L'histoire d'un elfe, c'est...
von RedonneMoi
Kurzbeschreibung
Geduld ist die Kunst, etwas auszuhalten, weil man fühlt, dass eine Veränderung ansteht. Vertrauen ist die Kunst, zu wissen, dass alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende findet. Diese Weisheit hat Harry Potter in seinen jungen Jahren trotz aller Widrigkeiten für sich erkennen können, denn egal was passiert - die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und wenn ein Brief seiner Mutter etwas bewiesen hat, dann ist es die Tatsache, dass definitiv alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende finden wird, auch ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Abenteuer, Freundschaft, Romantik - P16, (Pre-)MaleSlash, Het
GeschichteAbenteuer, Freundschaft / P16 / MaleSlash
Anthony Goldstein
Harry Potter
Hermine Granger
Luna Lovegood
OC (Own Character)
Remus "Moony" Lupin
29.07.2022
27.03.2023
30
257.011
26
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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23.08.2022
7.143
A.d.A.: Ich sehe, dass die Geschichte mehrere Empfehlungen bekommen hat - dankeschön! Dennoch würde ich mich freuen, wenn aktive Leserinnen und Leser ein Review, ihre Gedanken und Einschätzungen hinterlassen würden; so weiß ich, dass ich hier nicht einfach ins Schwarze hineinposte. Es würde mich wirklich freuen! Falls im Laufe des Lesens Fragen über die Kontinuität aufgekommen sind - im Großen und Ganzen wird der zeitliche Ablauf am Canon orientiert sein, Ereignisse und Szenen sehr canonlastig sein, aber spätestens nach Jahr Fünf werden sich diverse Abläufe ändern. Nach dem ersten steigen wir direkt ins dritte Schuljahr ein, um das Ganze ein wenig voranzutreiben - über Jahr Sechs und Sieben bin ich mir noch unschlüssig, da das Ziel das achte Schuljahr und die Nachkriegszeit sein wird. Bei Fragen, meldet euch gerne!
Harry drehte sich um und blickte auf die Uhr auf Anthonys Nachttisch, es war gerade einmal wenige Minuten vor sechs Uhr morgens. Noch ein wenig verschlafen rieb er sich die Augen und seufzte leise. Er hatte wunderbar geschlafen, keine aufregenden Träume hatten seinen Schlaf gestört und das leichte, kaum merkliche Rauschen des Windes flüsterte wie ein Schlaflied um die Türme des Schlafsaals.
Leise stand Harry auf, schmunzelte aufgrund von Anthonys leisem, kaum merklichen Schnarchen, schnappte sich seine frischen Schulroben und verschwand im Bad, um sich zu duschen und für den Tag vorzubereiten. Er war gespannt, welches Fach sie als Erstes haben würden. Nach dem Duschen stand er gedankenverloren am Waschbecken und putzte sich seine Zähne, während er sich selbst im Spiegel betrachtete. Die letzten vier Wochen hatten sich positiv auf sein Äußeres ausgewirkt; er empfand sich zwar immer noch als ziemlich hager, aber seine Haut hatte trotz seiner generellen Blässe eine gesündere Farbe angenommen und durch das regelmäßige und gute Essen sah er auch nicht mehr so ungesund aus. Er war weitestgehend zufrieden.
Er lief in den Schlafraum zurück und blickte zur Uhr. Es war fast halb Sieben und das Frühstück würde bald beginnen. Iduna saß auf Anthonys Bett und blickte Harry aus ihren blauen Augen auffordernd an, weshalb er sie ein wenig streichelte und sich anschließend wieder auf sein Bett setzte. Er setzte Edd, der sich im Baldachin seines Himmelbetts versteckt hatte, in seine Brusttasche und lief zu Anthony, um diesen anzutippen. Dieser gab ein paar verschlafene Geräusche von sich und grummelte.
„Gehst du mit zum Frühstück?“, fragte Harry leise.
„ W‘viel Uhr?“, murmelte er.
„Halb sieben.“
„Mhm.“, entgegnete Anthony, stand auf und trottete verschlafen in Richtung Bad. „Ich geh schnell duschen und so. Bis gleich.“
„Ok.“, meinte Harry und beschäftigte sich währenddessen mit Iduna, welche sich verspielt auf dem Rücken hin und her kullerte. Nach einer Weile stand Harry auf und öffnete die Fenster des Schlafsaals und staunte über den Ausblick. Seine Vermutung vom Vorabend war richtig gewesen, der Ausblick über die Ländereien, die Wälder, den See und die Berge war phänomenal. Harry drehte sich um, als Anthony aus dem Bad kam, sich seine Schulroben anzog und die Krawatte knotete. Er steckte sich seinen Zauberstab in den Umhang und Harry steckte ebenfalls seinen Zauberstab ein.
„Gehen wir?“, meinte Anthony und nahm sich seine am Tasche vom Boden.
„Wir können los.“, entgegnete Harry, nahm seine Umhängetasche und hang sie um seine Schultern. Iduna folgte ihnen aus dem Gemeinschaftsraum heraus, in dem bereits ein paar der älteren Schüler in kleinen Nischen an den Tischen saßen und lernten. Die Katze verschwand um eine Ecke und Anthony schüttelte nur den Kopf.
„Neugierig ist sie, das sag ich dir. Und jagen kann sie wie ein Löwe.“
„Sie ist eine tolle Katze. Bevor wir an der Halle vorbeikommen, muss ich Edd nur mal in ein Gebüsch setzen, dass er auch ein bisschen jagen kann.“, meinte Harry auf dem Weg die Treppen herunter und Anthony nickte. Nachdem sie zweimal einen vorbeigehenden Schüler und eine Vertrauensschülerin der Gryffindors nach dem Weg fragen mussten, waren sie im Innenhof des Glockenturms angelangt und Harry setzte den Bowtruckle an einem großen Weißdorn ab.
„Du bist brav und stichst keinem die Augen aus, ja? Ich hol dich nach dem Frühstück wieder ab.“, mahnte Harry grinsend und Edd gab ein paar bestätigende Laute von sich. „Bis gleich.“
„Seltsames Wesen. Aber irgendwie cool.“, äußerte Anthony beiläufig, als sie die Treppen zum Eingangsportal hoch liefen und in die Große Halle liefen. „Ich wollte die schonmal in echt sehen, aber in London habe ich keine gefunden und meine Mutter ist nicht gerne in Wäldern unterwegs.“
„Schade.“, murmelte Harry und sah sich um. Die Tische waren noch weitestgehend leer, sie sahen Hermine allein mit einem Buch beim Frühstück sitzen, die ihnen lächelnd zuwinkte. Die beiden Jungs winkten ihr ebenfalls zurück, setzten sich an den Ravenclawtisch und begannen zu frühstücken. Harry wollte gerade seinen Löffel zum Mund führen, als zwei Pergamentrollen vor den beiden Jungs auf dem Tisch landeten. Sie blickten zum ebenfalls noch weitestgehend leeren Lehrerpodest und sahen Professor Flitwick, der ihnen lächelnd zunickte. Professor McGonagall saß daneben und nickte Harry ebenfalls lächelnd zu, der das Lächeln erwiderte und Anthony, der bereits den Brief geöffnet hatte, hob ihn Harry vor die Nase.
„Unser Stundenplan.“, meinte er und las ihn sich durch.
„Und? Wie sieht’s aus?“, fragte Harry und löffelte ein wenig Beerenkompott auf seinen Brei.
„Wir haben heute zwei Stunden Zaubertränke mit Slytherin, zwei Stunden Verwandlung mit Slytherin, Mittagspause und nachmittags frei. Dienstag zwei Stunden Zauberkunst mit Gryffindor, zwei Stunden Verteidigung gegen die Dunklen Künste mit Gryffindor, Mittagspause und dann zwei Stunden Geschichte mit Hufflepuff. Mittwochs zwei Stunden Kräuterkunde mit Gryffindor, danach zwei Stunden Zauberkunst mit Gryffindor, Pause und nachts Astronomie mit Slytherin. Donnerstags die ersten zwei Stunden frei, anschließend zwei Stunden Verteidigung mit Gryffindor, Mittagspause und nachmittags wieder Zaubertränke mit Slytherin.
Freitagmorgen zwei Stunden Verwandlung mit Slytherin, zwei Stunden Kräuterkunde mit Gryffindor, Mittagspause und danach noch zwei Stunden Flugunterricht. Das war’s.“
„Das ist okay, oder? Ich habe es mir voller vorgestellt. Dann müssen wir nochmal in den Schlafsaal, die Zaubertranksachen holen, oder?“
„Ich schätze schon.“, meinte Anthony nachdenklich. „Was meinst du wie das mit den Slytherins wird?“
„Keine Ahnung. Sie können nicht alle so sein wie dieser Malfoy. Hoffe ich.“, entgegnete Harry leise und widmete sich wieder seinem Haferbrei.
„Ich hoffe ef auch. Warum nimmft du dir keine Eier un‘ Fpeck?“, fragte Anthony mit vollem Mund.
„Ich mag süße Sachen morgens ganz gern.“, antwortete Harry und zuckte mit den Schultern. „Ich muss Edd aber während Zaubertränke in der Hecke sitzen lassen, nicht dass am Ende noch irgendwas passiert.“
Anthony stimmte ihm zu und als sie beide aufstehen wollten, lief Professor Snape an ihnen vorbei, jedoch nicht, ohne Harry einen undeutbaren Blick zuzuwerfen. Was hatte der Mann denn mit ihm? Harry wich dem Blick des Mannes im Vorbeigehen aus, winkte Hermine noch einmal und verließ mit Anthony die Große Halle. Sie gingen kurz an dem Weißdorn vorbei, sodass Harry den Plan mit ihm besprechen konnte – ob er ihn wirklich verstehen würde, wusste er nach wie vor nicht, aber tat einfach mal so – und sie machten sich auf den Rückweg in den Gemeinschaftsraum, um ihre Utensilien für Zaubertränke zu holen.
Zaubertränke fand gemeinsam mit den Slytherins in den entsprechenden Klassenzimmern in den Kerkern statt. Harry empfand die Kerker wenig einladend und ungemütlich. Sie waren kühler als der Rest des Schlosses und er fragte sich, wer gerne seine Zeit hier unten verbringen würde. Natürlich, das Labor bei ihm zuhause war auch im kühlen Keller, aber es war eher einladend und freundlich. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er bei der Ankunft vor dem Klassenzimmern wieder vereinzelte Murmeleien und Geflüster bezüglich seiner Narbe, seinen Ohren und ähnlichen Unnötigkeiten mitbekam, gefolgt von entsprechenden Blicken. Allen voran Draco Malfoy, aus dem Harry partout nicht schlau wurde – was wollte er denn überhaupt von ihm?
Harry und Anthony waren die letzten die das Klassenzimmer betraten, um dem Gedränge um die besten Plätze zu entgehen. Sie setzten sich auf die letzten freien Plätze in der zweiten Reihe. Anthony setzte sich ganz außen hin, was Harry den Platz neben einem Slytherin übrig ließ. Er erkannte, dass es Theodore Nott war, der ihn nur kurz ansah und dann vor zur Tafel blickte. Harry setzte sich wortlos neben ihn, holte seine Feder, Tinte und Pergament raus und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Anthony setzte sich rechts von ihm hin und tippte mit den Fingern auf dem Tisch herum. An den Wänden standen Unmengen an Gläsern voller konservierter Pflanzen, Tiere und deren vereinzelte Körperteile. Faszinierend – und ein wenig morbide.
Die Türen des Klassenzimmers schwangen mit einem lauten Knall auf und Professor Snape betrat den Raum mit wehendem Umhang. Dramatisch drehte er sich vor seinem Pult um und blickte streng über die Schüler.
„In diesem Klassenzimmer werden Sie die Möglichkeit bekommen, die subtile Wissenschaft der Zaubertränke zu erlernen“, begann er mit seiner öligen Stimme zu sprechen. „Albernes Zauberstabgefuchtel wird es in diesem Raum nicht geben und ich erwarte nicht, dass ein Großteil von Ihnen das nötige Feingefühl besitzt, die Schönheit und Ästhetik hinter dieser Wissenschaft und Kunst zu verstehen. Ich kann Sie die Macht lehren, Tränke zu erschaffen, die wie flüssiges Feuer durch Ihre Venen fließen und den Verstand benebeln und sie Sinne beflügeln, Erfolg zu brauen und sogar den Tod in Phiolen abzufüllen. Vorausgesetzt Sie besitzen eine Unze an Verstand.“
Harry schrieb die wichtigsten Worte mit – Der Professor mochte zwar ein Problem mit ihm haben, das er nicht erkennen konnte, aber er hatte trotzdem die Möglichkeit etwas von ihm zu lernen. Snape rollte ein Pergament auf, um die einzelnen Namen der der Anwesenden durchzugehen.
„Potter.“, meinte Snape plötzlich und Anthony stupste den Schwarzhaarigen mit dem Ellenbogen an, sodass er zu Snape hochblickte. „Unsere neue Berühmtheit.“
Seine Stimme war kalt und Harry schluckte. Er blickte ihn mit seinen schwarzen Augen direkt an, empfand sie als ebenso kalt und distanziert, aber dennoch hatte er das Gefühl, als würden sie sich in seinen Kopf bohren. „Sie halten es wohl nicht für nötig dem Unterricht zu folgen, nehme ich an?“ Harry lief es eisig den Rücken runter, als er von Snape mit einem festen Blick taxiert wurde. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Hände wurden schwitzig.
