L'histoire d'un elfe, c'est...
von RedonneMoi
Kurzbeschreibung
Geduld ist die Kunst, etwas auszuhalten, weil man fühlt, dass eine Veränderung ansteht. Vertrauen ist die Kunst, zu wissen, dass alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende findet. Diese Weisheit hat Harry Potter in seinen jungen Jahren trotz aller Widrigkeiten für sich erkennen können, denn egal was passiert - die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und wenn ein Brief seiner Mutter etwas bewiesen hat, dann ist es die Tatsache, dass definitiv alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende finden wird, auch ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Abenteuer, Freundschaft, Romantik - P16, (Pre-)MaleSlash, Het
GeschichteAbenteuer, Freundschaft / P16 / MaleSlash
Anthony Goldstein
Harry Potter
Hermine Granger
Luna Lovegood
OC (Own Character)
Remus "Moony" Lupin
29.07.2022
27.03.2023
30
257.011
26
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Dieses Kapitel
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01.11.2022
9.487
A.d.A.: Das dritte Schuljahr wird weiterhin recht zügig vorbeigehen, im kommenden Schuljahr haben wir dann wieder etwas mehr Zeit... Und falls Fragen zu Unstimmigkeiten o.Ä. aufkommen, dann sei erwähnt, dass die Geschichte erstmal aus Harrys Sichtweise geschrieben ist, d.h., was er nicht weiß, wisst auch ihr nicht :)
Die letzten Tropfen des Regens fielen gerade vom Himmel und die Sonne versuchte sich gegen die verhangenen Reste des bewölkten Morgenhimmels durchzusetzen. Das Quidditchspiel war gerade beendet und Harry, der seinen Besen schulterte und zu den Umkleidekabinen laufen wollte, sah schmunzelnd zu, wie Professor Flitwick, trotz seiner Größe, vier Slytherins in seiner Rage immer kleiner werden ließ, gefolgt von Professor McGonagall, die in der gleichen Manier auf die vier Slytherins einwirkte. Malfoy, Crabbe, Goyle und Marcus Flint standen mit einem mehr als peinlich berührten Gesichtsausdruck vor den zwei Professoren und sahen stumm auf den Boden. Die Blamage, vor Unmengen von Mitschülern so runtergeputzt zu werden, schien zu wirken.
Das Quidditchspiel von Ravenclaw gegen Gryffindor war in vollem Gang gewesen, und Harry genoss das Fliegen auf seinem neuen Feuerblitz, den er gerade noch rechtzeitig von Professor Flitwick wieder zurückbekommen hatte, als Katie Bell, eine der – außerordentlich hübschen - Jägerinnen der Löwen, neben Harry erschrocken aufschrie und auf die Tribünen deutete. Harry war der Richtung ihrer Hand gefolgt und hatte zwei große, schwarz vermummte Gestalten auf den Tribünen zwischen seinen Mitschülern stehen sehen, woraufhin eine größere Panik ausgebrochen war. Harry, der nicht so recht wusste, wie ihm geschah, zog seinen Zauberstab und ließ mit all seiner Kraft und einem beinahe gebrüllten „Expecto Patronum!“ einen Patronus in die Richtung der Gestalten los – und flog beinahe vom Besen, als er sah, wie ein großer Hirsch mit dem prächtigsten Geweih, das Harry sich nur vorstellen konnte, aus der Spitze seines Zauberstabes hervorbrach und in Richtung der Gestalten vorpreschte. Sein Patronus fiel nicht vielen auf, da sie in der Panik vor potentiellen Dementoren viel zu sehr abgelenkt waren, bis die ‚Dementoren‘ beim Anblick des auf sie zukommenden Hirsches das Gleichgewicht verloren und umfielen – und sich herausstellte, dass es Malfoy und Flint waren, die auf Crabbes und Goyles Schultern saßen, eingehüllt in dunkle Kutten. Harry riss sich wieder zusammen und flog mit McLaggen dem Schnatz hinterher, mit einem deutlichen Schnelligkeitsvorteil für Harry, der den kleinen, goldenen Ball mit seinen Händen umschloss und das Spiel für die Adler gewann.
Am Boden angekommen, sah er, wie die zwei Hauslehrer der Adler und Löwen sich durch die Tribünen vorkämpften und den vier Slytherins jegliche Schande vorwarfen, für die sie eine entsprechende Strafe erhalten sollten. Harry sah, wie Snape sich zunächst versuchte einzumischen, doch wurde dieser von Professor Flitwick unterbrochen, woraufhin Snape nur nickte und seine vier Schüler mit einem kalten Blick anfunkelte, was diese noch betroffener zum Boden blicken ließ.
Remus hatte ihm am Abend beim Essen im Vorbeigehen zu seinem ersten vollständig heraufbeschworenen Patronus gratuliert und mit einem kleinen Zwinkern fünf Punkte für Ravenclaw ausgesprochen. Er offenbarte ihm auch, dass die vier Übeltäter fünfzig Punkte Abzug für Slytherin und eine Reihe durchaus unangenehmer Stunden Nachsitzen kassiert hatten, was Harry zufrieden schmunzeln ließ. Remus verabschiedete sich von Harry, der sich wieder seinem Essen widmete und nachdenklich die heiße Lauchsuppe löffelte, als er mit einem kleinen Satz aus seinen Gedanken herausgerissen wurde.
„Er war wirklich schön.“, sprach jemand leise hinter ihm und er sah Theodore hinter ihm vorbeilaufen, woraufhin Harry lächelte und ihm ein kurzes „Dankeschön“ entgegenbrachte. Der Slytherin winkte ihm noch einmal kurz zu und lief zum Slytherintisch, wo er sich abseits seiner Hauskameraden niederließ und zu essen begann.
