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L'histoire d'un elfe, c'est...

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Freundschaft / P16 / MaleSlash
Anthony Goldstein Harry Potter Hermine Granger Luna Lovegood OC (Own Character) Remus "Moony" Lupin
29.07.2022
27.03.2023
30
257.011
26
Alle Kapitel
20 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
28.08.2022 6.411
 
A.d.A.: Vielen lieben Dank für die Reviews zum letzten Kapitel. Ich würde mich freuen, wenn es so weitergeht :)


~oOo~


Nach dem Mittagessen machten sich einige Erstklässler auf den Weg zu ihrer ersten Flugstunde, die mit gemischten Klassen stattfinden sollte. Gespannt liefen sie alle zur großen Rasenfläche in der Nähe des Schlosses, wo sich zwei Reihen von gegenüberliegenden Besen auf dem Boden befanden. Als sie sich alle aufgestellt hatten, kam Madam Hooch, eine ältere Frau mit kurzen, grauen Haaren und falkenähnlichen Augen, festen Schrittes auf sie zu.

„Guten Tag und herzlich willkommen zu Ihrer ersten Flugstunde.“, meinte sie, als sie durch die Reihe lief. „Guten Tag, Amanda.“, fügte sie hinzu und stellte sich vor die Schüler auf.

„Wer ist Amanda?“, fragte Anthony leise zu Harry, welcher grinsend mit den Schultern zuckte.

„Keine Ahnung. Noch nie gehört.“, entgegnete er und Anthony verkniff sich das Lachen.

„So, alle Gespräche jetzt bitte einstellen. Stellen sie sich alle neben Ihren Besen, strecken die rechte Hand aus und sagen „Hoch!“.“, ordnete die Fluglehrerin an und beobachtete die Reaktionen. Harry war überrascht, als sein Besen mit einem enormen Tempo in seine Hand hochgeschossen kam und seinen Arm fast mitzog. Anthonys Besen wippe mit der Spitze hoch und runter. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Hermine immer genervter wurde, da sich ihr Besen mit jedem „Hoch!“ schneller auf dem Boden im Kreis drehte. Beim Umherblicken sah er ebenfalls, wie problemlos der Besen in Malfoys Hand hochschnellte und bei dem ein oder anderen Schüler ähnliche Ergebnisse zustande kamen. Als Madam Hooch sie anwies, sich auf den Besen zu setzen und abzustoßen, jedoch nach einer geringen Höhe wieder auf den Boden zu sinken, passierte es, dass Neville die Kontrolle über seinen Besen verlor, immer höher stieg und ihm etwas Kleines aus der Tasche fiel. Er flog in Richtung der Schlossmauern, prallte daran ab und fiel vom Besen. Er blieb kurz an einer Fackelhalterung an der Schlossmauer hängen und stürzte dann zu Boden. Ein leises Wimmern entwich seinen Lippen und Madam Hooch rannte zu ihm, um ihn anschließend in den Krankenflügel zu bringen. Sie wies alle an, auf dem Boden zu bleiben, jegliche Zuwiderhandlung würde zu einem Schulausschluss führen.

Parvati, eine der Gryffindors fuhr Malfoy an, er solle den Mund halten, als sich dieser lautstark über Nevilles Unfall lustig machte.

Draco beugte sich auf den Boden und lachte hämisch. „Der kleine Troll hat sein Erinnermich verloren. Lächerlich. Wie wäre es, wenn wir es auf das Dach verfrachten? Oder im Baum verstecken, dann kann er es selbst wieder holen.“, schnarrte er höhnend und warf die kleine Glaskugel in seiner Hand hoch und fing sie wieder auf. Pansy Parkinson, eine der Slytherins, machte weitere abfällige Kommentare auf Nevilles Kosten, was zu einer lautstarken Diskussion mit Parvati und Lavender Brown, ebenfalls eine Gryffindor, führte.

„Gib es her, Malfoy.“, meinte Harry genervt und lief auf Malfoy zu.

„Oh, hat der kleine Babywal einen Beschützer gefunden? Wie lieb.“, lachte Draco, mit lauter Unterstützung durch Crabbe und Goyle.

„Gib Nevilles Erinnermich wieder zurück.“, wiederholte Harry beinahe zischend.

„Sonst? Was willst du tun, Narbengesicht? Komm und hol‘s dir doch, wenn du es so sehr willst.“, verhöhnte der Slytherin Harry, stieg auf seinen Besen auf. Harry wusste nicht, was in ihn gefahren war, aber er setzte sich auf den Besen und wollte sich abstoßen, als Hermine und Anthony ihn kurz am Arm festhielten.

„Mach’s nicht, Harry. Du wirst noch der Schule verwiesen.“, meinte Hermine und sah ihn ernst an.

„Egal.“, entgegnete Harry, stieß sich ab und flog zu Malfoy.

„Idiot.“, seufzten Anthony und Hermine gleichzeitig und mussten grinsen. Sie schüttelten den Kopf und sahen besorgt zu Harry, der wohl eine weitere verbale Auseinandersetzung mit Harry hatte, woraufhin der Slytherin ausholte und das Erinnermich in Richtung der Schlossmauern warf, um es zu zerschmettern. Adrenalin durchschoss Harrys Körper, die Luft, die in seinen Haaren wirbelte, erfüllte ihn mit einem nie dagewesenen Gefühl von Freiheit. Er preschte mit seinem Besen vor, nahm an Tempo zu, streckte die Hand danach aus und umgriff die Kugel früh genug, um noch rechtzeitig vor den Schlossmauern einen Schlenker zu machen, den Besen herumzudrehen und mit dem Rücken zur Wand im passenden Moment anzuhalten. Er flog langsam zu seinen Mitschülern runter, welche ihn jubelnd empfangen. Malfoy funkelte ihn wütend und genervt an und Harry kniff lediglich die Augen zusammen.

„Mr. Potter.“, hörte er wenige Minuten später seinen Namen in einem ernsten Ton und drehte sich um. Er sah Professor McGonagall in Begleitung von Professor Flitwick, der ihn ungläubig ansah.

„Es war Malfoys Schuld!“, begannen einige der Erstklässler zu protestieren, doch Professor McGonagall winkte sie mit einer Handbewegung ab.