„Schauen wir mal, wie die Vorbereitungen gelaufen sind. Was erhalte ich, wenn ich eine gemahlene Affodillwurzel einem Wermutaufguss beigebe?“, fragte ihn Snape und verschränkte die Arme vor der Brust. Harry öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch kein Ton kam über seine Lippen.
„Keine Antwort? Schade.. Wenn ich einen Bezoaren suchen wollte, wo müsste ich nachschauen?“
Harry bekam keinen Ton raus, er sah Snape mit großen Augen an und schluckte. Dieser schien zufrieden zu sein, dass er die Situation so beim Schopfe packen konnte und bohrte weiter.
„Wirklich schade, man möchte meinen, dass Berühmtsein eben doch nicht alles ist. Es hätte nicht geschadet, vor dem Schulbeginn mal ein Buch aufzuschlagen, oder? Noch ein Versuch, Potter. – Wo ist der Unterschied zwischen Eisenhut und Wolfswurz?“, schnarrte er und Harry sah wie vereinzelte Slytherins sich hämisch umdrehten, allen voran Draco Malfoy und dessen Gefolgschaft. Ein paar der Ravenclaws sahen ihn nervös an. Harrys Puls stieg, seine Hände schwitzten – er hatte zehn Jahre mit den Dursleys ausgehalten. Er hatte Jahre lang Dudleys Schikanen ertragen, er wurde über Schulhöfe gejagt und er hatte nie jemandem bewusst Schaden zufügen wollen. Das hier war unfair. Er schloss die Augen und atmete tief durch, seine Hände krampften um seinen Federkiel und er spürte, wie er von links von einem Bein leicht angestoßen wurde, was ihn wieder ins Hier und Jetzt zurückholte. Sein Herz pochte. Es reichte ihm, er wollte sich nicht verstecken. Er war kein Feigling, aber er war auch niemand, der überstürzt nach vorne preschte. Er biss sich auf die Unterlippe und holte tief Luft.
Wenn einem Wermutaufguss gemahlene Affodillwurzel beigegeben wird, entstünde ein Zaubertrank der Trank der lebenden Toten genannt wird. Ein Bezoar war ein Stein im Magen einer Ziege, der als Gegengift für die gängigsten Gifte wirkte und Eisenhut und Wolfswurz waren ein und dieselbe Pflanze, die früher auch als Akonit geläufig waren. Er wusste die Antworten, aber seine Lippen waren wie versteinert. Wütend über sich selbst ballte er unter der Tischplatte schmerzhaft seine Fäuste zusammen. Sein Blick war auf das Pergament vor ihm gerichtet.
Stille. Snape sah ihn mit einem undeutbaren Blick an und presste seine Lippen zusammen, der dem Jungen jedoch entging. Harry sah kurz hoch, brach den Blickkontakt jedoch wenige Augenblicke später wieder ab und sah auf seinen Schoß. Er merkte, dass seine Augen glasig wurden, er würde jedoch keinem der Anwesenden in diesem Raum die Genugtuung geben, das zu sehen. Wenn er dachte, dass Snape ihn nicht leiden konnte, dann hatte er zumindest jetzt die Gewissheit, dass er ihn hasste. Snape zog sich einen Stuhl heran und saß direkt vor Harry, bohrte die dunklen Augen gefühlt durch die Stirn des Ravenclaws.
„Wenn einem Wermutaufguss die gemahlene Affodillwurzel hinzugegeben wird, entsteht ein Schlaftrank, der so stark ist, dass man ihn den Trank der lebenden Toten nennt. Ein Bezoar ist ein Stein im Magen einer Ziege, der im Akutfall den meisten Giften entgegenwirkt und Eisenhut und Wolfswurz sind ein und die dieselbe Pflanze, welche man früher auch Akonit genannt hat.“, erklärte er mit hartem Ton. Stille herrschte im Klassenzimmer. „Warum schreiben Sie das nicht alle auf?“, blaffte er alle Schüler an, welche daraufhin hektisch begannen, die eben genannten Informationen aufzuschreiben und Snape drehte sich zu seinem Pult um, um die Inhalte der restlichen Stunde mit einem Schwung seines Zauberstabes an die Tafeln zu schreiben. Für den Rest der Stunde wurden theoretische Einführungen in die Kunst des Brauens von Zaubertränken besprochen, welche Kessel und Rührlöffel aus unterschiedlichen Metallen die Ergebnisse sowohl positiv als auch negativ beeinflussen konnten und eine Einführung in die Materialkunde der Zaubertrankzutaten. Als die Stunde beendet war, leerte sich das Klassenzimmer und Harry ließ den Zettel, mit der Mitschrift von Snapes Einführung auf dem Tisch liegen. Vielleicht würde er ja merken, dass Harry doch aufgepasst hatte?
Anthony und Harry liefen als Letzte aus dem Klassenzimmer und steuerten direkt das große Portal des Glockenturms an, um Edd zu suchen. An der frischen Luft angekommen ließ er sich auf einer der Steinbänke niedersinken und schloss die Augen. Er atmete mehrmals tief ein und aus und Anthony legte die Hand auf seine Schulter.
„Ich habe schon ein bisschen was im Vorbeigehen von Snape gehört, nicht viele trauen sich bei ihm den Mund aufzumachen, wenn er sie ungerecht behandelt.“, sagte der Dunkelblonde leise.
„Ich habe mich ja nicht einmal gewehrt… ich… ich wusste das alles, weißt du? Ich habe das alles gewusst.“, meinte Harry leise und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er ging zum Weißdorn und suchte den Bowtruckle, den er nach ein paar Minuten gefunden hatte. Dieser verkroch sich zufrieden in Harrys Hemdtasche und gab ein paar leise Laute von sich.
„Ich fühle mich wie ein Versager.“, meinte Harry, als er sich zu Anthony umdrehte.
„Nein.“, meinte Anthony und sah ihn an. „Sag sowas nicht. Mir wäre es ähnlich gegangen, glaube ich.“
Harry zuckte nur enttäuscht mit den Schultern und machte sich mit Anthony gemeinsam auf den Weg und kam noch rechtzeitig im Klassenzimmer in Verwandlung an. Da Harry großes Interesse an Professor McGonagalls Unterricht hatte, setzte er sich mit Anthony in die vorderste Reihe nahe der Fenster. Dass Verwandlung wieder mit den Slytherins stattfinden würde, trübte seine Stimmung in diesem Falle jedoch nicht, da er sich sicher war, dass McGonagall alle fair behandeln würde.
Als alle Schüler saßen, sahen sie sich verwundert um, denn auf dem Tisch saß lediglich eine grau getigerte Katze mit einem dunklen Muster um die Augen. Die Katze sprang hervor und verwandelte sich augenblicklich in Professor McGonagall. Einige Schüler gaben überraschte Laute von sich, manche staunten lediglich mit großen Augen.
„Guten Morgen zu Ihrer ersten Stunde in Verwandlung.“, sprach sie und blickte in die Runde. „Ich hoffe, Sie hatten einen erfolgreichen ersten Start in Hogwarts. Verwandlung ist eine der schwierigsten Disziplinen der Zauberei, die es zu erlernen gibt und daher erwarte ich von Ihnen volle Aufmerksamkeit, Fleiß und Disziplin. Dann werden Sie auch alle zufriedenstellende Ergebnisse erreichen können. Gleichzeitig sei erwähnt, dass Verwandlung eine der komplexesten und gefährlichsten Formen der Magie sein kann, die sie in Hogwarts lernen können, weshalb ich keine Störungen in jeglicher Hinsicht dulden werde. Sie wurden hiermit gewarnt. Heute beginnen wir zunächst mit den theoretischen Grundlagen und anschließend widmen wir uns unserer ersten Verwandlung.“
Harry war begeistert, wie McGonagalls ruhige, aber strenge Art so viel Autorität ausstrahlte, dass alle Schüler konzentriert zuhörten – ohne Angst und Einschüchterung. McGonagall begann zu erklären, worum es bei der Verwandlung im Gegensatz zur Zauberkunst ging – das Hauptprinzip lag im Umgang mit dem Gegenstand an sich. Wenn die Zauberkunst das Objekt und dessen Qualität nutzte, um sie zu verändern und in jeglicher Hinsicht zu manipulieren, so ging es bei der Verwandlung darum, das Objekt, ungeachtet seiner Qualitäten, in etwas komplett anderes zu verwandeln. Die Schüler schrieben fleißig mit und in der zweiten Stunde begannen sie mit der Aufgabe, Streichhölzer in Nadeln zu verwandeln.
Anthony und Harry saßen konzentriert am Pult, sprachen ihre Zauber und Harry seufzte. Er blickte im Klassenraum umher. Bei den anderen Ravenclaws und auch bei den Slytherins herrschte gleichermaßen Frust, da bei niemandem das Streichholz auch nur ansatzweise begann, sich zu verändern. Er konnte jedoch sehen, dass am Nachbartisch nach einem weiteren Versuch das Streichholz von Theodore am Schwefelköpfchen ein ganz klein wenig spitzer zulief. Harry lächelte. Er versuchte es weiter, bis er von einem leisen „Harry!“ durch Anthony abgelenkt wurde, der ihm sein silbernes und spitz zulaufendes Streichholz zeigte.
„Glückwunsch.“, grinste Harry und nickte anerkennend.
„Wunderbar, Mr. Goldstein. Fünf Punkte für Ravenclaw.“, sprach Professor McGonagall im Vorbeigehen und hielt das Streichholz zufrieden hoch. Sie nickte Harry zu und lief weiter. Nach einer Weile war die Stunde zu Ende und McGonagall gab ihnen noch die Aufgabe, einen Aufsatz über die Grundlagen der Verwandlung über mehrere Zoll zu schreiben und sich intensiver mit dem Verwandlungszauber des Streichholzes auseinanderzusetzen. Harry war froh, dass McGonagall offensichtlich keine Häuser bevorzugte und zu jedem gleichermaßen streng war, weshalb die Slytherins, und damit meinte er in erster Linie Malfoy und dessen Konsorten, keine Anstalten machten, über ihn herzuziehen.
Den Rest des Tages hatten sie glücklicherweise frei, weshalb sich Anthony und Harry auf den Weg zum Mittagessen machten. Als sie sich an ihren Platz setzten, fiel ihnen erneut auf, wie Hermine alleine mit einem Buch beim Essen saß und konzentriert las. Harry sah sie nachdenklich an und runzelte die Stirn. Er war nie jemand gewesen, der wirklich Freunde um sich hatte, dafür hatte Dudley gesorgt, aber es beschäftigte ihn, dass Hermine wieder alleine beim Essen saß. Er machte sich eine gedankliche Notiz, das Ganze noch ein wenig zu beobachten. Er sah zu Anthony und grübelte. Hätte dieser sich nicht im Zug zu ihm gesetzt und würde er seinen Schlafsaal nicht mit ihm teilen, würde er wohl in gleicher Manier beim Essen sitzen.
Nach dem Essen verließen die beiden Jungs das Schloss, um ein wenig dem Trubel der Korridore zu entkommen. In einem der begrünten Innenhöfe setzten sie sich auf eine der Steinbänke und genossen die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut, begleitet von leisem Vogelgezwitscher aus den vereinzelten Bäumen, die sich an den Mauern des Schlosses entlang reihten.
Am frühen Nachmittag machten sie sich auf den Weg in die Bibliothek, um ihren ersten Aufsatz für Verwandlung zu schreiben. Als die beiden Jungs die Bibliothek sahen, fiel ihnen die Kinnlade herunter – unzählige, deckenhohe Regale mit hunderten, wenn nicht tausenden, Büchern und Bänden in jeglichen Formen und Ausmaßen. Die großen Fenster ließen Unmengen an Licht hereinfallen und als sie hochsahen, erkannten sie, dass sich die Bibliothek nicht nur über den dritten Stock ausbreitete, sondern ein weiteres Stockwerk im vierten Stock des Schlosses existierte. Sie schlichen eine ganze Weile durch die Regale und Harry war begeistert. Sie suchten die passende Abteilung der Bücher und als Harry im hinteren Teil der Bibliothek an einem dunkleren, abgesperrten Bereich vorbeilief, blieb er stehen.
„Verbotene Abteilung.“, las Harry auf einem Schild und blickte auf die Regale, die sich hinter der dicken Kordel befanden, die die Abteilung vom Rest der Bibliothek trennte.
„Interessant.“, meinte Anthony und grinste Harry schelmisch an.
„Durchaus. Aber jetzt steht erstmal Verwandlung auf dem Plan.“, entgegnete er und suchte mit Anthony die passenden Bücher raus, setzte sich an einen freien Tisch und begann zu lesen, sich Notizen zu machen und zwischendurch gedankenverloren durch die Bibliothek zu schauen, wo sich vereinzelte Schüler zwischen den Regalen hin und her bewegten, auf der Suche nach dem richtigen Buch. Harry blickte auf, als er kurze, honigblonde Haare hinter einem Regal hervorblitzen sah und Theodore Nott mit einem großen Stapel Bücher im Arm erkannte. Als dieser ihn sah, zuckten seine Mundwinkel kurz und Harry nickte ihm lächelnd zu. Nott nickte ihm ebenfalls zu und setzte sich mit seinen Büchern an einen der freien Tische am Fenster nahe der beiden Ravenclaws.
