch intimere Privatsphäre, die er sonst nicht überschritten hatte.
„Findest du das nicht ein wenig unpassend? Schließlich hast du mir gerade noch mit einem Messer die Hand durchbohrt.“, fragte ich und presste dabei meine Lippen aufeinander. „Und du mir mit eben jenem Messer die Brust. Ich würde sagen wir sind quitt.“, konterte er kühl. „Fürs Erste!“, zischte ich und sah ihn scharf an.
Dann fiel mein Blick auf seine Brust, in der vorhin noch das Messer steckte. Bis auf den Schlitz in seinem T-Shirt und den roten Blutflecken war von der Wunde nichts mehr zu sehen. Es schien, als heile er wie ein Vampir, aber ich wusste, dass es mit dem Verbannungszauber zu tun hatte. Er konnte nicht altern und auch nicht sterben, das war seine Strafe. Ich fühlte mich schlecht, dass ich ihm eine Verletzung zugefügt hatte. Jemanden zu verletzten, jemandem Leid zuzufügen… das war nicht meine Art. Er trieb mich zu etwas, was ich nicht bin, was ich nicht sein wollte… und ich hasste ihn dafür.
Kai blickte zu seinen Händen, die er schon fast nervös knetete. „Hör zu, ich… ich wollte dir tatsächlich ein Friedensangebot machen.“, stammelte er. Ich musste unweigerlich auflachen und schüttelte genervt den Kopf.
„Jetzt fang nicht wieder so an!“, rief er aus und sah mich mit großen Augen an. Irgendwie fand ich es lächerlich, was wir hier gerade veranstalteten, aber er schien so verändert, dass ich kurz innehielt. Ich musste schlucken und presste die Lippen aufeinander, während ich ihm zunickte, damit er weitersprach.
„Ich war hier für eine lange Zeit alleine eingesperrt. Und da meine einzige Chance hier rauszukommen zerstört wurde, habe ich meine Wut an dir ausgelassen. Ich will nicht sagen, dass es mir leid tut, denn es hat mir wirklich Spaß gemacht-“, er grinste und sah mich kurz darauf an. Als er jedoch bemerkte, dass ich die Arme verschränkte und ihn wütend anfunkelte, verflüchtigte sich sein Grinsen.
Er räusperte sich und sprach weiter: „Nun ja, was ich eigentlich sagen wollte ist, dass wir Glück haben, nicht alleine hier zu sein. Und dafür sollten wir dankbar sein. Was meinst du?“, er sah mich erwartungsvoll an. „Soll ich jetzt dankbar sein, dass du mich täglich mit irgendwas durchbohrst oder mir meine Kraft absaugst?“, fauchte ich ihn fassungslos an. Ich konnte nicht fassen, was er da von sich gab. „Nein, das meinte ich nicht. Aber zumindest bist du nicht alleine hier.“, stammelte er zurück.
„Hättest du mich nicht zurückgehalten, wäre ich GAR NICHT hier!“, schrie ich, nein, brüllte ich ihn an. Kai sah wieder zu seinen Händen. Kein Grinsen. „Richtig.“, murmelte er leise. Sei-ne Stirn durchzog eine tiefe Falte und ich hätte gerne in seinen Kopf gesehen, gerne gewusst, was er gerade dachte. Überlegte er sich, wie er mich als nächstes Quälen konnte? Ist das eine neue Masche? Ist das ein Trick?
Nach einer Weile stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort nach draußen. Die Verwirrung in mir überschlug sich beinahe und diese Unsicherheit machte mich noch wahnsinniger, als ich es nicht ohnehin schon war. „Was zum Teufel erwartest du Kai?!“, schrie ich ihm hinterher. Doch es kam keine Antwort.
Was war das denn nun schon wieder? Er konnte kaum von mir erwarten, dass ich nach wochenlanger Quälerei mich gemütlich mit ihm ans Lagerfeuer setzte, um Marshmallows zu grillen und Kumbaya zu singen.
Ich legte mich auf mein Bett und zog die Decke über mich. Es war zwar noch hell am Tag, aber heute wollte ich mein Zimmer nicht mehr verlassen. Nicht um ihm noch einmal über den Weg zu laufen.