„Wenn Sie bitte mitkommen würden, Potter.“, sprach die Hauslehrerin der Gryffindors knapp. Harry lief zu seinen Lehrern und folgte ihnen wortlos. Innerlich war er nervös, seine Hände wurden schwitzig und die Atmung unruhig, er versuchte sich jedoch nichts anmerken zu lassen.

Schweigend liefen sie die Korridore des Schlosses entlang, um vor einem Klassenzimmer im siebten Stock anzuhalten. Professor Flitwick klopfte, öffnete die Tür und räusperte sich. „Septima, entschuldige bitte die Störung. Dürften wir uns Bodkin kurz ausleihen?“

„Natürlich, Filius.“, antwortete die dunkelhaarige Hexe in langen, zinnoberroten Roben und fuhr mit ihrem Unterricht fort. Als Harry hinter Professor McGonagall hervor einen Blick ins Klassenzimmer warf, sah er die komplizierten Aufschriften aus Zahlen, Symbolen und Buchstaben an der Tafel und wusste, dass er dieses Fach, welches wohl Arithmantik sein musste, nie belegen würde. Er fragte sich kurz, ob Bodkin eine mögliche Form der Bestrafung sein würde, wurde jedoch vom Gegenteil überzeugt, als ein großer, braunhaariger Schüler mit breiten Schultern um die Ecke hinter einer der Schulbänke hervorkam und die Tür zum Klassenzimmer schloss.

„Bodkin, wir haben einen neuen Sucher für Sie gefunden.“, sprach Professor Flitwick erfreut. Bodkins braune Augen leuchteten erfreut auf, als er die Worte des Professors hörte, als sein Blick auf Harry fiel, runzelte er jedoch die Stirn.

„Ich dachte Erstklässler sind nicht erlaubt? Nichts für ungut, Potter. Ich will nur keine voreiligen Hoffnungen schüren.“, sagte er am Ende an ihn gewandt und blickte zu den beiden Professoren.

„So sehr es mich schmerzt, Potter nicht bei meinen Gryffindors spielen lassen zu können und ihn an die Konkurrenz abzugeben, habe ich in all meinen Jahren selten so ein Naturtalent erlebt.“, entgegnete Professor McGonagall, konnte den Anflug von Enttäuschung über ihren potentiellen Verlust in ihrer Stimme jedoch nicht ganz verbergen.

„Ich war mehr als erfreut, als Minerva mich über Potters Leistung informierte. Die Regeln haben Lücken, lassen Sie mich den Rest erledigen. Sie brauchen doch einen Sucher, oder?“, sprach Flitwick und zog am Ende die Augenbrauen hoch.

„Sicher doch, Professor.“, antwortete Bodkin höflich und sah mit einem Lächeln zu Harry. „Dann, willkommen im Team, Potter. Wir sehen uns morgen Nachmittag um drei im Gemeinschaftsraum, dann gehen wir zum Feld und führen dich in die Kunst des Quidditch‘ ein.“ Er blickte zu den Professoren. „Wenn Sie mich entschuldigen würden.“, fügte er hinzu und ging in den Unterricht zurück. Die beiden Professoren sahen Harry erwartungsvoll an, dieser sah seine Professoren jedoch nur mit großen Augen an.

„Sie sind doch dabei, oder, Potter?“, fragte Flitwick hoffnungsvoll und sah das Blitzen in Professor McGonagalls Augen.

„Eh… ja, klar.“, meinte Harry unsicher, nicht ganz im Reinen mit sich selbst, ob er das wirklich wollte.

„Dann lasse ich Sie beide alles Weitere klären. Glückwunsch, Potter.“, wandte sich die Hexe an ihn und legte ihre Hand auf seine Schulter. „Wenn auch ein Verlust für mich.“ Harry schmunzelte, als die Hauslehrerin der Löwen um die Ecke verschwand. Er drehte sich zu Professor Flitwick um, der ihn anwies, ihm zu seinem Büro zu folgen. Als sie um ein zwei Ecken abgebogen waren, ließ sein Hauslehrer ihn in sein Büro eintreten, das mit Büchern und diversen Gegenständen gefüllt war und bat ihn, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen.

„Ich freue mich wirklich, dass Sie unser neuer Sucher sein werden, Potter. So haben wir möglicherweise nach vielen Jahren wieder die Chance den Quidditchpokal zu gewinnen. Sie wissen, dass Sie damit der jüngste Sucher seit fast einem Jahrhundert sind?“, sprach der Professor erfreut und zog eine Blechdose aus seinem Schreibtisch hervor, aus der er mit einem Schwung seines Zauberstabes einen kleinen Muffin herausbeschwor, der direkt in Harrys Hände flog.

„Nein, das wusste ich nicht. Aber,… danke. Ich werde mein Bestes geben.“, entgegnete Harry und biss erfreut in den Muffin, der sehr zu seinem Erfreuen mit Heidelbeeren gefüllt war.

„Wie geht’s Ihnen, Potter? Es ist ja nun die erste Woche in Hogwarts für Sie vorbei und wie ich gehört habe, haben sie Ravenclaw bereits ein paar Hauspunkte erbracht.“, fragte Flitwick ihn und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Harry sah ihn fragend an, schluckte kurz herunter und räusperte sich.

„Nun, es.. es geht mir gut. Der Unterricht macht Spaß - zumindest fast jeder Unterricht. Und ich mag das Schloss wirklich gerne, es ist wunderschön und man entdeckt jeden Tag etwas Neues.“, antwortete Harry.

„Hogwarts ist wirklich ein bezauberndes Schloss, da stimme ich Ihnen zu. Es freut mich, dass es Ihnen gut geht. Und wie geht es Ihnen in Ravenclaw bisher?“, fragte er noch einmal nach und legte die Hände übereinander.

„Was meinen Sie? Der Gemeinschaftsraum ist sehr schön.“, meinte Harry vage und legte den Kopf schief.

