L'histoire d'un elfe, c'est...
von RedonneMoi
Kurzbeschreibung
Geduld ist die Kunst, etwas auszuhalten, weil man fühlt, dass eine Veränderung ansteht. Vertrauen ist die Kunst, zu wissen, dass alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende findet. Diese Weisheit hat Harry Potter in seinen jungen Jahren trotz aller Widrigkeiten für sich erkennen können, denn egal was passiert - die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und wenn ein Brief seiner Mutter etwas bewiesen hat, dann ist es die Tatsache, dass definitiv alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende finden wird, auch ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Abenteuer, Freundschaft, Romantik - P16, (Pre-)MaleSlash, Het
GeschichteAbenteuer, Freundschaft / P16 / MaleSlash
Anthony Goldstein
Harry Potter
Hermine Granger
Luna Lovegood
OC (Own Character)
Remus "Moony" Lupin
29.07.2022
27.03.2023
30
257.011
26
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24.11.2022
8.685
Es war bereits spät in der Nacht und Harry saß wie im Jahr zuvor auf seinem Schreibtisch vor dem offenen Fenster und blickte in stiller Vorfreude in die Nacht hinein. Neben ihm brannte eine kleine Kerze und mit einem Blick auf die kleine Uhr zu seiner Rechten verriet diese ihm, dass es nur noch wenige Minuten bis zu seinem vierzehnten Geburtstag dauern würde. Er hatte die vergangenen vier Wochen weitestgehend alleine mit Remus verbracht. Zumeist vertrieb er sich die Zeit daher am See, im Garten oder er genoss die Zeit mit einem Buch auf dem Kirschbaum oder diskutierte mit Remus über Gott und die Welt. An dem ein oder anderen Tag, an dem es geregnet hatte, hatte er auch die Schlaf-, und Stärkungstränke im Labor für Remus aufgefüllt und hatte sich mit seinem Notizbuch, Block und Stift bewaffnet aufgemacht herauszufinden, welche Kräuter und nützlichen Pflanzen in der näheren Umgebung wuchsen – mit dem Ergebnis, dass es gar nicht mal so wenige waren. Die meisten tauchten nach seinen Recherchen jedoch eher in der klassischen Heilkunst auf als in der angewandten Zaubertrankbrauerei. Das verwunderte Harry allerdings nicht wirklich, denn magische Pflanzen im klassischen Sinne wuchsen eben auch nur an bestimmten Orten. Häufig war er auch mehrere Stunden im Wald unterwegs, um herauszufinden, was ihm alles in den Tiefen des Waldes begegnen würde. Manchmal nahm er den Tarnumhang und seinen Besen mit, falls er zu faul war, den ganzen Weg durch den Wald zurückzulaufen. Er wollte sich ursprünglich auch mit Luna treffen, die wurde allerdings am Anfang der Ferien von ihrem Vater mit auf Entdeckungsreisen genommen – Harry vermutete, dass sie nach Schrumpfhörnigen Schnarchkacklern suchten, um deren Existenz endlich beweisen zu können, aber genau wusste er es nicht. Auch Hermine und Anthony waren bedingt durch Familien-, und Dienstreisen nicht in England, weshalb er sich mit dem ein oder anderen Brief zufrieden geben musste. Sehr zu seinem Erfreuen hatte Professor Sprout ihm ebenfalls einen kleinen Brief geschrieben, mit dem netten Hinweis, dass er seine zwei jungen Ebereschen vergessen hatte und diese prompt mit vier Schuleulen – sie waren mittlerweile so groß geworden, dass eine Eule alleine nicht gereicht hätte – fürsorglich verpackt zu ihm nach Hause geschickt. Eine der beiden hatte er im hinteren Teil des Gartens neben dem Holzschuppen eingepflanzt, da sie dort genug Platz haben würde, um kräftig und groß zu werden.
Die andere hatte er spontan am frühen Morgen mit Hedwig zu Neville geschickt, nachdem Remus ihm einen Karton so verzaubert hatte, dass Hedwig das Geschenk alleine tragen konnte – als kleines Geburtstagsgeschenk. Es war zwar das erste Mal, dass er dem Gryffindor etwas zum Geburtstag geschenkt hat, aber er hatte das Gefühl, dass es das Richtige war und er wusste auch, dass Neville sich gut um die Eberesche kümmern würde.
Sein Blick fiel auf die Uhr neben ihm und er begann leise zu zählen. „Fünf… vier… drei… zwei…eins…“
„Alles Gute zum Geburtstag, Harry.“
Harry wirbelte mit dem Kopf zur Tür und sah Remus, der im Türrahmen stand und ihm gut gelaunt entgegenblickte.
„Danke! Ich dachte, du schläfst.“, antwortete er und wurde in eine enge Umarmung gezogen.
„Nein, ich bin vorhin nur kurz beim Lesen eingeschlafen.“
„Jaja.“, sagte Harry. „Hätte ich auch gesagt, alter Mann.“
„Du bist frech geworden in letzter Zeit.“, entgegnete Remus schmunzelnd und drückte ihm ein kleines Paket in die Hand. Harry riss das Paket neugierig auf und sah fünf kleine Töpfe mit Jungpflanzen darin.
„Diptam.“, stellte Harry fest und sah Remus erfreut an. „Die können wir in eines der Beete pflanzen, denn wenn sie noch vor Schulbeginn richtig angewachsen sind, dann werden das mit der Zeit Stauden, um die man sich praktisch nicht mehr kümmern muss. Danke! Das ist ein nützliches Geschenk.“
„Dann hat mich meine Erinnerung nicht getrübt.“, lachte Remus. „Freut mich, wenn es dir gefällt. Ich will dir nicht jedes Jahr Bücher schenken, aber ich bin, wie du weißt, auch nicht sehr kreativ, was Geschenke angeht.“
„Es ist perfekt. Vor allem können wir damit dann mit den frischen Blättern die Salben und Essenzen selbst herstellen, um Wunden zu heilen.“ Remus nickte kurz, zog ihn noch einmal in eine Umarmung und wünschte ihm eine gute Nacht, woraufhin Harry ins Bad ging und sich fürs Bett fertig machte.
Er war gerade ins Bett geschlüpft und hatte die Augen geschlossen, als ein kräftiges Flügelflattern ihn wieder hochschrecken ließ. Am offenen Fenster saßen fünf Eulen, die ihm, bis auf eine, alle bekannt vorkamen. Er nahm ihnen die Päckchen ab, die an ihren Füßen hingen und gab ihnen allen einen kleinen Eulenkeks und schob ihnen Hedwigs Wasserschüssel hin, was drei der Eulen mit einem leisen Schuhu dankbar annahmen und sich auf dem Fensterrahmen ausruhten.
Als er das erste Päckchen öffnete, fiel eine kleine Geburtstagskarte von den Lovegoods heraus, die ihm Alles Liebe zum Geburtstag und ein lichtvolles Lebensjahr wünschten. Unter der Karte lag ein flaches, fein gefaltetes Tütchen mit der Aufschrift Sonnentropfen heraus und beim Schütteln des Tütchens hörte er es rascheln. Harry musste unweigerlich lächeln und schüttelte leicht den Kopf. Als er Hermines Päckchen aufmachte, grinste er über beide Ohren – seine eigene Ausgabe von Eulalie Hicks‘ Buch, eine Karte und ein paar Zuckerfedern mit Apfelgeschmack. Von Anthony bekam er eine kleine Auswahl an moldawischen Süßigkeiten und eine Karte. Das größere Paket konnte er durch den müde wirkenden Bartkauz auf die Weasleys zurückführen, worin eine Schachtel selbstgemachter Pralinen und ein paar kleine Pasteten lagen, sowie ein Brief von den Zwillingen und Ron, die Harry schrieben, dass ihr Vater über seine Position im Zaubereiministerium Karten für die kommende Quidditch Weltmeisterschaft, Bulgarien gegen Irland, bekommen hatte und dadurch ihn und Remus einladen wollten – als Entschuldigung für Rons Verhalten im vergangenen Schuljahr war Hermine ebenfalls eingeladen und hatte bereits zugesagt – bei den Worten „denn unser lieber – und manchmal hohler – Ronnipups hat sich ja durchaus wie ein kleinhirniger Dummdödel verhalten“ musste er unweigerlich lachen.
Wird ja immer spannender, dachte er sich und widmete sich dem nächsten Päckchen, welches in schlichtem, cremefarbenem Papier eingewickelt und mit einem schwarzen Band zugeschnürt war. Als er das Päckchen öffnete, runzelte er die Stirn – kein Absender. Er zog das dünne Papier aus der Schachtel und zum Vorschein kam ein schlichtes in Bronze eingefasstes Tintenfass aus dunkelblauem Glas, mit einem ebenso eingefassten dunkelblauen Glaskorken, dessen Griff aus zwei kleinen, ineinander gewundenen Federn bestand. Harry hob das Tintenglas in den Kerzenschein und runzelte die Stirn. Er war sich sicher, dass es Bronze war, aber im Kerzenlicht glänzte es mit einem leichten Goldton.
Passend zur Feder vom letzten Jahr, kam ihm der Gedanke, woraufhin er die Feder aus seiner Schublade holte und die Spitze mit dem Metall des Tintenfasses verglich.
„Es passt tatsächlich zusammen…. und dann auch noch in Ravenclaws Farben. Irgendwer… der mich kennt?“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu den Eulen auf dem Fensterbrett und legte beides nachdenklich zur Seite. Er sammelte das ganze Papier und die Verpackungen ein, steckte die Blumensamen in seine Tasche und lief zur Küche runter, wo er alles in den Kamin warf und dann runter ins Labor lief. Er öffnete vorsichtig die Vitrine mit all den konservierten Zutaten seiner Großeltern und zog seine eigene Schachtel mit den Blumensamen heraus, die er über die letzten Jahre gesammelt hatte. Jedes Jahr hatten ihm die Lovegoods Samen von ungewöhnlichen Pflanzen geschickt – Mondtau, welcher dennoch recht bekannt war, zu seinem dreizehnten Geburtstag Samen des Sternkrauts und jetzt die Sonnentropfen. „Wenn das so weitergeht, kann ich irgendwann den Himmel im Garten anpflanzen.“, murmelte Harry amüsiert vor sich hin, legte das Tütchen in die Schachtel und stellte alles zurück in die Vitrine, die er wieder verschloss und kontrollierte, ob der Zauber nach wie vor anhielt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alles passte, lief er gähnend zurück in sein Zimmer und warf sich ins Bett.
Als der nächste Morgen heranbrach und Harry von den hereinfallenden Sonnenstrahlen geweckt wurde, streckte er sich genüsslich und drehte sich noch einmal entspannt um, um noch ein paar Minuten Schlaf zu bekommen. Daran wurde er allerdings gehindert, denn das Schnabelklopfen an die Scheibe des geöffneten Fensters zwang ihn aufzustehen und dem kleinen Kauz seinen Brief abzunehmen und ihn mit einem Eulenkeks und einem kleinen Streicheln über den Kopf zu belohnen – Harry war sich sicher, wenn er den Kauz ignoriert hätte, wäre er wahrscheinlich an sein Bett geflogen, denn der entschlossene Bick des Kauzes sprach Bände.
Sehr geehrter Mr. Potter,
Ihren Brief mit dem Wunsch, das Fach Wahrsagen abzuwählen, habe ich zur Kenntnis genommen und alles Weitere in die Wege geleitet. Ich hoffe, Sie genießen Ihre Ferien und verbringen nicht allzu viel Zeit hinter den Büchern und nutzen die Sonne gut aus.
Mit freundlichen Grüßen,
Filius Flitwick
PS: Professor Trelawney richtet schöne Grüße und großes Bedauern über Ihre Entscheidung aus.
PPS: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
„Wie nett.“, schmunzelte Harry und legte den Brief zur Seite. Summend zog er sich eine kurze Stoffhose an und als er sich umdrehte, fiel sein Blick erneut auf das Tintenglas. In der Morgensonne sah er, wie sich das Licht in dem blauen Glas brach und sich das dunkelblau von dem Metall abhob. Neugierig schaute er nach, ob Remus schon wach war und als er es in der Küche kläppern hörte runzelte er nachdenklich die Stirn.
„Remus?“, rief er laut.
„Ja?“
„Gibt es Bronze, die golden glänzt?“
„Ja.“
„Wie heißt das dann?“
„Goldbronze.“, rief Remus mit einem Unterton, der Harry definitiv deutlich machte, dass die Frage nicht sehr intelligent war.
„Okay.“, rief Harry zurück und ging ins Bad, um sich zu waschen.
Auf dem Weg in die Küche stellte er die Diptampflanzen auf den Küchentisch und sah, wie Remus gerade einen Kuchen aus dem Ofen holte, zum Abkühlen auf ein Gitter stellte und sich wieder auf die Terrasse setzte. Als Harry zum Kuchen lief und den Kirschkuchen sah, der, so sehr er es sich leider eingestehen musste, die Treacle Tarte von Platz Eins gestoßen hatte, wanderten seine Mundwinkel ein ganzes Stück nach oben.
„Erst heute Mittag.“, meinte Remus und blätterte nachdenklich im Tagespropheten. „Ich frage mich, warum wir dieses Schundblatt überhaupt abonniert haben.“
„Weil es das einzige seriöse Tagesblatt ist? Der Klitterer hat zwar durchaus interessante Beiträge, aber einiges kann man auch nicht so ganz ernst nehmen.“
„Die Frage war rhetorisch, Harry. Was ist los mit dir?“, fragte Remus und legte die Zeitung zur Seite.
„Ich habe wieder ein Geschenk ohne Absender bekommen.“, entgegnete Harry und begann sich nachdenklich Himbeeren aus der Schüssel vor ihm in den Mund zu schieben.
„Sirius? Vielleicht hat er sich wieder einen Spaß erlaubt.“, schlug Remus vor, doch Harry schüttelte den Kopf.
„Nein, das erste Geschenk war die Adlerfeder zu meinem dreizehnten Geburtstag. Diese goldbraune mit der bronzefarbenen Metallspitze, die ich dir mal gezeigt habe. Die war ohne Absender. Und heute Nacht kam das Gegenstück dazu an – ein Tintenfass aus Blauglas, mit der gleichen goldschimmernden Bronze eingefasst, wieder ohne Absender.“
„Das sind auch keine Geschenke, die Sirius dir gemacht hätte. Wenn es ein Spaßgeschenk gewesen wäre, wäre es wahrscheinlich schon irgendwie in deinem Gesicht explodiert.“, meinte der Werwolf nachdenklich und zuckte mit den Schultern. „Irgendwann wirst du es herausfinden.“
„Vielleicht.“
„Eventuell hast du ja eine heimliche Verehrerin.“, schmunzelte er, woraufhin Harry rote Ohren bekam und Remus anfunkelte.
„Hör auf!“, murrte er und schob sich eine ganze Hand voller Beeren in den Mund. „Nicht lufdig.“
„Findest du? Die Luft ist herrlich heute Morgen.“
Harry sah Remus mit einem genervten Blick an und schüttelte langsam den Kopf, während er runterschluckte.
„Witzbold.“
„Glaub mir, ich war der Vernünftige von uns Vieren damals.“
Harry zog eine Augenbraue hoch und nahm eine der Zimtschnecken, die in dem Korb vor ihm lagen und legte sie Remus auf den Teller, bevor er sich selbst eine nahm und herzhaft hineinbiss.
„Sind die von dir?“, fragte Harry begeistert. Remus schüttelte jedoch nur den Kopf und meinte, dass er am Morgen kurz im Dorf beim Bäcker war und ein paar davon gekauft hatte, sowie einen kurzen Zwischenstopp auf dem Markt und beim Metzger eingelegt hatte.