Nachdem ich eine Weile im Bett lag und gedankenverloren an die Decke starrte, ging ich ins Bad, um mich zu duschen. Das warme Wasser, das über meinen Körper lief, fühlte sich gut an und gab mir ein geborgenes Gefühl, was in den letzten Wochen wirklich eher zur Seltenheit gehörte. Wieder kreisten meine Gedanken um Bonnie und Damon. Ob sie es geschafft haben? Ob sie mich hier rausholen können? Wie lange werde ich hier drin gefangen sein? Ich versuchte die Gedanken abzuschütteln, denn sie machten mich traurig. Mit etwas positiveren Gedanken versuchte ich den Rest meiner Dusche zu genießen.
Nach der Dusche wickelte ich mich und meine Haare in ein Handtuch und stellte mich vor den Spiegel. Ich betrachtete meine Schulter: nichts. Ich betrachtete auch meinen Hals: nichts. Es erstaunte mich immer wieder, wie gut meine Wunden heilten durch den Vampirismus. Ein eindeutiger Vorteil. Nachdem ich mir noch die Zähne putzte und mit Anziehen fertig war, verließ ich mein Zimmer.
Moment mal… war das etwa… Kaffee? Herrlicher Kaffeeduft erfüllte den Flur. Kein Geruch der Welt sagt viel besser >Guten Morgen<, als frischer Kaffee. Natürlich wusste ich, wer den Kaffee kochte, dennoch lockte mich der wunderbare Duft zur Küche, wo Kai am Herd stand und gerade einen Pfannkuchen in der Luft wendete.
„Guten Morgen, ich hoffe du hast gut geschlafen. Hast du Hunger?“, flötete Kai, ohne mich dabei anzusehen. Sein Gehör war makellos. Wahrscheinlich kam das durch die lange Einsamkeit, die er bereits mitgemacht hatte. Ein Lächeln strahlte über sein ganzes Gesicht. Er sah so unbeschwert aus, dass mir richtig schlecht wurde.
„Was soll das Kai?“, fragte ich stirnrunzelnd. Ich misstraute ihm in jeder Lage. „Wieso? Ich mache Frühstück. Magst du keine Pfannkuchen?“, entgegnete er, während er gespielt einen Schmollmund machte. Gekonnt schob Kai den Pfannkuchen von der Pfanne auf einen Teller und legte die heiße Pfanne in die Spüle, die dabei kurz zischte.
„Das meinte ich nicht. Gestern hast du mich aufgespießt und heute machst du Frühstück? Warum verschwindest du nicht einfach und lässt mich in Ruhe.“, sagte ich kühl, während ich mich an den Küchentisch setzte und mir eine Tasse Kaffee einschenkte. Kai stütze sich auf der Kücheninsel ab und sah mich ernst an. „Anni, das verletzt mich jetzt aber. Schließlich habe ich mir allergrößte Mühe mit deinem Frühstück gegeben.“, säuselte er. Ich verdrehte die Augen und nahm einen Schluck von meinem Kaffee.
Augenblicklich prustete ich ihn wieder aus. Eisenkraut. Dieser Mistkerl hat Eisenkraut in den Kaffee getan. Ich hustete, spuckte und krümmte mich vor Schmerzen. Mein Hals und mein Mund brannten wie Feuer. Es schien mir, als zersetzte sich die innere Schleimhaut meines Mundes. Als schnitten winzig kleine Messer die Haut meiner Mundhöhle ab. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und wimmerte, als mir Tränen in die Augen stiegen. Es tat so weh. Dabei hörte ich Kais Lachen und ich warf ihm einen bösen Blick zu. Er nahm die Hände hoch, als würde er sich ergeben wollen.
„Ach komm, es sollte nur ein Scherz sein.“, sagte er und kicherte munter weiter, als er mich beobachtete. Mehrfach schnappte ich nach Luft, als der Schmerz langsam nachließ. „Haha, was haben wir gelacht.“, krächzte ich und stand betont vom Tisch auf.
„Nein, bleib doch noch. Du hast die Pfannkuchen noch gar nicht probiert.“, rief mir Kai hämisch nach, aber ich stampfte erschöpft aus der Küche. Ich konnte sein dämliches Lachen nicht mehr ertragen.