„Wunderschön.“, sprach Luna mit ihrer glockenhellen Stimme, als sie sich neben Harry setzte und ihre Schüssel mit Suppe füllte. Harry sah sie fragend an. „Der Hirsch.“, sagte sie. „Er war wirklich wunderschön. Wie die Hirsche in unserem Wald.“
„Stimmt.“, meinte Harry und sah sie nachdenklich an. „Das ist… spannend.“ Luna lächelte ihn nur an und Anthony, der Harry gegenüber saß, deutete mit dem Löffel auf Luna. „Sie hat recht. Und Theo auch, der Hirsch war wirklich imposant.“
„Ich frage mich nur, warum gerade ein Hirsch.“, murmelte Harry mehr zu sich selbst und aß weiter. Luna lächelte nur und Anthony sah den Schwarzhaarigen mit einem ebenso nachdenklichen Blick an, bis er nach einer Weile mit der Schulter zuckte und sich seinem Essen widmete.
„So intelligent wie du bist, manchmal siehst du den Wald vor lauter Bäumen nicht.“, lachte Luna und tat sich etwas mehr von der Suppe in ihre Schüssel. Als das Essen vorbei war, sah Harry wie Remus die Halle verließ und lief ihm schnellen Schrittes hinterher.
„Professor.“, rief Harry und rannte auf den Braunhaarigen zu.
„Ja?“, fragte dieser neugierig. Harry sah sich um Korridor um, um zu schauen, ob noch andere Mitschüler in ihrer Nähe waren, und als er die Luft für rein erklärte, flüsterte er: „Warum ist mein Patronus ein Hirsch?“
„Weil du Qualitäten aufweist, die der Hirsch verkörpert.“
„Ich habe mich noch nie wirklich mit Hirschen auseinandergesetzt.“, meinte Harry daraufhin und kratzte sich hinterm Ohr. „Aber irgendwie fühlt es sich auch nicht fremd an.“
„Du hast zwei Familienwappen, die dir Aufschluss geben können.“, sagte Remus nüchtern und Harry machte große Augen. Mit einem kurzen „Oh“ schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Die Potters haben ein Hirschgeweih auf dem Wappen und die Greenwoods zwei Hirsche.“
„Richtig. Die Familie der Potters hat sowohl die Qualitäten des Löwen als auch die des Hirsches gepriesen. Und die Greenwoods haben nur den Hirsch und die Hirschkuh geführt. Die Wappen verraten dir einiges über die Familien – die Farben, die Pflanzen, Gegenstände, Tiere,… Heraldik ist ein wichtiges Element der traditionellen Zauberergesellschaft.“
„Das ist interessant.“, murmelte Harry. „Ich habe noch nie intensiver darüber nachgedacht.“
„Alles zu seiner Zeit. Außerdem war der Patronus deines Vaters auch ein Hirsch und der Patronus deiner Mutter war eine Hirschkuh. Es hätte mich gewundert, wenn dein Patronus eine andere Gestalt angenommen hätte, wobei mich ein Löwe nicht gewundert hätte, wenn ich ehrlich bin.“
„Hast du ein Familienwappen?“, fragte Harry, doch Remus schüttelte den Kopf. „Mein Vater hat es aufgelöst, nach dem Unfall.“, sagte er leise. „Es war ihm… unangenehm.“
„Wie sah es aus?“
„Dunkelblau und Silber, mit Feder und Schriftrolle.“
„Und das Tier?“, fragte Harry vorsichtig Remus verzog nur leicht das Gesicht, woraufhin Harry nur leise meinte: „Oh.“
„Es ist okay, wie es ist. Es war kein wirklich herausragendes Wappen, die Lupins waren keine allzu alte Familie und mein Vater hat so seinen Frieden gefunden.“, sagte Remus und lächelte. „Es ist auch nicht wirklich wichtig gewesen für mich. Und jetzt muss ich noch ein wenig Korrigieren und Unterricht vorbereiten, dann habe ich morgen einen Sonntag mal frei.“, fügte er theatralisch hinzu und klopfte Harry auf die Schulter. „Wir sehen uns im Unterricht, Harry.“
„Bis dann.“, meinte Harry und schlenderte noch eine Weile durch das Schloss. Nachdem er von einem Portrait einer alten Hexe namens Gunhilda ins Gespräch über seinen Besen gezogen wurde und sich nach einer gefühlten Ewigkeit von ihr verabschiedete lief er die Treppen zum Gemeinschaftsraum hoch, wo die Ravenclaws ihren Sieg über Gryffindor feierten. Harry nickte ihnen allen kurz zu und fand Anthony beim Bibliotheksabschnitt des Gemeinschaftsraumes an einem Tisch über einem Schachbrett gebeugt. Ihm gegenüber saß Markus, der mit einem „Läufer d4“ seine Figur zwei Felder zurücklaufen ließ. Anthony sah den Siebtklässler mit einer hochgezogenen Augenbraue an und legte den Kopf schief.
„Turm f1.“, sagte Anthony und Harry sah zu, wie der König sein Schwert fallen ließ. „Schachmatt.“
„Oh.“, murmelte Markus und lachte. „Ich hätte besser aufpassen sollen.“
Anthony ließ das Brett sich in seinen Ursprungszustand zurückverwandeln und nickte Markus schmunzelnd zu.
„Danke fürs Spiel, Goldstein.“, meinte Markus und stand auf. „Morgen will ich die Revanche. Jetzt wartet ein Butterbier auf mich.“, sagte er, klopfte Anthony auf die Schultern und lief zu seinen Freunden im vorderen Teil des Gemeinschaftsraums.
„Kann er haben.“, sprach Anthony mehr zu sich selbst und sah Harry neugierig an. „Was beschäftigt dich?“
„Der Hirsch. Es ist das Wappentier der Greenwoods und eines der zwei Wappentiere der Potters.“
„Ja, die Wappen sind ziemlich eindeutig. Bevor der Löwe zum König der Tiere erkoren wurde war es der Hirsch. Der Hirsch und der Bär waren immer von besonderer Bedeutung.“
„Ich bin immer wieder erstaunt, dass es kaum einen Bereich gibt, zu dem du mir nichts erzählen kannst.“
„Nun, irgendetwas muss man ja können, nicht wahr?“, lachte Anthony und räumte das Schachbrett auf.