„Sie müssen wissen, Potter, dass ich immer sehr darum bemüht bin, meinen Erstklässlern einen guten Einstieg in Hogwarts zu ermöglichen, immerhin werden Sie die nächsten sieben Jahre hier leben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich erkundige mich nicht immer am Anfang so speziell nach einzelnen Schülern, wenn es nicht absolut notwendig ist, aber meine Vertrauensschüler haben erwähnt, dass Sie und Mr. Goldstein nie im Gemeinschaftsraum anzutreffen sind. Ist wirklich alles in Ordnung? Oder sind Sie wegen Mr. Goldstein nie im Gemeinschaftsraum?“ Harry sah seinem Professor ins Gesicht und war tatsächlich überrascht, dass er echtes Interesse in dessen Mimik erkennen konnte. Er schluckte und seufzte leicht.

„Ich… Ich weiß nicht, ob Anthony nur so selten im Gemeinschaftsraum ist, weil ich es nicht bin, das kann ich wirklich nicht sagen, wir haben nur einmal kurz darüber gesprochen, Sir. Aber – “, begann Harry und stockte.

„Aber…?“

„Die Ravenclaws sind ganz nett und Robert ist ein sehr netter Vertrauensschüler, aber ich habe das Gefühl, den angeblichen Konkurrenzkampf, den Ravenclaw mit anderen Häusern vermeidet, den trägt das Haus unter sich aus.. Nach einer Woche kriegt man doch schon ein paar Kleinigkeiten mit und das finde ich… anstrengend.“, sagte Harry zum Ende hin leise. Er sah zu seinem Professor über den Tisch, der ihn anlächelte.

„Es freut mich, dass sie so ehrlich sind und eines der Probleme erkannt haben, das typisch für Ravenclaw ist. Ja, mein Haus trägt nicht großartig zu den Rivalitäten unter den Häusern bei, außer bei Quidditch wohlgemerkt, aber Ihre Beobachtungen stimmen zum Teil, Potter. Ich weiß, dass viele Außenstehende der Ansicht sind, in Ravenclaw gehe es nur um Lesen und Lernen, vortreffliche Noten zu erlangen und der Beste zu sein. Aber das stimmt nicht.“, erklärte Flitwick und sah Harry nachdenklich an. „Es mag durchaus sein, dass der Sprechende Hut einige dieser Schüler nach Ravenclaw einteilt, aber wie Sie bei einzelnen Mitschülern sehen werden, muss das nichts bedeuten. Auch andere Häuser haben hervorragende und brillante Köpfe hervorgebracht.“

„Worauf möchten Sie hinaus, Professor?“, fragte Harry vorsichtig nach.

„Schauen Sie weiter genau hin, so wie Sie es bereits tun. Geben Sie Ihren Mitschülern eine Chance, es könnte der ein oder andere Diamant darunter versteckt sein. Ravenclaw bedeutet auch, über den Horizont hinaus zu blicken, ungewöhnliche Gedanken fliegen zu lassen und neue Perspektiven zu wagen. Sie haben das Potential dazu, Potter. Haben Sie Mut zum Ungewöhnlichen. Alleinsein ist oft eine Wohltat, ich spreche aus Erfahrung. Im Alleinsein können neue Gedanken ihre Blüten öffnen, aber isolieren Sie sich bitte nicht, es könnte das ein oder andere spannende Rätsel durch die Finger gleiten.“

Harry kratzte sich am Kinn und nickte. „Ich werde es mir zu Herzen nehmen.“

„Sehr schön. Möchten Sie noch einen Muffin?“

„Nein, danke. Aber sie waren sehr lecker, danke.“

„Altes Familienrezept.“, entgegnete Flitwick schmunzelnd und führte Harry zur Tür.

„Wenn ich fragen darf, haben Sie bewusst keine Portraits in Ihren Räumen?“, fragte er nach einem letzten Blick durchs Büro.

„Ich vermeide zu viele Augen und Ohren in meiner privaten Umgebung.“, entgegnete Professor Flitwick. „Vor allem, wenn sie zu geschwätzig werden können.“ Harry nickte schmunzelnd und verließ das Büro nach einer kurzen Verabschiedung.

Nachdenklich schlenderte er die Korridore entlang, als er in Richtung der großen Treppe lief, die ihn zur Großen Halle führte, als er auf Hermine und Anthony stoß, die ganz außer Atem die Treppe hinaufrannten.

„Harry!“, riefen beide im Chor und sahen ihn mit großen Augen an.

„Du hast keinen Verweis bekommen, oder?“, fragte Anthony.

„Nein.“, lächelte Harry.

„Strafarbeiten? Nachsitzen?“, fragte Hermine skeptisch.

„Auch nicht.“

„Was ist dann die Konsequenz?“, fragte sie forsch.

„Ich wurde zum Sucher für das Quidditchteam ernannt.“, antwortete Harry und schmunzelte, als Anthony große Augen machte. „Der jüngste Sucher seit einem Jahrhundert.“

„Glückwunsch, Harry!“, meinte Anthony und klopfte dem Schwarzhaarigen auf die Schultern, Hermine pflichtete dem Dunkelblonden bei.

„Ich weiß nur nicht, ob ich das überhaupt kann. Ich bin noch nie geflogen, war nie gut in Sport,… Der Kapitän der Quidditchmannschaft von Ravenclaw ist ein Riese und ich bin so… kein Riese? Ich hab überhaupt keine Ahnung von dem Ganzen!“

„Harry, beim Quidditch braucht es verschiedene Staturen, je nachdem welche Position man spielt. Die Treiber und Hüter müssen kräftig und die Jäger müssen wie der Sucher flink und agil sein. Du schaffst das.“, meinte Anthony, als sie die Treppen zur großen Halle liefen.

„Ich zweifle nicht an deinem Talent, Harry. Du hast es im Blut.“, sagte Hermine ernst.

„Was meinst du?“, fragte Harry.

„Kommt mit.“, meinte sie und bog mit beiden Jungs im dritten Stock ab. Sie führte sie zu einem großen Pokalzimmer und deutete auf eine Quidditch Medaille, auf der der Name seines Vaters eingraviert war. „Dein Vater war ein ausgezeichneter Quidditchspieler, Harry. Mach dir keine Gedanken.“

Harry blickte auf die Medaille und lächelte. „Danke.“, sagte er leise und sah zu Hermine, die ihm aufmunternd zunickte.

„Abendessen?“, fragte Anthony und rieb sich theatralisch den Bauch. Die drei lachten und machten sich auf den Weg in die Große Halle.