Als ich zur Haustür hinauslief wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Ich lief einfach immer weiter und weiter und hoffte dabei, dass das Brennen in meiner Kehle aufhören würde. Die Sonne schien schon warm vom Himmel, doch es tröstete mich nicht. Es gab hier rein gar nichts, was mich trösten konnte. Hier war die Hölle und der Teufel persönlich lebte bei mir unterm Dach. Allmählich merkte ich, wie das Brennen nachließ. Erschöpft setzte ich mich an den Wegrand und lehnte mich gegen einen Baumstamm.
Wie soll ich das hier aushalten? Dieser Wahnsinnige wird mich ewig so weiter quälen. EWIG. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht und ich musste ein Würgen unterdrücken. Damon… Bonnie… ich hoffte so sehr, dass es ihnen gut ging. Bitte holt mich hier raus. Bitte… Ich spürte, wie Tränen in meine Augen stiegen, doch ich wollte nicht weinen. Mühsam atmete ich langsam und tief, um sie zu unterdrücken. Du musst stark bleiben. Gib dich nicht auf.
Plötzlich hörte ich ein Pfeifen, das mich aufschrecken ließ. Kai näherte sich mir und pfiff fröhlich ein Lied vor sich hin. Hastig stand ich auf und ging weiter meines Weges. Ich wollte jetzt nicht mit ihm reden. Wieso konnte er mich nicht in Ruhe lassen?
„Du weißt, dass du hier nicht vor mir weglaufen kannst, oder? Ich werde dich immer finden.“, rief er mir mit einem ekligen Grinsen hinterher, als ich mich zu ihm umdrehte. Ich lief schneller, wohl bedacht, dass ich immer noch im Zweifelsfall meine Vampirkraft nutzen konnte, um schnell vor ihm zu verschwinden.
„Verpiss dich einfach Kai!“, rief ich, während ich allmählich zu schnaufen begann. Seine Schritte blieben weiter entspannt hinter mir und unser Abstand wurde größer.
Dieser Dreckskerl… Gott, ich hätte gut Lust ihm das Genick zu brechen, aber so bin ich nicht. Nein… ich hatte noch nie einen Menschen aus purer Freude oder Genugtuung verletzt. Ich hatte auch noch nie einen Menschen getötet. Und um ehrlich zu sein, war ich darüber als Vampir ziemlich stolz, denn das können nur wenige von sich behaupten. Aber dieser Kerl weckt in mir wirklich Mordfantasien. Nun ja, aber er kann hier nicht sterben. Es ist schließlich sein Gefängnis und seine Strafe. Damon hat es weiß Gott ein paar Mal versucht.
Plötzlich riss mich der Klang von schnellen Schritten aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und sah, dass Kai auf mich zu rannte. Bin ich hier in einem schlechten Horrorfilm? Zunächst war ich nur erschrocken von dem Anblick, wie dieser Irre grinsend auf mich zu rannte und ich fragte mich, was er in der Hand hielt. Dann aber riss ich mich aus der Starre und verschwand mit meiner Vampirkraft so schnell ich nur konnte aus seinem Sichtfeld.
Als es dunkel wurde wollte ich schließlich nach Hause. Ich sah es gar nicht ein, mir ein anderes Zuhause zu suchen, nur weil dieser Scheißkerl meinte, sich hier niederzulassen. Ich wollte mich nicht vertreiben lassen, auch wenn das hieß, dass ich mich mit ihm auseinandersetzen musste. Außerdem würde er mir sowieso nur folgen, wenn ich mich wo anders niederließ. Dann bleibe ich lieber bei mir zuhause.
Ich öffnete die Haustür und schlüpfte leise hinein, als mich ein stechender Schmerz im Rücken aufschreien ließ. Hastig versuchte ich nach Luft zu schnappen, als mich eine Hand am Hals packte und fest zudrückte. Ich spürte, wie der Schmerz im Rücken brannte, als sich der fremde Gegenstand weiter in mich hineinbohrte.
„Du bist einfach so weggelaufen. Das war gar nicht nett von dir.“, flüsterte mir Kai ins Ohr, während er mir weiter den Hals zudrückte und mir den Rücken durchbohrte. Ich war wie gelähmt vor Schmerzen. Mühsam versuchte ich nicht das Bewusstsein zu verlieren, während er mir weiter die Luft abdrückte.