„Mach dich nicht kleiner, als du bist.“, entgegnete Harry mit hochgezogener Augenbraue. Anthony sah Harry mit einem theatralisch unschuldigen Blick an und nickte ergeben. „Du hast ja recht.“, sagte er leise.
„Was ist los?“, fragte Harry und legte den Kopf schief. Anthony schob zog einen Brief aus seiner Tasche und schob ihn Harry zu, der ihn öffnete und las. Nachdem er ihn ein zweites Mal gelesen hatte schob er ihn seinem Freund wieder zu und schüttelte nur den Kopf. „Deine Mutter ist wirklich…“
„Zum Kotzen?“
„Speziell hätte ich jetzt eher gesagt, aber wenn du es so ausdrücken willst – auch gut. Wieso will sie einen aktuellen Leistungsstand von dir wissen? Die Prüfungen sind doch sowieso im Juni. Das ist in drei Monaten.“
„Weil sie spinnt. Ich hab jetzt schon keine Lust, in den Sommerferien nach Hause zu fahren. Über Ostern bleibe ich hier – falls sie dir einen Brief schreiben sollte, warum ich unbedingt hierbleiben will, wir machen ein wichtiges Projekt für Hagrid, ja?“
„Verstanden.“, entgegnete Harry und lächelte. „Wir bleiben über Ostern auch hier.“
„Das ist schön. Mein Vater hat mir im Gegenzug einen wirklich aufbauenden Brief geschrieben, das ist so ein krasser Kontrast.“
„Ich weiß, dass wir das Thema schon hatten, aber ich kann wirklich nicht verstehen, was die beiden… verbindet.“, seufzte Harry und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
„Ich.“, antwortete Anthony und deutete zum Schlafsaal hoch. Harry nickte, lief mit Anthony den Schlafsaal hoch und verabschiedete sich von seinen Quidditchkollegen, die ihm noch einmal freudig zuriefen. Zumal eine Uhrzeit angebrochen war, ab der die älteren Jahrgänge ihre Ruhe wollten und die Jüngeren von den Vertrauensschülern in die Schlafsäle geschickt wurden. Harry hatte noch immer die leise Vermutung, dass das ein oder andere hochprozentigere Getränk heimlich aus den Taschen gezogen wurde, sobald die Jüngeren in ihren Schlafsälen waren.
„Du meinft wirklif, daff du ef bift, der deine Eltern zufammenhält?“, fragte Harry während dem Zähneputzen. Anthony nickte und wusch das Gesicht ab und kämmte sich die Haare.
„Ja.“, murmelte er und begann seine Zähne zu putzen. „Ich hab dir ja erzählt, daff meine Tante meinte, ich fei ein Unfall gewesen.“, kam es eher undeutlich von ihm.
„Ja, wir haben in den Sommerferien darüber gesprochen.“
„Nun, sie wollten eben die intakte Familie sein – mein Vater hätte es wahrscheinlich auch alleine hinbekommen. Weißt du, mein Vater ist kein schwacher Mann, im Gegenteil – er ist mutig und stark, intelligent… Aber sie findet ihre Wege, ihn unter ihren Scheffel zu stellen, sie ist furchtbar dominant. Und ich denke, dass er sich dem Ganzen wegen mir gebeugt hat und jetzt noch einen finalen Stoß braucht, um sich zu lösen. Ich bin mir sicher, dass es nicht mehr allzu lange dauert, aber ich gebe ihnen vielleicht noch drei Jahre, dann ist diese Ehe im Eimer.“
„Was macht dich da so sicher, Anthony?“
„Ich… fühle es.“, entgegnete dieser und ließ sich in sein Bett fallen, wo Iduna bereits neben seinem Kopfkissen lag und ihn vorwurfsvoll ansah. „Es ist schon eine ganze Weile beobachtbar, ich war mir bei meinem Eintritt in Hogwarts schon sicher, dass es nicht mehr lange gehen würde und jetzt habe ich das Gefühl, dass sich die Schlinge dieser Ehe immer enger zieht. Und wenn mein Vater eines nicht mag, dann ist es eingeengt zu werden, was sie immer mehr tut. Sie versucht ja schon lange einen Keil zwischen uns zu treiben. Das wird… interessant.“
„Meinen Respekt hast du, dass du das so objektiv betrachten kannst.“, meinte Harry und zog sich die Decke über die Schultern. „Ich weiß nicht, wie es ist, Eltern zu haben, aber ich habe es mir immer so gewünscht wie Hermine oder Luna es haben. Oder die Weasleys – liebevoll, beschützend, egal wie schwierig die Umstände sind. Remus gibt mir dieses Gefühl, auch wenn er es vielleicht nicht immer sieht. Manchmal denke ich, dass er sein Licht unter den Scheffel stellt. Und manchmal sehe ich ihn wirklich als meinen Vater an, aber dann fühle ich mich ehrlich gesagt auch ein bisschen schlecht gegenüber meinem richtigen Vater. Aber deine Position,… Eltern zu haben mit so vielen Konflikten, das muss belastend sein.“
„Ich glaube, dass dein Vater, wenn er wüsste, wie sich die Welt entwickelt hat, ziemlich stolz auf Remus wäre und er auch ziemlich glücklich wäre, dass Remus seine Aufgaben so gewissenhaft übernehmen kann.“, erwiderte Anthony und Harry lächelte leicht, was der andere im Dunkeln jedoch nicht sehen konnte. „Mein Vater war immer wie eine Art Blitzableiter, deshalb weiß ich auch, wie stark er sein kann. Und deswegen warte ich und der richtige Moment wird kommen. Man muss nur geduldig sein.“
„Das stimmt.“, meinte Harry und drehte sich zu Anthony. „Gute Nacht.“
„Schlaf gut.“