Nachdem sie gegessen hatten, machten sie sich auf den Weg zu Hagrid. Harry kontrollierte kurz die Brusttasche seines Hemdes und lief mit Hermine und Anthony schweigend die Feldwege an den Hängen des Schulgeländes herunter, bis sie von Weitem eine große, runde Holzhütte sahen, in deren Fenstern das Licht brannte und der Kamin qualmte. Trotz des noch weitestgehend warmen Wetters war es abends bereits kühl geworden, sobald die Sonne vom Himmel verschwand, weshalb auch zur späteren Stunde ein Feuer in den kleinen gusseisernen Öfen der Schlafsäle und in den Gemeinschaftsräumen in den Kaminen loderte.

Auf dem Weg zu Hagrids Hütte dachte Harry über sein Gespräch mit Professor Flitwick nach. Er musste seinem Hauslehrer bis zu einem gewissen Punkt Recht geben, dass Alleinsein oft eine Wohltat war, aber er musste sich auch eingestehen, dass er möglicherweise weniger vor dem Konkurrenzkampf unter den Ravenclaws selbst weglief, sondern vielmehr die Konfrontation der ganzen Menschen mit ihm selbst vermeiden wollte. Ein möglicherweise nicht ganz so schlauer Versuch, sich unsichtbar zu machen. Unsichtbar, wie er es die letzten zehn Jahre versucht hatte zu sein, um keine Aufmerksamkeit zu erlangen. Weniger Aufmerksamkeit bedeutete ja schließlich auch weniger Ärger. Aber Aufmerksamkeit ging mit seinem Namen einher, obgleich er nach einer Woche das Gefühl hatte, dass die Aufregung um seinen Namen und seine Person ein kleines Bisschen abgenommen hatte. Jeder hatte einmal einen Blick auf Harry Potter werfen können – die Erkenntnis vieler seiner Mitschüler war, dass er auf den ersten Hinblick auch nur ein weitestgehend ganz normaler Erstklässler war. Bei dem Gedanken an das Wort ‚normal‘ griff sich der Schwarzhaarige unbewusst an seine Stirn, fuhr mit seinen Fingern über die große Narbe und streifte weiter über seine Ohren. Er fragte sich kurz, ob er auf längere Sicht der Einzige in Hogwarts bleiben würde, der Elfenblut in sich trug.

Harry verwarf die grübelnden Gedanken, als sie an der großen Tür zu Hagrids Hütte klopften, woraufhin ein lautes Bellen hinter der Tür hervordrang und die Tür geöffnet wurde.

„N’Abend, Harry. Kommt rein.“, sagte Hagrid und drehte sich zu seinem Hund um. „Aus’m Weg, Fang! Auf!“, scheuchte er den großen, schwarzen Hund mit faltigem Gesicht weg und schloss die Tür, nachdem die Kinder nach einer kurzen Begrüßung eingetreten waren. Anthony und Hermine stellten sich kurz vor und Hagrid deutete ihnen an, Platz zu nehmen. Die drei sahen sich staunend um, in der Hütte schien alles Hagrids Körpergröße angepasst zu sein, von einem übergroßen Tisch und Stühlen, dem Bett und einem großen Sessel. An den Wänden hingen Seile, vereinzelte Käfige, eine Armbrust und Pfeile, das ein oder andere Stück Pelz und sonstige Kleinigkeiten. Alles in Allem wirkte die Hütte sehr gemütlich, wenn auch ein wenig aus proportionalen Fugen geraten.

„Hagrid, was genau ist deine Aufgabe hier in Hogwarts?“, fragte Anthony und setzte sich an den Tisch, wo Hagrid ihm eine große Tasse Tee und einen Teller Felsenkekse zuschob.

„Ich bin der Hüter der Schlüssel und Ländereien von Hogwarts.“, antwortete er und schenkte Hermine und Harry ebenfalls Tee ein. „Aber nun zu euch. Erzählt, die war eure erste Woche? Ich freue mich immer über Besuch, ich bekomme leider nicht so oft welchen.“, fuhr er fort und lachte. Die drei begannen ein wenig zu erzählen und die anfängliche Ungewissheit verflog schnell – sie merkten, dass sie sich gut mit Hagrid verstanden, unterhielten sich mit ihm über Merlin und die Welt, er erzählte die ein oder andere spannende Geschichte, die sich in Hogwarts zugetragen hatte und ehe sie sich versahen, merkten sie auch, dass es bereits viel zu spät war und sie ihre Sperrstunde bereits beinahe überschritten hatten.

Sie verabschiedeten sich von Hagrid und rannten zurück ins Schloss. Auf dem Rückweg fiel Harry auf, dass Hagrid ihm gar nicht das gezeigt hatte, was er in seinem Brief so vage angedeutet hatte. Vielleicht würde sich bei Gelegenheit ja noch einmal die Möglichkeit ergeben, es nachzuholen. Als sie die Treppen hochliefen, begannen diese die Richtung zu wechseln und die drei sahen sich mit großen Augen an, als sie einen unbekannten Korridor entlangliefen.

„Das sieht nicht gut aus.“, stellte Harry trocken fest, als sie um eine Ecke liefen und von einem Miauen abgelenkt wurden. „Da ist Mrs. Norris, die Katze von Filch.“

„Mist. Und wir sind auch im Verbotenen Korridor.“, sagte Anthony und sie sprinteten los, als die Katze plötzlich in eine andere Richtung rannte, um ihren Besitzer, den Hausmeister Mr. Filch, zu informieren. Als sie Schritte hörten, bogen sie noch einmal ab und standen vor einer verschlossenen Tür.

„Doppelt Mist. Verboten und verschlossen.“, meinte Anthony und rüttelte an der Tür.

„Geh‘ zur Seite.“, sagte Hermine und zog ihren Zauberstab. „Alohomora.“, sprach sie und die Tür öffnete sich. Anthony zog seinen imaginären Hut, wurde jedoch in seiner theatralischen Geste von Harry unterbrochen, der ihn in den Korridor hinter der Tür zog. Sie hörten die ihnen folgenden Schritte und rannten den dunklen und von Spinnweben verhangenen Korridor entlang, der in einer einzigen Tür endete. Sie öffneten die Tür erneut und zogen sie hinter sich zu. Mit rasendem Herz und kaum Luft in der Lunge starrten sich Harry, Hermine und Anthony an, als sie weniger Moment später erkannten, in welches Schlamassel sie sich begeben hatten.