„Du bist zwar ein Vampir, aber ich kenne deine Schwachstellen. Wie viel Spaß wir beide miteinander haben können.“, flötete er mir weiter ins Ohr, während mir langsam schwarz vor Augen wurde. Bevor ich ohnmächtig wurde, ließ er mich los und warf mich zu Boden, ohne mir den Gegenstand aus dem Rücken zu entfernen.
Hustend und keuchend lag ich am Boden und versuchte wieder meine Kraft zu sammeln. Verzweifelt griff ich hinter mich, um an den Gegenstand im Rücken zu kommen, um ihn endlich herauszuziehen, aber ich konnte nichts erreichen.
„Mach es weg… mach es weg…“, wimmerte ich, da mich der Schmerz wahnsinnig machte. Vor meinen Augen erschienen Funken, die aufleuchteten. Was ist das? Wieso tut es so höllisch weh?
„Naja, vielleicht sollte ich den Holzpfahl noch ein bisschen stecken lassen, so als kleine Erinnerung an dein mehr als unfreundliches Benehmen.“, sagte Kai gespielt ermahnend. Ein Holzpfahl. Ausgerechnet. Er wusste, dass ein Holzpfahl an der richtigen Stelle mich töten könnte. Ich konnte sein Grinsen hinter mir spüren.
Schließlich drehte ich mich um und funkelte ihn wütend an. „Mach es weg!“, schrie ich ihn an. Kai kicherte und verschränkte die Arme vor der Brust, während er mir weiter genussvoll beim Leiden zusah. Am liebsten hätte ich ihm das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, aber ich konnte mich kaum bewegen. Der Pfahl in meinem Rücken verursachte bei jeder meiner Bewegungen Schmerzen und bohrte sich auch bei jeder weiter durch mein Fleisch. Ich saß immer noch auf allen vieren auf dem Boden und konzentrierte mich nur darauf stillzuhalten. Kai kam zu mir und ging vor mir in die Hocke.
„Weißt du Anni? Ihr Vampire verwundert mich jedes Mal. So stark und doch so verletzlich.“, sagte er und strich mir eine Strähne von der mittlerweile schweißnassen Stirn. Ich wollte mich wegdrehen, damit er mich nicht berühren konnte, doch die Bewegung schmerzte zu sehr. Ich wimmerte und allmählich füllten sich meine Augen mit Tränen.
„Bitte Kai… zieh ihn endlich raus…“, flehte ich. „Wieso sollte ich das tun? Damit du wieder wegrennst? Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet Anni. Das war sehr unhöflich.“, tadelte er mich wieder mit diesem aufgespielten Ton. Es war lächerlich und ich hasste es. „Ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, wie gekränkt ich gerade bin. Vielleicht sollte ich es dir zeigen.“, sprach er gespielt traurig. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr mich seine psychopatische Art und sein gespieltes Verhalten in den Wahnsinn treibt.
Er griff nach meiner Schulter und saugte meine Magie ab. Es tat höllisch weh, sodass ich aufstöhnte und mich krümmte. Dadurch verschob sich der Holzpfahl in meinem Rücken noch mehr, wodurch ich schmerzhaft aufschrie und zu zittern begann. Kai ließ mich los und kicherte, als er mich beobachtete. Meine Arme und Knie zitterten heftig und ich wusste nicht, wie lange ich mich so noch halten könnte. Doch wenn ich losließ, wenn ich zusammenbrechen würde, stieße der Holzpfahl wieder zu. Ich wollte nur noch das es aufhörte. Verzweifelt fing ich an zu weinen und zu schluchzen.
Schließlich stand Kai auf und mit einem heftigen Ruck nahm er den Holzpfahl aus meinen Rücken. Ich fiel zu Boden, kraftlos von diesem unerbittlichen Schmerz, und weinte, zitterte, wimmerte. „Du wirst nicht mehr weglaufen, verstanden?“, knurrte er, während er sich zu mir beugte. Ich konnte ihm keine Antwort geben, ich hatte keine Kraft mehr. Er nickte stumm und ließ den Holzpfahl neben mich krachend und klackernd auf den Boden fallen. Dann ließ er mich im Flur liegen.
Zwei Wochen lebte ich nun mit diesem Psychopathen unter einem Dach. Manchmal schaffte ich es, etwas nach draußen zu gehen und ein wenig meine Ruhe zu haben. Die meiste Zeit jedoch verfolgte er mich.