„Machen wir heute wieder ein Feuer?“
„Ja, ich dachte heute Abend können wir wieder am Lagerfeuer ein wenig grillen. Brot habe ich auch besorgt.“ Harry hob begeistert die Daumen in die Luft und goss sich ein wenig Tee in die Tasse, während er seinen Blick über den Garten in seiner ganzen Blütenpracht schweifen ließ.
Die Kräuterbeete hatte er weitestgehend wieder in Ordnung gebracht, lediglich ein kleines Beet mit den Rosmarinbüschen musste er noch jäten und die Gemüsebeete waren auch weitestgehend auf Vordermann gebracht, sodass Remus bis in den späten Herbst hinein diverse Kleinigkeiten, die mit ein wenig Hilfe von Drachendünger schnell genug angewachsen waren, nicht mehr kaufen musste. Harry war sich bewusst, dass er in seiner elfjährigen Begeisterung die Menge seines Vermögens in den Gringottsverliesen extremer wahrgenommen hatte, als er es jetzt tat; und obgleich er wusste, dass sein Vermögen definitiv nicht klein war und für ein normales Leben reichte, war ihm dennoch bewusst, dass er nicht alles einfach so herauswerfen konnte, wie es ihm gefiel. Und da Remus sich nach wie vor nicht an seinem Geld „bedienen“ wollte, wie er es immer nannte, hatte Harry es immerhin geschafft, dass wenn er sich schon nicht mit neuer Kleidung und anderen Kleinigkeiten eindeckte, dass er in Harrys Abwesenheit dennoch ganz normal einkaufen ging, ohne am Hungertuch nagen zu müssen. Harry wusste, wie sehr die neuen Anti-Werwolf Gesetze ihn belasteten und nachdem er einen Blick in die neuen Gesetze geworfen hatte, wurde ihm beim Lesen ganz anders – die neuen Gesetze ermöglichten es, die bereits bestehenden, aber von den Werwölfen nicht angenommenen, Gesetze zur Registrierung der Werwölfe insofern besser greifen zu lassen, als dass bereits beim Verdacht auf Lykanthropie der Arbeitgeber dazu verpflichtet war, eine Meldung beim Zaubereiministerium zu tätigen und seinen Arbeitnehmer in dieser Hinsicht regelrecht anzuschwärzen. Sollte durch welche Gründe auch immer herauskommen, dass ein Arbeitgeber dieser Meldepflicht nicht nachkam, drohten hohe Geldstrafen und die Schließung des Geschäftes. Unmenschlich, hatte Hermine es genannt und Harry kam nicht umhin als ihr wortlos zuzustimmen. Die Werwölfe wurden gebrandmarkt und statt Hilfsmöglichkeiten wurde noch mehr Anlass zur Diskriminierung geschaffen, was, so war sich Harry sicher, auf längere Sicht zu einem größeren Fiasko führen würde.
Sein Blick wanderte von den Kräuter-, und Gemüsebeeten zu den Beeten, in denen ein großer Teil magische Pflanzen ungestört vor sich hinwuchsen und zwischendurch die ein oder andere spitze Ranke oder Tentakel hervorschnellte und ein Insekt packte, zu einer Reihe leerer Beete nahe des Gewächshauses, die er im Jahr zuvor dick mit Stroh abgedeckt hatte, dass er sie nicht wieder so intensiv vom Unkraut befreien musste. Nachdenklich runzelte er die Stirn und kratzte sich am Kinn. Er blickte hoch in den Himmel und nickte nach einigen Minuten zufrieden.
„Ich habe einen Platz für die Diptam. Das große Beet neben dem Gewächshaus ist bis auf die Sibirischen Blutbeeren leer und der Platz ist perfekt für die paar Pflanzen. Wenn das ausgewachsene Stauden sind, ist das Beet perfekt ausgenutzt.“, sagte Harry und schob sich den letzten Happen der Zimtschnecke in den Mund.
„Das hört sich doch gut an.“, meinte Remus und trank seinen Tee leer. „Wenn du dann im Garten beschäftigt bist, kann ich ja ein wenig arbeiten.“
„Arbeit?“, fragte Harry neugierig.
„Heute Morgen kam ein Brief von Xenophilius. Er hat mir angeboten, wöchentlich einen Artikel über Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu schreiben – von Kleinigkeiten wie Hinkypunks und Grindelohs, bis hin zu defensiven und offensiven Zaubern und Ähnliches. Es ist nicht viel, aber… es sind ein paar Galleonen, die ich in der Woche verdienen kann.“
„Das ist sehr nett von ihm. Aber muss er dich dann nicht melden?“, fragte Harry, doch Remus schüttelte den Kopf und lächelte schwach. „Ich bin nicht bei ihm angestellt. Es ist wie eine Art Honorarjob, freiwillig – selbstständig, wenn du es so sehen willst. Da kann das Gesetz nicht greifen, das ist die Lücke, die er entdeckt hat, die greift nur bei Festanstellungen. Es war nämlich noch einer seiner Fotographen betroffen, deswegen hat er sich mit einem seiner Anwälte dran gesetzt, das Gesetz auseinanderzunehmen.“
„Oh. Naja,… immerhin, oder?“, fragte Harry und lächelte schräg.
„Immerhin etwas, ja. Und ich bin frei in der Auswahl der Themen, die ich behandle.“
Harry nickte nachdenklich und begann den Tisch abzuräumen, nachdem er Remus den letzten Schluck Tee eingegossen hatte. Auf dem Rückweg nahm er die Töpfe mit in den Garten, holte sich die nötigen Geräte aus dem Schuppen und sah auf die zweite Tür. Er öffnete sie und blickte in den leerstehenden, aber nach wie vor intakten, Hühnerstall hinein und lief um den Schuppen herum, sah jedoch, dass die Zäune des Geheges bereits morsch und teilweise am Zerfallen waren. Den Gedanken mit dem Hühnerstall hob er sich potentiell für später als gedankliche Notiz im Hinterkopf auf. Harry schnappte sich anschließend Schaufel und Hacke und begann gemütlich das Beet vom Stroh zu befreien, welches er auf das Beet daneben warf, und vorsichtig umzupflügen. Allerdings war er nicht vorsichtig genug, denn mit dem Fuß stieß er – mit dunkler Vorahnung, an eine der Blutbeeren, die daraufhin mit ihren tentakelartigen Blättern nach ihm ausholte und in die Wade schlug. Er schaute missmutig auf seine nun stark gerötete Wade und funkelte die Pflanze an. „Das war nicht mit Absicht!“, schnauzte er den Busch an und lief zur Seite, um den Boden weiter vorzubereiten. Nachdem der Boden mit Hilfe von ein wenig Kompost und Sand, sowie ein wenig Drachendünger dem entsprach, wie er es von Professor Sprout im zweiten Schuljahr gelehrt bekommen hatte, setzte er die fünf Pflanzen mit genügend Abstand an ihren finalen Standort, bedeckte die Wurzeln wieder mit Erde und goss sie ausreichend an. Er bedeckte die restliche Erde wieder mit Stroh und blickte zufrieden auf die kleinen Pflanzen, die nach ein paar Minuten langsam ihre Blätter wieder aufrichteten.
„Sehr schön.“, murmelte Harry und lief vom Beet zurück, als er an den Blutbeeren vorbeilief, die erneut nach ihm ausholte. „Ey! Ich schneid deine Zweige an, wenn das nicht aufhört!“, drohte er ihr und hob symbolisch die Faust im Vorbeigehen und schüttelte den Kopf. „Von den ganzen Blutbeerenbüschen in dem Feld muss natürlich eine extrem temperamentvoll sein.“, murrte er leise vor sich hin und stellte die Gartengeräte wieder zurück, verstaute den Kompostsack und den Dünger und schob gerade den Riegel des Schuppens zu, als zwei große, bunte Vögel, die Harry für eine Art Papagei hielt, mit einem lauten Krächzen in den Garten flogen und neben Harry auf dem Dachvorsprung des Schuppens landeten und ein kleines Paket entgegenhielten.
„Danke!“, freute er sich und nahm ihnen das kleine Paket ab, woraufhin diese zu den naheliegenden Johannisbeersträuchern flogen und sich über die roten und schwarzen Beeren hermachten. „Nicht cool.“, murmelte er und sah den zwei Vögeln skeptisch zu. Nachdem diese zwei der Sträucher vollständig leergeräumt hatten flogen sie wieder zu Harry, drehten ein paar Kreise über ihm und verschwanden wieder am Horizont. Neugierig öffnete er das Papier und es fiel eine kleine Geburtstagskarte herunter, deren Handschrift er Sirius zuordnen konnte. Als er das Päckchen öffnete, merkte er, dass die Schachtel wohl verzaubert worden war, denn im Inneren der Schachtel hatten mehr kleine Kuchen Platz, als sie von außen erahnen ließ. Neugierig biss er in einen der Kuchen hinein und lief direkt ins Haus, wusch sich die Hände und fand Remus in der Bibliothek am Schreibtisch hinter einem Stapel Bücher. Er schob ihm die Schachtel mit den Kuchen enthusiastisch zu.
„Sirius hat die geschickt, mit so komischen Papageien – keine Ahnung, wo er sich gerade rumtreibt. Aber probier mal!“, meinte Harry und aß direkt einen Zweiten. Remus probierte ebenfalls einen der kleinen Kuchen und nickte anerkennend.
„Die sind wirklich gut.“, meinte er und biss erneut hinein. „Sirius hatte immer eine Vorliebe für… exquisite Süßwaren.“
„Das ist doch bestimmt teuer auf Dauer.“, lachte Harry und schob Remus ebenfalls einen Zweiten hin.
„Mit seinem Nachnamen braucht man sich nicht allzu viele Sorgen um Geld machen.“, meinte Remus mit einem schmalen Lächeln und lief nachdenklich die Buchreihen der Bibliothek entlang.
„Was suchst du?“, fragte Harry und ließ sich auf den Sessel fallen.
„Ich schreibe den ersten Artikel über den Unterschied von verzauberten und verfluchten Objekten und wie entsprechend untersuchen kann, ob ein Gegenstand verflucht ist und wie man im weiteren Verlauf damit umgeht. Oder die Flüche gegebenenfalls lösen kann.“
„Das hört sich spannend an. Woher die Inspiration?“
„Nun, das Gespräch über deine anonymen Geburtstagsgeschenke brachten mich zu deinem Besen und das wiederum hat mich an Tom Riddles Tagebuch und Ginny Weasley erinnert.“, erklärte Remus und zog drei Bücher aus den Regalen. „Und ich muss sagen, dass die Potters eine recht große Auswahl an Büchern zu den Dunklen Künsten hatten, damit lässt sich gut arbeiten.“
„Ich dachte, die Potters waren gegen Dunkle Magie? Ich habe mich tatsächlich noch nicht so intensiv mit den Büchern beschäftigt, ich habe mich hauptsächlich durch die Zaubertrank-, und Kräuterkundebücher hier durchgearbeitet. Die einzigen von den Büchern meines Vaters waren die über Runen, die ich mitgenommen habe.“
„Die Dunklen Künste kennen und wissen, wie sie arbeiten und funktionieren und die Ausübung dessen sind zwei Paar Schuhe, Harry. Du musst wissen, was dir begegnen kann.“, meinte er und schlug eines der Bücher auf. „James hatte witzigerweise nichts für Runen übrig. Lily hatte das Fach belegt, aber hat es nach ihren ZAG’s nicht weiter verfolgt. “, sagte Remus beiläufig, während er in einem der Bücher blätterte.
„Was hatte sie gewählt?“, fragte Harry.
„Sie hat ihre UTZ-Prüfungen ganz klassisch in Zauberkunst, Verwandlung, Zaubertränke, Kräuterkunde und Verteidigung abgelegt. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob sie Pflege magischer Geschöpfe weiter verfolgt hat. Aber ich glaube nicht.“, sprach er und begann sich ein paar Notizen zu machen, woraufhin Harry sich wieder leise verabschiedete und im Garten begann, die restlichen Kräuterbeete auf Vordermann zu bringen.
Der Vormittag zog entspannt vorüber und Harry hatte seine Gartenarbeit für heute erledigt und war gerade aus dem Bad in sein Zimmer gelaufen, nachdem er sich gewaschen hatte, als er im Erdgeschoss Stimmen hörte, die ihn stutzig machten. Nachdem er sich ein frisches Shirt angezogen hatte, lief er mit einem neugierigen Blick langsam die Treppe herunter und war überrascht, als er zwei bekannte Gesichter in seiner Küche stehen sah.
„Hi, Harry.“, ertönte es im Chor und Harry musste unweigerlich grinsen.
„Luna! Neville! Was macht ihr hier?”, fragte er und lief in die Küche.
„Alles Gute zum Geburtstag.“, wünschte ihm Luna, wie immer barfuß, und drückte ihm eine große Schüssel in die Hand.
„Der Salat mit den komischen Wurzeln und den Gurken. Danke!“, freute er sich und stellte ihn in den Kühlschrank. Zumindest war es ein Schrank, den die Zaubererwelt Kühlschrank nannte, weil ein Kühlzauber auf einem normalen Schrank gelegt wurde.
„Alles Gute zum Geburtstag, Harry.“, sagte Neville und schüttelte ihm die Hand. „Danke für dein Geschenk gestern, ich hab mich riesig gefreut. Die Eberesche hat erstmal einen schönen, großen Topf bekommen, weil meine Oma noch keinen Platz in ihrem Garten… genehmigt hat.“, begann er zu reden und drückte danach Harry einen großen Kuchen in die Hand. „Und weil das heute so… spontan war, wusste ich nicht, was ich dir so auf die Schnelle schenken kann, deswegen habe ich mit meiner Oma ihren berühmten Schokokuchen mit Preiselbeerfüllung gemacht. Glaub mir, der ist in ihren Kreisen wirklich begehrt.“
„Danke, Neville!“, freute sich Harry und sah den Kuchen begeistert an. Die Glasur aus dunkler Schokolade glänzte beinahe wie ein Spiegel und der Duft des Kuchens ließ Harry erneut das Wasser im Munde zusammenlaufen. „Der Kuchen sieht toll aus. Wollt ihr etwas trinken? Oder habt ihr Hunger?“, fragte er, woraufhin die beiden den Kopf schüttelten und Remus schmunzelnd aus dem Flur in die Küche kam, Harry den Kuchen abnahm und diesen ebenfalls in den Kühlschrank stellte.
„Du wusstest davon!“, meinte Harry vorwurfsvoll, woraufhin Remus nur mit den Schultern zuckte, einen Korb aus der kleinen Abstellkammer holte, diesen auf den Tisch stellte und wieder in der Bibliothek verschwand. Harry runzelte die Stirn und blickte in den Korb hinein, in dem ein paar Früchte, Wasserflaschen und Decken lagen.
„Was hältst du von einem Ausflug an den See?“, fragte Luna.
„Viel. Aber erst will ich Neville alles zeigen, wir haben es ja in den letzten beiden Sommerferien nicht geschafft, dass wir uns sehen.“, meinte er und begann Neville durch das Haus zu führen. Als er ihm das Labor zeigte, sah dieser ihn staunend an und lief mit großen Augen die Regale mit den Zutatengläsern, Zaubertränken und der leuchtenden Vitrine entlang. Als er einige der Tütchen in einer der Schachteln sah, schaute er mit hochgezogenen Augenbrauen zu Harry. „Die Sonnentropfen sind von Luna, oder?“, fragte er, woraufhin Harry nickte und Luna ein kurzes „Ja.“ erwiderte. „Die sind relativ selten. Die Schachtel daneben,… darf ich mal reinschauen?“ Harry öffnete vorsichtig die Tür und holte die Saat seiner Großeltern heraus, welche Neville sich genau anschaute und ihn begeistert ansah. „Manches davon kriegt man im normalen Handel gar nicht, da sind richtige Raritäten dabei.“
„Sowas hatte ich vermutet, manche der Pflanzen kenne ich gar nicht – ich habe aber auch noch nicht wirklich nachgeschaut, wenn ich ehrlich bin, weil ich sowieso das ganze Jahr in Hogwarts bin. Wird alles wohl noch ein paar Jahre warten müssen, bevor es wachsen wird.“, meinte Harry und räumte alles wieder an seinen Platz.