Stumm arbeiteten sie weiter, bis Anthony ihn mit hochgezogener Augenbraue ansah.
„Du willst auch nicht in den Gemeinschaftsraum, oder? Dort gibt es ja auch eine Bibliothek.“, flüsterte er zum Ende, als er den bösen Blick der vorbeilaufenden Bibliothekarin Mrs. Pince sah, als er zu laut begann zu sprechen.
„Ich weiß. Die Bibliothek dort ist bestimmt in Ordnung.“, entgegnete Harry leise und verglich seine Notizen.
„Du willst da aber auch nicht hin, oder?“ Harry schüttelte den Kopf und schrieb weiter. Anthony nickte kurz und räusperte sich. „Warum?“
„So viele Leute. Und irgendwie… ich weiß nicht, dieser Moment mit dem Türklopfer… jeder wollte der Beste sein. Zumindest jeder von den Lauten.“, meinte Harry.
„Die Gedanken dieser Leute sind wirklich anstrengend. So viel Konkurrenz und Wettkampf. Zumindest bei einem Großteil, nicht bei allen.“, entgegnete Anthony zustimmend und Harry sah ihn nur nachdenklich an.
„Ja.“, flüsterte er und fuhr mit seinen theoretischen Absatz über die Grundlagen der Verwandlung fort. Als sie am späten Nachmittag ihre Aufsätze beendet hatten und mit dem Ergebnis weitestgehend zufrieden waren, packten sie ihre Sachen ein und räumten die Bücher zurück in die Regale. Harry winkte Theodore im Vorbeigehen noch zu, welcher ihm, gedanklich in seinem Buch versunken, zurückwinkte und machte sich mit Anthony wieder auf den Weg in den begrünten Innenhof. Sie setzten sich wieder auf eine der breiten Steinbänke und genossen die Ruhe.
„Ich muss Remus noch einen Brief schreiben.“, meinte Harry mehr zu sich selbst, jedoch lauter, als beabsichtigt und Anthony sah ihn fragend an.
„Wer ist Remus?“
„Mein Patenonkel.“, entgegnete Harry kurz.
„Das war der große Mann mit dem Vollbart, der dich zum Gleis 9 ¾ begleitet hat, oder? Ich hab dich flüchtig mit ihm gesehen.“
„Ja, genau.“
Harry zog ein Pergament aus seiner Tasche, gefolgt von Feder und Tinte und legte es auf eines seiner Bücher als Unterlage.
Lieber Remus,
Ich hoffe, es geht dir gut und dir ist nicht allzu langweilig. Die Ankunft war sehr entspannt und der Sprechende Hut war eine komische Erfahrung. Er konnte sich zwischen keinem der vier Häuser so wirklich entscheiden, aber aus unerfindlichen Gründen beharrte er auf Slytherin, aber das wollte ich nicht. Als ich mit ihm diskutiert habe, meinte er, dass er mich auch nach Gryffindor oder Ravenclaw schicken würde. Es hat wirklich lange gedauert, bis er mich gefragt hatte, was ich denn wirklich vom Leben will. Auf meine Antwort hin hat er mich dann nach Ravenclaw geschickt. Ich war ein bisschen froh, dass ich nicht nach Slytherin geschickt wurde – einer der Slytherins, Draco Malfoy, ist unerträglich und macht sich einen Spaß daraus, mich zu provozieren. Sein Hauslehrer, Snape, ist irgendwie …so wie er – er hat direkt angefangen, mich in Zaubertränke vor der ganzen Klasse als „Berühmtheit“ bloßzustellen. Es war wirklich nicht schön mit ihm, aber ich werde ihm schon zeigen, dass ich mehr bin als ein Name, von dem ich nicht einmal wusste, dass er etwas Wichtiges war. Verwandlung mit McGonagall war spannend, aber auch ein bisschen anstrengend. Mein Streichholz ist noch nicht wirklich zur Nadel geworden, aber ich werde daran arbeiten.
Ravenclaw ist in Ordnung, der Gemeinschaftsraum ist richtig schön und ich teile mir ein Zimmer mit Anthony Goldstein. Er ist ziemlich witzig und ich glaube, dass wir Freunde werden können. Die anderen Ravenclaws, was ich gestern Abend so mitbekommen habe, sind irgendwie auch sehr im Konkurrenzkampf mit sich selbst, soweit ich es einschätzen kann.
In Gryffindor ist ein Mädchen, Hermine, das bisher immer alleine beim Essen saß. So ein bisschen habe ich das Gefühl, dass durch ihre besserwisserische und forsche Art niemand mit ihr Zeit verbringen möchte. Ich werde es beobachten. Niemand sollte in so einer großen Schule alleine auf sich gestellt sein, oder?
Ich hoffe, dass es dir gut geht und wir uns bald wieder schreiben.
Alles Liebe,
Harry
Harry faltete den Brief zusammen und legte ihn in einen Briefumschlag, den er am Vorabend noch in seine Tasche gepackt hatte.
„Gehst du mit zur Eulerei?“, fragte er Anthony, welcher jedoch nach einem Blick auf seine Taschenuhr den Kopf schüttelte.
„Ich muss noch etwas erledigen. Wir sehen uns in einer Stunde beim Abendessen, ja?“, meinte dieser und lief zügig ins Schloss.
„Okay.“, sagte Harry mehr zu sich selbst, denn Anthony war bereits verschwunden. Er packte seine Sachen wieder in die Tasche und machte sich auf den Weg zur Eulerei im Westturm.
Gemütlich schlenderte Harry durch das Schloss, nicht ganz sicher, ob er auch den richtigen Weg genommen hatte, und sah sich im Vorbeigehen die ganzen Portraits an, die ihn teilweise freundlich grüßten und ihn in die richtige Richtung zum Westturm führten. Harry war begeistert vom Schloss, von den unzähligen Portraits, von den sich bewegenden Treppen, die ständig die Richtung änderten und von den kleinen, geheimnisvollen Ecken und Nischen, in den manchmal Bänke oder seltsame Statuen von ihm unbekannten Hexen und Zauberern standen.
Harry lief die Treppe zur Eulerei hoch und fand Hedwig friedlich in einer der Wandaussparungen auf einer kleinen Stange sitzen. Er sah sich in dem großen, runden Raum mit lauter Fenstern ohne Glas um. Der Boden war mit Streu ausgelegt und übersät mit den Hinterlassenschaften der Vögel und vielen kleinen Knochen von der Beute, die sie wieder auswürgten. Er lief zu seiner Schneeeule, die freudig schuhute und auf seine Schulter flog, um ihm sanft ins Ohr zu zwicken.
„Gefällt’s dir hier, meine Schöne?“, fragte er leise und streichelte sie sanft über den Kopf. Sie schloss zufrieden die Augen und schmiegte sich an seinen Kopf. Nach einer Weile zeigte er ihr den Brief. „Ich habe einen Auftrag für dich. Bring den Brief bitte zu Remus nach Hause. Er band ihr den Brief an ans Bein und trug sie auf dem Arm zu einem der großen Fenster. Sie sah ihn noch einmal aus ihren großen Augen an, spreizte ihre Flügel und flog los. Er sah ihr eine Weile hinterher, bis sie am Horizont verschwunden war, als er seinen Blick über die Ländereien schweifen ließ und in der Nähe des Waldes einen blonden Haarschopf mit einem großen, schwarzen Tier entlangrennen sah. Harry schmunzelte, als er sich an den Wald und die kurze Begegnung mit Theodore mit seiner magischen Waldkatze zurückerinnerte. Er beugte sich noch ein wenig aus dem Fenster und erkannte, dass der Slytherin mit seiner Katze dort unterwegs war, wo ihn keiner sah, denn er war weit abseits des großen Sees und den Bereichen, wo sich vermehrt Schüler aufhielten, um ihre freie Zeit zu verbringen.
Er ist wohl auch gerne für sich, dachte sich Harry. Er konnte noch gar nicht einordnen, inwiefern er mit dem ganzen Trubel in Hogwarts zurechtkommen würde, denn der Kontrast zu den Jahren davor war enorm. Das war mit einer der Gründe, warum er den Gemeinschaftsraum vorerst vermied. Er war immer allein gewesen, Remus hatte ihm seine Freiräume gegeben und wenn war er nur wenige Male mit Luna ein paar Stunden unterwegs im Wald gewesen. Und mit Luna konnte er eine schöne Zeit verbringen, ohne viel zu reden – Luna war nicht anstrengend, Luna war… leicht.
In Gedanken ließ er die vergangenen Stunden seit der Zugfahrt mit Anthony Revue passieren. Der dunkelblonde Junge war ein geselliger und durchaus gesprächiger Zeitgenosse, aber es war dennoch ungezwungen. Es war, als spürte er, wenn Harry reden wollte und wann nicht. Das machte ihn in Harrys Augen automatisch sympathischer, denn die Gesellschaft des Jungen war nicht anstrengend oder auslaugend, im Gegenteil. Harry konnte sich nicht an eine Zeit erinnern, in der er so viel mit jemandem am Stück geredet oder Zeit verbracht hatte, ohne sich ausgelaugt oder genervt zu fühlen. Es war eine angenehme Abwechslung. Insgeheime war Harry auch wirklich froh gewesen, dass sie ein Junge in Ravenclaw zu viel waren und deswegen die Zimmer getrennt wurden – er hätte sich kaum etwas Anstrengenderes vorstellen können, als mit vier Jungs in einem Schlafsaal zu schlafen. Zumal Terry, Michael und Stephen, so hieß der dritte Junge, dessen Name Harry nicht mitbekommen hatte, hauptsächlich unter sich waren – zugegebenermaßen waren sie beide aber auch bisher nicht wirklich gesprächig mit den anderen gewesen. Terry schien ganz nett zu sein, aber er wusste generell noch nicht so recht, was er von den anderen beiden halten sollte. Aber möglicherweise war es auch alles nur ein erster unangenehmer Eindruck, den er von einigen Ravenclaws gestern bekommen hatte, als jeder um jeden Preis des Rätsels Lösung finden wollte. Harry war zuversichtlich, dass sich mit der Zeit einiges noch an den rechten Fleck rücken würde. Er musste dem Ganzen nur eine Chance geben. Harry sah, wie Theo mit seiner Katze verschwunden war und entschied sich, zum Abendessen zu gehen, da der Glockenturm die Abendglocken läutete.
Die nächsten Tage vergingen gemächlich und weitestgehend ereignisfrei. Harry hatte sich an das Geflüster und Gemurmel gewöhnt, sobald er um irgendwelche Ecken lief und entschloss sich, es einfach so weit zu ignorieren, sodass es seinen Mitschülern zu langweilig wurde und er kein besonderer Anblick in den Korridoren des Schlosses mehr darstellte. Er hatte allerdings gemerkt, dass tatsächlich seine Herkunft für manche ein Problem darstellten – vor Allem bei vereinzelten Slytherins.
Er hatte am späten Mittwochabend, als beide im Bett lagen, mit Anthony über den Vorfall gesprochen, als Malfoy ihn abends nach einem Wortgefecht, kurz vor ihrer ersten Astronomiestunde, vor der Tür zum Astronomieturm auf durchaus kreative Weise als wildes Halbblut betitelte, woraufhin Harry ihn nur verwirrt angesehen hatte. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte, da er die Beleidigung schlichtweg nicht verstanden hatte. Aber da die anderen Kinder um ihn herum plötzlich totenstill waren, konnte er ahnen, dass es sich um etwas Gravierendes handeln musste. Er hatte Malfoy nur mit einem „Wenn du meinst“ und einer gezuckten Schulter stehen lassen, was den Slytherin wütender gemacht hatte, aber innerlich hatte es ihn dennoch beschäftigt.
Harry hatte Anthony gefragt, was es mit dem Begriff Halbblut auf sich hatte, da er nur einmal von Reinblütern gelesen hatte, aber nicht wusste, was das Wort bedeutete. Anthony erklärte ihm daraufhin, dass es sich dabei um die Abstammung der einzelnen Familien handelte. Sobald eine Familie in ihrer Ahnenreihe eine muggelstämmige Person hatte, zählte das Blut nicht mehr als „rein“ und die Nachkommen wurden Halbblut genannt. Da durch seine Ohren offensichtlich war, dass er Gene von Elfen in sich trug, betitelte Malfoy ihn als wild, da Elfen offiziell nicht als Menschen, sondern menschenähnliche magische Wesen gesehen und behandelt wurden. Harry sah ihn mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.
„Nach diesen Definitionen bin ich auch nur ein Halbblut. Und das trotz einer reinblütigen Mutter und einem Halbblut als Vater.“, meinte Anthony und zuckte mit den Schultern.
„So ein Quatsch. Und ein Halbblut bin ich auch nicht.“, meinte Harry und schüttelte den Kopf.
„Naja, Malfoys Eltern werden deine Mutter gekannt haben und es war offiziell bekannt, dass sie muggelstämmig war. Wenn man deine Ohren betrachtet, bist du offiziell auch kein Halbblut, das würde nur für reine Menschen gelten. Offiziell würdest du als Halbelf oder Teilelf, irgendwie sowas, sogar nur als Halbmensch gelten. – Ich möchte mich ja nicht in deinen Stammbaum einmischen, aber es würde mich schon ein bisschen interessieren, woher deine Elfenohren kommen.“, meinte Anthony und sah Harry fragend an. Er schluckte, da er merkte, dass er mehr verraten hatte, als er eigentlich geplant hatte.
„Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“, fragte er vorsichtig, woraufhin dieser nickte.
„Für einen Freund? Immer.“, sagte er lächelnd und Harry merkte, wie sich ein warmes Gefühl in seiner Brust ausbreitete.
„Danke… Also. Hmm…“, begann Harry und erzählte ihm oberflächlich von dem Brief seiner Mutter, deren Entführung und seiner wahren Herkunft von den Potters als auch den Greenwoods, mit der Besonderheit vom Elfenblut in der Linie seiner Großmutter aus Frankreich. Er erzählte ihm noch kurz, dass er deshalb nicht mehr bei den Muggeln, sondern seit seinem Geburtstag mit seinem Patenonkel zusammenlebte. Die genaueren Umstände wollte er nicht erwähnen.
„Die krassen Reinblüter würden dich aus dieser Hinsicht tatsächlich nur als Halbmensch betrachten, aber nicht alle Familien sind so. Aber dennoch… Spannend. Und irgendwie schon ein bisschen traurig, dass du eigentlich all die Jahre bei deinem Paten in der Zaubererwelt hättest leben können, oder?“
„Schon. Aber dafür gibt es jetzt umso mehr zu entdecken, findest du nicht? Sie denken, sie kennen Harry Potter. Aber sie kennen mich nicht.“
„Weise Worte, mein Freund.“, meinte Anthony gähnend und deckte sich zu. „Schlaf gut, Harry.“
„Gute Nacht, Anthony.“
Es war Freitagmorgen und sie hatten wieder Verwandlung mit den Slytherins. Professor McGonagall sammelte mit einem Schwung ihres Zauberstabes die Aufsätze ein, zog bei Crabbe und Goyle, Malfoys Bodyguards, je fünf Punkte ab, da sie ihren Aufsatz nicht fertig bekommen hatten und wies sie alle an, weiter an der Verwandlung ihrer Streichhölzer zu arbeiten. Harry und Anthony hatten unter der Woche in der Zwischenzeit noch ein paar Mal zusammen in ihrem Schlafsaal geübt und für sich im Stillen gefeiert als Anthony es am Vorabend geschafft hatte, sein Streichholz in eine einwandfreie Nadel zu verwandeln. Sie hatten noch eine ganze Stunde weitergeübt, bis Harry es auch geschafft hatte und mehrere Streichhölzer einwandfrei verwandeln konnte. So saßen sie zufrieden an ihrem Tisch, als Professor McGonagall die Streichhölzer austeilte und Harry sie leicht anlächelte.
Sie sah die beiden Jungs erwartungsvoll an und nickte anerkennend, als Anthony sein Streichholz auf Anhieb verwandelte. Harry tat es ihm gleich und die Hexe sprach ein großes Lob aus.
„Zehn Punkte für Ravenclaw. Sehr gut gemacht, Mr. Potter und Mr. Goldstein. Und –“, sagte sie und blickte zum Nachbartisch, an dem es Theodore nach einem weiteren Versuch gelungen war, das Streichholz zu verwandeln, „ – fünf Punkte für Slytherin. Sehr gut, Mr. Nott.“
Der angesprochene Junge zuckte ganz leicht mit den Mundwinkeln und nickte der Professorin zu und blickte zum Fenster raus. Nachdem ein Großteil der Klasse weiterhin Probleme hatte, die Verwandlung vollständig durchzuführen, wies Professor McGonagall diejenigen an, die es mehrfach und ohne Zwischenfälle schafften, sich mit der Rückverwandlung und dem entsprechenden Zauberspruch auseinanderzusetzen. Dies stellte sich im Vergleich zur ursprünglichen Verwandlung für die Meisten als weitaus einfacher heraus, da man schon ein erstes Gefühl für den Vorgang der Verwandlung selbst hatte. Harry war mit dem Ergebnis der Verwandlungsstunde zufrieden, da er zumindest feststellen konnte, dass Anthony, Theodore, eine weitere, blondhaarige Slytherin und er es am Ende der Stunde erfolgreich geschafft hatten, die Nadel und das Streichholz hin und her zu verwandeln.
Nach Verwandlung verabschiedete sich Anthony kurz und Harry machte sich auf den Weg zum Gewächshaus, da sie heute eine praktische Stunde Kräuterkunde hatten. Unterwegs traf er auf Hermine, die alleine auf dem Weg zu den Gewächshäusern war, und er schloss sich ihr an. Sie unterhielten sich ein wenig, er stellte ihr ein paar Fragen bezüglich Gryffindor, wie der Gemeinschaftsraum aussah und wie sie bisher den Unterricht empfand. Harry hatte das Gefühl, dass sie bei den schulbezogenen Erzählungen wirklich Feuer und Flamme war, und er fragte sich zwischenzeitig, warum sie nicht nach Ravenclaw gekommen war, und sprach mit ihr über ihre private Studien in Verwandlung und welche Bücher sie aktuell noch am Lesen war. Bei den Erzählungen über ihre Mitschüler wich sie dezent aus und Harry hatte den Eindruck, dass sich ein wenig Traurigkeit in ihren Augen ausbreitete. Er entschied sich, das Thema nicht weiter anzusprechen, sondern einfach den Kontakt mit ihr aufzubauen. So hatte es Remus ihm auch in seinem Antwortbrief geraten. Wenn er das Gefühl hatte, dass Hermine einen Freund brauchte, sollte er es einfach ganz natürlich angehen und nichts aufdrängen oder es aus Versehen so aussehen lassen, dass er aus Mitleid mit ihr Kontakt hatte. Ungezwungen und mit offenem Geist, so hatte Remus es geschrieben, ergaben sich die interessantesten Gegebenheiten.
Die beiden liefen gerade die Treppen in einen der Innenhöfe herunter, als Anthony hinter ihnen angerannt kam und den beiden einen Zeitungsartikel des Tagespropheten zeigte.
„Ein Einbruch in Gringotts.“, murmelte Harry und Hermine runzelte die Stirn. Das Foto zeigte das Verlies 713 und zwei aufgebrachte Kobolde, die am Diskutieren waren. „An dem Tag war ich in Gringotts und habe gesehen, wie Hagrid etwas für Hogwarts aus genau diesem Verlies geholt hatte. Das ist seltsam.“, meinte Harry und sah die beiden skeptisch an.
„Das ist wirklich seltsam.“, bestätigte Hermine und kniff die Augen zusammen. „Und spannend.“
„Jetzt müssen wir nur noch rausfinden, was in dem Verlies war und wer es stehlen wollte.“, meinte Anthony.
„Und vor allem: warum.“, pflichtete Hermine bei und die drei nickten. Sie liefen weiter zu den Gewächshäusern, stießen unterwegs auf Neville Longbottom, der sich ihnen anschloss, und betraten gerade noch rechtzeitig das richtige Gewächshaus. Sie wurden von Professor Sprout begrüßt, einer etwas kurzgeratenen und rundlichen Frau, die sie direkt anwies, sich einen Arbeitsplatz zu suchen. Die vier stellten sich gemeinsam an eine Tischreihe und zogen sich ihre Schürzen an. Harry ließ seinen Blick durch das Gewächshaus wandern und war sehr angetan von den verschiedenen Pflanzen, die darin wuchsen, und konnte einige davon auch aus seinen Studien erkennen und benennen. Er beobachtete die einzelnen Gryffindors und musste schmunzeln, da alle ein weitestgehend gelangweilten Eindruck machten und sich teilweise ziemlich unmotiviert äußerten. Einzig Hermine und Neville schienen Feuer und Flamme zu sein.
„Meine Lieben, willkommen noch einmal in Gewächshaus Eins. Heute widmen wir uns unserer ersten praktischen Stunde und nehmen uns dafür eine sehr wichtige Pflanze vor.“, begann sie voller Elan und deutete auf die vielen Schalen voller Jungpflanzen in der Mitte der Tische. „Wer kann die Pflanze benennen?“, fragte sie erwartungsvoll. Hermine, Neville und Harry hoben die Hand.
„Ja, Miss Granger?“
„In den Schalen befinden sich Jungpflanzen des Baldrians.“, antwortete sie und Professor Sprout nickte anerkennend.
„Richtig. Fünf Punkte für Gryffindor. Und wer kann ihre Einsatzgebiete nennen?“ Die drei hoben wieder die Hand.
„Mr. Potter?“
„Die Pflanze stellt einen wichtigen Bestandteil von Beruhigungs-, Schlaf-, und einer Reihe von Heiltränken dar, vor allem, wenn die Probleme nervlichen Ursprungs sind.“
„Perfekt. Fünf Punkte für Ravenclaw. Und wer kann mir noch sagen, was die Besonderheit beim Umtopfen zu beachten gilt? – Ja, Mr. Longbottom?“
„Baldrian mag keine verdichteten Böden. Wenn die Erde zu dicht ist, und das Wasser nicht abfließen kann, können die Wurzeln schimmeln.“
„Absolut richtig. Fünf Punkte für Gryffindor. Also, nehmen Sie sich diese Informationen zu Herzen, wenn Sie nun die nächste Stunde diese Jungpflanzen umtopfen. Schauen Sie genau zu.“, sprach die Professorin und topfte beispielhaft eine Baldrianpflanze um. „Vor Ihnen stehen Schalen, in denen Sie Ihre umgetopften Pflanzen aufreihen. An den Schalen notieren Sie bitte Ihre Namen, sodass ich am Ende Ihre Ergebnisse bewerten kann. Kaputte Pflanzen und inadäquate Umtopfergebnisse bedeuten Abzug für Ihr Endergebnis. Und los geht’s!“
Harry hatte definitiv Spaß hier im Gewächshaus. Er merkte auch, dass Edd sich aus seiner Brusttasche herausgeschlichen hatte und an ein paar kleinen Bäumen, die hinter Harry standen, begann, sich über kleine Holzläuse herzumachen. Als er sich zu Edd umdrehte, um zu sehen, was er machte, stand Professor Sprout neben ihm, blickte wortlos zu Harry und folgte seinem Blick zu dem Bowtruckle und sah wieder zu Harry.
„Mr. Potter?“ Harry wurde ein wenig rot um die Nase und kratzte sich am Kopf.
„Der Bowtruckle gehört mir, er ist…“, begann er leise, wurde jedoch unterbrochen.
„Wenn er mir die Holzläuse von den jungen Sträuchern frisst, bin ich mehr als dankbar.“
„Er ist recht ordentlich, was seine Jagd angeht.“
„Lassen Sie in ruhig und zögern sie nicht auch außerhalb des Unterrichts ihn hier jagen zu lassen. Sie haben meine Erlaubnis für alle Gewächshäuser, außer Gewächshaus sieben.“, sagte sie und Harry nickte lächelnd. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Anthony ebenfalls grinste, da er das Gespräch mithören konnte. „Machen Sie jetzt bitte mit den Baldrianpflanzen weiter – schöne Arbeit bisher, Potter. Mr. Longbottom, einwandfreie Arbeit, sehr gut.“, meinte Sie im Vorbeigehen, lobte Hermine ebenfalls und sah Anthony erwartungsvoll an. „Mr. Goldstein, ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl.“
Harry schmunzelte und Anthony streckte ihm die Zunge raus, woraufhin er lachen musste. Professor Sprout lief die Reihen weiter, lobte hier und dort und seufzte an anderen Stellen ein paar Mal. „Mr. Weasley und Mr. Finnigan, Baldrian ist nicht aus Gummi gemacht, was abgeknickt ist, ist kaputt. Passen Sie bitte ein wenig mehr auf.“
Nachdem die Stunde beendet war, wies Professor Sprout sie noch an, einen kurzen Aufsatz über die Charakteristik des Baldrians, seiner Besonderheiten und Anwendungsgebiete mit Beispielen zu schreiben und entließ sie aus dem Gewächshaus. Harry sammelte seinen Bowtruckle wieder ein und setzte ihn in seine Hemdtasche, wusch sich die Hände und verließ mit den anderen das Gewächshaus.
Sie machten sich auf den Weg zum Mittagessen und als sich Harry und Anthony in der großen Halle von Neville und Hermine verabschiedeten, flog eine der Schuleulen mit einem kleinen Brief im Schnabel auf Harry zu, setzte sich auf seine Schulter und hob ihm den Brief hin. Er nahm den Brief, streichelte die braune Schleiereule über den Kopf und hielt ihr ein Stückchen Fleisch vom Mittagessen hin, welches sie mit einem leisen Fauchen annahm. Harry nahm an, dass die Eule auf eine Antwort warten sollte, weshalb die beiden Jungs sich an den Ravenclawtisch setzten und Harry den Brief öffnete.
Lieber Harry,
wenn du heute Abend nach dem Abendessen Zeit für eine Tasse Tee und Kuchen hast, sag mir bitte Bescheid. Ich möchte dir etwas zeigen.
Viele Grüße,
Hagrid.
PS: Du kannst gerne noch jemanden mitbringen.
Harry schmunzelte. Hagrid hatte ihn ja noch darum gebeten, dass er ihn gerne zum Tee treffen würde. Er hob Anthony den Brief hin, welcher ihn kurz durchlas und, aufgrund des vollen Mundes, nickte. Der Schwarzhaarige drehte den Brief um, holte kurz Feder und Tinte aus seiner Tasche und schrieb Hagrid, dass er mit einem Freund heute Abend vorbeikommen würde. Er faltete den Brief, gab ihn der Eule und schickte sie zu Hagrid los. Er lief kurz zu Hermine an den Gryffindortisch, welche ihn verwundert ansah, und beugte sich zu ihr runter.