Sie blickten geradeaus auf einen monströsen, unnormal großen, dreiköpfigen Hund mit dunklem Fell und leuchtenden, stechenden Augen, die Harry, Hermine und Anthony fixierten. Aus den Mäulern drang ein lautes, tiefes Knurren, die Zähne waren gefletscht und der Speichel lief an den Lefzen runter. Harry, Hermine und Anthony begannen zu brüllen, woraufhin der dreiköpfe Hund begann loszubellen und nach ihnen zu schnappen. Schnell genug, und beinahe zu langsam, rannten sie zur Tür hinter ihnen heraus, drückten sie mit aller Kraft zu und liefen mehrere Schritte zurück. Mit von Schock gefrorenem Blut in den Adern liefen sie vorsichtig wieder zurück in den Korridor, der den Weg vom Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und dem der Gryffindors trennte, da sich beide in verschiedenen Türmen befanden.

„Was sollte denn das bitte? Warum haben die so ein Monster in der Schule?“, fragte Anthony ungläubig und schüttelte den Kopf. Harry konnte nichts sagen, er war sprachlos. Hermine wirkte genervt. „Benutzt ihr überhaupt eure Augen? Falls ihr nicht genau hingesehen habt, der Hund stand auf einer Falltür.“

„Tut mir leid, dass ich mit den drei Köpfen überfordert war, Hermine. Es ist ja nicht so, dass man jeden Tag so einem entzückenden kleinen Monster über den Weg läuft. “, entgegnete Anthony bissig.

„Ich weiß ja nicht, was der Hund dort auf einer Falltür zu suchen hat, aber offensichtlich hat es einen Grund, dass der Korridor für Schüler verboten ist. Ich habe auf jeden Fall kein Interesse daran, durch so ein dreiköpfiges Monster oder weitere Regelbrüche zu sterben – oder noch schlimmer, von der Schule verwiesen zu werden. Gute. Nacht.“, keiferte sie schnippisch, drehte sich um und verschwand um die Ecke.

„Prioritäten hat sie, definitiv.“, murmelte Anthony mit rollenden Augen und Harry schwieg. Sie schlichen sich heimlich in ihren Gemeinschaftsraum zurück, wo im Kamin noch das Feuer brannte, vereinzelte Ravenclaws an den Tischen saßen und arbeiteten, es sich auf Kissen und den Sofas gemütlich machten und sich unterhielten. Als sie sahen, wie Harry und Anthony zum Gemeinschaftsraum reinkamen, begannen manche der Älteren zu grinsen. Die beiden Jungs sahen sich unsicher an und liefen langsam zur Treppe, die zu den Schlafsälen hoch führte, als ihnen der Weg nach oben versperrt wurde. Sie sahen langsam an der Person hoch und blickten in Roberts Gesicht, der sie mit verschränkten Armen, hochgezogener Augenbraue und einem Schmunzeln ansah.

„Robert.“, meinten die beiden Jungs im Chor, woraufhin Harry den Mundwinkel des Vertrauensschülers verdächtig zucken sah.

„Es ist schon weit nach der Sperrstunde, Jungs.“, sagte er ruhig und ernst, konnte den amüsierten Unterton jedoch nicht ganz verbergen.

„Ehm…“, sagte Anthony und wurde rot um die Nase.

„Ich muss euch dafür leider Punkte abziehen. Ein Punkt Abzug für Ravenclaw, für jeden von euch.“, meinte er gespielt empört und begann zu grinsen. Er ging zur Seite und lief wieder in Richtung der Sofas, drehte sich jedoch noch einmal um. „Und Glückwunsch, Potter, dass du es ins Quidditchteam geschafft hast. Wir sehen uns morgen auf dem Feld.“

„Du spielst auch Quidditch?“, fragte Harry unsicher und lief ein paar Schritte auf ihn zu.

„Jup, ich bin Hüter.“, antwortete er und schmunzelte.

„Oh, ich dachte…“, begann Harry und wurde von einem Lachen unterbrochen.

„Dass ich ein spießiger Vertrauensschüler mit Stock im Arsch bin? Da bist du nicht allein.“, sagte er grinsend und drehte sich wieder um, setzte sich auf den Boden zu seinen zwei Freundinnen und führte sein Kartenspiel fort.

Harry und Anthony sahen sich weiter im Gemeinschaftsraum um. Es schien, als sei an diesem Freitagabend die Stimmung weitaus gelassener und fröhlicher als unter der Woche, wenn rege Konzentration die Stimmung beherrschte.

„Vielleicht ist es doch nicht ganz so schlimm, wie wir dachten.“, meinte Harry und Anthony nickte. „Sollten wir eventuell doch öfter hier sein?“, schob er fragend hinterher.

„Möglicherweise. Ich… kann nur nicht so oft und so lange hier sein.“, sagte Anthony leise und sah Harry unsicher an.

„Warum?“, fragte er und legte den Kopf schief.

„Ich mag Menschenmengen über längere Zeit nicht so gerne. Aber ich arbeite daran.“, erklärte er kryptisch und Harry nickte. Sie gingen in ihren Schlafsaal hoch, holten sich Anthonys Karten und setzten sich vor den Ofen, in dem ein kleines Feuer loderte, und spielten noch ein wenig. Sie besprachen noch einmal den Vorfall mit dem dreiköpfigen Hund und kamen zu dem Ergebnis, dass sie zu keinem Ergebnis gekommen sind. Nach einer Weile sah Harry Anthony nachdenklich an.

„Was?“, fragte Anthony und legte den Kopf schief.

„Findest du es nicht komisch, dass Hagrid, im Auftrag von Dumbledore, ein geheimes Päckchen aus Gringotts abholt und in genau dieses Verlies eingebrochen wird, wir nicht in einen bestimmten Flügel des Schlosses dürfen, wenn wir nicht eines qualvollen Todes sterben wollen und in genau diesem verbotenen Korridor ein Monster auf einer Falltür sitzt?“

„Das ist so absurd, dass schon wieder möglich ist. Meinst du, der Hund bewacht das, was in Gringotts beinahe gestohlen wurde?“

„Möglich wäre es, oder?“

„Absolut.“, bestätigte Anthony und streckte sich.