„Ja, ich träume auch schon davon, mich im Garten austoben zu können,…“, sprach Neville und zuckte mit den Schultern. „Erstmal die Schule schaffen.“
Harry führte sie wieder hoch in die Küche, von wo aus sie in den Garten gingen und Neville voller Begeisterung zwischen den Beeten umherlief, an diversen Blüten roch und in Richtung des Gewächshauses lief. „Auf den ersten Blick wirkt alles chaotisch und beim zweiten Blick erkennt man doch eine Ordnung. Die Beete gehen alle so… fließend ineinander über, ohne strikt getrennt zu sein. Herrlich! Ist das da drüben Diptam, da bei den…au!.“, rief er, woraufhin Harry laut anfing zu lachen und ihm seine gerötete Wade zeigte.
„Der Busch, der ist irgendwie extrem launisch heute. Als ich heute Morgen die Diptampflanzen eingepflanzt habe, hat er mehrmals nach mir geschlagen.“, sagte Harry und Neville rieb sich stirnrunzelnd das Schienbein. „Und die anderen machen das nicht?“, fragte er, woraufhin Harry den Kopf schüttelte.
„Kann es sein, dass etwas nicht mit ihm stimmt?“, fragte Neville und ging in die Hocke. Als er langsam an den Stamm des kleinen Busches griff und daran zog, kam dieser ohne Widerstand aus dem Boden und ließ seine Blätter hängen. Harry kam zu ihm und legte den Kopf schief. „Daran habe ich nicht gedacht.“, murmelte er und Neville zeigte Harry die beinahe vollständig abgefressenen Wurzeln.
„Er hat deine Aufmerksamkeit verlangt.“, kam es von Luna, die die Erde mit ihren Händen zur Seite schob. „Schau mal.“, meinte sie und deutete auf die drei großen roten Raupen, die an kleinen Wurzelstücken nagten. „Die haben die Wurzeln abgefressen.“
„Dann… würde ich mal behaupten, dass wir sie da am besten wegmachen.“, entgegnete Harry, woraufhin er die Raupen aus dem Loch holte und hinter der Steinmauer ins Gras warf. Er war gerade am Zurücklaufen, da war bereits eine Elster vom Baum geflogen, die ihn neugierig musterte und kurz darauf die Raupen mit ihrem Schnabel aufsammelte und in ihr Nest brachte
„Erledigt.“, meinte Harry und sah Neville nachdenklich an. „Was machen wir jetzt?“
„Professor Sprout hat mir mal einen ähnliches Problem gezeigt. Der Busch wurde von Gnomen angefressen. Sie hat den Drachendünger auf die Wurzelreste gestrichen und ihn wieder mit frischem Kompost eingepflanzt. Paar Tage später hat er wieder angefangen Wurzeln zu treiben.“ Harry nickte und lief zum Schuppen, wo er die Flasche und einen Eimer mit Kompost holte. Neville bestrich vorsichtig die Wurzelreste mit dem Trank und Harry mischte den frischen Kompost mit der Erde des ursprünglichen Pflanzlochs, woraufhin Neville die Blutbeere wieder vorsichtig einpflanzte und Harry vom Brunnen etwas Wasser holte, um sie anzugießen.
Nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig und zufrieden waren, holte Harry den Korb aus der Küche gemeinsam kletterten sie über einen Teil der Mauer, um zum See zu laufen. Dort angekommen drückte Luna, zu Harrys vergnügen, Neville eine Spulenwurzel in die Hand, woraufhin dieser sie verwirrt ansah.
„Zum Schutz vor den Schluck-Plimpys.“, sagte Harry ernst.
„Richtig.“, meinte Luna ebenso ernst, doch Harry konnte das Zucken seiner Mundwinkel nicht unterdrücken, weshalb Neville nur mit einem geschmunzelten „Okay“ die Wurzel entgegennahm und in seine Tasche steckte. Harry hatte unterdessen bereits begonnen den Korb auszuräumen und die Decken auszubreiten. Luna hatte unterdessen bereits begonnen ihr leuchtend orangenes Kleid mit gelben Punkten auszuziehen und lief in einem ebenso leuchtend orangenen Badeanzug mit weißem Blumen ins Wasser, als Neville sich kurz räusperte. „Ich habe keine Badesachen dabei.“
„Doch, hast du.“, meinte Luna und lächelte breit. „Ich habe deiner Großmutter gesagt, dass wir wahrscheinlich an den See gehen, deswegen hat sie deine Badehose in deinen Rucksack gepackt. Sie hat auch gesagt, dass du nicht zu tief ins Wasser gehen sollst.“ Harry kicherte leise vor sich hin und nachdem Luna ihr langes Haar zusammengebunden hatte, war sie bereits im Wasser verschwunden.
„Okay. Wow. Ich kann zwar mittlerweile schwimmen, aber… sie will es nicht so richtig einsehen.“, meinte Neville und durchsuchte seinen Rucksack, bis er seine Badehose gefunden hatte. „Hm.“, murmelte er und verschwand im Gebüsch, um sich umzuziehen. Als Neville zurückkam, war Harry gerade dabei, sich umzuziehen und er merkte, wie Neville mit Badehose und Shirt neben ihm stand und ein wenig unsicher dreinblickte.
„Scheiß drauf, Neville.“, meinte Harry. „Ich habe es auch lernen müssen.“, fügte er hinzu, als er sich das T-Shirt über den Kopf zog und auf der blassen Haut vereinzelte Narben zum Vorschein kamen. Neville sah ihn ernst an und nickte, zog sich das T-Shirt über den Kopf und lief mit Harry zum Wasser.
„Es ist manchmal unangenehm, weißt du.“, sagte Neville leise. „In unserem Schlafsaal sind alle so…“
„Makellos?“, fragte Harry, woraufhin Neville nickte.
„Als ich das erste Mal mit Remus schwimmen war, habe ich mich furchtbar geschämt, das T-Shirt auszuziehen, wegen den... Narben und weil ich so dürr und schwächlich war. Er hat mir das erste Mal das Gefühl gegeben, dass alles in Ordnung ist, wie es ist und es auch absolut egal ist.“
Neville sah ihn mit geschürzten Lippen an und blickte in die Sonne hoch. „Du hast recht, Harry. Es ist egal.“
„Absolut.“, entgegnete er und sprang ins Wasser, gefolgt von Neville, der Harry nach einigen Augenblicken einholte und kurz untertauchte.
„Gibt’s hier im See eigentlich wirklich Plimpys?“, fragte Neville nach einer Weile an Harry gewandt, der jedoch den Kopf schüttelte.
„Grindelohs auch nicht.“, sagte Harry. „Hab Remus gefragt, der hat nachgeschaut. Und so wirklich habe ich auch noch nichts entdeckt.“
„Okay, weil der See ist wirklich… riesig, da kann sich ja alles drin herumtreiben.“
„Verschiedene Fische und diverse Wasservögel, die am Ufer entlang überall brüten, und… ich glaube die einzigen magischen Tiere, die ich hier gesehen habe, sind Bowtruckles und Feen. Bestimmt rennt das ein oder andere Wesen hier rum, das ich nicht kenne, aber sonst… ein paar Ringelnattern sind ein paar Mal hier, aber die sind harmlos.“
Neville sah ihn misstrauisch an und zog eine Augenbraue hoch. „Bei dir auf jeden Fall, du kannst ja mit ihnen sprechen.“
„Das auch.“, meinte Harry und tauchte unter. Als er wieder auftauchte sah er, wie Luna auf dem Rücken im Wasser trieb und leise vor sich hinsummte und die beiden Jungs darüber aufklärte, dass bei so schönem Wetter die Glitschigen Schuppenbrummer generell von Menschen fernblieben, was den Tag noch viel schöner machte.
„Was sind Glitschige Schuppenbrummer?“, fragte Neville und hielt an einem dicken Ast einer umgefallenen Weide fest.
„Das sind kleine Tiere, die sich am Ufer verstecken und sich bei schlechtem Wetter an der Haut festsaugen. Die sehen aus wie Blutegel, nur haben sie kleine grüne Schuppen.“
„Hast du schon mal welche gesehen, Luna?“, fragte er neugierig und angeekelt zugleich.
„Nein. Ich bin aber auch nur bei schönem Wetter am See.“
Nachdem die Drei ihre Zeit am See verbracht hatten, waren sie wieder zurückgelaufen und Remus sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen mehr verwirrt als überrascht an.
„Warum habt ihr… Schlamm im Gesicht und…Warum habt seid ihr überall voller Schlamm?“, fragte er und nahm den Korb von Harry entgegen.
„Luna hat gesagt, es ist gut für die Haut.“, antwortete Harry und grinste. Remus sah zu Luna, die keinen Schlamm auf der Haut hatte, und legte den Kopf schief. „Du hast keinen Matsch im Gesicht.“
„Ich habe auch gute Haut.“, entgegnete sie und lächelte breit.
„Luna, du machst mich immer wieder sprachlos.“, meinte Remus und schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich würde sagen, ihr springt alle schnell unters Wasser und dann können wir den Kuchen essen und das Feuer für später vorbereiten.“
„Deal.“, entgegnete Harry und lief mit den beiden anderen nach oben. Während Neville unter der Dusche stand, saß er mit Luna im Flur auf dem Boden und unterhielt sich ein wenig mit ihr über das Geheimnis seiner anonymen Geburtstagsgeschenke und Remus‘ Vermutung einer potentiellen Verehrerin, was Luna höchst amüsant fand, und sah Harry nachdenklich an.
„Vielleicht will die Person dir einfach eine Freude machen, aber nichts dafür zurückbekommen.“
„Aber die Frage ist immer noch wer will mir etwas schenken, beziehungsweise schenkt mir tatsächlich etwas, und lässt es komplett auf sich beruhen?“, fragte er und Luna zuckte nur mit den Schultern.
„Ist es denn wichtig?“
„Ich würde mich gerne bedanken.“
„Vielleicht ist das der Person gar nicht wichtig. Oder du hast dich schon bedankt, nur auf eine andere Art.“
„Hm.“, meinte Harry und als Neville aus dem Bad kam, gab er Luna den Vortritt, bevor er unter die Dusche hüpfen konnte.
Als sie auf die Terrasse kamen, hatte Remus bereits den Tisch gedeckt und den Kuchen und Früchte auf den Tisch gestellt. Er drückte Harry das Messer in die Hand, der den Kuchen vorsichtig anschnitt und allen ein großes Stück auf den Teller legte. Er bedankte sich noch einmal bei Neville für den Kuchen und probierte den ersten Bissen und sah den Gryffindor mit großen Augen an.
„Der ist… SO gut.“, brachte er nur hervor und nahm den zweiten Bissen, bei dem er auch etwas von der Preiselbeerfüllung erwischte und sah Neville beeindruckt an. „Gruß und Dank an die Oma, der Kuchen ist unglaublich lecker.“
„Richte ich aus, das wird sie bestimmt freuen.“, sagte er und lächelte zufrieden. „Manchmal macht sie auch eine Zwetschgenfüllung, aber mit Preiselbeeren finde ich es am besten.“
„Das Rezept wird sie nicht herausgeben, oder?“, fragte Harry neugierig, woraufhin Neville nur den Kopf schüttelte. „Sie hat immer gesagt, wenn die Zeit gekommen ist, wenn sie nicht mehr so richtig kann, wird sie mir ein paar Mal zeigen, wie er gemacht wird. So hat sie ihn von ihrer Mutter übergeben bekommen und sie wünscht sich, dass es ein Familienrezept bleibt.“
„Das ist schön.“, meinte Luna. „Wir haben auch ein zwei Familienrezepte. Der Salat, den Harry so gerne mag, ist einer davon.“
„Habt ihr auch so etwas?“, fragte Neville an Harry und Remus gewandt, die sich fragend anschauten und Harry nickte. „Remus‘ Kirschkuchen.“
„Den ich vergessen habe, auf den Tisch zu stellen.“, murmelte er. „Will jemand Kirschkuchen?“
„Ja.“, kam es von den Dreien gleichzeitig, woraufhin Remus seinen Zauberstab schwang und der Kuchen kurze Zeit später auf dem Tisch stand und angeschnitten wurde.
„Der ist wirklich fein.“, meinte Neville anerkennend, woraufhin Remus zufrieden lächelte.
„Ursprünglich war Treacle Tarte meine Nummer Eins, aber der Kirschkuchen hat sie von dem Platz gedrängt.“
„Euer Kirschbaum ist auch wirklich gigantisch.“, stellte Neville bei einem Blick zur Seite fest. „Unsere Bäume sind zwar stattlich, aber so einen großen Kirschbaum habe ich noch nicht oft gesehen.“
„Und man kann sich so schön in die Äste legen.“, warf Luna ein. „Es ist immer schön im Kirschbaum. “
„Entspannen und Kirschen essen – was will man mehr?“, fragte Harry, woraufhin Neville nur amüsiert schnaubte und sich genüsslich über den Rest des Kuchens hermachte.
Es war am frühen Abend und Sonne war langsam am Untergehen, als Harry mit Neville das Holz für das Feuer aus dem Schuppen mit einer kleinen Axt spaltete und dieses anschließend mit beladenen Armen an die Feuerstelle, die Remus angelegt hatte, ein wenig Abseits im Garten trugen und mit ein wenig Papier, dünnen Holzstücken, Kiefernzapfen und Streichhölzern bewaffnet begannen das Feuer zu entfachen. Schweigend saßen sie am Feuer und warfen nach und nach kleine Stöcke ins Feuer, bis es ordentlich brannte, während Luna im Gras saß und ein paar Girlanden aus kleinen Wiesenblumen flocht, während sie leise vor sich hinsummte.
Remus hatte mit einem Schwung seines Zauberstabes bereits den Tisch von der Terrasse zum Feuer schweben lassen und war gerade dabei diesen für das Essen zu decken, als von Neville und Harry ein lautes „Oh!“ ihn innehalten ließ. Er drehte sich zu den beiden Jungen um und runzelte die Stirn. „Was ist los?“
„Da kommen Salamander aus dem Feuer.“, stellte Harry fest. „Aber… das ergibt keinen Sinn.“
„Warum nicht?“, fragte Remus.
„Das Feuer wurde ohne Magie gemacht.“, meinte er und sah Neville fragend an, der nur mit den Schultern zuckte.
„Vielleicht habt ihr ohne es zu merken ein wenig Magie mitfließen lassen, das ist gar nicht so abwegig.“, erwiderte Remus und ließ mit einem Schwung des Zauberstabs das Essen aus der Küche auf den Tisch fliegen.
„Es ist das Holz.“, meinte Luna und setzte sich neben Neville auf einen der großen Steine an der Feuerstelle und setzte die Blumengirlande, die sie zu einem Kranz gebunden hatte, auf ihren Kopf.
„Hübsch.“, meinte Neville und lächelte etwas verlegen.
„Danke, Neville. Gänseblümchen und Butterblumen sind gut, um die Plappernden Summsäusler fernzuhalten, vor allem wenn Wiesenkerbel mit eingeflochten wird. Die mögen den Duft vom Kerbel überhaupt nicht.“, antwortete sie und legte ihm und Harry ebenfalls einen kleinen Kranz auf den Kopf.