„Hagrid hat mich heute Abend auf eine Tasse Tee und Kuchen eingeladen. Anthony kommt auch, möchtest du auch mitkommen?“, fragte er leise und sie sah ihn mit großen Augen an. Sie nickte und Harry konnte ein Glitzern in ihren Augen erkennen.
„Sehr gerne!“, antwortete sie leise aber erfreut und lächelte ihn an.
„Nach dem Abendessen geben wir los, ja? Super. Bis später.“, meinte er und ging zurück an den Ravenclawtisch, da er langsam doch Hunger bekam. Er sah zu Anthony herüber, der genüsslich seinen Cottage Pie aß und schüttelte schmunzelnd den Kopf, während er sich Kartoffelbrei, Erbsen und Soße auf den Teller lud.
~oOo~
Harry drehte sich um und blickte auf die Uhr auf Anthonys Nachttisch, es war gerade einmal wenige Minuten vor sechs Uhr morgens. Noch ein wenig verschlafen rieb er sich die Augen und seufzte leise. Er hatte wunderbar geschlafen, keine aufregenden Träume hatten seinen Schlaf gestört und das leichte, kaum merkliche Rauschen des Windes flüsterte wie ein Schlaflied um die Türme des Schlafsaals.
Leise stand Harry auf, schmunzelte aufgrund von Anthonys leisem, kaum merklichen Schnarchen, schnappte sich seine frischen Schulroben und verschwand im Bad, um sich zu duschen und für den Tag vorzubereiten. Er war gespannt, welches Fach sie als Erstes haben würden. Nach dem Duschen stand er gedankenverloren am Waschbecken und putzte sich seine Zähne, während er sich selbst im Spiegel betrachtete. Die letzten vier Wochen hatten sich positiv auf sein Äußeres ausgewirkt; er empfand sich zwar immer noch als ziemlich hager, aber seine Haut hatte trotz seiner generellen Blässe eine gesündere Farbe angenommen und durch das regelmäßige und gute Essen sah er auch nicht mehr so ungesund aus. Er war weitestgehend zufrieden.
Er lief in den Schlafraum zurück und blickte zur Uhr. Es war fast halb Sieben und das Frühstück würde bald beginnen. Iduna saß auf Anthonys Bett und blickte Harry aus ihren blauen Augen auffordernd an, weshalb er sie ein wenig streichelte und sich anschließend wieder auf sein Bett setzte. Er setzte Edd, der sich im Baldachin seines Himmelbetts versteckt hatte, in seine Brusttasche und lief zu Anthony, um diesen anzutippen. Dieser gab ein paar verschlafene Geräusche von sich und grummelte.
„Gehst du mit zum Frühstück?“, fragte Harry leise.
„ W‘viel Uhr?“, murmelte er.
„Halb sieben.“
„Mhm.“, entgegnete Anthony, stand auf und trottete verschlafen in Richtung Bad. „Ich geh schnell duschen und so. Bis gleich.“
„Ok.“, meinte Harry und beschäftigte sich währenddessen mit Iduna, welche sich verspielt auf dem Rücken hin und her kullerte. Nach einer Weile stand Harry auf und öffnete die Fenster des Schlafsaals und staunte über den Ausblick. Seine Vermutung vom Vorabend war richtig gewesen, der Ausblick über die Ländereien, die Wälder, den See und die Berge war phänomenal. Harry drehte sich um, als Anthony aus dem Bad kam, sich seine Schulroben anzog und die Krawatte knotete. Er steckte sich seinen Zauberstab in den Umhang und Harry steckte ebenfalls seinen Zauberstab ein.
„Gehen wir?“, meinte Anthony und nahm sich seine am Tasche vom Boden.
„Wir können los.“, entgegnete Harry, nahm seine Umhängetasche und hang sie um seine Schultern. Iduna folgte ihnen aus dem Gemeinschaftsraum heraus, in dem bereits ein paar der älteren Schüler in kleinen Nischen an den Tischen saßen und lernten. Die Katze verschwand um eine Ecke und Anthony schüttelte nur den Kopf.
„Neugierig ist sie, das sag ich dir. Und jagen kann sie wie ein Löwe.“
„Sie ist eine tolle Katze. Bevor wir an der Halle vorbeikommen, muss ich Edd nur mal in ein Gebüsch setzen, dass er auch ein bisschen jagen kann.“, meinte Harry auf dem Weg die Treppen herunter und Anthony nickte. Nachdem sie zweimal einen vorbeigehenden Schüler und eine Vertrauensschülerin der Gryffindors nach dem Weg fragen mussten, waren sie im Innenhof des Glockenturms angelangt und Harry setzte den Bowtruckle an einem großen Weißdorn ab.
„Du bist brav und stichst keinem die Augen aus, ja? Ich hol dich nach dem Frühstück wieder ab.“, mahnte Harry grinsend und Edd gab ein paar bestätigende Laute von sich. „Bis gleich.“
„Seltsames Wesen. Aber irgendwie cool.“, äußerte Anthony beiläufig, als sie die Treppen zum Eingangsportal hoch liefen und in die Große Halle liefen. „Ich wollte die schonmal in echt sehen, aber in London habe ich keine gefunden und meine Mutter ist nicht gerne in Wäldern unterwegs.“
„Schade.“, murmelte Harry und sah sich um. Die Tische waren noch weitestgehend leer, sie sahen Hermine allein mit einem Buch beim Frühstück sitzen, die ihnen lächelnd zuwinkte. Die beiden Jungs winkten ihr ebenfalls zurück, setzten sich an den Ravenclawtisch und begannen zu frühstücken. Harry wollte gerade seinen Löffel zum Mund führen, als zwei Pergamentrollen vor den beiden Jungs auf dem Tisch landeten. Sie blickten zum ebenfalls noch weitestgehend leeren Lehrerpodest und sahen Professor Flitwick, der ihnen lächelnd zunickte. Professor McGonagall saß daneben und nickte Harry ebenfalls lächelnd zu, der das Lächeln erwiderte und Anthony, der bereits den Brief geöffnet hatte, hob ihn Harry vor die Nase.
„Unser Stundenplan.“, meinte er und las ihn sich durch.
„Und? Wie sieht’s aus?“, fragte Harry und löffelte ein wenig Beerenkompott auf seinen Brei.
„Wir haben heute zwei Stunden Zaubertränke mit Slytherin, zwei Stunden Verwandlung mit Slytherin, Mittagspause und nachmittags frei. Dienstag zwei Stunden Zauberkunst mit Gryffindor, zwei Stunden Verteidigung gegen die Dunklen Künste mit Gryffindor, Mittagspause und dann zwei Stunden Geschichte mit Hufflepuff. Mittwochs zwei Stunden Kräuterkunde mit Gryffindor, danach zwei Stunden Zauberkunst mit Gryffindor, Pause und nachts Astronomie mit Slytherin. Donnerstags die ersten zwei Stunden frei, anschließend zwei Stunden Verteidigung mit Gryffindor, Mittagspause und nachmittags wieder Zaubertränke mit Slytherin.
Freitagmorgen zwei Stunden Verwandlung mit Slytherin, zwei Stunden Kräuterkunde mit Gryffindor, Mittagspause und danach noch zwei Stunden Flugunterricht. Das war’s.“
„Das ist okay, oder? Ich habe es mir voller vorgestellt. Dann müssen wir nochmal in den Schlafsaal, die Zaubertranksachen holen, oder?“
„Ich schätze schon.“, meinte Anthony nachdenklich. „Was meinst du wie das mit den Slytherins wird?“
„Keine Ahnung. Sie können nicht alle so sein wie dieser Malfoy. Hoffe ich.“, entgegnete Harry leise und widmete sich wieder seinem Haferbrei.
„Ich hoffe ef auch. Warum nimmft du dir keine Eier un‘ Fpeck?“, fragte Anthony mit vollem Mund.
„Ich mag süße Sachen morgens ganz gern.“, antwortete Harry und zuckte mit den Schultern. „Ich muss Edd aber während Zaubertränke in der Hecke sitzen lassen, nicht dass am Ende noch irgendwas passiert.“
Anthony stimmte ihm zu und als sie beide aufstehen wollten, lief Professor Snape an ihnen vorbei, jedoch nicht, ohne Harry einen undeutbaren Blick zuzuwerfen. Was hatte der Mann denn mit ihm? Harry wich dem Blick des Mannes im Vorbeigehen aus, winkte Hermine noch einmal und verließ mit Anthony die Große Halle. Sie gingen kurz an dem Weißdorn vorbei, sodass Harry den Plan mit ihm besprechen konnte – ob er ihn wirklich verstehen würde, wusste er nach wie vor nicht, aber tat einfach mal so – und sie machten sich auf den Rückweg in den Gemeinschaftsraum, um ihre Utensilien für Zaubertränke zu holen.
Zaubertränke fand gemeinsam mit den Slytherins in den entsprechenden Klassenzimmern in den Kerkern statt. Harry empfand die Kerker wenig einladend und ungemütlich. Sie waren kühler als der Rest des Schlosses und er fragte sich, wer gerne seine Zeit hier unten verbringen würde. Natürlich, das Labor bei ihm zuhause war auch im kühlen Keller, aber es war eher einladend und freundlich. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er bei der Ankunft vor dem Klassenzimmern wieder vereinzelte Murmeleien und Geflüster bezüglich seiner Narbe, seinen Ohren und ähnlichen Unnötigkeiten mitbekam, gefolgt von entsprechenden Blicken. Allen voran Draco Malfoy, aus dem Harry partout nicht schlau wurde – was wollte er denn überhaupt von ihm?
Harry und Anthony waren die letzten die das Klassenzimmer betraten, um dem Gedränge um die besten Plätze zu entgehen. Sie setzten sich auf die letzten freien Plätze in der zweiten Reihe. Anthony setzte sich ganz außen hin, was Harry den Platz neben einem Slytherin übrig ließ. Er erkannte, dass es Theodore Nott war, der ihn nur kurz ansah und dann vor zur Tafel blickte. Harry setzte sich wortlos neben ihn, holte seine Feder, Tinte und Pergament raus und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Anthony setzte sich rechts von ihm hin und tippte mit den Fingern auf dem Tisch herum. An den Wänden standen Unmengen an Gläsern voller konservierter Pflanzen, Tiere und deren vereinzelte Körperteile. Faszinierend – und ein wenig morbide.
Die Türen des Klassenzimmers schwangen mit einem lauten Knall auf und Professor Snape betrat den Raum mit wehendem Umhang. Dramatisch drehte er sich vor seinem Pult um und blickte streng über die Schüler.
„In diesem Klassenzimmer werden Sie die Möglichkeit bekommen, die subtile Wissenschaft der Zaubertränke zu erlernen“, begann er mit seiner öligen Stimme zu sprechen. „Albernes Zauberstabgefuchtel wird es in diesem Raum nicht geben und ich erwarte nicht, dass ein Großteil von Ihnen das nötige Feingefühl besitzt, die Schönheit und Ästhetik hinter dieser Wissenschaft und Kunst zu verstehen. Ich kann Sie die Macht lehren, Tränke zu erschaffen, die wie flüssiges Feuer durch Ihre Venen fließen und den Verstand benebeln und sie Sinne beflügeln, Erfolg zu brauen und sogar den Tod in Phiolen abzufüllen. Vorausgesetzt Sie besitzen eine Unze an Verstand.“
Harry schrieb die wichtigsten Worte mit – Der Professor mochte zwar ein Problem mit ihm haben, das er nicht erkennen konnte, aber er hatte trotzdem die Möglichkeit etwas von ihm zu lernen. Snape rollte ein Pergament auf, um die einzelnen Namen der der Anwesenden durchzugehen.
„Potter.“, meinte Snape plötzlich und Anthony stupste den Schwarzhaarigen mit dem Ellenbogen an, sodass er zu Snape hochblickte. „Unsere neue Berühmtheit.“
Seine Stimme war kalt und Harry schluckte. Er blickte ihn mit seinen schwarzen Augen direkt an, empfand sie als ebenso kalt und distanziert, aber dennoch hatte er das Gefühl, als würden sie sich in seinen Kopf bohren. „Sie halten es wohl nicht für nötig dem Unterricht zu folgen, nehme ich an?“ Harry lief es eisig den Rücken runter, als er von Snape mit einem festen Blick taxiert wurde. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Hände wurden schwitzig.
„Schauen wir mal, wie die Vorbereitungen gelaufen sind. Was erhalte ich, wenn ich eine gemahlene Affodillwurzel einem Wermutaufguss beigebe?“, fragte ihn Snape und verschränkte die Arme vor der Brust. Harry öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch kein Ton kam über seine Lippen.
„Keine Antwort? Schade.. Wenn ich einen Bezoaren suchen wollte, wo müsste ich nachschauen?“
Harry bekam keinen Ton raus, er sah Snape mit großen Augen an und schluckte. Dieser schien zufrieden zu sein, dass er die Situation so beim Schopfe packen konnte und bohrte weiter.