Tief in der Nacht, unter einem sternenbehangenen Himmel, lief Harry eine vom Mondlicht erhellte Lichtung in einem dunklen Wald entlang. Das Mondlicht durchbrach das Blätterdach des Waldes und warf tanzende Lichtflecken auf den Boden. Die Rufe der Waldkauze in den Wipfeln der Bäume durchbrachen die Dunkelheit und ein leises Zirpen der Insekten begleitete Harrys Schritte über den moosigen Boden. Er wusste auch nicht so recht, wo er entlang lief, der Wald war ihm fremd, doch es war kein unangenehmes Gefühl, das ihn begleitete. Harry blieb kurz stehen und spitzte die Ohren, um etwaige andere Geräusche auszumachen, doch außer den Rufen der Kauze und dem Zirpen der Insekten hörte er nichts – er lief weiter und überquerte einen kleinen Bach, der seinen Weg durch den Wald gebahnt hatte. Er lief gerade um eine große Eibe herum, als er das Geräusch eines zerbrechenden Astes hörte, welches ihn herumwirbeln ließ. Er wollte zu seinem Zauberstab greifen, doch fand er ihn nicht bei sich. Er drehte sich wieder um, als er erkannte, dass hinter ihm niemand gewesen war und lief weiter. Er lief weiter und kam wieder an einem Nebenarm des Baches an, der jedoch breiter war als der Teil, den er zuvor überquert hatte. Harry setzte sich auf einen großen Stein am Wasser und beobachtete das Treiben des Wassers. Über ihm spiegelte sich der Mond auf der Oberfläche und als er genauer hinsah und sich vorbeugte, sah er, wie sich ein Geweih auf der spiegelnden Wasseroberfläche gegenüber seines Kopfes offenbarte und als er den Kopf langsam anhob und in zwei funkelnde Augen blickte –
Die Tür zum Schlafsaal flog auf und Harry hatte das Gefühl, wie durch an einem Faden wieder ins Hier und Jetzt gezogen zu werden. „Harry!“, wurde er aus dem letzten Rest des Schlafs gerissen, nachdem die Tür mit einer Intensität aufgeflogen war, die Iduna in Richtung der Tür in Angriffsstellung fauchen ließ und Anthony nun senkrecht im Bett saß, den Zauberstab bereits gezogen und auf die Tür gerichtet. Harry blickte ungläubig auf die Situation – beeindruckt von Anthonys Reflexen und verwirrt aufgrund der zwei Personen im Türrahmen.
„Ja?“, fragte er und sah Professor Flitwick und Remus fragend an.
„Du bist wohlauf.“, stellte Remus erleichtert fest und atmete langsam aus.
„Natürlich, ich hab sogar richtig gut geschlafen.“, entgegnete Harry. „Warum sind Sie hier, Professor?“, fragte er an seinen Hauslehrer gewandt. Anthony hatte seinen Zauberstab wieder zurückgelegt und blickte mit gerunzelter Stirn zwischen den beiden Professoren hin und her. Er kratzte sich am Kinn und gab ein leises „Hm“ von sich.
„Sirius Black ist wieder ins Schloss eingedrungen – und hat sich diesmal Zugang zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors verschaffen können.“, antwortete Professor Flitwick und schwang ein paar Mal den Zauberstab, bevor der zufrieden nickte. „Es ist niemand sonst hier.“
„Nun, der Ravenclaw Gemeinschaftsraum ist theoretisch der unsicherste von allen Vieren, von daher…“, begann Harry nachdenklich und zuckte mit den Schultern, als er Remus‘ Blick sah. „Wir haben nichts gemerkt.“
„Das mag sein, aber dennoch gibt es Vorkehrungen, dass nicht jeder einfach so in die Gemeinschaftsräume eintreten kann.“
„Ist überhaupt etwas passiert? Wurde jemand verletzt?“, fragte Harry, woraufhin sein Hauslehrer den Kopf schüttelte.
„Mr. Weasleys Bett wurde malträtiert, allerdings war Black nicht so wirklich an Weasley interessiert. Es war… es ist seltsam.“, meinte der Professor und Remus setzte sich auf den Stuhl an Harrys Schreibtisch.
„Neville hat vor geraumer Zeit seine Liste mit den Passwörtern verloren und Sir Cadogan hat Black, der die Liste gefunden hat, reingelassen. Es geht Ron gut, lediglich der Schock sitzt ihm noch in den Knochen. Wir verstehen absolut nicht, warum er wieder in den Gryffindorturm wollte – jedenfalls… ist er wieder aus dem Schloss verschwunden und die Sicherheitsvorkehrungen werden nochmal verschärft.“, sagte Remus und fuhr sich müde mit der Hand übers Gesicht.
„Können wir uns eigentlich sicher sein, dass Black hinter mir her ist? Das ergibt mittlerweile überhaupt keinen Sinn mehr.“, warf Harry in den Raum und die Professoren sahen ihn nur ratlos an.
„Sie… Sie wissen wirklich nichts. Sie haben wirklich keinen Plan.“, stellte Anthony trocken fest, woraufhin die beiden Professoren stumm den Kopf schüttelten. „Also nüchtern betrachtet, ist es sowohl lächerlich als auch suspekt. Harry kriegt namenlose Geschenke, Black dringt zum zweiten Mal im Schloss ein und hat diesmal Zugang zum Gryffindorturm erhalten, obwohl die Vermutung nahelag, dass er hinter Harry her war, was nun offensichtlich widerlegt ist, da er sich an Rons Bett zu schaffen gemacht hat und dabei erkannt haben müsste, dass Harry in keinem der Schlafsäle der Gryffindors war. Und wenn überhaupt, dann sollte Black ja eigentlich wissen, dass Harry keine roten Haare hat.“
„Wir stehen wirklich vor einer Wand aus Rätseln.“, erwiderte Remus. „Wir müssen die Sicherheitsvorkehrungen verstärken. Wahrscheinlich wird das Ministerium noch mehr Dementoren herschicken.“
„Hunderte Dementoren um Hogwarts herum. Super.“, kommentierte Harry trocken und ließ sich zurück in sein Bett fallen.