Nachdem sie mehrere Runden gespielt hatten, machten sich die Jungs nach einer kurzen Dusche bettfertig und schlüpften unter ihre Decken.

„Stellt sich nur die Frage, was genau der Hund bewacht.“, sagte Harry, als er sich zu Anthony umdrehte.

„Mhm. Wir werden es schon herausfinden.“, antwortete Anthony und gähnte. „Gute Nacht, Harry.“

„Schlaf gut.“

~oOo~


Die Wochen zogen ins Land und offenbarten sich für Harry als eine Zeit zahlreicher Erkenntnisse, die er sich so nicht hätte vorstellen können. Von Anbeginn der Unterrichtsphasen war ein Großteil der Schüler äußerst gespannt gewesen auf den Unterricht in Verteidigung gegen die Dunklen Künste bei Professor Quirrel, der stotternde Professor mit dem lilafarbenen Turban auf dem Kopf. Doch so sehr Harry es bedauerte, sein Unterricht stellte sich als größerer Flop dar, als es die meisten Schüler gedacht hätten. Sein Klassenzimmer roch die meiste Zeit unangenehm stark nach Knoblauch, sein Wissen schien er mehr aus Büchern, als aus Erfahrung zu beziehen und entsprechend theoretisch fundiert war auch der Unterricht. Das Einzige, was er im Unterricht bisher praktisch gelehrt hatte, waren Zaubersprüche um rote und grüne Funken aus dem Zauberstab zu schießen. Anthony war mittlerweile so genervt von Professor Quirrel, dass er dem Unterricht schon gar nicht mehr folgte und während seinen Vorträgen andere Hausaufgaben erledigte.

Der Unterricht bei Professor Snape stellte sich für Harry als weitere Herausforderung dar, jedoch nicht, weil er nichts lernte – im Gegenteil, er nahm Snapes Fachwissen sehr ernst –, sondern weil er aus für ihn unerfindlichen Gründen, nicht davon ablassen konnte, Harry zu drangsalieren und bloßzustellen, wenn sich die Möglichkeit dazu bot. Sehr zu Snapes Missmut konnte er Harry theoretisch nicht mehr bloßstellen, da er sich besonders für Zaubertränke immer stets gründlich vorbereitete und sich geschworen hatte, jeden noch so kleinen Funken Mut in sich zusammenzukratzen, um sich nicht weiter bloßstellen zu lassen und den Mund aufzumachen – auch wenn jegliche Konfrontationen für schwitzige Hände und ein unangenehmes Magengrummeln sorgten, da die ständigen Bloßstellungen seinem nicht vorhandenen Selbstbewusstsein nicht wirklich förderlich zutrugen. Von einer seiner Mitschülerinnen aus Ravenclaw, wenn er sich recht erinnerte war es Padma, deren Zwillingsschwester ihr Informationen aus Gryffindor zukommen ließ, hatte er jedoch bereits gehört, dass Snape sich bei den Gryffindors auch auf Hermine und Neville eingeschossen hatte – der jungen Hexe versuchte er dauernd weißzumachen, dass sie eine unerträgliche Besserwisserin sei und Neville ließ er spüren, dass er ihn für maximal unfähig hielt, was sich auf dessen Unsicherheiten so stark auswirkte, dass ihm regelrecht alles daneben ging.

Als sie nach einigen Stunden rein theoretischer Einführungen, nach Snapes Ermessen, bereit waren, ihren ersten Zaubertrank, den einfachen Schlaftrank, zu brauen, hatte Harry genug von Snapes versuchten Vorwürfen, ihn als inkompetenten Schüler dastehen zu lassen. Er entschied sich kurzerhand den einfachen Schlaftrank zu brauen – mit der Rezeptur seines Großvaters. Wenn Snape ihn nicht ernst nahm, hatte er sowieso nichts zu verlieren.

Während des Brauens war Anthony aufgefallen, dass Harry mehr Baldrian und Affodillwurzel abwog und vorbereitete, was ihn skeptisch werden ließ. Als Harry anschließend seine Schlafbohnen auch nicht schnitt, sondern mit seinem silbernen Messer ausquetschte, um mehr Saft zu erhalten, standen ihm die Nackenhaare bereits auf Alarmbereitschaft.

„Was machst du da?“, fragte er leise und rührte seinen Zaubertrank um, der kurz davor war, fertiggestellt werden zu können, aber noch nicht die richtige Farbe angenommen hatte.

„Erklär ich dir später.“, flüsterte Harry und begann mit den Umrührphasen. Snape hatte zwischendurch seine Kontrollgänge gemacht, war jedoch nicht dabei gewesen, als Harry seine Zutaten vorbereitete und hatte auch nicht kontrolliert, inwiefern er dem vorgegeben Rezept folgte – geschweige denn sah, dass Harrys Buch mit handschriftlichen Notizen übersäht war.

„Kommen Sie zum Schluss und füllen Sie Ihre beschrifteten Phiolen ab. Die verschlossenen Phiolen werden vorne bei mir abgegeben.“, wies Snape die Klasse an. Harry sah auf seine Uhr. Er vollzog die letzte Umrührphase, schwenkte seinen Zauberstab und lächelte zufrieden, als der violette Trank begann, von innen heraus zu leuchten; exakt so, wie er es mit Remus geschafft hatte. Sie füllten alle ihre Tränke ab und begannen aufzuräumen. Einer nach dem anderen lief vor zu Snape, um die Zaubertrankproben abzugeben und möglichst rasch das Klassenzimmer zu verlassen. Harry war der Letzte, nachdem Theodore Nott langsam das Klassenzimmer verlassen hatte. Harry bekam nicht mit, dass der Slytherin im Türrahmen stehen blieb, um die Reaktion seines Hauslehrers zu beobachten. Harry reichte seinem Professor die Phiole, der ihn mit einem bohrenden Blick ansah, nachdem er den Trank entgegennahm.

„Was haben Sie gemacht?“, fragte Snape und untersuchte Harrys Phiole.