„Wirklich schade, man möchte meinen, dass Berühmtsein eben doch nicht alles ist. Es hätte nicht geschadet, vor dem Schulbeginn mal ein Buch aufzuschlagen, oder? Noch ein Versuch, Potter. – Wo ist der Unterschied zwischen Eisenhut und Wolfswurz?“, schnarrte er und Harry sah wie vereinzelte Slytherins sich hämisch umdrehten, allen voran Draco Malfoy und dessen Gefolgschaft. Ein paar der Ravenclaws sahen ihn nervös an. Harrys Puls stieg, seine Hände schwitzten – er hatte zehn Jahre mit den Dursleys ausgehalten. Er hatte Jahre lang Dudleys Schikanen ertragen, er wurde über Schulhöfe gejagt und er hatte nie jemandem bewusst Schaden zufügen wollen. Das hier war unfair. Er schloss die Augen und atmete tief durch, seine Hände krampften um seinen Federkiel und er spürte, wie er von links von einem Bein leicht angestoßen wurde, was ihn wieder ins Hier und Jetzt zurückholte. Sein Herz pochte. Es reichte ihm, er wollte sich nicht verstecken. Er war kein Feigling, aber er war auch niemand, der überstürzt nach vorne preschte. Er biss sich auf die Unterlippe und holte tief Luft.
Wenn einem Wermutaufguss gemahlene Affodillwurzel beigegeben wird, entstünde ein Zaubertrank der Trank der lebenden Toten genannt wird. Ein Bezoar war ein Stein im Magen einer Ziege, der als Gegengift für die gängigsten Gifte wirkte und Eisenhut und Wolfswurz waren ein und dieselbe Pflanze, die früher auch als Akonit geläufig waren. Er wusste die Antworten, aber seine Lippen waren wie versteinert. Wütend über sich selbst ballte er unter der Tischplatte schmerzhaft seine Fäuste zusammen. Sein Blick war auf das Pergament vor ihm gerichtet.
Stille. Snape sah ihn mit einem undeutbaren Blick an und presste seine Lippen zusammen, der dem Jungen jedoch entging. Harry sah kurz hoch, brach den Blickkontakt jedoch wenige Augenblicke später wieder ab und sah auf seinen Schoß. Er merkte, dass seine Augen glasig wurden, er würde jedoch keinem der Anwesenden in diesem Raum die Genugtuung geben, das zu sehen. Wenn er dachte, dass Snape ihn nicht leiden konnte, dann hatte er zumindest jetzt die Gewissheit, dass er ihn hasste. Snape zog sich einen Stuhl heran und saß direkt vor Harry, bohrte die dunklen Augen gefühlt durch die Stirn des Ravenclaws.
„Wenn einem Wermutaufguss die gemahlene Affodillwurzel hinzugegeben wird, entsteht ein Schlaftrank, der so stark ist, dass man ihn den Trank der lebenden Toten nennt. Ein Bezoar ist ein Stein im Magen einer Ziege, der im Akutfall den meisten Giften entgegenwirkt und Eisenhut und Wolfswurz sind ein und die dieselbe Pflanze, welche man früher auch Akonit genannt hat.“, erklärte er mit hartem Ton. Stille herrschte im Klassenzimmer. „Warum schreiben Sie das nicht alle auf?“, blaffte er alle Schüler an, welche daraufhin hektisch begannen, die eben genannten Informationen aufzuschreiben und Snape drehte sich zu seinem Pult um, um die Inhalte der restlichen Stunde mit einem Schwung seines Zauberstabes an die Tafeln zu schreiben. Für den Rest der Stunde wurden theoretische Einführungen in die Kunst des Brauens von Zaubertränken besprochen, welche Kessel und Rührlöffel aus unterschiedlichen Metallen die Ergebnisse sowohl positiv als auch negativ beeinflussen konnten und eine Einführung in die Materialkunde der Zaubertrankzutaten. Als die Stunde beendet war, leerte sich das Klassenzimmer und Harry ließ den Zettel, mit der Mitschrift von Snapes Einführung auf dem Tisch liegen. Vielleicht würde er ja merken, dass Harry doch aufgepasst hatte?
Anthony und Harry liefen als Letzte aus dem Klassenzimmer und steuerten direkt das große Portal des Glockenturms an, um Edd zu suchen. An der frischen Luft angekommen ließ er sich auf einer der Steinbänke niedersinken und schloss die Augen. Er atmete mehrmals tief ein und aus und Anthony legte die Hand auf seine Schulter.
„Ich habe schon ein bisschen was im Vorbeigehen von Snape gehört, nicht viele trauen sich bei ihm den Mund aufzumachen, wenn er sie ungerecht behandelt.“, sagte der Dunkelblonde leise.
„Ich habe mich ja nicht einmal gewehrt… ich… ich wusste das alles, weißt du? Ich habe das alles gewusst.“, meinte Harry leise und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er ging zum Weißdorn und suchte den Bowtruckle, den er nach ein paar Minuten gefunden hatte. Dieser verkroch sich zufrieden in Harrys Hemdtasche und gab ein paar leise Laute von sich.
„Ich fühle mich wie ein Versager.“, meinte Harry, als er sich zu Anthony umdrehte.
„Nein.“, meinte Anthony und sah ihn an. „Sag sowas nicht. Mir wäre es ähnlich gegangen, glaube ich.“
Harry zuckte nur enttäuscht mit den Schultern und machte sich mit Anthony gemeinsam auf den Weg und kam noch rechtzeitig im Klassenzimmer in Verwandlung an. Da Harry großes Interesse an Professor McGonagalls Unterricht hatte, setzte er sich mit Anthony in die vorderste Reihe nahe der Fenster. Dass Verwandlung wieder mit den Slytherins stattfinden würde, trübte seine Stimmung in diesem Falle jedoch nicht, da er sich sicher war, dass McGonagall alle fair behandeln würde.
Als alle Schüler saßen, sahen sie sich verwundert um, denn auf dem Tisch saß lediglich eine grau getigerte Katze mit einem dunklen Muster um die Augen. Die Katze sprang hervor und verwandelte sich augenblicklich in Professor McGonagall. Einige Schüler gaben überraschte Laute von sich, manche staunten lediglich mit großen Augen.
„Guten Morgen zu Ihrer ersten Stunde in Verwandlung.“, sprach sie und blickte in die Runde. „Ich hoffe, Sie hatten einen erfolgreichen ersten Start in Hogwarts. Verwandlung ist eine der schwierigsten Disziplinen der Zauberei, die es zu erlernen gibt und daher erwarte ich von Ihnen volle Aufmerksamkeit, Fleiß und Disziplin. Dann werden Sie auch alle zufriedenstellende Ergebnisse erreichen können. Gleichzeitig sei erwähnt, dass Verwandlung eine der komplexesten und gefährlichsten Formen der Magie sein kann, die sie in Hogwarts lernen können, weshalb ich keine Störungen in jeglicher Hinsicht dulden werde. Sie wurden hiermit gewarnt. Heute beginnen wir zunächst mit den theoretischen Grundlagen und anschließend widmen wir uns unserer ersten Verwandlung.“
Harry war begeistert, wie McGonagalls ruhige, aber strenge Art so viel Autorität ausstrahlte, dass alle Schüler konzentriert zuhörten – ohne Angst und Einschüchterung. McGonagall begann zu erklären, worum es bei der Verwandlung im Gegensatz zur Zauberkunst ging – das Hauptprinzip lag im Umgang mit dem Gegenstand an sich. Wenn die Zauberkunst das Objekt und dessen Qualität nutzte, um sie zu verändern und in jeglicher Hinsicht zu manipulieren, so ging es bei der Verwandlung darum, das Objekt, ungeachtet seiner Qualitäten, in etwas komplett anderes zu verwandeln. Die Schüler schrieben fleißig mit und in der zweiten Stunde begannen sie mit der Aufgabe, Streichhölzer in Nadeln zu verwandeln.
Anthony und Harry saßen konzentriert am Pult, sprachen ihre Zauber und Harry seufzte. Er blickte im Klassenraum umher. Bei den anderen Ravenclaws und auch bei den Slytherins herrschte gleichermaßen Frust, da bei niemandem das Streichholz auch nur ansatzweise begann, sich zu verändern. Er konnte jedoch sehen, dass am Nachbartisch nach einem weiteren Versuch das Streichholz von Theodore am Schwefelköpfchen ein ganz klein wenig spitzer zulief. Harry lächelte. Er versuchte es weiter, bis er von einem leisen „Harry!“ durch Anthony abgelenkt wurde, der ihm sein silbernes und spitz zulaufendes Streichholz zeigte.
„Glückwunsch.“, grinste Harry und nickte anerkennend.
„Wunderbar, Mr. Goldstein. Fünf Punkte für Ravenclaw.“, sprach Professor McGonagall im Vorbeigehen und hielt das Streichholz zufrieden hoch. Sie nickte Harry zu und lief weiter. Nach einer Weile war die Stunde zu Ende und McGonagall gab ihnen noch die Aufgabe, einen Aufsatz über die Grundlagen der Verwandlung über mehrere Zoll zu schreiben und sich intensiver mit dem Verwandlungszauber des Streichholzes auseinanderzusetzen. Harry war froh, dass McGonagall offensichtlich keine Häuser bevorzugte und zu jedem gleichermaßen streng war, weshalb die Slytherins, und damit meinte er in erster Linie Malfoy und dessen Konsorten, keine Anstalten machten, über ihn herzuziehen.
Den Rest des Tages hatten sie glücklicherweise frei, weshalb sich Anthony und Harry auf den Weg zum Mittagessen machten. Als sie sich an ihren Platz setzten, fiel ihnen erneut auf, wie Hermine alleine mit einem Buch beim Essen saß und konzentriert las. Harry sah sie nachdenklich an und runzelte die Stirn. Er war nie jemand gewesen, der wirklich Freunde um sich hatte, dafür hatte Dudley gesorgt, aber es beschäftigte ihn, dass Hermine wieder alleine beim Essen saß. Er machte sich eine gedankliche Notiz, das Ganze noch ein wenig zu beobachten. Er sah zu Anthony und grübelte. Hätte dieser sich nicht im Zug zu ihm gesetzt und würde er seinen Schlafsaal nicht mit ihm teilen, würde er wohl in gleicher Manier beim Essen sitzen.
Nach dem Essen verließen die beiden Jungs das Schloss, um ein wenig dem Trubel der Korridore zu entkommen. In einem der begrünten Innenhöfe setzten sie sich auf eine der Steinbänke und genossen die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut, begleitet von leisem Vogelgezwitscher aus den vereinzelten Bäumen, die sich an den Mauern des Schlosses entlang reihten.
Am frühen Nachmittag machten sie sich auf den Weg in die Bibliothek, um ihren ersten Aufsatz für Verwandlung zu schreiben. Als die beiden Jungs die Bibliothek sahen, fiel ihnen die Kinnlade herunter – unzählige, deckenhohe Regale mit hunderten, wenn nicht tausenden, Büchern und Bänden in jeglichen Formen und Ausmaßen. Die großen Fenster ließen Unmengen an Licht hereinfallen und als sie hochsahen, erkannten sie, dass sich die Bibliothek nicht nur über den dritten Stock ausbreitete, sondern ein weiteres Stockwerk im vierten Stock des Schlosses existierte. Sie schlichen eine ganze Weile durch die Regale und Harry war begeistert. Sie suchten die passende Abteilung der Bücher und als Harry im hinteren Teil der Bibliothek an einem dunkleren, abgesperrten Bereich vorbeilief, blieb er stehen.
„Verbotene Abteilung.“, las Harry auf einem Schild und blickte auf die Regale, die sich hinter der dicken Kordel befanden, die die Abteilung vom Rest der Bibliothek trennte.
„Interessant.“, meinte Anthony und grinste Harry schelmisch an.
„Durchaus. Aber jetzt steht erstmal Verwandlung auf dem Plan.“, entgegnete er und suchte mit Anthony die passenden Bücher raus, setzte sich an einen freien Tisch und begann zu lesen, sich Notizen zu machen und zwischendurch gedankenverloren durch die Bibliothek zu schauen, wo sich vereinzelte Schüler zwischen den Regalen hin und her bewegten, auf der Suche nach dem richtigen Buch. Harry blickte auf, als er kurze, honigblonde Haare hinter einem Regal hervorblitzen sah und Theodore Nott mit einem großen Stapel Bücher im Arm erkannte. Als dieser ihn sah, zuckten seine Mundwinkel kurz und Harry nickte ihm lächelnd zu. Nott nickte ihm ebenfalls zu und setzte sich mit seinen Büchern an einen der freien Tische am Fenster nahe der beiden Ravenclaws.
Stumm arbeiteten sie weiter, bis Anthony ihn mit hochgezogener Augenbraue ansah.
„Du willst auch nicht in den Gemeinschaftsraum, oder? Dort gibt es ja auch eine Bibliothek.“, flüsterte er zum Ende, als er den bösen Blick der vorbeilaufenden Bibliothekarin Mrs. Pince sah, als er zu laut begann zu sprechen.
„Ich weiß. Die Bibliothek dort ist bestimmt in Ordnung.“, entgegnete Harry leise und verglich seine Notizen.
„Du willst da aber auch nicht hin, oder?“ Harry schüttelte den Kopf und schrieb weiter. Anthony nickte kurz und räusperte sich. „Warum?“
„So viele Leute. Und irgendwie… ich weiß nicht, dieser Moment mit dem Türklopfer… jeder wollte der Beste sein. Zumindest jeder von den Lauten.“, meinte Harry.