„Was sind… Plappernde Summ-…was?“, fragte Neville verwirrt.
„Plappernde Summsäusler. Die sehen aus wie klitzekleine grüne Marienkäfer, kleiner als ein Stecknadelkopf. Flüstern dir wilde Sachen ins Ohr und am Ende denkst du, es sind deine eigenen Gedanken.“
„Ah. Sind die gefährlich?“, fragte Neville und Harry merkte, wie der Duft des Wiesenkerbels an seine Nase drang.
„Das ist Ansichtssache. Für uns sind sie nicht gefährlich, aber sie können anstrengend werden, wenn es zu viele Gedanken werden. Es sind listige kleine Wesen, weißt du. Und Gedanken… sind oft genug anstrengend, da braucht man nicht noch mehr davon.“, meinte sie und warf ein bisschen Holz ins Feuer, während die Salamander zwischen den kleinen Holzscheiten umherkrochen.
„Wegen dem Holz… Das war das alte Holz aus dem Schuppen.“, sagte Harry und rieb sich nachdenklich die Nase. „Das lag in so einer großen Kiste, bestimmt schon seit Ewigkeiten. Remus, das hast du auch nie für die Kamine benutzt, oder?“, fragte er, woraufhin dieser den Kopf schüttelte.
„Ich habe vom Holz nur die großen Holzstücke genommen, nichts von dem Kleinen. Mir sind noch nie Salamander durchs Haus gerannt.“
„Wenn es das Holz von einem Baum war, in dem Bowtruckles gelebt haben, dann war es kein gewöhnliches Holz.“, erklärte Luna. Harry beobachtete die drei Salamander, die sich in der Glut unter den Flammen durchwühlten und zwischen dem brennenden Holz herumkletterten. Neville warf unterdessen wieder ein paar weitere Stücke Holz ins Feuer und sah den kleinen Wesen ebenfalls interessiert zu. Nach einer Weile zuckten sie mit den Schultern und als das Holz weitestgehend abgebrannt war, begannen sie das Fleisch über dem Feuer zu grillen und verbrachten den Rest des Abends in ausgelassener Stimmung und der ein oder anderen amüsanten Geschichte aus den Gemeinschaftsräumen der Adler und Löwen.
Als das Essen vorbei und das Feuer gelöscht war, standen Luna und Neville im Keller vor dem großen Kamin und sahen Harry mit bester Laune an.
„Danke für den tollen Geburtstag. Hier, bitte.“, sagte Harry und lächelte breit. Er drückte den beiden zwei in braunem Papier eingewickelte Päckchen in die Hand, woraufhin diese ihn fragend ansahen. – „Kirschkuchen.“
„Gerne. Und danke für das gute Essen. Wir sehen uns!“, entgegnete Neville und verabschiedete sich von Luna und Harry. Nachdem Neville in den grünen Flammen verschwunden war, drehte sich Luna zu ihm. „Das war ein schöner Tag, Harry.“
„Das war meine erste richtige Geburtstagsfeier, wo jemand zu Besuch kam.“
„Es ist immer schön, so einen Tag mit Menschen zu verbringen, die man gern hat. Es war auch immer schön, meinen Geburtstag in Hogwarts mit dir zu verbringen, das macht den Tag noch besonderer.“
„Ja. Früher hat mich mein Geburtstag immer traurig gemacht, weil es niemanden interessiert hat.“
„Aber das ist vergangen.“
„Seit meinem elften Geburtstag bei dir und deinem Vater ist der Tag für mich etwas Besonderes. Ihr wart diejenigen, die mich in dieser Welt willkommen geheißen haben und mir das erste Mal das Gefühl gegeben haben, dass alles in Ordnung ist.“
Luna sah ihn mit ihrem starrenden Blick an und begann nach einer Weile zu lächeln. Sie nickte langsam und drückte seine Hand. „Es ist immer alles in Ordnung.“
„Denkst du?“, fragte er.
„Ordnung und Chaos gehen Hand in Hand, Harry. Beides ist abhängig vom Blickwinkel – es ist nur abhängig von der Anordnung der Dinge und der Bewertung des Umstands. Auch wenn es manchmal unangenehm ist.“
„Ich werde drüber nachdenken.“
„Aber denk nicht zu viel… die Summsäusler, du weißt ja.“, sagte sie und drückte seine Hand noch einmal. „Gute Nacht, Harry und danke für den schönen Tag.“
„Danke, Luna. Dir auch.“, meinte er und winkte ihr noch einmal zum Abschied, als sie in den grünen Flammen des Kamins verschwand. Harry stellte die Schüssel mit dem Flohpulver wieder auf den Kaminsims und lief die Treppen ins Wohnzimmer hoch. Leise gähnte er und ließ sich neben Remus auf das Sofa sinken.
„Es war ein schöner Tag.“, sagte er an den Werwolf gewandt, der ihm zustimmte und ihn musterte.
„Was denkst du?“, fragte Remus.
„Es geht alles so schnell.“, meinte Harry und legte den Kopf auf die Armlehne des Sofas. „Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich den Brief meiner Mutter bekommen habe, dass ich mitten in der Nacht bei den Lovegoods vor der Tür stand und… einfach… reingelassen wurde, erwartet wurde und dieses neue Leben beginnen konnte. Dass wir uns kennengelernt haben und du dich für mich entschieden und diese Aufgabe angenommen hast und wir hier leben und… irgendwie… normal leben können. Trotz der Sache mit Sirius über das ganze letzte Jahr und deine Lykanthropie und dem ein oder anderen… Zwischenfall. Voldemort im Kopf von einem meiner Professoren, Trolle in Mädchenklos, verfluchte Tagebücher oder Basilisken…“
„Du hörst dich traurig an.“
„Ich glaube, es ist eine Mischung aus Traurigkeit und Freude. Oder Dankbarkeit und Angst.“
„Warum?“
„Weil ich so oft das Gefühl hatte, so etwas wie… so wie es jetzt ist, dass ich so etwas nicht verdient habe. Und ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass ich so viel erleben und so viel lernen kann und, dass es mir gut geht – auch wenn es manchmal… chaotisch ist.“
Lange sah Remus den Jungen nachdenklich an und sagte nichts, bis er leise seufzte und sich mit der Hand durch den Bart fuhr.
„Und was hast du jetzt für ein Gefühl?“
„Dass alles in Ordnung ist, so wie es ist. Ich muss nur Geduld haben und auf das Gute vertrauen. Das hat mir das letzte Jahr gezeigt – sei es die Sache mit Sirius oder Seidenschnabel… Und Luna hat es von Anfang an gewusst.“
„Ich denke nicht, dass sie es gewusst hat, sondern, dass sie von ihrem Gefühl und Vertrauen so überzeugt war, dass für sie nichts Anderes in Frage kam.“, sagte Remus und lächelte leicht. „Unter uns,… ich bin ehrlich, für eine Zwölfjährige ist das außerordentlich weise.“
„Absolut. Ich geh glaube ich nochmal duschen – ich rieche wie geräucherter Speck.“, meinte Harry gähnend und stand auf. „Gute Nacht, Remus. Danke für heute.“
„Schlaf gut, Harry.“
Es war an ein sonniger Nachmittag und Harry hatte seine Arbeiten für den Tag, die er sich vorgenommen hatte, erledigt. Zufrieden blickte er durch den Garten und lief noch einmal mit einem inspizierenden Blick durch die Reihen der Beete – die Sibirische Blutbeere hatte ihre Tentakelblätter wieder der Sonne entgegengestreckt und schien ihre Kraft ins Wurzelwachstum zu stecken, denn bereits ein paar Tage nach der Rettungsaktion durch Nevilles Hinweise hatte sie alle Beeren abgeworfen und langsam ihre Blätter wieder aufgerichtet. Die Diptampflanzen von Remus waren ebenfalls angewachsen und hatten teilweise schon begonnen, ein neues Blattpaar hervorzuschieben. Es entsprach alles seiner Zufriedenheit und für die verhältnismäßig wenige Zeit, die er für den Garten während der Sommerferien hatte, war er auch ein wenig stolz auf sich.
Als er alles verräumt und vereinzelte Pflanzen noch einmal gegossen hatte, verabschiedete er sich von Remus und ging spazieren. Summend lief er über die Wiesen zur äußeren Steinmauer, kletterte darüber und lief durch die Obstbaumwiesen, pflückte sich ein paar Zwetschgen und stapfte weiter durch das hohe Gras in Richtung des Waldes. Als er die moosigen Wege des Waldes entlangspazierte, entschied er sich an der Gabelung nicht, wie sonst immer, rechts abzubiegen, sondern nahm zur Abwechslung den anderen Pfad, der tiefer ins Herz des Waldes führen würde. Der weiche Waldboden unter seinen Füßen fühlte sich kühl und feucht an, was ihm beim Laufen eine leichte Gänsehaut entlockte. Die Sonnenstrahlen durchbrachen das Blätterdach der Bäume und ließ Lichtflecken wild auf dem Waldboden tanzen. Von Weitem hörte er das Rufen eines Kuckucks, begleitet vom leisen Gezwitscher der Meisen, die in den Wipfeln saßen.
Lange lief er dem Pfad entlang und anhand einzelner Steine, an denen er vorbeilief, merkte er, dass ihm dieser schmale Weg bekannt vorkam. Als er an einem weiteren Stein vorbeilief, wo eine große eingemeißelte Othala-Rune unter ein paar Moosflecken hervorblitzte, wanderten seine Augenbrauen hoch. Ein paar Minuten lief er weiter, bis er ein leises Plätschern hörte und nach einigen Schritten war er an einer ihm bekannten Lichtung angekommen, neben der ein kleines Bächlein vor sich hinplätscherte.
Er erkannte den Weg von einem seiner ersten Ausflüge mit Luna und lief an dem kleinen Bächlein entlang, bis er an einer weiteren Lichtung mit einer Gabelung ankam. Er versuchte sich daran zu erinnern, welche Gabelung Luna genommen hatte und entschied sich für die rechte Abzweigung. Nach einigen Minuten hörte er das Plätschern des Baches nicht mehr und fand sich auf einer großen Lichtung wieder, deren Anblick ihm einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Der Steinkreis, erinnerte sich Harry, und lief neugierig darauf zu. Weite Teppiche von Salomonsiegel, kleinen weißen Blumen mit sieben Blütenblättern und Farnen sprossen zwischen den Steinen empor und erstreckten sich tief in den Wald hinein, das Efeu wuchs nach wie vor auf den Steinen entlang und nachdenklich lief er an den zwölf Steinen entlang, darum bemüht, ein paar der Runen zu entziffern, doch er konnte sie durch das Moos und die Flechten nicht so recht erkennen. Grübelnd lief er ein weiteres Mal an den Steinen entlang und merkte, wie es in seinen Füßen kribbelte. Er lief in die Mitte des Kreises und blickte hoch in die Wipfel der Bäume und es war, als wäre die Zeit stehen geblieben, als wäre mit einem Mal jegliches Vogelgezwitscher verstummt und lediglich das Rauschen der Blätter deutete ihm an, dass alles um ihn herum stillstand. Harry spürte, wie das sanfte Kribbeln sich von seinen Füßen aus ausbreitete, seine Fingerspitzen erreichte und sich langsam durch seinen Körper ausweitete. Als es den Rücken hochwanderte und seinen Scheitel erreichte, spürte er, wie sich die Gänsehaut auf seiner Haut ausbreitete und trotz dessen, dass er sich wach und energetisiert fühlte, spürte er, wie er von einer plötzlichen Müdigkeit überrannt wurde.
Gähnend setzte er sich auf den Boden und lehnte sich an den größten der zwölf Steine und gähnte leise. Er fragte sich, wo diese Müdigkeit auf einmal herkam und als er mit dem Hinterkopf den Stein berührte, spürte er, wie seine Augen immer schwerer wurden und er das Gefühl hatte, in die Tiefen gezogen zu werden. Bevor er spüren konnte, wie sein Kinn auf seine Brust fiel war er bereits eingeschlafen – wenn es wirklich Schlaf war, denn trotz des Verlusts der Kontrolle über seinen Körper, merkte er, dass er wach war. Doch Harry sah den Wald nicht, er hatte das Gefühl, dass er in einem hellem Licht stand und grüner Nebel, von hell- bis dunkelgrün, um ihn herumwirbelte. Es war als würde das Licht wie ein Fluss unter ihm fließen und seine Füße in Bewegung setzen. Der Nebel begleitete ihn und er versuchte ihn mit seinen Händen zu berühren, doch ehe er den Nebel berühren konnte, wirbelte er um seinen Arm herum und kroch diesen empor, ehe er sich über seiner Schulter wieder auflöste und wie feinster Niesel zu Boden fiel. Als er seine Hände betrachten wollte, sah er… nichts. Nur den grünen Nebel. Der helle Fluss aus Licht unter ihm zwang ihn weiterzulaufen und er hatte das Gefühl, als wüsste er, oder etwas in ihm, was er tat, ohne dass es ihn beunruhigte, bis er das Gefühl hatte, gegen eine unsichtbare Wand zu laufen. Das helle Licht unter seinen Füßen begann sich auszubreiten und vor ihm mit dem Nebel zu einem großen, ihn mehrere Köpfe überragenden großen schemenhaften Umriss aus Nebel und Licht zu verschmelzen.
Dunkle Wolken ziehen auf. Harry hörte keine fremde Stimme, kein Wesen, das zu ihm sprach – es waren seine eigenen Gedanken, seine Stimme, die ihm diese Worte vermittelten. Die Schatten werden sichtbar. Die Dunkelheit breitet sich aus. Gib Acht, Kind. Harry nickte langsam und ehe er es sich versah, zerfiel das große Gebilde aus den verschiedenen grünen Nebelschwaden und dem hellen Licht in eine große Welle, die ihn einhüllte und wie im freien Fall in einem seiner Träume hatte Harry plötzlich das Gefühl von dieser Welle nach unten gedrückt und in seinen Körper zurückgezogen zu werden.
Mit einem lauten Schreck atmete Harry ruckartig ein und riss den Kopf hoch und die Augen auf. Er blickte um sich und sah, dass es bereits dunkel geworden war. Harry schluckte. Der Traum hatte sich kürzer angefühlt, als er offensichtlich gewesen war. Er fragte sich, was das für ein seltsamer Traum gewesen war und stand mit zittrigen Beinen auf. Mit der Hand rieb er sich über das Gesicht und kratzte sich am Hinterkopf, während er sich umsah – oder es zumindest versuchte. Die Nacht hüllte den Wald in vollkommene Dunkelheit und lediglich das Zirpen der Insekten und die Rufe vereinzelter Kauze waren zu hören.
„Super. Und wie komme ich jetzt nach Hause?“, fragte er mit Unbehagen und eher rhetorisch in den Wald hinein. Ein leichter Windhauch wehte über die Lichtung hinweg und nach wenigen Augenblicken sah er eine Schar Glühwürmchen vor ihm aufleuchten und um seinen Kopf fliegen. „Könnt ihr mir helfen?“, fragte er ein wenig verzweifelt, woraufhin die Glühwürmchen begannen in einer Reihe vor ihm herzuschweben und sich von der Lichtung wegzubewegen. Harry seufzte und zuckte mit den Schultern. Er hatte keine andere Wahl, ob er von seltsamen Glühwürmchen ins Nichts geführt oder sich selbst verlaufen würde, kam schlussendlich auf das Gleiche raus.