>Ich sagte dir doch, ich brauche jemanden zum Quälen und außer dir ist sonst keiner hier. Also werde ich dir immer folgen.<, wiederholte er immer wieder. Wenn er mir nicht die Ohren zulaberte, bewarft er mich mit einem Messer oder stellte mir eine Falle. Gestern Morgen war mein Duschwasser voller Eisenkraut, sodass ich den Tag damit begann, mich zu fühlen, als würde mir die Haut bei lebendigem Leib abgerissen werden.
Doch heute war Kai nicht da. Tatsächlich ertappte ich mich dabei, wie ich ihn zunächst im Haus suchte. Was hatte er nun schon wieder vor? Aber ich konnte ihn nicht finden. Es beunruhigte mich und ich fürchtete zunächst, dass es wieder eine Falle sein könnte. Nach einer Weile bemerkte ich, wie ich mich entspannte und beschloss deshalb einen ruhigen, eisenkrautfreien Kaffee auf der Terrasse zu genießen. Gut, dass ausgerechnet an diesem sich ewig wiederholenden Tag die Sonne schien. Jeden Tag Regen würde die Situation nicht gerade angenehmer gestalten. Ich wollte eigentlich einkaufen gehen, aber zu meiner Überraschung, war Kai auch bis zum Mittag nicht da. Deshalb verschob ich meine Einkaufs-Pläne und genoss die Stille im Garten auf dem Liegestuhl ohne sein ewiges Gerede. Es erleichterte mich auf der einen Seite, endlich meine Ruhe zu haben, aber auf der anderen Seite beschlich mich immer wieder dieses beunruhigende Gefühl. Hatte er irgendetwas vor? Immer wieder ging mir diese Frage durch den Kopf.
Doch schließlich bereute ich den Gedanken schon, als ich seine Stimme hörte. „Liebling, ich bin zuhause!“, rief er von drinnen. Ich sank in meinen Liegestuhl. Tief. Nein, noch tiefer. Viel-leicht sah er mich nicht.
„Anni? Wo bist du?“, trällerte er erneut. Ich bemerkte, dass er durch die Küche ging. Verdammt, die Terrassentür. Natürlich hatte ich sie offenstehen lassen. Und natürlich ging er genau hindurch und stand wenig später neben mir.
„Ach da bist du. Ich habe dich noch nie auf dem Liegestuhl liegen sehen.“, er grinste mich an und hatte eine Tüte in der Hand. „Naja, die meiste Zeit bin ich damit beschäftigt mich zu heilen, nachdem du mich wieder mit irgendwas umbringen wolltest.“, entgegnete ich ihm kühl und legte meinen Arm über meine Augen, einmal um sie vor der Sonne zu schützen und einmal, um ihn nicht ansehen zu müssen.
„Verstehe. Nun, ich war einkaufen. Hast du Hunger? Ich koche uns Spaghetti.“ Er schaute mich stolz an. „Was erwartest du? Ein Freudentänzchen?“, ich runzelte die Stirn und blickte zu ihm.
„Naja, das jetzt nicht. Aber wenn dir danach ist. Nur zu.“, witzelte er und grinste. Ich rollte mit den Augen und wand den Blick wieder von ihm ab. „Ooookaaayyy.“, stieß er aus. „Willst du mir helfen? Ich könnte eine Schnibbelhilfe gebrauchen.“ Er hielt mir eine Karotte, die er aus der Tüte nahm, entgegen und grinste. Ich starrte ihn entsetzt und mit offenem Mund an.
„Ist das dein verdammter Ernst?“, schrie ich fast schon ein bisschen zu laut. Sein Grinsen verblich. „Na schön.“, murmelte er und ging nach drinnen. Der hat vielleicht Nerven. Ich schloss wieder die Augen und genoss die Sonne und meine wohlverdiente, aber unerwartete und sogar etwas beängstigende Ruhe, während Kai drin mit den Töpfen klapperte.
„Essen ist fertig!“, rief Kai aus der Küche. Ich musste kurz eingenickt sein, da ich aufschreckte und für einen Moment nicht wusste, wo ich bin. „Na los, komm schon“, rief Kai erneut, der nun in der Terrassentür stand. Ich setzte mich auf und sah ihn an. Er zwinkerte mir zu und winkte mit der Hand. Ich verrollte die Augen und ging zur Küche. Kai hatte den Tisch gedeckt und es roch wirklich köstlich. Allerdings war das die anderen Male auch immer so gewesen. Man mag über Kai sagen, was man will, aber kochen konnte er wirklich fantastisch. Wenn er nicht gerade etwas nicht Essbares reinschummelte.