„Wir müssen wieder weiter. Gute Nacht, meine Herren.“, sprach Flitwick und verließ mit Remus, der den beiden ebenfalls noch eine gute Nacht wünschte, den Schlafsaal. Als die Tür zufiel blickte Harry zu Anthony herüber, der sich ebenfalls zu Harry umgedreht hatte.
„Die Sache stinkt wie Abraxanerkacke.“, meinte Anthony.
„Hast du schonmal an Abraxanerkacke gerochen?“, entgegnete Harry belustigt, woraufhin Anthony schnaubte. „Unfreiwillig.“
„Anthony…?“, fragte Harry neugierig.
„Ich bin mit etwa zehn Jahren bei einem Ausflug tatsächlich in einen Haufen von den Äpfeln gefallen.“, antwortete er, was Harry laut lachen ließ.
„Mit dem Gesicht voraus?“
„Ja.“, knirschte Anthony mit einem gequälten Gesicht. „Ich habe dreimal hintereinander baden müssen und mein Vater hat extra zwei Zaubertränke für die Badewanne in der Apotheke besorgt, weil der Gestank nicht wegzubekommen war. Es hat sich herausgestellt, dass die Abraxaner junge Robinien gefressen haben – normale Pferde wären daran gestorben, die Abraxaner hatten nur den Schiss des Todes.“
Harry kugelte sich vor Lachen im Bett bei der Vorstellung, woraufhin Anthony nur leise „Haha“ meinte, jedoch dann selbst mitlachen musste. Nach einer Weile, als sie sich wieder beruhigt hatten, verschränkte Harry die Arme hinter seinem Kopf und sah zum Fenster raus. „Die Sonne geht jeden Moment auf.“
„Oh, der verlorene Schlaf – er hätte ein Traum werden können.“
Harry lief gebückt mit einem kleinen geflochtenen Korb die hellen Lichtungen des Verbotenen Waldes entlang und pflückte die frisch aufgegangenen Veilchenblüten, die sich in großen Kissen über den Waldboden erstreckten und summte leise vor sich hin. Er wollte einen Teil der Blüten für Tinkturen ansetzen, einige der Blüten in Öl für Salben einlegen und einen Teil trocknen. Der Traum von der vorigen Nacht, bevor er von Remus und Professor Flitwick geweckt wurde, beschäftigte ihn – warum hatte sich der Hirsch ihm im Traum offenbart? Und was wollte er ihm mitteilen? Interpretierte er zu viel in den Traum? Harry war sich sicher, dass der Traum irgendetwas bedeuten musste.
Langsam ging er auf die Knie und begann ein großes Polster der Blüten abzuernten und legte sie in ein Stofftuch in seinem Korb, als er lautes Hufgetrappel hörte, das näher kam. Er blickte hoch und sah die Zentauren vorbeitraben, woraufhin sie bei seinem Anblick kurz stehenblieben. Er sah Firenze, der ihn mit einem ernsten Blick fixierte. Harry neigte kurz den Kopf und lächelte den blonden Zentauren an, woraufhin dessen Blick ein wenig weicher wurde und er Harry ebenfalls zunickte. Die Zentauren liefen weiter und er fuhr mit dem Sammeln der Waldveilchen fort. Hedwig flog ihre Runden durch die Bäume, mit einem steten Blick auf Harry, und Edd krabbelte zwischen den Hecken entlang, auf der Suche nach Insekten oder Feeneiern.
Die Stunden zogen ins Land. Harry war, nachdem er genügend Veilchenblüten gesammelt hatte, dazu übergegangen, einige Veilchenwurzeln zu ernten, um diese für Zaubertränke zu trocknen und konnte ebenfalls einige Blüten und Wurzeln der Schlüsselblumen sammeln. Er genoss die Ruhe im Wald, die einzelnen Sonnenstrahlen, die die Lichtungen erhellten, während er sich der meditativen Arbeit hingeben und seine Gedanken fliegen lassen konnte.
Harry hatte sich bewusst nach dem Frühstück aus dem Schloss zurückgezogen. Da es Samstag war, war keiner der Schüler mit Unterricht abgelenkt, was bedeutete, dass das Thema Sirius Black in allen Ecken der Korridore in der Luft hing. Er hatte beim Frühstück nur mitbekommen, dass Sir Cadogan von seinem Posten verwiesen wurde und die Fette Dame in ihr altes Portrait zurückgekehrt war – da durch Dumbledores Anweisung nun zwei große Trolle Sicherheitspatrouillen auf dem Gang des Portraits liefen. Laut Anthony, dessen Neugierde zu groß war, blickten die beiden Trolle etwas griesgrämig drein und verglichen alle paar Meter ihre Knüppel miteinander, aber sie waren nicht annähernd so duftend und unästhetisch, wie er es ausgedrückt hatte, wie der Bergtroll in ihrem ersten Schuljahr. Harry hatte daraufhin nur geschmunzelt und sich anschließend von ihm und Luna verabschiedet.
Am frühen Morgen auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum sah er, wie Professor Flitwick die Tore des Schlosses verzauberte und ihnen beibrachte, Sirius Black zu erkennen, was Harry ehrlich gesagt ziemlich cool fand – Professor Flitwick hatte irgendetwas an sich, was er nicht so recht beschreiben konnte, aber was ihn durchaus begeisterte; vielleicht war es diese Mischung aus ‚cool‘ und ‚bieder‘ zugleich.