Zügig lief er den Glühwürmchen hinterher, zischte das ein oder andere Mal schmerzhaft auf, als er sich den Fuß an einer Wurzel stoß oder in die ein oder andere Fichten-, und Kiefernnadel hineinstand, aber als Harry den Bach hörte, hatte er kurz den Eindruck, als wüssten die Glühwürmchen wirklich, wo er hin musste. Wild tanzten die kleinen Insekten vor ihm her, wirbelten herum und formierten sich kurz darauf wieder in einer Linie. Zeitgefühl hatte Harry keines mehr, doch er hatte den Eindruck, dass der Wald lichter wurde und der Boden immer moosiger wurde – so wie der Bereich des Waldes, von dem er hergekommen war. Nach einer ganzen Weile ebbte das Geräusch des Baches wieder ab und einige Minuten später sah Harry von Weitem ein leichtes Leuchten in der Ferne – die Fenster seines Hauses!
Schnell lief er den Glühwürmchen hinterher und am Waldrand angekommen, flogen sie noch einmal wild um ihn herum und verschwanden im Dunkeln des Waldes.
„Danke.“, meinte Harry laut und rannte über die Wiesen, sprang über die Steinmauern und lief über die Terrasse ins Haus, wo Remus gerade die Kellertreppe hochkam.
„Wo warst du? Ich habe gerade bei den Lovegoods gefragt, ob du dort bist, aber keiner wusste, wo du warst.“, fragte Remus und sah Harry besorgt an.
„Ich bin im Wald eingeschlafen.“, meinte Harry und kratzte sich am Kopf. „War nicht geplant.“
„Und wie hast du den Weg im Dunkeln durch den Wald gefunden? Ist alles in Ordnung?“
„Ehm… mit Hilfe von Glühwürmchen.“, antwortete Harry und bemerkte selbst den ungläubigen Unterton in seiner Stimme.
„Glühwürmchen.“, wiederholte Remus ebenso ungläubig.
„Glühwürmchen.“, lachte Harry unsicher. „Ich hab‘ nicht gezaubert, ich schwör’s!“
„Ich glaub‘ dir das schon, aber… Glühwürmchen. Das ist seltsam.“
„Es war wirklich seltsam.“
Die andere hatte er spontan am frühen Morgen mit Hedwig zu Neville geschickt, nachdem Remus ihm einen Karton so verzaubert hatte, dass Hedwig das Geschenk alleine tragen konnte – als kleines Geburtstagsgeschenk. Es war zwar das erste Mal, dass er dem Gryffindor etwas zum Geburtstag geschenkt hat, aber er hatte das Gefühl, dass es das Richtige war und er wusste auch, dass Neville sich gut um die Eberesche kümmern würde.
Sein Blick fiel auf die Uhr neben ihm und er begann leise zu zählen. „Fünf… vier… drei… zwei…eins…“
„Alles Gute zum Geburtstag, Harry.“
Harry wirbelte mit dem Kopf zur Tür und sah Remus, der im Türrahmen stand und ihm gut gelaunt entgegenblickte.
„Danke! Ich dachte, du schläfst.“, antwortete er und wurde in eine enge Umarmung gezogen.
„Nein, ich bin vorhin nur kurz beim Lesen eingeschlafen.“
„Jaja.“, sagte Harry. „Hätte ich auch gesagt, alter Mann.“
„Du bist frech geworden in letzter Zeit.“, entgegnete Remus schmunzelnd und drückte ihm ein kleines Paket in die Hand. Harry riss das Paket neugierig auf und sah fünf kleine Töpfe mit Jungpflanzen darin.
„Diptam.“, stellte Harry fest und sah Remus erfreut an. „Die können wir in eines der Beete pflanzen, denn wenn sie noch vor Schulbeginn richtig angewachsen sind, dann werden das mit der Zeit Stauden, um die man sich praktisch nicht mehr kümmern muss. Danke! Das ist ein nützliches Geschenk.“
„Dann hat mich meine Erinnerung nicht getrübt.“, lachte Remus. „Freut mich, wenn es dir gefällt. Ich will dir nicht jedes Jahr Bücher schenken, aber ich bin, wie du weißt, auch nicht sehr kreativ, was Geschenke angeht.“
„Es ist perfekt. Vor allem können wir damit dann mit den frischen Blättern die Salben und Essenzen selbst herstellen, um Wunden zu heilen.“ Remus nickte kurz, zog ihn noch einmal in eine Umarmung und wünschte ihm eine gute Nacht, woraufhin Harry ins Bad ging und sich fürs Bett fertig machte.
Er war gerade ins Bett geschlüpft und hatte die Augen geschlossen, als ein kräftiges Flügelflattern ihn wieder hochschrecken ließ. Am offenen Fenster saßen fünf Eulen, die ihm, bis auf eine, alle bekannt vorkamen. Er nahm ihnen die Päckchen ab, die an ihren Füßen hingen und gab ihnen allen einen kleinen Eulenkeks und schob ihnen Hedwigs Wasserschüssel hin, was drei der Eulen mit einem leisen Schuhu dankbar annahmen und sich auf dem Fensterrahmen ausruhten.
Als er das erste Päckchen öffnete, fiel eine kleine Geburtstagskarte von den Lovegoods heraus, die ihm Alles Liebe zum Geburtstag und ein lichtvolles Lebensjahr wünschten. Unter der Karte lag ein flaches, fein gefaltetes Tütchen mit der Aufschrift Sonnentropfen heraus und beim Schütteln des Tütchens hörte er es rascheln. Harry musste unweigerlich lächeln und schüttelte leicht den Kopf. Als er Hermines Päckchen aufmachte, grinste er über beide Ohren – seine eigene Ausgabe von Eulalie Hicks‘ Buch, eine Karte und ein paar Zuckerfedern mit Apfelgeschmack. Von Anthony bekam er eine kleine Auswahl an moldawischen Süßigkeiten und eine Karte. Das größere Paket konnte er durch den müde wirkenden Bartkauz auf die Weasleys zurückführen, worin eine Schachtel selbstgemachter Pralinen und ein paar kleine Pasteten lagen, sowie ein Brief von den Zwillingen und Ron, die Harry schrieben, dass ihr Vater über seine Position im Zaubereiministerium Karten für die kommende Quidditch Weltmeisterschaft, Bulgarien gegen Irland, bekommen hatte und dadurch ihn und Remus einladen wollten – als Entschuldigung für Rons Verhalten im vergangenen Schuljahr war Hermine ebenfalls eingeladen und hatte bereits zugesagt – bei den Worten „denn unser lieber – und manchmal hohler – Ronnipups hat sich ja durchaus wie ein kleinhirniger Dummdödel verhalten“ musste er unweigerlich lachen.
Wird ja immer spannender, dachte er sich und widmete sich dem nächsten Päckchen, welches in schlichtem, cremefarbenem Papier eingewickelt und mit einem schwarzen Band zugeschnürt war. Als er das Päckchen öffnete, runzelte er die Stirn – kein Absender. Er zog das dünne Papier aus der Schachtel und zum Vorschein kam ein schlichtes in Bronze eingefasstes Tintenfass aus dunkelblauem Glas, mit einem ebenso eingefassten dunkelblauen Glaskorken, dessen Griff aus zwei kleinen, ineinander gewundenen Federn bestand. Harry hob das Tintenglas in den Kerzenschein und runzelte die Stirn. Er war sich sicher, dass es Bronze war, aber im Kerzenlicht glänzte es mit einem leichten Goldton.
Passend zur Feder vom letzten Jahr, kam ihm der Gedanke, woraufhin er die Feder aus seiner Schublade holte und die Spitze mit dem Metall des Tintenfasses verglich.
„Es passt tatsächlich zusammen…. und dann auch noch in Ravenclaws Farben. Irgendwer… der mich kennt?“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu den Eulen auf dem Fensterbrett und legte beides nachdenklich zur Seite. Er sammelte das ganze Papier und die Verpackungen ein, steckte die Blumensamen in seine Tasche und lief zur Küche runter, wo er alles in den Kamin warf und dann runter ins Labor lief. Er öffnete vorsichtig die Vitrine mit all den konservierten Zutaten seiner Großeltern und zog seine eigene Schachtel mit den Blumensamen heraus, die er über die letzten Jahre gesammelt hatte. Jedes Jahr hatten ihm die Lovegoods Samen von ungewöhnlichen Pflanzen geschickt – Mondtau, welcher dennoch recht bekannt war, zu seinem dreizehnten Geburtstag Samen des Sternkrauts und jetzt die Sonnentropfen. „Wenn das so weitergeht, kann ich irgendwann den Himmel im Garten anpflanzen.“, murmelte Harry amüsiert vor sich hin, legte das Tütchen in die Schachtel und stellte alles zurück in die Vitrine, die er wieder verschloss und kontrollierte, ob der Zauber nach wie vor anhielt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alles passte, lief er gähnend zurück in sein Zimmer und warf sich ins Bett.
Als der nächste Morgen heranbrach und Harry von den hereinfallenden Sonnenstrahlen geweckt wurde, streckte er sich genüsslich und drehte sich noch einmal entspannt um, um noch ein paar Minuten Schlaf zu bekommen. Daran wurde er allerdings gehindert, denn das Schnabelklopfen an die Scheibe des geöffneten Fensters zwang ihn aufzustehen und dem kleinen Kauz seinen Brief abzunehmen und ihn mit einem Eulenkeks und einem kleinen Streicheln über den Kopf zu belohnen – Harry war sich sicher, wenn er den Kauz ignoriert hätte, wäre er wahrscheinlich an sein Bett geflogen, denn der entschlossene Bick des Kauzes sprach Bände.
Sehr geehrter Mr. Potter,
Ihren Brief mit dem Wunsch, das Fach Wahrsagen abzuwählen, habe ich zur Kenntnis genommen und alles Weitere in die Wege geleitet. Ich hoffe, Sie genießen Ihre Ferien und verbringen nicht allzu viel Zeit hinter den Büchern und nutzen die Sonne gut aus.
Mit freundlichen Grüßen,
Filius Flitwick
PS: Professor Trelawney richtet schöne Grüße und großes Bedauern über Ihre Entscheidung aus.
PPS: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
„Wie nett.“, schmunzelte Harry und legte den Brief zur Seite. Summend zog er sich eine kurze Stoffhose an und als er sich umdrehte, fiel sein Blick erneut auf das Tintenglas. In der Morgensonne sah er, wie sich das Licht in dem blauen Glas brach und sich das dunkelblau von dem Metall abhob. Neugierig schaute er nach, ob Remus schon wach war und als er es in der Küche kläppern hörte runzelte er nachdenklich die Stirn.
„Remus?“, rief er laut.
„Ja?“
„Gibt es Bronze, die golden glänzt?“
„Ja.“
„Wie heißt das dann?“
„Goldbronze.“, rief Remus mit einem Unterton, der Harry definitiv deutlich machte, dass die Frage nicht sehr intelligent war.
„Okay.“, rief Harry zurück und ging ins Bad, um sich zu waschen.
Auf dem Weg in die Küche stellte er die Diptampflanzen auf den Küchentisch und sah, wie Remus gerade einen Kuchen aus dem Ofen holte, zum Abkühlen auf ein Gitter stellte und sich wieder auf die Terrasse setzte. Als Harry zum Kuchen lief und den Kirschkuchen sah, der, so sehr er es sich leider eingestehen musste, die Treacle Tarte von Platz Eins gestoßen hatte, wanderten seine Mundwinkel ein ganzes Stück nach oben.
„Erst heute Mittag.“, meinte Remus und blätterte nachdenklich im Tagespropheten. „Ich frage mich, warum wir dieses Schundblatt überhaupt abonniert haben.“
„Weil es das einzige seriöse Tagesblatt ist? Der Klitterer hat zwar durchaus interessante Beiträge, aber einiges kann man auch nicht so ganz ernst nehmen.“
„Die Frage war rhetorisch, Harry. Was ist los mit dir?“, fragte Remus und legte die Zeitung zur Seite.
„Ich habe wieder ein Geschenk ohne Absender bekommen.“, entgegnete Harry und begann sich nachdenklich Himbeeren aus der Schüssel vor ihm in den Mund zu schieben.
„Sirius? Vielleicht hat er sich wieder einen Spaß erlaubt.“, schlug Remus vor, doch Harry schüttelte den Kopf.
„Nein, das erste Geschenk war die Adlerfeder zu meinem dreizehnten Geburtstag. Diese goldbraune mit der bronzefarbenen Metallspitze, die ich dir mal gezeigt habe. Die war ohne Absender. Und heute Nacht kam das Gegenstück dazu an – ein Tintenfass aus Blauglas, mit der gleichen goldschimmernden Bronze eingefasst, wieder ohne Absender.“
„Das sind auch keine Geschenke, die Sirius dir gemacht hätte. Wenn es ein Spaßgeschenk gewesen wäre, wäre es wahrscheinlich schon irgendwie in deinem Gesicht explodiert.“, meinte der Werwolf nachdenklich und zuckte mit den Schultern. „Irgendwann wirst du es herausfinden.“
„Vielleicht.“
„Eventuell hast du ja eine heimliche Verehrerin.“, schmunzelte er, woraufhin Harry rote Ohren bekam und Remus anfunkelte.
„Hör auf!“, murrte er und schob sich eine ganze Hand voller Beeren in den Mund. „Nicht lufdig.“
„Findest du? Die Luft ist herrlich heute Morgen.“
Harry sah Remus mit einem genervten Blick an und schüttelte langsam den Kopf, während er runterschluckte.
„Witzbold.“
„Glaub mir, ich war der Vernünftige von uns Vieren damals.“
Harry zog eine Augenbraue hoch und nahm eine der Zimtschnecken, die in dem Korb vor ihm lagen und legte sie Remus auf den Teller, bevor er sich selbst eine nahm und herzhaft hineinbiss.
„Sind die von dir?“, fragte Harry begeistert. Remus schüttelte jedoch nur den Kopf und meinte, dass er am Morgen kurz im Dorf beim Bäcker war und ein paar davon gekauft hatte, sowie einen kurzen Zwischenstopp auf dem Markt und beim Metzger eingelegt hatte.
„Machen wir heute wieder ein Feuer?“
„Ja, ich dachte heute Abend können wir wieder am Lagerfeuer ein wenig grillen. Brot habe ich auch besorgt.“ Harry hob begeistert die Daumen in die Luft und goss sich ein wenig Tee in die Tasse, während er seinen Blick über den Garten in seiner ganzen Blütenpracht schweifen ließ.
Die Kräuterbeete hatte er weitestgehend wieder in Ordnung gebracht, lediglich ein kleines Beet mit den Rosmarinbüschen musste er noch jäten und die Gemüsebeete waren auch weitestgehend auf Vordermann gebracht, sodass Remus bis in den späten Herbst hinein diverse Kleinigkeiten, die mit ein wenig Hilfe von Drachendünger schnell genug angewachsen waren, nicht mehr kaufen musste. Harry war sich bewusst, dass er in seiner elfjährigen Begeisterung die Menge seines Vermögens in den Gringottsverliesen extremer wahrgenommen hatte, als er es jetzt tat; und obgleich er wusste, dass sein Vermögen definitiv nicht klein war und für ein normales Leben reichte, war ihm dennoch bewusst, dass er nicht alles einfach so herauswerfen konnte, wie es ihm gefiel. Und da Remus sich nach wie vor nicht an seinem Geld „bedienen“ wollte, wie er es immer nannte, hatte Harry es immerhin geschafft, dass wenn er sich schon nicht mit neuer Kleidung und anderen Kleinigkeiten eindeckte, dass er in Harrys Abwesenheit dennoch ganz normal einkaufen ging, ohne am Hungertuch nagen zu müssen. Harry wusste, wie sehr die neuen Anti-Werwolf Gesetze ihn belasteten und nachdem er einen Blick in die neuen Gesetze geworfen hatte, wurde ihm beim Lesen ganz anders – die neuen Gesetze ermöglichten es, die bereits bestehenden, aber von den Werwölfen nicht angenommenen, Gesetze zur Registrierung der Werwölfe insofern besser greifen zu lassen, als dass bereits beim Verdacht auf Lykanthropie der Arbeitgeber dazu verpflichtet war, eine Meldung beim Zaubereiministerium zu tätigen und seinen Arbeitnehmer in dieser Hinsicht regelrecht anzuschwärzen. Sollte durch welche Gründe auch immer herauskommen, dass ein Arbeitgeber dieser Meldepflicht nicht nachkam, drohten hohe Geldstrafen und die Schließung des Geschäftes. Unmenschlich, hatte Hermine es genannt und Harry kam nicht umhin als ihr wortlos zuzustimmen. Die Werwölfe wurden gebrandmarkt und statt Hilfsmöglichkeiten wurde noch mehr Anlass zur Diskriminierung geschaffen, was, so war sich Harry sicher, auf längere Sicht zu einem größeren Fiasko führen würde.