Ich setzte mich auf den Küchenstuhl und er sich mir gegenüber. Erwartungsvoll beobachtete er mich. Ich sah auf meinen Teller voller Spaghetti und dann auf seinen. „Was ist los? Hast du Angst, dass ich mir mehr drauf gemacht habe. In dem Topf sind auch noch welche.“, verteidigte er sich direkt. „So ein Quatsch.“, murmelte ich. „Ich frage mich nur, ob in meinem Teller sich vielleicht Eisenkraut verirrt hat-“
„Nöp“, antwortete er schnell. „Rasierklingen in der Bolognese Soße wie letztes Mal?“ „Nöp“, kam es wieder. „Mal was Neues? Rattengift oder so?“, fragte ich ihn und wieder kam nur ein knappes „Nöp“.
Kai nahm sein Besteck, fing an zu Essen und beobachtete mich mit einem zufriedenen Lächeln. Ich nahm die Gabel und fischte mir eine Nudel, erst einmal nur eine einzige Nudel, darauf, um zuerst daran zu riechen und sie dann vorsichtig in meinen Mund zu stecken. Ich erwartete irgendeine Art von Schmerz, aber es kam nichts. Es schmeckte einfach nur himmlisch. Kais Grinsen wurde größer. Ich wickelte mir nun eine größere Portion Nudeln auf den Löffel und steckte dann auch diese in meinen Mund. Wieder kein Schmerz. Aber wohl die besten Spaghetti mit Bolognese Soße, die ich jemals gegessen hatte. Was sollte das? Irgendetwas ist doch faul hier… Ich war sehr verwirrt.
„Schmeckt es dir denn?“, fragte Kai, der sich gerade einen Soßenfleck vom Kinn wischte. Ich nickte kurz, da ich mich nicht mit ihm unterhalten wollte. Wir aßen zusammen und komischerweise schwieg auch er dabei. Es war eigenartig und ich fühlte mich nicht wirklich wohl dabei. Aber ich war froh, dass er mal die Klappe hielt, und es etwas wirklich Leckeres zu essen gab, ohne dass ich dabei von innen verbrenne oder mir die Zunge zerschneide.
Als wir mit Essen fertig waren, saßen wir noch eine Weile schweigend am Tisch, bis ich es nicht mehr aushielt. „Was sollte das hier?“, fragte ich und legte dabei meine Hände betonend auf den Tisch. Er sah mich nicht an, sondern wischte sich nur mit der Serviette mehrmals über den Mund.
„Was meinst du?“, entgegnete er mir. „Na das hier?!“, meine Stimme war lauter, als ich es beabsichtigte. Ich versuchte mich zu beruhigen und fuhr mit einer bemüht sanfteren Stimme fort: „Dieses friedliche Abendessen. Was hast du vor Kai?“
Nun sah er mich an. Kein Grinsen. Kein Lachen. Er legte langsam die Serviette auf die Seite und holte tief Luft. „Nun… eigentlich sollte es eine Art Friedensangebot sein.“, sagte er in einem ebenfalls ruhigen Ton. Hatte ich mich verhört? Friedensangebot? Tatsächlich stutze ich kurz. Aber nein, ich hatte mich nicht verhört, doch mein Gefühl hatte mich auch nicht getäuscht, denn im nächsten Moment steckte sein Messer in meiner rechten Hand.
Ich schrie auf, als der brennende Schmerz durch meine Hand schoss. Die Haut meiner Hand wurde sauber aufgeschnitten und die Sehnen in meiner Handfläche durchtrennt, sodass ich die Explosionen des Schmerzes fühlen konnte. Ich konnte sie jedoch nicht wegziehen, da er das Messer immer noch darin festhielt. Wie gelähmt vor Schmerzen und vom Schock, saß ich da und wimmerte.