„Vor Schulbeginn ein Buch aufgeschlagen, Sir.“, antwortete Harry, um einen möglichst neutralen Tonfall bemüht, und verließ das Klassenzimmer. Theodore  Nott war bereits verschwunden, als dieser gehört hatte, was er hören wollte.

Eine weitere nüchterne Erkenntnis war, dass Professor McGonagalls Unterricht in Verwandlung peu à peu immer anspruchsvoller und damit auch anstrengender wurde. Harry erzielte gute Ergebnisse, nicht so schnell wie Anthony oder, was er von anderen Schülern hörte, wie Hermine, aber er war nichtsdestotrotz ein guter Schüler in Verwandlung. Er hatte auch nach einer Weile erkannt, was ihm an Verwandlung teilweise Probleme bereitete – es gab keinen Spielraum. Verwandlungen mussten präzise sein, es waren sauber strukturierte Vorgänge, die auf Logik und Stringenz beruhten. Damit konnte er arbeiten, aber es erfüllte ihn nicht allzu sehr mit Begeisterung – noch nicht, versuchte er sich in Gedanken zu motivieren.

Kräuterkunde hingegen war für Harry das reinste Vergnügen – während sie in den Gewächshäusern neue Pflanzen kennenlernten und pflegten, machte sich Edd über die Holzläuse und anderes Ungetier an Professor Sprouts Pflanzen her, was diese jedes Mal aufs Neue entzückte. Einmal hatte sie Harry ein kleines Feenei zugeschoben, als kleine Aufmerksamkeit. Der Schwarzhaarige hatte auch herausgefunden, dass es noch einen weiteren Schüler gab, der seine Leidenschaft für Pflanzen teilte; nämlich Neville, der in Kräuterkunde mutig genug war, sich am Unterricht zu beteiligen. Harry freute sich für ihn, denn in den anderen Fächern stellte sich Neville tendenziell ungeschickt und tollpatschig an, was ihn häufig zum Gespött seiner Mitschüler machte, was sich wiederum auf seine Leistungen auswirkte und häufige Diskussionen mit den Professoren zur Folge hatte, was sich wiederum auf seine Unsicherheit auswirkte.

Astronomie konnte Harry nicht wirklich einschätzen, er hatte das Gefühl, dass er noch nicht so richtig angekommen war, was die Theorie dieses Faches anging. Gleiches empfand er in Geschichte der Zauberei, ein absolut langweiliges Fach – noch langweiliger vorgetragen von Professor Binns, einem Geist, der den Unterricht so gestaltete, dass keinerlei Informationen im Gedächtnis blieben, wenn man nicht aktiv im Buch mitlas, was er Professor vortrug. Harry konnte partout nicht verstehen, wieso ein so potentiell interessantes Fach so schlecht dargestellt wurde. Und noch weniger konnte er diejenigen verstehen, die sich aktiv von dem, was Professor Binns vortrug, Notizen machten, wenn doch alles identisch im Buch stand.

Auf der anderen Seite hatte er für sich eine neue Leidenschaft entdeckt – Zauberkunst. Zauberkunst war freier, kreativer und ließ mehr Spielraum. Sofern er das als Erstklässler einschätzen konnte, denn bisher hatte er, zumindest im Unterricht, nur theoretisch gearbeitet. Die Ergebnisse der Zaubersprüche faszinierten ihn mehr, sei es durch die Demonstrationen seitens Professor Flitwick, als auch durch das, was er sich aus seinen eigenen Büchern beibringen konnte. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sich in Eigenregie mehr Zaubersprüche beizubringen, so wie er es in den Wochen mit Remus bereits theoretisch angefangen hatte.

Ein weiterer Grund für diesen Elan war, sehr zu seinem Missmut, Draco Malfoy, der es sich zur Hauptaufgabe gemacht hatte, Harry bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu beleidigen, nerven und bloßzustellen. Harry wartete innerlich ein wenig auf den Tag, an dem Draco aktiv begann, ihn zu verhexen oder zu verfluchen, weshalb er mögliche Ansätze einer Verteidigung parat halten wollte. Generell waren Malfoy, samt Crabbe und Goyle, auf Krawall in den Gängen aus – sie ließen keinen Moment ungenutzt, schwächere Schüler zu ärgern. Viele der anderen Slytherins waren teilweise ähnlich gestimmt, andere hielten sich jedoch auch bedeckt im Hintergrund. Theodore Nott war einer dieser Slytherins, wie Harry festgestellt hatte. Er redete nicht wirklich mit ihm während des Unterrichts, oder wenn er ihn in der Bibliothek oder am Waldrand beim Spazieren traf. Eigentlich redete er gar nicht mit ihm, aber er nickte ihm immer freundlich zu, wenn auch nur mit einem kleinen Lächeln, oder winkte ihm im Vorbeigehen, wenn niemand in der Nähe war. Und das war ok für Harry. Es war auch eine nette Abwechslung zu wissen, dass es Menschen gab, die seine Anwesenheit positiv konnotierten, ohne etwas von ihm zu verlangen oder, dass er sich genötigt fühlen musste, ein Gespräch zu führen. Was Harry jedoch auffiel, war die Tatsache, dass Theodore in der Regel alleine war, er ging häufig alleine mit seiner Waldkatze spazieren – er hatte einmal gehört, wie er den Kater beim Namen Odin rief –, er ging alleine in den Unterricht, saß ebenfalls häufig alleine in der Bibliothek und saß ebenso häufig alleine beim Essen in der Großen Halle. Hin und wieder unterhielt er sich mit dem ein oder anderen Klassenkameraden – wenn er angesprochen wurde.