Sein Blick wanderte von den Kräuter-, und Gemüsebeeten zu den Beeten, in denen ein großer Teil magische Pflanzen ungestört vor sich hinwuchsen und zwischendurch die ein oder andere spitze Ranke oder Tentakel hervorschnellte und ein Insekt packte, zu einer Reihe leerer Beete nahe des Gewächshauses, die er im Jahr zuvor dick mit Stroh abgedeckt hatte, dass er sie nicht wieder so intensiv vom Unkraut befreien musste. Nachdenklich runzelte er die Stirn und kratzte sich am Kinn. Er blickte hoch in den Himmel und nickte nach einigen Minuten zufrieden.
„Ich habe einen Platz für die Diptam. Das große Beet neben dem Gewächshaus ist bis auf die Sibirischen Blutbeeren leer und der Platz ist perfekt für die paar Pflanzen. Wenn das ausgewachsene Stauden sind, ist das Beet perfekt ausgenutzt.“, sagte Harry und schob sich den letzten Happen der Zimtschnecke in den Mund.
„Das hört sich doch gut an.“, meinte Remus und trank seinen Tee leer. „Wenn du dann im Garten beschäftigt bist, kann ich ja ein wenig arbeiten.“
„Arbeit?“, fragte Harry neugierig.
„Heute Morgen kam ein Brief von Xenophilius. Er hat mir angeboten, wöchentlich einen Artikel über Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu schreiben – von Kleinigkeiten wie Hinkypunks und Grindelohs, bis hin zu defensiven und offensiven Zaubern und Ähnliches. Es ist nicht viel, aber… es sind ein paar Galleonen, die ich in der Woche verdienen kann.“
„Das ist sehr nett von ihm. Aber muss er dich dann nicht melden?“, fragte Harry, doch Remus schüttelte den Kopf und lächelte schwach. „Ich bin nicht bei ihm angestellt. Es ist wie eine Art Honorarjob, freiwillig – selbstständig, wenn du es so sehen willst. Da kann das Gesetz nicht greifen, das ist die Lücke, die er entdeckt hat, die greift nur bei Festanstellungen. Es war nämlich noch einer seiner Fotographen betroffen, deswegen hat er sich mit einem seiner Anwälte dran gesetzt, das Gesetz auseinanderzunehmen.“
„Oh. Naja,… immerhin, oder?“, fragte Harry und lächelte schräg.
„Immerhin etwas, ja. Und ich bin frei in der Auswahl der Themen, die ich behandle.“
Harry nickte nachdenklich und begann den Tisch abzuräumen, nachdem er Remus den letzten Schluck Tee eingegossen hatte. Auf dem Rückweg nahm er die Töpfe mit in den Garten, holte sich die nötigen Geräte aus dem Schuppen und sah auf die zweite Tür. Er öffnete sie und blickte in den leerstehenden, aber nach wie vor intakten, Hühnerstall hinein und lief um den Schuppen herum, sah jedoch, dass die Zäune des Geheges bereits morsch und teilweise am Zerfallen waren. Den Gedanken mit dem Hühnerstall hob er sich potentiell für später als gedankliche Notiz im Hinterkopf auf. Harry schnappte sich anschließend Schaufel und Hacke und begann gemütlich das Beet vom Stroh zu befreien, welches er auf das Beet daneben warf, und vorsichtig umzupflügen. Allerdings war er nicht vorsichtig genug, denn mit dem Fuß stieß er – mit dunkler Vorahnung, an eine der Blutbeeren, die daraufhin mit ihren tentakelartigen Blättern nach ihm ausholte und in die Wade schlug. Er schaute missmutig auf seine nun stark gerötete Wade und funkelte die Pflanze an. „Das war nicht mit Absicht!“, schnauzte er den Busch an und lief zur Seite, um den Boden weiter vorzubereiten. Nachdem der Boden mit Hilfe von ein wenig Kompost und Sand, sowie ein wenig Drachendünger dem entsprach, wie er es von Professor Sprout im zweiten Schuljahr gelehrt bekommen hatte, setzte er die fünf Pflanzen mit genügend Abstand an ihren finalen Standort, bedeckte die Wurzeln wieder mit Erde und goss sie ausreichend an. Er bedeckte die restliche Erde wieder mit Stroh und blickte zufrieden auf die kleinen Pflanzen, die nach ein paar Minuten langsam ihre Blätter wieder aufrichteten.
„Sehr schön.“, murmelte Harry und lief vom Beet zurück, als er an den Blutbeeren vorbeilief, die erneut nach ihm ausholte. „Ey! Ich schneid deine Zweige an, wenn das nicht aufhört!“, drohte er ihr und hob symbolisch die Faust im Vorbeigehen und schüttelte den Kopf. „Von den ganzen Blutbeerenbüschen in dem Feld muss natürlich eine extrem temperamentvoll sein.“, murrte er leise vor sich hin und stellte die Gartengeräte wieder zurück, verstaute den Kompostsack und den Dünger und schob gerade den Riegel des Schuppens zu, als zwei große, bunte Vögel, die Harry für eine Art Papagei hielt, mit einem lauten Krächzen in den Garten flogen und neben Harry auf dem Dachvorsprung des Schuppens landeten und ein kleines Paket entgegenhielten.
„Danke!“, freute er sich und nahm ihnen das kleine Paket ab, woraufhin diese zu den naheliegenden Johannisbeersträuchern flogen und sich über die roten und schwarzen Beeren hermachten. „Nicht cool.“, murmelte er und sah den zwei Vögeln skeptisch zu. Nachdem diese zwei der Sträucher vollständig leergeräumt hatten flogen sie wieder zu Harry, drehten ein paar Kreise über ihm und verschwanden wieder am Horizont. Neugierig öffnete er das Papier und es fiel eine kleine Geburtstagskarte herunter, deren Handschrift er Sirius zuordnen konnte. Als er das Päckchen öffnete, merkte er, dass die Schachtel wohl verzaubert worden war, denn im Inneren der Schachtel hatten mehr kleine Kuchen Platz, als sie von außen erahnen ließ. Neugierig biss er in einen der Kuchen hinein und lief direkt ins Haus, wusch sich die Hände und fand Remus in der Bibliothek am Schreibtisch hinter einem Stapel Bücher. Er schob ihm die Schachtel mit den Kuchen enthusiastisch zu.
„Sirius hat die geschickt, mit so komischen Papageien – keine Ahnung, wo er sich gerade rumtreibt. Aber probier mal!“, meinte Harry und aß direkt einen Zweiten. Remus probierte ebenfalls einen der kleinen Kuchen und nickte anerkennend.
„Die sind wirklich gut.“, meinte er und biss erneut hinein. „Sirius hatte immer eine Vorliebe für… exquisite Süßwaren.“
„Das ist doch bestimmt teuer auf Dauer.“, lachte Harry und schob Remus ebenfalls einen Zweiten hin.
„Mit seinem Nachnamen braucht man sich nicht allzu viele Sorgen um Geld machen.“, meinte Remus mit einem schmalen Lächeln und lief nachdenklich die Buchreihen der Bibliothek entlang.
„Was suchst du?“, fragte Harry und ließ sich auf den Sessel fallen.
„Ich schreibe den ersten Artikel über den Unterschied von verzauberten und verfluchten Objekten und wie entsprechend untersuchen kann, ob ein Gegenstand verflucht ist und wie man im weiteren Verlauf damit umgeht. Oder die Flüche gegebenenfalls lösen kann.“
„Das hört sich spannend an. Woher die Inspiration?“
„Nun, das Gespräch über deine anonymen Geburtstagsgeschenke brachten mich zu deinem Besen und das wiederum hat mich an Tom Riddles Tagebuch und Ginny Weasley erinnert.“, erklärte Remus und zog drei Bücher aus den Regalen. „Und ich muss sagen, dass die Potters eine recht große Auswahl an Büchern zu den Dunklen Künsten hatten, damit lässt sich gut arbeiten.“
„Ich dachte, die Potters waren gegen Dunkle Magie? Ich habe mich tatsächlich noch nicht so intensiv mit den Büchern beschäftigt, ich habe mich hauptsächlich durch die Zaubertrank-, und Kräuterkundebücher hier durchgearbeitet. Die einzigen von den Büchern meines Vaters waren die über Runen, die ich mitgenommen habe.“
„Die Dunklen Künste kennen und wissen, wie sie arbeiten und funktionieren und die Ausübung dessen sind zwei Paar Schuhe, Harry. Du musst wissen, was dir begegnen kann.“, meinte er und schlug eines der Bücher auf. „James hatte witzigerweise nichts für Runen übrig. Lily hatte das Fach belegt, aber hat es nach ihren ZAG’s nicht weiter verfolgt. “, sagte Remus beiläufig, während er in einem der Bücher blätterte.
„Was hatte sie gewählt?“, fragte Harry.
„Sie hat ihre UTZ-Prüfungen ganz klassisch in Zauberkunst, Verwandlung, Zaubertränke, Kräuterkunde und Verteidigung abgelegt. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob sie Pflege magischer Geschöpfe weiter verfolgt hat. Aber ich glaube nicht.“, sprach er und begann sich ein paar Notizen zu machen, woraufhin Harry sich wieder leise verabschiedete und im Garten begann, die restlichen Kräuterbeete auf Vordermann zu bringen.
Der Vormittag zog entspannt vorüber und Harry hatte seine Gartenarbeit für heute erledigt und war gerade aus dem Bad in sein Zimmer gelaufen, nachdem er sich gewaschen hatte, als er im Erdgeschoss Stimmen hörte, die ihn stutzig machten. Nachdem er sich ein frisches Shirt angezogen hatte, lief er mit einem neugierigen Blick langsam die Treppe herunter und war überrascht, als er zwei bekannte Gesichter in seiner Küche stehen sah.
„Hi, Harry.“, ertönte es im Chor und Harry musste unweigerlich grinsen.
„Luna! Neville! Was macht ihr hier?”, fragte er und lief in die Küche.
„Alles Gute zum Geburtstag.“, wünschte ihm Luna, wie immer barfuß, und drückte ihm eine große Schüssel in die Hand.
„Der Salat mit den komischen Wurzeln und den Gurken. Danke!“, freute er sich und stellte ihn in den Kühlschrank. Zumindest war es ein Schrank, den die Zaubererwelt Kühlschrank nannte, weil ein Kühlzauber auf einem normalen Schrank gelegt wurde.
„Alles Gute zum Geburtstag, Harry.“, sagte Neville und schüttelte ihm die Hand. „Danke für dein Geschenk gestern, ich hab mich riesig gefreut. Die Eberesche hat erstmal einen schönen, großen Topf bekommen, weil meine Oma noch keinen Platz in ihrem Garten… genehmigt hat.“, begann er zu reden und drückte danach Harry einen großen Kuchen in die Hand. „Und weil das heute so… spontan war, wusste ich nicht, was ich dir so auf die Schnelle schenken kann, deswegen habe ich mit meiner Oma ihren berühmten Schokokuchen mit Preiselbeerfüllung gemacht. Glaub mir, der ist in ihren Kreisen wirklich begehrt.“
„Danke, Neville!“, freute sich Harry und sah den Kuchen begeistert an. Die Glasur aus dunkler Schokolade glänzte beinahe wie ein Spiegel und der Duft des Kuchens ließ Harry erneut das Wasser im Munde zusammenlaufen. „Der Kuchen sieht toll aus. Wollt ihr etwas trinken? Oder habt ihr Hunger?“, fragte er, woraufhin die beiden den Kopf schüttelten und Remus schmunzelnd aus dem Flur in die Küche kam, Harry den Kuchen abnahm und diesen ebenfalls in den Kühlschrank stellte.
„Du wusstest davon!“, meinte Harry vorwurfsvoll, woraufhin Remus nur mit den Schultern zuckte, einen Korb aus der kleinen Abstellkammer holte, diesen auf den Tisch stellte und wieder in der Bibliothek verschwand. Harry runzelte die Stirn und blickte in den Korb hinein, in dem ein paar Früchte, Wasserflaschen und Decken lagen.
„Was hältst du von einem Ausflug an den See?“, fragte Luna.
„Viel. Aber erst will ich Neville alles zeigen, wir haben es ja in den letzten beiden Sommerferien nicht geschafft, dass wir uns sehen.“, meinte er und begann Neville durch das Haus zu führen. Als er ihm das Labor zeigte, sah dieser ihn staunend an und lief mit großen Augen die Regale mit den Zutatengläsern, Zaubertränken und der leuchtenden Vitrine entlang. Als er einige der Tütchen in einer der Schachteln sah, schaute er mit hochgezogenen Augenbrauen zu Harry. „Die Sonnentropfen sind von Luna, oder?“, fragte er, woraufhin Harry nickte und Luna ein kurzes „Ja.“ erwiderte. „Die sind relativ selten. Die Schachtel daneben,… darf ich mal reinschauen?“ Harry öffnete vorsichtig die Tür und holte die Saat seiner Großeltern heraus, welche Neville sich genau anschaute und ihn begeistert ansah. „Manches davon kriegt man im normalen Handel gar nicht, da sind richtige Raritäten dabei.“
„Sowas hatte ich vermutet, manche der Pflanzen kenne ich gar nicht – ich habe aber auch noch nicht wirklich nachgeschaut, wenn ich ehrlich bin, weil ich sowieso das ganze Jahr in Hogwarts bin. Wird alles wohl noch ein paar Jahre warten müssen, bevor es wachsen wird.“, meinte Harry und räumte alles wieder an seinen Platz.
„Ja, ich träume auch schon davon, mich im Garten austoben zu können,…“, sprach Neville und zuckte mit den Schultern. „Erstmal die Schule schaffen.“
Harry führte sie wieder hoch in die Küche, von wo aus sie in den Garten gingen und Neville voller Begeisterung zwischen den Beeten umherlief, an diversen Blüten roch und in Richtung des Gewächshauses lief. „Auf den ersten Blick wirkt alles chaotisch und beim zweiten Blick erkennt man doch eine Ordnung. Die Beete gehen alle so… fließend ineinander über, ohne strikt getrennt zu sein. Herrlich! Ist das da drüben Diptam, da bei den…au!.“, rief er, woraufhin Harry laut anfing zu lachen und ihm seine gerötete Wade zeigte.
„Der Busch, der ist irgendwie extrem launisch heute. Als ich heute Morgen die Diptampflanzen eingepflanzt habe, hat er mehrmals nach mir geschlagen.“, sagte Harry und Neville rieb sich stirnrunzelnd das Schienbein. „Und die anderen machen das nicht?“, fragte er, woraufhin Harry den Kopf schüttelte.