„Aber du wolltest mir ja nicht schneiden helfen. Schade, wirklich schade… wir wären sicherlich ein gutes Team gewesen. Aber mit dem Messer kann ich sowieso besser umgehen als du.“, murmelte er, als er anfing, das Messer in meiner Hand zu drehen. Es schmerzte höllisch und ich verzog das Gesicht. Ich bemühte mich, die Hand etwas mitzubewegen, damit er mich nicht noch mehr verletzte, aber es gelang mir nicht. Verzweifelt hielt ich die Luft an und versuchte den Schmerz zu unterdrücken.
Aber etwas stimmte nicht. Kein Grinsen. Kein Lachen. Normalerweise genoss er schadenfroh meinen Schmerz und erfreute sich daran, mir mit jeder Bewegung mehr Schmerzen zuzufügen. Aber diesmal sah sein Blick so leer aus. Was war los mit ihm? Ich sah ihm ins Gesicht und versuchte ihn wütend anzufunkeln, was unter diesen Bedingungen echt schwer war, da mir die Tränen über die Wange flossen. Aber irgendetwas stimmte nicht. Ich wusste nicht, ob mir das nicht noch mehr Angst machen sollte.
Ich nutze einen Moment, in dem er etwas Druck nachließ und griff mit meiner anderen Hand nach dem Messer. Mit einem heftigen Wurf traf ich mit dem Messer seine Brust. Seine Augen weiteten sich und Kai fiel vom Stuhl. Ich warf meinen Stuhl nach hinten und rannte auf mein Zimmer.
Meine Hand war fast geheilt, als ich sie noch einmal betrachtete. Ich saß auf meinem Bett, nachdem ich meine Hand im Bad abgewaschen hatte, um mit dem kühlenden Wasser den Schmerz etwas zu betäuben, als sie jedoch bereits wieder zu heilen begann. Was war da gerade passiert? Ein Friedensangebot? Nein, nicht von diesem Psychopathen. Vielleicht würde er jetzt vollkommen durchschnappen und den richtigen Psycho raushängen lassen. Ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen und atmete tief ein und wieder aus. Wie lange soll ich das noch aushalten?
Es klopfte an der Zimmertür und ich wusste natürlich, dass ER es war. Wer sonst? Ich wusste auch, dass ihn das Messer in der Brust zwar außer Gefecht setzte, aber ihn nicht töten würde. Er konnte hier nicht sterben. Allerdings hatte ich gehofft, ich würde etwas länger meine Ruhe vor ihm haben. Vor allem nach dieser unschönen Situation in der Küche.
„Anni, darf ich reinkommen?“, hörte ich seine Stimme dumpf durch die Tür. „Vergiss es!“, rief ich und merkte, wie meine Stimme wegbrach. Er sollte mich in Ruhe lassen. Einfach nur in Ruhe lassen. Ich legte meine Hände auf meine Ohren, damit ich sein Klopfen nicht mehr hören konnte. Irgendwie fühlte ich mich wie ein Kleinkind, bis ich schließlich bemerkte, dass er in meinem Zimmer stand.
„Was? Nicht mal hier lässt du mir mehr meine Ruhe?“, schrie ich ihn an, nachdem ich mich ruckartig aufsetzte. Tatsächlich hatte er mir mein Zimmer immer als Privatsphäre gelassen. So fair war er… bis jetzt.
Kai hob die Arme und kam langsam auf mich zu. „Bitte, ich möchte nur mit dir reden.“, sagte er ruhig, als er schon fast bei mir war. „Das ist es ja Kai, du redest und redest und redest und redest… halt doch einfach mal die Klappe.“, brüllte ich ihn wütend an. Allerdings erschrak ich etwas, als ich in sein Gesicht sah. Ich dachte wirklich, ich hätte so etwas wie Traurigkeit gesehen. Irgendwie kam er mir heute so seltsam vor. Noch merkwürdiger, als er nicht sowieso schon auf mich wirkte.
Jedoch war mir auch klar, dass er das Zimmer nicht verlassen würde, bis er nicht das bekam, was er wollte. So wie immer. Ich seufzte lange, bis ich mir mit den Händen noch einmal durchs Gesicht rieb. „Na gut… rede.“, sagte ich dann schließlich augenrollend.
Kai lächelte ein wenig und kam weiter auf mich zu. „Darf ich?“, er deutete dabei auf mein Bett und als ich die Beine anwinkelte saß er schon auf darauf. Ich hielt meine Beine eng umschlungen, um meinen Abstand zu ihm zu vergrößern. Er war mir nah, zu nah. Das eigene Bett ist eine noch intimere Privatsphäre, die er sonst nicht überschritten hatte.