Harry hielt sich im Kontakt zu seinen Hauskameraden nach wie vor eher im Hintergrund, auch wenn er sich in den vergangenen Wochen hin und wieder mit einem Buch in den Gemeinschaftsraum vor den Kamin gesetzt hatte. Zwischendurch war er ein paar Mal angesprochen worden, wurde zu einer Runde Schnippschnapp oder Schach eingeladen, und das war auch in Ordnung. Er war zwar, im Gegensatz zu Anthony, nicht wirklich gut im Zaubererschach, aber es waren nette Momente gewesen. Mit seinen Stufenkameraden Terry, Michael und Stephen kamen er und Anthony nicht wirklich ins Gespräch – bisher zeigten sie sich als weitestgehend eingeschworenes Trio, das ständig mit ihren Nasen über Büchern und Hausaufgaben hing und weniger Interesse daran zeigte, sich mit anderen Mitschülern auseinanderzusetzen. Vielleicht waren Anthony und Harry aber auch einfach nur ein zu eingeschworenes Duo, weshalb sie sich nicht so sehr mit ihnen beschäftigen wollten, wer wusste das schon? Die Mädchen hingegen schienen ganz nett und aufgeschlossener zu sein als die drei Jungs, vor allem mit Padma, verstand er sich ganz gut. Lisa und Isobel schienen auch ganz umgänglich zu sein, allerdings redeten sie Harry zu viel.

Eine neue Erfahrung für ihn war Quidditch. Nach ein paar Trainingsstunden hatte er gemerkt, dass der Sport ihm tatsächlich Spaß machte und er das Fliegen wirklich genoss – die Freiheit, das Gefühl des Windes in seinen Haaren und die körperliche Auslastung, wenn er zu viele Gedanken hatte. Das Quidditchteam war an sich auch sehr freundlich zu ihm. Robert, der Vertrauensschüler und Hüter, stellte sich als ziemlich humorvoller Zeitgenosse heraus, der immer mal einen frechen Spruch auf den Lippen hatte und Thomas Bodkin, Treiber und Kapitän der Mannschaft, war auch ein ziemlich humorvoller, wenn auch beim Thema Quidditch sehr ernster und leidenschaftlicher Kerl. Markus Rivers, der zweite Treiber, war eher ruhig, aber hatte einen ordentlichen Schlag drauf und schlug die Klatscher so hart, wie kaum ein anderer Treiber. So hatte es zumindest Bodkin ausgedrückt – die einzigen Treiber, die einen ähnlichen Schlag drauf hatten, waren die Weasleyzwillinge, vor denen er Harry gewarnt hatte. Denn diese waren ein vollkommen eingespieltes und gewitztes Team, das nicht unterschätzt werden durfte.

Robert, Thomas und Markus waren alle drei im fünften Jahr. Die zwei Jägerinnen Sarah Miller und Helena McDougal waren im sechsten Jahr und sprachen nicht wirklich viel, sie beobachteten mehr und der dritte Jäger, Roger Davies, war im dritten Jahr. Er unterhielt sich viel mit Harry, oder eher, Harry hörte ihm viel zu, doch er tat sich ein wenig schwer, Roger einzuschätzen. Quidditch machte Harry wirklich großen Spaß und das Training lief gut. Die Mannschaft war zufrieden mit seinen Leistungen und Thomas hatte beteuert, dass er in seiner Schullaufbahn kaum einen Sucher, mit der Ausnahme von Charlie Weasley, gesehen hatte, der mindestens so gut war, wie er. Die Komplimente waren für Harry zwar bis zu einem gewissen Punkt ein wenig unangenehm, aber er freute sich, dass er zum ersten Mal in einer festen Gruppe solche Anerkennung gefunden hatte.

Anthony war nach wie vor die einzige Person, die Harry irgendwie als Freund bezeichnen konnte - und wollte. Ihm fiel auf, dass Anthony durchaus darum bemüht war, mit Harry auch Zeit im Gemeinschaftsraum zu verbringen, aber er merkte auch schnell, wenn es ihm zu viel wurde, denn dann bekam er zuerst große Augen, kniff sie zusammen, versuchte sich unglaublich zusammenzureißen und zu konzentrieren, atmete ein paar Mal tief ein und aus und verließ dann auch das ein oder andere Mal für ein paar Minuten den Raum. Harry hatte ein einziges weiteres Mal vorsichtig nachgefragt, was der Grund für diese Moment war, denn auch im Unterricht kam es im Schnitt zwei- bis dreimal die Woche vor, dass Anthony wortlos für ein paar Minuten aus dem Unterricht lief, was er den Lehrern lediglich mit einem kurzen Handzeichen andeutete, was diese wortlos mit einem Nicken zur Kenntnis nahmen. Er hatte Harry lediglich die gleiche Antwort gegeben, wie er es ihm beim ersten Mal gesagt hatte; Menschenmengen überfordern ihn manchmal und dann brauchte er ein paar Minuten um sich zu sammeln. Harry akzeptierte diese Aussagen, da er zwischen den Zeilen vernommen hatte, dass Anthony das Thema unangenehm war. Und weil Harry seine Privatsphäre respektierte und seinen ersten richtigen Freund nicht verlieren wollte, ließ er ihn in Ruhe – er hatte ja auch seine Geheimnisse.

Harry hatte in der Zwischenzeit auch den ein oder anderen Brief an Remus und Luna geschrieben, die sehr interessiert an seinen Fortschritten und Erzählungen waren. Das Vorkommnis mit dem dreiköpfigen Hund, Anthony hatte herausgefunden, dass es sich um einen Cerberus handelte, hatte er jedoch verschwiegen. Er wollte unnötigen Ärger vermeiden und damit Anthonys und seine Forschungen behindern. Der Einzige, der Harry noch in den Sinn kam, den man fragen könnte, war Hagrid. Denn über die vergangene Zeit hatte er Harry und Anthony noch ein, zwei Mal ein einen Tee und ein paar Felsenkekse eingeladen und erzählte ihnen die tollsten Geschichte von wilden Tieren. Er musste definitiv mit Anthony über diesen Gedanken sprechen.

Harry hatte eigentlich gehofft, dass Hermine an ihren Forschungen teilhaben würde, allerdings hatte diese sich seit der Begegnung mit dem Cerberus zurückgezogen und weitestgehend von Harry und Anthony ferngehalten – sie war nicht abweisend, sie sprach einfach wenig mit ihnen und die anfängliche freundschaftliche Stimmung war nicht mehr wirklich präsent. Harry konnte es verstehen, für Hermine war Hogwarts ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens geworden, sie konnte endlich das ausleben was sie war, und sie war auch richtig gut darin, wenn im gesamten Jahrgang nicht sogar die Beste. Aber Harry war sich sicher, dass sich alles wieder ordnen würde – es war nur eine Frage der Zeit, bis sich dieses Geheimnis lüftete.
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