„Kann es sein, dass etwas nicht mit ihm stimmt?“, fragte Neville und ging in die Hocke. Als er langsam an den Stamm des kleinen Busches griff und daran zog, kam dieser ohne Widerstand aus dem Boden und ließ seine Blätter hängen. Harry kam zu ihm und legte den Kopf schief. „Daran habe ich nicht gedacht.“, murmelte er und Neville zeigte Harry die beinahe vollständig abgefressenen Wurzeln.
„Er hat deine Aufmerksamkeit verlangt.“, kam es von Luna, die die Erde mit ihren Händen zur Seite schob. „Schau mal.“, meinte sie und deutete auf die drei großen roten Raupen, die an kleinen Wurzelstücken nagten. „Die haben die Wurzeln abgefressen.“
„Dann… würde ich mal behaupten, dass wir sie da am besten wegmachen.“, entgegnete Harry, woraufhin er die Raupen aus dem Loch holte und hinter der Steinmauer ins Gras warf. Er war gerade am Zurücklaufen, da war bereits eine Elster vom Baum geflogen, die ihn neugierig musterte und kurz darauf die Raupen mit ihrem Schnabel aufsammelte und in ihr Nest brachte
„Erledigt.“, meinte Harry und sah Neville nachdenklich an. „Was machen wir jetzt?“
„Professor Sprout hat mir mal einen ähnliches Problem gezeigt. Der Busch wurde von Gnomen angefressen. Sie hat den Drachendünger auf die Wurzelreste gestrichen und ihn wieder mit frischem Kompost eingepflanzt. Paar Tage später hat er wieder angefangen Wurzeln zu treiben.“ Harry nickte und lief zum Schuppen, wo er die Flasche und einen Eimer mit Kompost holte. Neville bestrich vorsichtig die Wurzelreste mit dem Trank und Harry mischte den frischen Kompost mit der Erde des ursprünglichen Pflanzlochs, woraufhin Neville die Blutbeere wieder vorsichtig einpflanzte und Harry vom Brunnen etwas Wasser holte, um sie anzugießen.
Nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig und zufrieden waren, holte Harry den Korb aus der Küche gemeinsam kletterten sie über einen Teil der Mauer, um zum See zu laufen. Dort angekommen drückte Luna, zu Harrys vergnügen, Neville eine Spulenwurzel in die Hand, woraufhin dieser sie verwirrt ansah.
„Zum Schutz vor den Schluck-Plimpys.“, sagte Harry ernst.
„Richtig.“, meinte Luna ebenso ernst, doch Harry konnte das Zucken seiner Mundwinkel nicht unterdrücken, weshalb Neville nur mit einem geschmunzelten „Okay“ die Wurzel entgegennahm und in seine Tasche steckte. Harry hatte unterdessen bereits begonnen den Korb auszuräumen und die Decken auszubreiten. Luna hatte unterdessen bereits begonnen ihr leuchtend orangenes Kleid mit gelben Punkten auszuziehen und lief in einem ebenso leuchtend orangenen Badeanzug mit weißem Blumen ins Wasser, als Neville sich kurz räusperte. „Ich habe keine Badesachen dabei.“
„Doch, hast du.“, meinte Luna und lächelte breit. „Ich habe deiner Großmutter gesagt, dass wir wahrscheinlich an den See gehen, deswegen hat sie deine Badehose in deinen Rucksack gepackt. Sie hat auch gesagt, dass du nicht zu tief ins Wasser gehen sollst.“ Harry kicherte leise vor sich hin und nachdem Luna ihr langes Haar zusammengebunden hatte, war sie bereits im Wasser verschwunden.
„Okay. Wow. Ich kann zwar mittlerweile schwimmen, aber… sie will es nicht so richtig einsehen.“, meinte Neville und durchsuchte seinen Rucksack, bis er seine Badehose gefunden hatte. „Hm.“, murmelte er und verschwand im Gebüsch, um sich umzuziehen. Als Neville zurückkam, war Harry gerade dabei, sich umzuziehen und er merkte, wie Neville mit Badehose und Shirt neben ihm stand und ein wenig unsicher dreinblickte.
„Scheiß drauf, Neville.“, meinte Harry. „Ich habe es auch lernen müssen.“, fügte er hinzu, als er sich das T-Shirt über den Kopf zog und auf der blassen Haut vereinzelte Narben zum Vorschein kamen. Neville sah ihn ernst an und nickte, zog sich das T-Shirt über den Kopf und lief mit Harry zum Wasser.
„Es ist manchmal unangenehm, weißt du.“, sagte Neville leise. „In unserem Schlafsaal sind alle so…“
„Makellos?“, fragte Harry, woraufhin Neville nickte.
„Als ich das erste Mal mit Remus schwimmen war, habe ich mich furchtbar geschämt, das T-Shirt auszuziehen, wegen den... Narben und weil ich so dürr und schwächlich war. Er hat mir das erste Mal das Gefühl gegeben, dass alles in Ordnung ist, wie es ist und es auch absolut egal ist.“
Neville sah ihn mit geschürzten Lippen an und blickte in die Sonne hoch. „Du hast recht, Harry. Es ist egal.“
„Absolut.“, entgegnete er und sprang ins Wasser, gefolgt von Neville, der Harry nach einigen Augenblicken einholte und kurz untertauchte.
„Gibt’s hier im See eigentlich wirklich Plimpys?“, fragte Neville nach einer Weile an Harry gewandt, der jedoch den Kopf schüttelte.
„Grindelohs auch nicht.“, sagte Harry. „Hab Remus gefragt, der hat nachgeschaut. Und so wirklich habe ich auch noch nichts entdeckt.“
„Okay, weil der See ist wirklich… riesig, da kann sich ja alles drin herumtreiben.“
„Verschiedene Fische und diverse Wasservögel, die am Ufer entlang überall brüten, und… ich glaube die einzigen magischen Tiere, die ich hier gesehen habe, sind Bowtruckles und Feen. Bestimmt rennt das ein oder andere Wesen hier rum, das ich nicht kenne, aber sonst… ein paar Ringelnattern sind ein paar Mal hier, aber die sind harmlos.“
Neville sah ihn misstrauisch an und zog eine Augenbraue hoch. „Bei dir auf jeden Fall, du kannst ja mit ihnen sprechen.“
„Das auch.“, meinte Harry und tauchte unter. Als er wieder auftauchte sah er, wie Luna auf dem Rücken im Wasser trieb und leise vor sich hinsummte und die beiden Jungs darüber aufklärte, dass bei so schönem Wetter die Glitschigen Schuppenbrummer generell von Menschen fernblieben, was den Tag noch viel schöner machte.
„Was sind Glitschige Schuppenbrummer?“, fragte Neville und hielt an einem dicken Ast einer umgefallenen Weide fest.
„Das sind kleine Tiere, die sich am Ufer verstecken und sich bei schlechtem Wetter an der Haut festsaugen. Die sehen aus wie Blutegel, nur haben sie kleine grüne Schuppen.“
„Hast du schon mal welche gesehen, Luna?“, fragte er neugierig und angeekelt zugleich.
„Nein. Ich bin aber auch nur bei schönem Wetter am See.“
Nachdem die Drei ihre Zeit am See verbracht hatten, waren sie wieder zurückgelaufen und Remus sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen mehr verwirrt als überrascht an.
„Warum habt ihr… Schlamm im Gesicht und…Warum habt seid ihr überall voller Schlamm?“, fragte er und nahm den Korb von Harry entgegen.
„Luna hat gesagt, es ist gut für die Haut.“, antwortete Harry und grinste. Remus sah zu Luna, die keinen Schlamm auf der Haut hatte, und legte den Kopf schief. „Du hast keinen Matsch im Gesicht.“
„Ich habe auch gute Haut.“, entgegnete sie und lächelte breit.
„Luna, du machst mich immer wieder sprachlos.“, meinte Remus und schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich würde sagen, ihr springt alle schnell unters Wasser und dann können wir den Kuchen essen und das Feuer für später vorbereiten.“
„Deal.“, entgegnete Harry und lief mit den beiden anderen nach oben. Während Neville unter der Dusche stand, saß er mit Luna im Flur auf dem Boden und unterhielt sich ein wenig mit ihr über das Geheimnis seiner anonymen Geburtstagsgeschenke und Remus‘ Vermutung einer potentiellen Verehrerin, was Luna höchst amüsant fand, und sah Harry nachdenklich an.
„Vielleicht will die Person dir einfach eine Freude machen, aber nichts dafür zurückbekommen.“
„Aber die Frage ist immer noch wer will mir etwas schenken, beziehungsweise schenkt mir tatsächlich etwas, und lässt es komplett auf sich beruhen?“, fragte er und Luna zuckte nur mit den Schultern.
„Ist es denn wichtig?“
„Ich würde mich gerne bedanken.“
„Vielleicht ist das der Person gar nicht wichtig. Oder du hast dich schon bedankt, nur auf eine andere Art.“
„Hm.“, meinte Harry und als Neville aus dem Bad kam, gab er Luna den Vortritt, bevor er unter die Dusche hüpfen konnte.
Als sie auf die Terrasse kamen, hatte Remus bereits den Tisch gedeckt und den Kuchen und Früchte auf den Tisch gestellt. Er drückte Harry das Messer in die Hand, der den Kuchen vorsichtig anschnitt und allen ein großes Stück auf den Teller legte. Er bedankte sich noch einmal bei Neville für den Kuchen und probierte den ersten Bissen und sah den Gryffindor mit großen Augen an.
„Der ist… SO gut.“, brachte er nur hervor und nahm den zweiten Bissen, bei dem er auch etwas von der Preiselbeerfüllung erwischte und sah Neville beeindruckt an. „Gruß und Dank an die Oma, der Kuchen ist unglaublich lecker.“
„Richte ich aus, das wird sie bestimmt freuen.“, sagte er und lächelte zufrieden. „Manchmal macht sie auch eine Zwetschgenfüllung, aber mit Preiselbeeren finde ich es am besten.“
„Das Rezept wird sie nicht herausgeben, oder?“, fragte Harry neugierig, woraufhin Neville nur den Kopf schüttelte. „Sie hat immer gesagt, wenn die Zeit gekommen ist, wenn sie nicht mehr so richtig kann, wird sie mir ein paar Mal zeigen, wie er gemacht wird. So hat sie ihn von ihrer Mutter übergeben bekommen und sie wünscht sich, dass es ein Familienrezept bleibt.“
„Das ist schön.“, meinte Luna. „Wir haben auch ein zwei Familienrezepte. Der Salat, den Harry so gerne mag, ist einer davon.“
„Habt ihr auch so etwas?“, fragte Neville an Harry und Remus gewandt, die sich fragend anschauten und Harry nickte. „Remus‘ Kirschkuchen.“
„Den ich vergessen habe, auf den Tisch zu stellen.“, murmelte er. „Will jemand Kirschkuchen?“
„Ja.“, kam es von den Dreien gleichzeitig, woraufhin Remus seinen Zauberstab schwang und der Kuchen kurze Zeit später auf dem Tisch stand und angeschnitten wurde.
„Der ist wirklich fein.“, meinte Neville anerkennend, woraufhin Remus zufrieden lächelte.
„Ursprünglich war Treacle Tarte meine Nummer Eins, aber der Kirschkuchen hat sie von dem Platz gedrängt.“
„Euer Kirschbaum ist auch wirklich gigantisch.“, stellte Neville bei einem Blick zur Seite fest. „Unsere Bäume sind zwar stattlich, aber so einen großen Kirschbaum habe ich noch nicht oft gesehen.“
„Und man kann sich so schön in die Äste legen.“, warf Luna ein. „Es ist immer schön im Kirschbaum. “
„Entspannen und Kirschen essen – was will man mehr?“, fragte Harry, woraufhin Neville nur amüsiert schnaubte und sich genüsslich über den Rest des Kuchens hermachte.
Es war am frühen Abend und Sonne war langsam am Untergehen, als Harry mit Neville das Holz für das Feuer aus dem Schuppen mit einer kleinen Axt spaltete und dieses anschließend mit beladenen Armen an die Feuerstelle, die Remus angelegt hatte, ein wenig Abseits im Garten trugen und mit ein wenig Papier, dünnen Holzstücken, Kiefernzapfen und Streichhölzern bewaffnet begannen das Feuer zu entfachen. Schweigend saßen sie am Feuer und warfen nach und nach kleine Stöcke ins Feuer, bis es ordentlich brannte, während Luna im Gras saß und ein paar Girlanden aus kleinen Wiesenblumen flocht, während sie leise vor sich hinsummte.
Remus hatte mit einem Schwung seines Zauberstabes bereits den Tisch von der Terrasse zum Feuer schweben lassen und war gerade dabei diesen für das Essen zu decken, als von Neville und Harry ein lautes „Oh!“ ihn innehalten ließ. Er drehte sich zu den beiden Jungen um und runzelte die Stirn. „Was ist los?“
„Da kommen Salamander aus dem Feuer.“, stellte Harry fest. „Aber… das ergibt keinen Sinn.“
„Warum nicht?“, fragte Remus.
„Das Feuer wurde ohne Magie gemacht.“, meinte er und sah Neville fragend an, der nur mit den Schultern zuckte.
„Vielleicht habt ihr ohne es zu merken ein wenig Magie mitfließen lassen, das ist gar nicht so abwegig.“, erwiderte Remus und ließ mit einem Schwung des Zauberstabs das Essen aus der Küche auf den Tisch fliegen.
„Es ist das Holz.“, meinte Luna und setzte sich neben Neville auf einen der großen Steine an der Feuerstelle und setzte die Blumengirlande, die sie zu einem Kranz gebunden hatte, auf ihren Kopf.
„Hübsch.“, meinte Neville und lächelte etwas verlegen.
„Danke, Neville. Gänseblümchen und Butterblumen sind gut, um die Plappernden Summsäusler fernzuhalten, vor allem wenn Wiesenkerbel mit eingeflochten wird. Die mögen den Duft vom Kerbel überhaupt nicht.“, antwortete sie und legte ihm und Harry ebenfalls einen kleinen Kranz auf den Kopf.
„Was sind… Plappernde Summ-…was?“, fragte Neville verwirrt.
„Plappernde Summsäusler. Die sehen aus wie klitzekleine grüne Marienkäfer, kleiner als ein Stecknadelkopf. Flüstern dir wilde Sachen ins Ohr und am Ende denkst du, es sind deine eigenen Gedanken.“
„Ah. Sind die gefährlich?“, fragte Neville und Harry merkte, wie der Duft des Wiesenkerbels an seine Nase drang.
„Das ist Ansichtssache. Für uns sind sie nicht gefährlich, aber sie können anstrengend werden, wenn es zu viele Gedanken werden. Es sind listige kleine Wesen, weißt du. Und Gedanken… sind oft genug anstrengend, da braucht man nicht noch mehr davon.“, meinte sie und warf ein bisschen Holz ins Feuer, während die Salamander zwischen den kleinen Holzscheiten umherkrochen.
„Wegen dem Holz… Das war das alte Holz aus dem Schuppen.“, sagte Harry und rieb sich nachdenklich die Nase. „Das lag in so einer großen Kiste, bestimmt schon seit Ewigkeiten. Remus, das hast du auch nie für die Kamine benutzt, oder?“, fragte er, woraufhin dieser den Kopf schüttelte.
„Ich habe vom Holz nur die großen Holzstücke genommen, nichts von dem Kleinen. Mir sind noch nie Salamander durchs Haus gerannt.“
„Wenn es das Holz von einem Baum war, in dem Bowtruckles gelebt haben, dann war es kein gewöhnliches Holz.“, erklärte Luna. Harry beobachtete die drei Salamander, die sich in der Glut unter den Flammen durchwühlten und zwischen dem brennenden Holz herumkletterten. Neville warf unterdessen wieder ein paar weitere Stücke Holz ins Feuer und sah den kleinen Wesen ebenfalls interessiert zu. Nach einer Weile zuckten sie mit den Schultern und als das Holz weitestgehend abgebrannt war, begannen sie das Fleisch über dem Feuer zu grillen und verbrachten den Rest des Abends in ausgelassener Stimmung und der ein oder anderen amüsanten Geschichte aus den Gemeinschaftsräumen der Adler und Löwen.