„Findest du das nicht ein wenig unpassend? Schließlich hast du mir gerade noch mit einem Messer die Hand durchbohrt.“, fragte ich und presste dabei meine Lippen aufeinander. „Und du mir mit eben jenem Messer die Brust. Ich würde sagen wir sind quitt.“, konterte er kühl. „Fürs Erste!“, zischte ich und sah ihn scharf an.
Dann fiel mein Blick auf seine Brust, in der vorhin noch das Messer steckte. Bis auf den Schlitz in seinem T-Shirt und den roten Blutflecken war von der Wunde nichts mehr zu sehen. Es schien, als heile er wie ein Vampir, aber ich wusste, dass es mit dem Verbannungszauber zu tun hatte. Er konnte nicht altern und auch nicht sterben, das war seine Strafe. Ich fühlte mich schlecht, dass ich ihm eine Verletzung zugefügt hatte. Jemanden zu verletzten, jemandem Leid zuzufügen… das war nicht meine Art. Er trieb mich zu etwas, was ich nicht bin, was ich nicht sein wollte… und ich hasste ihn dafür.
Kai blickte zu seinen Händen, die er schon fast nervös knetete. „Hör zu, ich… ich wollte dir tatsächlich ein Friedensangebot machen.“, stammelte er. Ich musste unweigerlich auflachen und schüttelte genervt den Kopf.
„Jetzt fang nicht wieder so an!“, rief er aus und sah mich mit großen Augen an. Irgendwie fand ich es lächerlich, was wir hier gerade veranstalteten, aber er schien so verändert, dass ich kurz innehielt. Ich musste schlucken und presste die Lippen aufeinander, während ich ihm zunickte, damit er weitersprach.
„Ich war hier für eine lange Zeit alleine eingesperrt. Und da meine einzige Chance hier rauszukommen zerstört wurde, habe ich meine Wut an dir ausgelassen. Ich will nicht sagen, dass es mir leid tut, denn es hat mir wirklich Spaß gemacht-“, er grinste und sah mich kurz darauf an. Als er jedoch bemerkte, dass ich die Arme verschränkte und ihn wütend anfunkelte, verflüchtigte sich sein Grinsen.
Er räusperte sich und sprach weiter: „Nun ja, was ich eigentlich sagen wollte ist, dass wir Glück haben, nicht alleine hier zu sein. Und dafür sollten wir dankbar sein. Was meinst du?“, er sah mich erwartungsvoll an. „Soll ich jetzt dankbar sein, dass du mich täglich mit irgendwas durchbohrst oder mir meine Kraft absaugst?“, fauchte ich ihn fassungslos an. Ich konnte nicht fassen, was er da von sich gab. „Nein, das meinte ich nicht. Aber zumindest bist du nicht alleine hier.“, stammelte er zurück.
„Hättest du mich nicht zurückgehalten, wäre ich GAR NICHT hier!“, schrie ich, nein, brüllte ich ihn an. Kai sah wieder zu seinen Händen. Kein Grinsen. „Richtig.“, murmelte er leise. Sei-ne Stirn durchzog eine tiefe Falte und ich hätte gerne in seinen Kopf gesehen, gerne gewusst, was er gerade dachte. Überlegte er sich, wie er mich als nächstes Quälen konnte? Ist das eine neue Masche? Ist das ein Trick?
Nach einer Weile stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort nach draußen. Die Verwirrung in mir überschlug sich beinahe und diese Unsicherheit machte mich noch wahnsinniger, als ich es nicht ohnehin schon war. „Was zum Teufel erwartest du Kai?!“, schrie ich ihm hinterher. Doch es kam keine Antwort.
Was war das denn nun schon wieder? Er konnte kaum von mir erwarten, dass ich nach wochenlanger Quälerei mich gemütlich mit ihm ans Lagerfeuer setzte, um Marshmallows zu grillen und Kumbaya zu singen.
Ich legte mich auf mein Bett und zog die Decke über mich. Es war zwar noch hell am Tag, aber heute wollte ich mein Zimmer nicht mehr verlassen. Nicht um ihm noch einmal über den Weg zu laufen.