Schlussendlich war im Großen und Ganzen der Tag trotz des Trubels im Schloss für Harry weitestgehend entspannt verlaufen und als er den Glockenschlag hörte, bemerkte er, dass er das Mittagessen komplett verpasst hatte und es bereits nachmittags war. Er klopfte sich den Dreck von den Knien, sammelte den Bowtruckle wieder ein und lief mit Hedwig auf den Schultern wieder zum Wald raus in Richtung der Gewächshäuser, um Schaufel und Messer zurückzubringen.
Als er zum Schloss hochlief, sah er von Weitem Hermine mit Krummbein auf dem Schoß auf einem großen Stein sitzen und mit betrübtem Gesichtsausdruck über die Ländereien blicken, während sie gedankenverloren Krummbein streichelte.
„Hey.“, sprach sie ihn an, als er auf sie zulief. „Du warst gar nicht beim Mittagessen.“
„Hey. Nein, ich habe die Zeit vergessen.“, meinte er und deutete auf seinen Korb.
„Veilchen und Schlüsselblumen. Für Zaubertränke?“, fragte sie und blickte neugierig in den Korb hinein. Harry nickte und stellte den Korb neben sich ab. „Ja, auch. Ich muss sie gleich in Öl und Weingeist ansetzen, dann können wir uns unterhalten, wenn du magst. Willst du mitkommen?“, fragte Harry, woraufhin Hermine nickte. „Wir müssen nur irgendwo hin, wo wir beide in Ruhe arbeiten können.“
„In zehn Minuten im Klo der Maulenden Myrthe?“, schlug Hermine vor und nachdem er zugestimmt hatte liefen sie ins Schloss zurück. Nachdem er alles Nötige im Schlafsaal geholt hatte, machte er sich auf den Weg zum besagten Mädchenklo.
Hermine war bereits dort angekommen und hatte eine große Decke auf dem Boden ausgebreitet. Als Harry ankam, fiel sein Blick auf das Waschbecken, das den Eingang zur Kammer des Schreckens verbarg, woraufhin er sich kurz schüttelte und sich zu Hermine auf die Decke setzte. Er holte einige Schalen und Gläser hervor und breitete alles vor ihnen aus. Hermine füllte eine der Schalen mit Wasser und begann am Waschbecken die Wurzeln zu säubern, während Harry die Blüten durchsah und in die entsprechenden Gläser füllte, wo er sie mit Weingeist und Öl übergoss, zukorkte und mit einer Schnur fest zuknotete. Hermine war unterdessen dazu übergegangen, die Wurzeln trocken zu tupfen und mit Nadel und Faden aufzufädeln, sodass Harry sie zum Trocknen in den Schlafsaal hängen konnte. Lange saßen sie schweigend auf der Decke und arbeiteten konzentriert vor sich hin, als Harry, nachdem er das letzte Glas verschlossen hatte, zu Hermine blickte und sie nachdenklich ansah.
„Du hast vorhin ziemlich betrübt ausgesehen.“, sagte er und begann kleine Zettel für die Gläser und Wurzeln zu beschriften.
„Ich… war auch betrübt.“, antwortete sie und reichte Harry das letzte Bündel aufgefädelter Wurzeln, an welches er die entsprechenden Zettel heftete.
„Was ist los?“
„Ron.“, seufzte sie und lehnte sich an das Holz der Klokabine hinter ihr zurück. Harry zog eine Augenbraue hoch und deutete ihr an, weiterzusprechen. „Die letzten Wochen hatten wir durchgehend Streit, weil Krummbein komplett auf seine Ratte fixiert ist – als wäre sie sein Erzfeind. Und ich kann den Kater einfach nicht vierundzwanzig Stunden kontrollieren und jetzt ist seine Ratte auch noch verschwunden. Er behauptet, Krummbein hat sie gefressen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht der Fall ist, Krummbein frisst keine Ratten. Dass er seit gestern Nacht auch noch der Held von Gryffindor ist, macht es nicht wirklich besser.“
„Held?“, fragte Harry verwirrt.
„Naja, Black hat die Vorhänge seines Himmelbettes regelrecht zerfetzt und da Ron diesen Angriff von Black überlebt hat, ist er jetzt der Held. Und das macht unseren Streit nicht einfacher.“
„Wirst du deswegen angefeindet?“
„Nein, aber es ist anstrengend, weißt du? So viele Aufgaben, die ich erledigen muss, die Sache mit Seidenschnabel und Hagrid nimmt Zeit in Anspruch und jetzt das mit Ron. Ich bin…“, sprach sie und hielt inne.
„Müde?“, fragte Harry mit einem schrägen Lächeln und Hermine nickte.
„Manchmal frage ich mich, wie du das alles machst.“, meinte sie und sah Harry nachdenklich an.
„Was?“
„Schule, der Trubel um dich, das Private,… nebenher Hogwarts retten.“
„Wenn wir ehrlich sind, dann investiere ich nicht so viel Zeit in die Schule wie du – ich habe die Fächer, die mir Spaß machen und die mich interessieren und die, die ich einfach mache, weil ich sie machen muss. Den Trubel, den blendet man aus. Das Private? Wir sitzen hier, arbeiten etwas, lernen und unterhalten uns – du, Anthony und Luna seid mein Privatleben. Die Abenteuer der letzten Jahre waren da gefühlt auch eher Begleiterscheinung, die wir, nur zur Erinnerung, zusammen bewältigt haben.“
„Da hast du Recht. Ich hätte vielleicht auch nicht so viele Kurse wählen sollen.“
„Du hättest nicht alle Kurse wählen sollen. Du bist in der Muggelwelt aufgewachsen – warum wählst du das Fach dann noch?“
„Aus Interesse am Blickwinkel der Zauberer auf die Muggelwelt.“
„Und sei ehrlich, ist es wirklich interessant?“
„Nicht wirklich.“
Harry lächelte sie an und begann die Schalen auszuspülen. „Du bist die Beste in unserem Jahrgang, es kursiert schon die Aussage, dass du das hellste Köpfchen aktuell an der ganzen Schule bist. Du weißt, was du kannst und weißt, oder?“
„Ja, das weiß ich.“
„Dann weißt du auch, was du fallen lassen kannst, um auf dich zu schauen. Du musst niemandem etwas beweisen, wenn du dir selbst schon bewiesen hast, was du alles kannst.“ Hermine sah Harry nachdenklich an, als dieser sich wieder hinsetzte und die Schalen und Schüsseln begann abzutrocknen und in seiner Tasche zu verstauen.