„Die Gedanken dieser Leute sind wirklich anstrengend. So viel Konkurrenz und Wettkampf. Zumindest bei einem Großteil, nicht bei allen.“, entgegnete Anthony zustimmend und Harry sah ihn nur nachdenklich an.
„Ja.“, flüsterte er und fuhr mit seinen theoretischen Absatz über die Grundlagen der Verwandlung fort. Als sie am späten Nachmittag ihre Aufsätze beendet hatten und mit dem Ergebnis weitestgehend zufrieden waren, packten sie ihre Sachen ein und räumten die Bücher zurück in die Regale. Harry winkte Theodore im Vorbeigehen noch zu, welcher ihm, gedanklich in seinem Buch versunken, zurückwinkte und machte sich mit Anthony wieder auf den Weg in den begrünten Innenhof. Sie setzten sich wieder auf eine der breiten Steinbänke und genossen die Ruhe.
„Ich muss Remus noch einen Brief schreiben.“, meinte Harry mehr zu sich selbst, jedoch lauter, als beabsichtigt und Anthony sah ihn fragend an.
„Wer ist Remus?“
„Mein Patenonkel.“, entgegnete Harry kurz.
„Das war der große Mann mit dem Vollbart, der dich zum Gleis 9 ¾ begleitet hat, oder? Ich hab dich flüchtig mit ihm gesehen.“
„Ja, genau.“
Harry zog ein Pergament aus seiner Tasche, gefolgt von Feder und Tinte und legte es auf eines seiner Bücher als Unterlage.
Lieber Remus,
Ich hoffe, es geht dir gut und dir ist nicht allzu langweilig. Die Ankunft war sehr entspannt und der Sprechende Hut war eine komische Erfahrung. Er konnte sich zwischen keinem der vier Häuser so wirklich entscheiden, aber aus unerfindlichen Gründen beharrte er auf Slytherin, aber das wollte ich nicht. Als ich mit ihm diskutiert habe, meinte er, dass er mich auch nach Gryffindor oder Ravenclaw schicken würde. Es hat wirklich lange gedauert, bis er mich gefragt hatte, was ich denn wirklich vom Leben will. Auf meine Antwort hin hat er mich dann nach Ravenclaw geschickt. Ich war ein bisschen froh, dass ich nicht nach Slytherin geschickt wurde – einer der Slytherins, Draco Malfoy, ist unerträglich und macht sich einen Spaß daraus, mich zu provozieren. Sein Hauslehrer, Snape, ist irgendwie …so wie er – er hat direkt angefangen, mich in Zaubertränke vor der ganzen Klasse als „Berühmtheit“ bloßzustellen. Es war wirklich nicht schön mit ihm, aber ich werde ihm schon zeigen, dass ich mehr bin als ein Name, von dem ich nicht einmal wusste, dass er etwas Wichtiges war. Verwandlung mit McGonagall war spannend, aber auch ein bisschen anstrengend. Mein Streichholz ist noch nicht wirklich zur Nadel geworden, aber ich werde daran arbeiten.
Ravenclaw ist in Ordnung, der Gemeinschaftsraum ist richtig schön und ich teile mir ein Zimmer mit Anthony Goldstein. Er ist ziemlich witzig und ich glaube, dass wir Freunde werden können. Die anderen Ravenclaws, was ich gestern Abend so mitbekommen habe, sind irgendwie auch sehr im Konkurrenzkampf mit sich selbst, soweit ich es einschätzen kann.
In Gryffindor ist ein Mädchen, Hermine, das bisher immer alleine beim Essen saß. So ein bisschen habe ich das Gefühl, dass durch ihre besserwisserische und forsche Art niemand mit ihr Zeit verbringen möchte. Ich werde es beobachten. Niemand sollte in so einer großen Schule alleine auf sich gestellt sein, oder?
Ich hoffe, dass es dir gut geht und wir uns bald wieder schreiben.
Alles Liebe,
Harry
Harry faltete den Brief zusammen und legte ihn in einen Briefumschlag, den er am Vorabend noch in seine Tasche gepackt hatte.
„Gehst du mit zur Eulerei?“, fragte er Anthony, welcher jedoch nach einem Blick auf seine Taschenuhr den Kopf schüttelte.
„Ich muss noch etwas erledigen. Wir sehen uns in einer Stunde beim Abendessen, ja?“, meinte dieser und lief zügig ins Schloss.
„Okay.“, sagte Harry mehr zu sich selbst, denn Anthony war bereits verschwunden. Er packte seine Sachen wieder in die Tasche und machte sich auf den Weg zur Eulerei im Westturm.
Gemütlich schlenderte Harry durch das Schloss, nicht ganz sicher, ob er auch den richtigen Weg genommen hatte, und sah sich im Vorbeigehen die ganzen Portraits an, die ihn teilweise freundlich grüßten und ihn in die richtige Richtung zum Westturm führten. Harry war begeistert vom Schloss, von den unzähligen Portraits, von den sich bewegenden Treppen, die ständig die Richtung änderten und von den kleinen, geheimnisvollen Ecken und Nischen, in den manchmal Bänke oder seltsame Statuen von ihm unbekannten Hexen und Zauberern standen.
Harry lief die Treppe zur Eulerei hoch und fand Hedwig friedlich in einer der Wandaussparungen auf einer kleinen Stange sitzen. Er sah sich in dem großen, runden Raum mit lauter Fenstern ohne Glas um. Der Boden war mit Streu ausgelegt und übersät mit den Hinterlassenschaften der Vögel und vielen kleinen Knochen von der Beute, die sie wieder auswürgten. Er lief zu seiner Schneeeule, die freudig schuhute und auf seine Schulter flog, um ihm sanft ins Ohr zu zwicken.
„Gefällt’s dir hier, meine Schöne?“, fragte er leise und streichelte sie sanft über den Kopf. Sie schloss zufrieden die Augen und schmiegte sich an seinen Kopf. Nach einer Weile zeigte er ihr den Brief. „Ich habe einen Auftrag für dich. Bring den Brief bitte zu Remus nach Hause. Er band ihr den Brief an ans Bein und trug sie auf dem Arm zu einem der großen Fenster. Sie sah ihn noch einmal aus ihren großen Augen an, spreizte ihre Flügel und flog los. Er sah ihr eine Weile hinterher, bis sie am Horizont verschwunden war, als er seinen Blick über die Ländereien schweifen ließ und in der Nähe des Waldes einen blonden Haarschopf mit einem großen, schwarzen Tier entlangrennen sah. Harry schmunzelte, als er sich an den Wald und die kurze Begegnung mit Theodore mit seiner magischen Waldkatze zurückerinnerte. Er beugte sich noch ein wenig aus dem Fenster und erkannte, dass der Slytherin mit seiner Katze dort unterwegs war, wo ihn keiner sah, denn er war weit abseits des großen Sees und den Bereichen, wo sich vermehrt Schüler aufhielten, um ihre freie Zeit zu verbringen.
Er ist wohl auch gerne für sich, dachte sich Harry. Er konnte noch gar nicht einordnen, inwiefern er mit dem ganzen Trubel in Hogwarts zurechtkommen würde, denn der Kontrast zu den Jahren davor war enorm. Das war mit einer der Gründe, warum er den Gemeinschaftsraum vorerst vermied. Er war immer allein gewesen, Remus hatte ihm seine Freiräume gegeben und wenn war er nur wenige Male mit Luna ein paar Stunden unterwegs im Wald gewesen. Und mit Luna konnte er eine schöne Zeit verbringen, ohne viel zu reden – Luna war nicht anstrengend, Luna war… leicht.
In Gedanken ließ er die vergangenen Stunden seit der Zugfahrt mit Anthony Revue passieren. Der dunkelblonde Junge war ein geselliger und durchaus gesprächiger Zeitgenosse, aber es war dennoch ungezwungen. Es war, als spürte er, wenn Harry reden wollte und wann nicht. Das machte ihn in Harrys Augen automatisch sympathischer, denn die Gesellschaft des Jungen war nicht anstrengend oder auslaugend, im Gegenteil. Harry konnte sich nicht an eine Zeit erinnern, in der er so viel mit jemandem am Stück geredet oder Zeit verbracht hatte, ohne sich ausgelaugt oder genervt zu fühlen. Es war eine angenehme Abwechslung. Insgeheime war Harry auch wirklich froh gewesen, dass sie ein Junge in Ravenclaw zu viel waren und deswegen die Zimmer getrennt wurden – er hätte sich kaum etwas Anstrengenderes vorstellen können, als mit vier Jungs in einem Schlafsaal zu schlafen. Zumal Terry, Michael und Stephen, so hieß der dritte Junge, dessen Name Harry nicht mitbekommen hatte, hauptsächlich unter sich waren – zugegebenermaßen waren sie beide aber auch bisher nicht wirklich gesprächig mit den anderen gewesen. Terry schien ganz nett zu sein, aber er wusste generell noch nicht so recht, was er von den anderen beiden halten sollte. Aber möglicherweise war es auch alles nur ein erster unangenehmer Eindruck, den er von einigen Ravenclaws gestern bekommen hatte, als jeder um jeden Preis des Rätsels Lösung finden wollte. Harry war zuversichtlich, dass sich mit der Zeit einiges noch an den rechten Fleck rücken würde. Er musste dem Ganzen nur eine Chance geben. Harry sah, wie Theo mit seiner Katze verschwunden war und entschied sich, zum Abendessen zu gehen, da der Glockenturm die Abendglocken läutete.
~oOo~
Die nächsten Tage vergingen gemächlich und weitestgehend ereignisfrei. Harry hatte sich an das Geflüster und Gemurmel gewöhnt, sobald er um irgendwelche Ecken lief und entschloss sich, es einfach so weit zu ignorieren, sodass es seinen Mitschülern zu langweilig wurde und er kein besonderer Anblick in den Korridoren des Schlosses mehr darstellte. Er hatte allerdings gemerkt, dass tatsächlich seine Herkunft für manche ein Problem darstellten – vor Allem bei vereinzelten Slytherins.
Er hatte am späten Mittwochabend, als beide im Bett lagen, mit Anthony über den Vorfall gesprochen, als Malfoy ihn abends nach einem Wortgefecht, kurz vor ihrer ersten Astronomiestunde, vor der Tür zum Astronomieturm auf durchaus kreative Weise als wildes Halbblut betitelte, woraufhin Harry ihn nur verwirrt angesehen hatte. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte, da er die Beleidigung schlichtweg nicht verstanden hatte. Aber da die anderen Kinder um ihn herum plötzlich totenstill waren, konnte er ahnen, dass es sich um etwas Gravierendes handeln musste. Er hatte Malfoy nur mit einem „Wenn du meinst“ und einer gezuckten Schulter stehen lassen, was den Slytherin wütender gemacht hatte, aber innerlich hatte es ihn dennoch beschäftigt.
Harry hatte Anthony gefragt, was es mit dem Begriff Halbblut auf sich hatte, da er nur einmal von Reinblütern gelesen hatte, aber nicht wusste, was das Wort bedeutete. Anthony erklärte ihm daraufhin, dass es sich dabei um die Abstammung der einzelnen Familien handelte. Sobald eine Familie in ihrer Ahnenreihe eine muggelstämmige Person hatte, zählte das Blut nicht mehr als „rein“ und die Nachkommen wurden Halbblut genannt. Da durch seine Ohren offensichtlich war, dass er Gene von Elfen in sich trug, betitelte Malfoy ihn als wild, da Elfen offiziell nicht als Menschen, sondern menschenähnliche magische Wesen gesehen und behandelt wurden. Harry sah ihn mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.
„Nach diesen Definitionen bin ich auch nur ein Halbblut. Und das trotz einer reinblütigen Mutter und einem Halbblut als Vater.“, meinte Anthony und zuckte mit den Schultern.
„So ein Quatsch. Und ein Halbblut bin ich auch nicht.“, meinte Harry und schüttelte den Kopf.
„Naja, Malfoys Eltern werden deine Mutter gekannt haben und es war offiziell bekannt, dass sie muggelstämmig war. Wenn man deine Ohren betrachtet, bist du offiziell auch kein Halbblut, das würde nur für reine Menschen gelten. Offiziell würdest du als Halbelf oder Teilelf, irgendwie sowas, sogar nur als Halbmensch gelten. – Ich möchte mich ja nicht in deinen Stammbaum einmischen, aber es würde mich schon ein bisschen interessieren, woher deine Elfenohren kommen.“, meinte Anthony und sah Harry fragend an. Er schluckte, da er merkte, dass er mehr verraten hatte, als er eigentlich geplant hatte.
„Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“, fragte er vorsichtig, woraufhin dieser nickte.
„Für einen Freund? Immer.“, sagte er lächelnd und Harry merkte, wie sich ein warmes Gefühl in seiner Brust ausbreitete.
„Danke… Also. Hmm…“, begann Harry und erzählte ihm oberflächlich von dem Brief seiner Mutter, deren Entführung und seiner wahren Herkunft von den Potters als auch den Greenwoods, mit der Besonderheit vom Elfenblut in der Linie seiner Großmutter aus Frankreich. Er erzählte ihm noch kurz, dass er deshalb nicht mehr bei den Muggeln, sondern seit seinem Geburtstag mit seinem Patenonkel zusammenlebte. Die genaueren Umstände wollte er nicht erwähnen.