Als das Essen vorbei und das Feuer gelöscht war, standen Luna und Neville im Keller vor dem großen Kamin und sahen Harry mit bester Laune an.
„Danke für den tollen Geburtstag. Hier, bitte.“, sagte Harry und lächelte breit. Er drückte den beiden zwei in braunem Papier eingewickelte Päckchen in die Hand, woraufhin diese ihn fragend ansahen. – „Kirschkuchen.“
„Gerne. Und danke für das gute Essen. Wir sehen uns!“, entgegnete Neville und verabschiedete sich von Luna und Harry. Nachdem Neville in den grünen Flammen verschwunden war, drehte sich Luna zu ihm. „Das war ein schöner Tag, Harry.“
„Das war meine erste richtige Geburtstagsfeier, wo jemand zu Besuch kam.“
„Es ist immer schön, so einen Tag mit Menschen zu verbringen, die man gern hat. Es war auch immer schön, meinen Geburtstag in Hogwarts mit dir zu verbringen, das macht den Tag noch besonderer.“
„Ja. Früher hat mich mein Geburtstag immer traurig gemacht, weil es niemanden interessiert hat.“
„Aber das ist vergangen.“
„Seit meinem elften Geburtstag bei dir und deinem Vater ist der Tag für mich etwas Besonderes. Ihr wart diejenigen, die mich in dieser Welt willkommen geheißen haben und mir das erste Mal das Gefühl gegeben haben, dass alles in Ordnung ist.“
Luna sah ihn mit ihrem starrenden Blick an und begann nach einer Weile zu lächeln. Sie nickte langsam und drückte seine Hand. „Es ist immer alles in Ordnung.“
„Denkst du?“, fragte er.
„Ordnung und Chaos gehen Hand in Hand, Harry. Beides ist abhängig vom Blickwinkel – es ist nur abhängig von der Anordnung der Dinge und der Bewertung des Umstands. Auch wenn es manchmal unangenehm ist.“
„Ich werde drüber nachdenken.“
„Aber denk nicht zu viel… die Summsäusler, du weißt ja.“, sagte sie und drückte seine Hand noch einmal. „Gute Nacht, Harry und danke für den schönen Tag.“
„Danke, Luna. Dir auch.“, meinte er und winkte ihr noch einmal zum Abschied, als sie in den grünen Flammen des Kamins verschwand. Harry stellte die Schüssel mit dem Flohpulver wieder auf den Kaminsims und lief die Treppen ins Wohnzimmer hoch. Leise gähnte er und ließ sich neben Remus auf das Sofa sinken.
„Es war ein schöner Tag.“, sagte er an den Werwolf gewandt, der ihm zustimmte und ihn musterte.
„Was denkst du?“, fragte Remus.
„Es geht alles so schnell.“, meinte Harry und legte den Kopf auf die Armlehne des Sofas. „Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, dass ich den Brief meiner Mutter bekommen habe, dass ich mitten in der Nacht bei den Lovegoods vor der Tür stand und… einfach… reingelassen wurde, erwartet wurde und dieses neue Leben beginnen konnte. Dass wir uns kennengelernt haben und du dich für mich entschieden und diese Aufgabe angenommen hast und wir hier leben und… irgendwie… normal leben können. Trotz der Sache mit Sirius über das ganze letzte Jahr und deine Lykanthropie und dem ein oder anderen… Zwischenfall. Voldemort im Kopf von einem meiner Professoren, Trolle in Mädchenklos, verfluchte Tagebücher oder Basilisken…“
„Du hörst dich traurig an.“
„Ich glaube, es ist eine Mischung aus Traurigkeit und Freude. Oder Dankbarkeit und Angst.“
„Warum?“
„Weil ich so oft das Gefühl hatte, so etwas wie… so wie es jetzt ist, dass ich so etwas nicht verdient habe. Und ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass ich so viel erleben und so viel lernen kann und, dass es mir gut geht – auch wenn es manchmal… chaotisch ist.“
Lange sah Remus den Jungen nachdenklich an und sagte nichts, bis er leise seufzte und sich mit der Hand durch den Bart fuhr.
„Und was hast du jetzt für ein Gefühl?“
„Dass alles in Ordnung ist, so wie es ist. Ich muss nur Geduld haben und auf das Gute vertrauen. Das hat mir das letzte Jahr gezeigt – sei es die Sache mit Sirius oder Seidenschnabel… Und Luna hat es von Anfang an gewusst.“
„Ich denke nicht, dass sie es gewusst hat, sondern, dass sie von ihrem Gefühl und Vertrauen so überzeugt war, dass für sie nichts Anderes in Frage kam.“, sagte Remus und lächelte leicht. „Unter uns,… ich bin ehrlich, für eine Zwölfjährige ist das außerordentlich weise.“
„Absolut. Ich geh glaube ich nochmal duschen – ich rieche wie geräucherter Speck.“, meinte Harry gähnend und stand auf. „Gute Nacht, Remus. Danke für heute.“
„Schlaf gut, Harry.“
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Es war an ein sonniger Nachmittag und Harry hatte seine Arbeiten für den Tag, die er sich vorgenommen hatte, erledigt. Zufrieden blickte er durch den Garten und lief noch einmal mit einem inspizierenden Blick durch die Reihen der Beete – die Sibirische Blutbeere hatte ihre Tentakelblätter wieder der Sonne entgegengestreckt und schien ihre Kraft ins Wurzelwachstum zu stecken, denn bereits ein paar Tage nach der Rettungsaktion durch Nevilles Hinweise hatte sie alle Beeren abgeworfen und langsam ihre Blätter wieder aufgerichtet. Die Diptampflanzen von Remus waren ebenfalls angewachsen und hatten teilweise schon begonnen, ein neues Blattpaar hervorzuschieben. Es entsprach alles seiner Zufriedenheit und für die verhältnismäßig wenige Zeit, die er für den Garten während der Sommerferien hatte, war er auch ein wenig stolz auf sich.
Als er alles verräumt und vereinzelte Pflanzen noch einmal gegossen hatte, verabschiedete er sich von Remus und ging spazieren. Summend lief er über die Wiesen zur äußeren Steinmauer, kletterte darüber und lief durch die Obstbaumwiesen, pflückte sich ein paar Zwetschgen und stapfte weiter durch das hohe Gras in Richtung des Waldes. Als er die moosigen Wege des Waldes entlangspazierte, entschied er sich an der Gabelung nicht, wie sonst immer, rechts abzubiegen, sondern nahm zur Abwechslung den anderen Pfad, der tiefer ins Herz des Waldes führen würde. Der weiche Waldboden unter seinen Füßen fühlte sich kühl und feucht an, was ihm beim Laufen eine leichte Gänsehaut entlockte. Die Sonnenstrahlen durchbrachen das Blätterdach der Bäume und ließ Lichtflecken wild auf dem Waldboden tanzen. Von Weitem hörte er das Rufen eines Kuckucks, begleitet vom leisen Gezwitscher der Meisen, die in den Wipfeln saßen.
Lange lief er dem Pfad entlang und anhand einzelner Steine, an denen er vorbeilief, merkte er, dass ihm dieser schmale Weg bekannt vorkam. Als er an einem weiteren Stein vorbeilief, wo eine große eingemeißelte Othala-Rune unter ein paar Moosflecken hervorblitzte, wanderten seine Augenbrauen hoch. Ein paar Minuten lief er weiter, bis er ein leises Plätschern hörte und nach einigen Schritten war er an einer ihm bekannten Lichtung angekommen, neben der ein kleines Bächlein vor sich hinplätscherte.
Er erkannte den Weg von einem seiner ersten Ausflüge mit Luna und lief an dem kleinen Bächlein entlang, bis er an einer weiteren Lichtung mit einer Gabelung ankam. Er versuchte sich daran zu erinnern, welche Gabelung Luna genommen hatte und entschied sich für die rechte Abzweigung. Nach einigen Minuten hörte er das Plätschern des Baches nicht mehr und fand sich auf einer großen Lichtung wieder, deren Anblick ihm einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Der Steinkreis, erinnerte sich Harry, und lief neugierig darauf zu. Weite Teppiche von Salomonsiegel, kleinen weißen Blumen mit sieben Blütenblättern und Farnen sprossen zwischen den Steinen empor und erstreckten sich tief in den Wald hinein, das Efeu wuchs nach wie vor auf den Steinen entlang und nachdenklich lief er an den zwölf Steinen entlang, darum bemüht, ein paar der Runen zu entziffern, doch er konnte sie durch das Moos und die Flechten nicht so recht erkennen. Grübelnd lief er ein weiteres Mal an den Steinen entlang und merkte, wie es in seinen Füßen kribbelte. Er lief in die Mitte des Kreises und blickte hoch in die Wipfel der Bäume und es war, als wäre die Zeit stehen geblieben, als wäre mit einem Mal jegliches Vogelgezwitscher verstummt und lediglich das Rauschen der Blätter deutete ihm an, dass alles um ihn herum stillstand. Harry spürte, wie das sanfte Kribbeln sich von seinen Füßen aus ausbreitete, seine Fingerspitzen erreichte und sich langsam durch seinen Körper ausweitete. Als es den Rücken hochwanderte und seinen Scheitel erreichte, spürte er, wie sich die Gänsehaut auf seiner Haut ausbreitete und trotz dessen, dass er sich wach und energetisiert fühlte, spürte er, wie er von einer plötzlichen Müdigkeit überrannt wurde.
Gähnend setzte er sich auf den Boden und lehnte sich an den größten der zwölf Steine und gähnte leise. Er fragte sich, wo diese Müdigkeit auf einmal herkam und als er mit dem Hinterkopf den Stein berührte, spürte er, wie seine Augen immer schwerer wurden und er das Gefühl hatte, in die Tiefen gezogen zu werden. Bevor er spüren konnte, wie sein Kinn auf seine Brust fiel war er bereits eingeschlafen – wenn es wirklich Schlaf war, denn trotz des Verlusts der Kontrolle über seinen Körper, merkte er, dass er wach war. Doch Harry sah den Wald nicht, er hatte das Gefühl, dass er in einem hellem Licht stand und grüner Nebel, von hell- bis dunkelgrün, um ihn herumwirbelte. Es war als würde das Licht wie ein Fluss unter ihm fließen und seine Füße in Bewegung setzen. Der Nebel begleitete ihn und er versuchte ihn mit seinen Händen zu berühren, doch ehe er den Nebel berühren konnte, wirbelte er um seinen Arm herum und kroch diesen empor, ehe er sich über seiner Schulter wieder auflöste und wie feinster Niesel zu Boden fiel. Als er seine Hände betrachten wollte, sah er… nichts. Nur den grünen Nebel. Der helle Fluss aus Licht unter ihm zwang ihn weiterzulaufen und er hatte das Gefühl, als wüsste er, oder etwas in ihm, was er tat, ohne dass es ihn beunruhigte, bis er das Gefühl hatte, gegen eine unsichtbare Wand zu laufen. Das helle Licht unter seinen Füßen begann sich auszubreiten und vor ihm mit dem Nebel zu einem großen, ihn mehrere Köpfe überragenden großen schemenhaften Umriss aus Nebel und Licht zu verschmelzen.
Dunkle Wolken ziehen auf. Harry hörte keine fremde Stimme, kein Wesen, das zu ihm sprach – es waren seine eigenen Gedanken, seine Stimme, die ihm diese Worte vermittelten. Die Schatten werden sichtbar. Die Dunkelheit breitet sich aus. Gib Acht, Kind. Harry nickte langsam und ehe er es sich versah, zerfiel das große Gebilde aus den verschiedenen grünen Nebelschwaden und dem hellen Licht in eine große Welle, die ihn einhüllte und wie im freien Fall in einem seiner Träume hatte Harry plötzlich das Gefühl von dieser Welle nach unten gedrückt und in seinen Körper zurückgezogen zu werden.
Mit einem lauten Schreck atmete Harry ruckartig ein und riss den Kopf hoch und die Augen auf. Er blickte um sich und sah, dass es bereits dunkel geworden war. Harry schluckte. Der Traum hatte sich kürzer angefühlt, als er offensichtlich gewesen war. Er fragte sich, was das für ein seltsamer Traum gewesen war und stand mit zittrigen Beinen auf. Mit der Hand rieb er sich über das Gesicht und kratzte sich am Hinterkopf, während er sich umsah – oder es zumindest versuchte. Die Nacht hüllte den Wald in vollkommene Dunkelheit und lediglich das Zirpen der Insekten und die Rufe vereinzelter Kauze waren zu hören.
„Super. Und wie komme ich jetzt nach Hause?“, fragte er mit Unbehagen und eher rhetorisch in den Wald hinein. Ein leichter Windhauch wehte über die Lichtung hinweg und nach wenigen Augenblicken sah er eine Schar Glühwürmchen vor ihm aufleuchten und um seinen Kopf fliegen. „Könnt ihr mir helfen?“, fragte er ein wenig verzweifelt, woraufhin die Glühwürmchen begannen in einer Reihe vor ihm herzuschweben und sich von der Lichtung wegzubewegen. Harry seufzte und zuckte mit den Schultern. Er hatte keine andere Wahl, ob er von seltsamen Glühwürmchen ins Nichts geführt oder sich selbst verlaufen würde, kam schlussendlich auf das Gleiche raus.
Zügig lief er den Glühwürmchen hinterher, zischte das ein oder andere Mal schmerzhaft auf, als er sich den Fuß an einer Wurzel stoß oder in die ein oder andere Fichten-, und Kiefernnadel hineinstand, aber als Harry den Bach hörte, hatte er kurz den Eindruck, als wüssten die Glühwürmchen wirklich, wo er hin musste. Wild tanzten die kleinen Insekten vor ihm her, wirbelten herum und formierten sich kurz darauf wieder in einer Linie. Zeitgefühl hatte Harry keines mehr, doch er hatte den Eindruck, dass der Wald lichter wurde und der Boden immer moosiger wurde – so wie der Bereich des Waldes, von dem er hergekommen war. Nach einer ganzen Weile ebbte das Geräusch des Baches wieder ab und einige Minuten später sah Harry von Weitem ein leichtes Leuchten in der Ferne – die Fenster seines Hauses!
Schnell lief er den Glühwürmchen hinterher und am Waldrand angekommen, flogen sie noch einmal wild um ihn herum und verschwanden im Dunkeln des Waldes.
„Danke.“, meinte Harry laut und rannte über die Wiesen, sprang über die Steinmauern und lief über die Terrasse ins Haus, wo Remus gerade die Kellertreppe hochkam.
„Wo warst du? Ich habe gerade bei den Lovegoods gefragt, ob du dort bist, aber keiner wusste, wo du warst.“, fragte Remus und sah Harry besorgt an.
„Ich bin im Wald eingeschlafen.“, meinte Harry und kratzte sich am Kopf. „War nicht geplant.“
„Und wie hast du den Weg im Dunkeln durch den Wald gefunden? Ist alles in Ordnung?“
„Ehm… mit Hilfe von Glühwürmchen.“, antwortete Harry und bemerkte selbst den ungläubigen Unterton in seiner Stimme.
„Glühwürmchen.“, wiederholte Remus ebenso ungläubig.
„Glühwürmchen.“, lachte Harry unsicher. „Ich hab‘ nicht gezaubert, ich schwör’s!“
„Ich glaub‘ dir das schon, aber… Glühwürmchen. Das ist seltsam.“
„Es war wirklich seltsam.“