„Ich hatte in der Grundschule nie wirklich Freunde, aber von den Lehrern kam so viel Anerkennung, die das Ganze wieder wett gemacht hat.“
„Da haben wir was gemeinsam. Nur, dass ich die Leistung nicht zeigen durfte.“, entgegnete Harry und lächelte. „Du bist mehr als Leistung, weißt du das? Du hast Seiten an dir, die anderen vielleicht manchmal auf die Nerven gehen, aber du bist so viel mehr als nur der Bücherwurm und die Klassenbeste.“
„Wann bist du so weise geworden, Harry?“, fragte Hermine schmunzelnd und Harry zuckte mit den Schultern.
„Luna färbt ab.“, entgegnete er und grinste. „Es sind teilweise die gleichen Baustellen wie bei mir.“
„Luna hat interessante Gedanken.“, murmelte Hermine und kratzte sich am Kinn. „Seltsame Gedanken, aber interessant. Manchmal, das muss ich zugeben, denke ich, dass sie kompletten Stuss von sich gibt, aber dann hat sie wieder diese Art an sich, die einem wieder Hoffnung macht.“
„Sie überrascht mich auch immer wieder.“, meinte Harry daraufhin und hielt Hermine die Hand hin, um sie auf die Beine zu ziehen. „Was machen wir jetzt?“
„Ich müsste noch zwei Aufsätze schreiben. Und du?“
„Zaubertränke, Astronomie und Runen steht bei mir noch an. Ich würde mein Zeug wieder hochbringen und wir können uns gerne in der Bibliothek in zwanzig Minuten treffen. Anthony ist bestimmt auch mit dabei.“
Hermine stimmte kurz zu, faltete die Decke zusammen und verließ mit Harry das Mädchenklo, als die Maulende Myrthe gerade ihren Kopf aus der Kloschüssel heraussteckte und jammerte, dass die beiden schon wieder am Gehen waren.
Luna erzählte Harry und Anthony beim Abendessen gerade vom neuesten Artikel des Klitterers, als lautes Lachen am Gryffindortisch ausbrach. Harry runzelte die Stirn und versuchte die Ursache des Lachens ausfindig zu machen, doch die Traube der Gryffindors am Tisch war zu eng.
„Was ist da?“, fragte er und streckte den Kopf.
„Neville hat einen Heuler bekommen.“, antwortete Anthony und grinste. „Drei…zwei…eins…“
„NEVILLE LONGBOTTOM!“, begann der leuchtend rote Brief loszukeifern und Harry sah, wie Neville kreidebleich auf seinem Platz zusammensank und den Kopf, der langsam hochrot anlief, in seinen Händen vergrub. Die Schimpftirade seiner Großmutter hielt eine ganze Weile an und wenn Harry den Heuler von Mrs. Weasley beeindruckend fand, so hatte Nevilles Großmutter eine ganz neue Definition von beeindruckend eröffnet – und das nicht im positiven Sinne. Als der Brief in Flammen aufgegangen war, war noch vereinzeltes Lachen zu hören, während Neville mit zitternden Händen am Tisch saß.
„Das war hart. Die Frau ist ja grausam.“, murmelte Harry und schob sein Essen zur Seite. Er sah wie Hermine ihre Hand auf Nevilles Schultern legte und auf ihn einredete, doch der Gryffindor saß wie versteinert an seinem Platz und starrte auf die Tischplatte, alle Augen auf ihn gerichtet. Harry seufzte leise, stand auf und lief zum Gryffindortisch herüber, tippte Neville an der Schulter an, woraufhin dieser ihn vorsichtig ansah und die Lippen zusammenpresste. Harry nickte in Richtung des Ausgangs. „Komm.“, meinte er leise und zog Neville am Oberarm hoch, der erstaunlicherweise direkt aufstand und Harry aus der Halle folgte. Hermine packte ein paar belegte Brote und Äpfel in Servietten und lief ihnen hinterher, woraufhin Anthony und Luna aufstanden und ebenfalls die Halle verließen.
„Augusta macht es Neville nicht einfacher.“, meinte Remus leise, nachdem die meisten Schüler sich wieder ihrem Abendessen gewidmet hatten, woraufhin Professor Sprout seufzte und den Kopf schüttelte. „Sie war noch nie… einfach.“
„Es war absolut fahrlässig und einfältig, die Passwörter für den Gemeinschaftsraum auf Papier zu schreiben und sie dann auch noch zu verlieren – aber sie übertrifft sich oft selbst, das stimmt.“, entgegnete Professor McGonagall, während sie nachdenklich mit dem Finger über den Rand ihres Glases fuhr. „Diese öffentlichen Heuler sind auch nicht wirklich angenehm.“
„Mr. Longbottom ist in besten Händen.“, warf Dumbledore ein und lächelte. „Und diese Heuler sind wirklich furchtbar altmodisch – ich hatte gehofft, dass sie irgendwann aus der Mode geraten würden.“
Harry blickte sich kurz im rechten Flügel des Korridors im dritten Stock um und öffnete mit einem leisen Alohomora die Tür. Als die anderen ebenfalls in dem dunklen Zwischenkorridor ankamen, entflammten sich die Fackeln an den Wänden und hüllten den Korridor in ein schummriges Licht. Im entferntesten Winkel des Korridors setzten sie sich unter einer der Fackeln auf den Boden und sahen Neville aufmunternd an.