„Die krassen Reinblüter würden dich aus dieser Hinsicht tatsächlich nur als Halbmensch betrachten, aber nicht alle Familien sind so. Aber dennoch… Spannend. Und irgendwie schon ein bisschen traurig, dass du eigentlich all die Jahre bei deinem Paten in der Zaubererwelt hättest leben können, oder?“
„Schon. Aber dafür gibt es jetzt umso mehr zu entdecken, findest du nicht? Sie denken, sie kennen Harry Potter. Aber sie kennen mich nicht.“
„Weise Worte, mein Freund.“, meinte Anthony gähnend und deckte sich zu. „Schlaf gut, Harry.“
„Gute Nacht, Anthony.“
~oOo~
Es war Freitagmorgen und sie hatten wieder Verwandlung mit den Slytherins. Professor McGonagall sammelte mit einem Schwung ihres Zauberstabes die Aufsätze ein, zog bei Crabbe und Goyle, Malfoys Bodyguards, je fünf Punkte ab, da sie ihren Aufsatz nicht fertig bekommen hatten und wies sie alle an, weiter an der Verwandlung ihrer Streichhölzer zu arbeiten. Harry und Anthony hatten unter der Woche in der Zwischenzeit noch ein paar Mal zusammen in ihrem Schlafsaal geübt und für sich im Stillen gefeiert als Anthony es am Vorabend geschafft hatte, sein Streichholz in eine einwandfreie Nadel zu verwandeln. Sie hatten noch eine ganze Stunde weitergeübt, bis Harry es auch geschafft hatte und mehrere Streichhölzer einwandfrei verwandeln konnte. So saßen sie zufrieden an ihrem Tisch, als Professor McGonagall die Streichhölzer austeilte und Harry sie leicht anlächelte.
Sie sah die beiden Jungs erwartungsvoll an und nickte anerkennend, als Anthony sein Streichholz auf Anhieb verwandelte. Harry tat es ihm gleich und die Hexe sprach ein großes Lob aus.
„Zehn Punkte für Ravenclaw. Sehr gut gemacht, Mr. Potter und Mr. Goldstein. Und –“, sagte sie und blickte zum Nachbartisch, an dem es Theodore nach einem weiteren Versuch gelungen war, das Streichholz zu verwandeln, „ – fünf Punkte für Slytherin. Sehr gut, Mr. Nott.“
Der angesprochene Junge zuckte ganz leicht mit den Mundwinkeln und nickte der Professorin zu und blickte zum Fenster raus. Nachdem ein Großteil der Klasse weiterhin Probleme hatte, die Verwandlung vollständig durchzuführen, wies Professor McGonagall diejenigen an, die es mehrfach und ohne Zwischenfälle schafften, sich mit der Rückverwandlung und dem entsprechenden Zauberspruch auseinanderzusetzen. Dies stellte sich im Vergleich zur ursprünglichen Verwandlung für die Meisten als weitaus einfacher heraus, da man schon ein erstes Gefühl für den Vorgang der Verwandlung selbst hatte. Harry war mit dem Ergebnis der Verwandlungsstunde zufrieden, da er zumindest feststellen konnte, dass Anthony, Theodore, eine weitere, blondhaarige Slytherin und er es am Ende der Stunde erfolgreich geschafft hatten, die Nadel und das Streichholz hin und her zu verwandeln.
Nach Verwandlung verabschiedete sich Anthony kurz und Harry machte sich auf den Weg zum Gewächshaus, da sie heute eine praktische Stunde Kräuterkunde hatten. Unterwegs traf er auf Hermine, die alleine auf dem Weg zu den Gewächshäusern war, und er schloss sich ihr an. Sie unterhielten sich ein wenig, er stellte ihr ein paar Fragen bezüglich Gryffindor, wie der Gemeinschaftsraum aussah und wie sie bisher den Unterricht empfand. Harry hatte das Gefühl, dass sie bei den schulbezogenen Erzählungen wirklich Feuer und Flamme war, und er fragte sich zwischenzeitig, warum sie nicht nach Ravenclaw gekommen war, und sprach mit ihr über ihre private Studien in Verwandlung und welche Bücher sie aktuell noch am Lesen war. Bei den Erzählungen über ihre Mitschüler wich sie dezent aus und Harry hatte den Eindruck, dass sich ein wenig Traurigkeit in ihren Augen ausbreitete. Er entschied sich, das Thema nicht weiter anzusprechen, sondern einfach den Kontakt mit ihr aufzubauen. So hatte es Remus ihm auch in seinem Antwortbrief geraten. Wenn er das Gefühl hatte, dass Hermine einen Freund brauchte, sollte er es einfach ganz natürlich angehen und nichts aufdrängen oder es aus Versehen so aussehen lassen, dass er aus Mitleid mit ihr Kontakt hatte. Ungezwungen und mit offenem Geist, so hatte Remus es geschrieben, ergaben sich die interessantesten Gegebenheiten.
Die beiden liefen gerade die Treppen in einen der Innenhöfe herunter, als Anthony hinter ihnen angerannt kam und den beiden einen Zeitungsartikel des Tagespropheten zeigte.
„Ein Einbruch in Gringotts.“, murmelte Harry und Hermine runzelte die Stirn. Das Foto zeigte das Verlies 713 und zwei aufgebrachte Kobolde, die am Diskutieren waren. „An dem Tag war ich in Gringotts und habe gesehen, wie Hagrid etwas für Hogwarts aus genau diesem Verlies geholt hatte. Das ist seltsam.“, meinte Harry und sah die beiden skeptisch an.
„Das ist wirklich seltsam.“, bestätigte Hermine und kniff die Augen zusammen. „Und spannend.“
„Jetzt müssen wir nur noch rausfinden, was in dem Verlies war und wer es stehlen wollte.“, meinte Anthony.
„Und vor allem: warum.“, pflichtete Hermine bei und die drei nickten. Sie liefen weiter zu den Gewächshäusern, stießen unterwegs auf Neville Longbottom, der sich ihnen anschloss, und betraten gerade noch rechtzeitig das richtige Gewächshaus. Sie wurden von Professor Sprout begrüßt, einer etwas kurzgeratenen und rundlichen Frau, die sie direkt anwies, sich einen Arbeitsplatz zu suchen. Die vier stellten sich gemeinsam an eine Tischreihe und zogen sich ihre Schürzen an. Harry ließ seinen Blick durch das Gewächshaus wandern und war sehr angetan von den verschiedenen Pflanzen, die darin wuchsen, und konnte einige davon auch aus seinen Studien erkennen und benennen. Er beobachtete die einzelnen Gryffindors und musste schmunzeln, da alle ein weitestgehend gelangweilten Eindruck machten und sich teilweise ziemlich unmotiviert äußerten. Einzig Hermine und Neville schienen Feuer und Flamme zu sein.
„Meine Lieben, willkommen noch einmal in Gewächshaus Eins. Heute widmen wir uns unserer ersten praktischen Stunde und nehmen uns dafür eine sehr wichtige Pflanze vor.“, begann sie voller Elan und deutete auf die vielen Schalen voller Jungpflanzen in der Mitte der Tische. „Wer kann die Pflanze benennen?“, fragte sie erwartungsvoll. Hermine, Neville und Harry hoben die Hand.
„Ja, Miss Granger?“
„In den Schalen befinden sich Jungpflanzen des Baldrians.“, antwortete sie und Professor Sprout nickte anerkennend.
„Richtig. Fünf Punkte für Gryffindor. Und wer kann ihre Einsatzgebiete nennen?“ Die drei hoben wieder die Hand.
„Mr. Potter?“
„Die Pflanze stellt einen wichtigen Bestandteil von Beruhigungs-, Schlaf-, und einer Reihe von Heiltränken dar, vor allem, wenn die Probleme nervlichen Ursprungs sind.“
„Perfekt. Fünf Punkte für Ravenclaw. Und wer kann mir noch sagen, was die Besonderheit beim Umtopfen zu beachten gilt? – Ja, Mr. Longbottom?“
„Baldrian mag keine verdichteten Böden. Wenn die Erde zu dicht ist, und das Wasser nicht abfließen kann, können die Wurzeln schimmeln.“
„Absolut richtig. Fünf Punkte für Gryffindor. Also, nehmen Sie sich diese Informationen zu Herzen, wenn Sie nun die nächste Stunde diese Jungpflanzen umtopfen. Schauen Sie genau zu.“, sprach die Professorin und topfte beispielhaft eine Baldrianpflanze um. „Vor Ihnen stehen Schalen, in denen Sie Ihre umgetopften Pflanzen aufreihen. An den Schalen notieren Sie bitte Ihre Namen, sodass ich am Ende Ihre Ergebnisse bewerten kann. Kaputte Pflanzen und inadäquate Umtopfergebnisse bedeuten Abzug für Ihr Endergebnis. Und los geht’s!“
Harry hatte definitiv Spaß hier im Gewächshaus. Er merkte auch, dass Edd sich aus seiner Brusttasche herausgeschlichen hatte und an ein paar kleinen Bäumen, die hinter Harry standen, begann, sich über kleine Holzläuse herzumachen. Als er sich zu Edd umdrehte, um zu sehen, was er machte, stand Professor Sprout neben ihm, blickte wortlos zu Harry und folgte seinem Blick zu dem Bowtruckle und sah wieder zu Harry.
„Mr. Potter?“ Harry wurde ein wenig rot um die Nase und kratzte sich am Kopf.
„Der Bowtruckle gehört mir, er ist…“, begann er leise, wurde jedoch unterbrochen.
„Wenn er mir die Holzläuse von den jungen Sträuchern frisst, bin ich mehr als dankbar.“
„Er ist recht ordentlich, was seine Jagd angeht.“
„Lassen Sie in ruhig und zögern sie nicht auch außerhalb des Unterrichts ihn hier jagen zu lassen. Sie haben meine Erlaubnis für alle Gewächshäuser, außer Gewächshaus sieben.“, sagte sie und Harry nickte lächelnd. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Anthony ebenfalls grinste, da er das Gespräch mithören konnte. „Machen Sie jetzt bitte mit den Baldrianpflanzen weiter – schöne Arbeit bisher, Potter. Mr. Longbottom, einwandfreie Arbeit, sehr gut.“, meinte Sie im Vorbeigehen, lobte Hermine ebenfalls und sah Anthony erwartungsvoll an. „Mr. Goldstein, ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl.“
Harry schmunzelte und Anthony streckte ihm die Zunge raus, woraufhin er lachen musste. Professor Sprout lief die Reihen weiter, lobte hier und dort und seufzte an anderen Stellen ein paar Mal. „Mr. Weasley und Mr. Finnigan, Baldrian ist nicht aus Gummi gemacht, was abgeknickt ist, ist kaputt. Passen Sie bitte ein wenig mehr auf.“
Nachdem die Stunde beendet war, wies Professor Sprout sie noch an, einen kurzen Aufsatz über die Charakteristik des Baldrians, seiner Besonderheiten und Anwendungsgebiete mit Beispielen zu schreiben und entließ sie aus dem Gewächshaus. Harry sammelte seinen Bowtruckle wieder ein und setzte ihn in seine Hemdtasche, wusch sich die Hände und verließ mit den anderen das Gewächshaus.
Sie machten sich auf den Weg zum Mittagessen und als sich Harry und Anthony in der großen Halle von Neville und Hermine verabschiedeten, flog eine der Schuleulen mit einem kleinen Brief im Schnabel auf Harry zu, setzte sich auf seine Schulter und hob ihm den Brief hin. Er nahm den Brief, streichelte die braune Schleiereule über den Kopf und hielt ihr ein Stückchen Fleisch vom Mittagessen hin, welches sie mit einem leisen Fauchen annahm. Harry nahm an, dass die Eule auf eine Antwort warten sollte, weshalb die beiden Jungs sich an den Ravenclawtisch setzten und Harry den Brief öffnete.
Lieber Harry,
wenn du heute Abend nach dem Abendessen Zeit für eine Tasse Tee und Kuchen hast, sag mir bitte Bescheid. Ich möchte dir etwas zeigen.
Viele Grüße,
Hagrid.
PS: Du kannst gerne noch jemanden mitbringen.
Harry schmunzelte. Hagrid hatte ihn ja noch darum gebeten, dass er ihn gerne zum Tee treffen würde. Er hob Anthony den Brief hin, welcher ihn kurz durchlas und, aufgrund des vollen Mundes, nickte. Der Schwarzhaarige drehte den Brief um, holte kurz Feder und Tinte aus seiner Tasche und schrieb Hagrid, dass er mit einem Freund heute Abend vorbeikommen würde. Er faltete den Brief, gab ihn der Eule und schickte sie zu Hagrid los. Er lief kurz zu Hermine an den Gryffindortisch, welche ihn verwundert ansah, und beugte sich zu ihr runter.
„Hagrid hat mich heute Abend auf eine Tasse Tee und Kuchen eingeladen. Anthony kommt auch, möchtest du auch mitkommen?“, fragte er leise und sie sah ihn mit großen Augen an. Sie nickte und Harry konnte ein Glitzern in ihren Augen erkennen.
„Sehr gerne!“, antwortete sie leise aber erfreut und lächelte ihn an.
„Nach dem Abendessen geben wir los, ja? Super. Bis später.“, meinte er und ging zurück an den Ravenclawtisch, da er langsam doch Hunger bekam. Er sah zu Anthony herüber, der genüsslich seinen Cottage Pie aß und schüttelte schmunzelnd den Kopf, während er sich Kartoffelbrei, Erbsen und Soße auf den Teller lud.