„Interessante Raumwahl.“, meinte Luna nachdenklich und blickte sich um.
„Das war in unserem ersten Jahr der Verbotene Korridor.“, meinte Anthony und Lunas Augen leuchteten begeistert auf. „Hinter der Tür dort –“, er deutete auf die Tür ein paar Meter weiter, „ – war der Cerberus, der die Falltür zu den Untergrundkammern bewachte, wo der Stein der Weisen lag.“
„Spannend.“, entgegnete sie und legte eine große Serviette vor sich auf den Boden, wo sie ein paar Sandwiches und Kekse aus ihren Taschen darauf ablegte. Hermine packte ebenfalls ihr eingepacktes Essen aus und Anthony packte ebenfalls aus, was er eingesteckt hatte. Schweigend begannen sie zu essen, bis Neville, der gerade den letzten Biss seines Sandwiches runtergeschluckt hatte, zu Harry blickte und tief ein- und ausatmete.
„Harry.“, begann er. „Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen, indem ich die Passwortliste verliere. Ich… konnte mir diese ganzen Passwörter von diesem dummen Ritter einfach nicht merken und… Ich habe die Gerüchte gehört, dass Black möglicherweise hinter dir her ist und… es tut mir wirklich leid.“
„Mach dir kein Kopf, Neville. Ich bin dir nicht böse, absolut nicht.“, entgegnete Harry und drückte ihm ein weiteres Sandwich in die Hand. „Black ist zum zweiten Mal ins Schloss gekommen und hat diesmal seinen Zugang zu Gryffindor bekommen – mit dem Ergebnis, dass er Rons Bett zerfetzt hat und offensichtlich erkennen konnte, dass ich nicht dort wohne. Also… auch wenn es eine beschissene Situation für Gryffindor ist, du hast mich nicht in Gefahr gebracht.“
„Danke.“, murmelte der Gryffindor und biss in sein Sandwich.
„Was hat McGonagall nach dem Mittagessen mit dir besprochen?“, fragte Hermine ihn vorsichtig.
„Sie hat mir die Besuchsrechte für Hogsmeade für den Rest des Jahres entzogen und meine Großmutter informiert.“
„Madig.“, meinte Anthony, während er sich die Krümel vom Pullover klopfte.
„Und danke fürs Retten.“, meinte Neville mit einem gequälten Grinsen, woraufhin die anderen nur lachten und sich über die Kekse hermachten.
„Ich frage mich, Harry, wieso wir nicht schon früher auf die Idee gekommen sind, uns abgesehen von der Bibliothek nicht auch hier zu treffen – niemand benutzt den Korridor und der Raum mit der Falltür ist auch leer.“, sprach Anthony nachdenklich und Hermine zog die Augenbraue hoch. „Er hat Recht, wir hätten da früher drauf kommen können. Dann können wir auch auf Myrthes Klo verzichten.“
„Super.“, meinte Harry begeistert. „Dann machen wir es uns hier einfach gemütlich, bis es etwas Besseres gibt.“
Nachdem sie ihr Abendessen beendet, über die anstehenden Aufsätze und Rons neuen Heldenstatus diskutiert hatten, packten sie ihre Sachen zusammen und schlossen die Tür zum Korridor hinter sich wieder zu. Gemeinsam liefen sie bis zur großen Treppe, wo sie sich voneinander verabschiedeten und in Richtung ihrer jeweiligen Haustürme liefen.
„Neville hat es echt nicht einfach.“, meinte Anthony leise, als sie Treppen hochliefen.
„Ein hürdenloser Weg bringt selten Wachstum mit sich.“, entgegnete Luna und gab dem Türklopfer zum Gemeinschaftsraum die richtige Antwort, um eintreten zu können.
„Das stimmt allerdings.“, gab Anthony zu und steuerte mit Harry und Luna auf eines der Sofas zu. Als sie sich gesetzt hatten, merkten sie, wie es nach einer Weile im Gemeinschaftsraum stiller wurde und eine mittelalterlich klingende Melodie den Raum erfüllte. Als sie sich umdrehten sahen sie drei ihrer Mitschülerinnen mit zwei Flöten und einer Schalmei in der Hand in einer Ecke des Gemeinschaftsraumes sitzen. Begleitet wurde die Melodie von zwei Jungs, die Harfe und Trommel spielten.
„Seit wann wird hier Musik gespielt?“, fragte Harry leise an Anthony gerichtet.
„Wenn ihr nicht nur in der Bibliothek und im Wald leben würdet, würdet ihr auch mitbekommen, was Ravenclaw alles zu bieten hat.“, kam es leise hinter Harry, der kurz zusammenschreckte und Robert sah, der ihn angrinste. „Das sage ich euch seit mehr als zwei Jahren.“ Harry schnaubte schmunzelnd und rutschte ein wenig zur Seite, dass Robert sich neben ihn setzen konnte.
Der Schwarzhaarige legte seinen Kopf auf dem Arm ab, den er auf die Lehne des Sofas gelegt hatte, und lauschte gespannt der Musik. Er sah, wie die einige der Ravenclaws im Gemeinschaftsraum ebenfalls konzentriert der Musik folgten, vereinzelt nebenher weiterarbeiteten und, sehr zu Harrys Vergnügen, sah er, wie ein paar Schülerinnen und Schüler zu tanzen begannen. Luna stand ebenfalls mit geschlossenen Augen beim Kamin und tanzte für sich, vollkommen im Rhythmus der Musik, die Umwelt komplett ausgeblendet. Ihr Tanz wirkte unbeschwert und frei, was Harry seufzend lächeln ließ. Er wünschte sich diese Unbeschwertheit auch für sich. Er schloss die Augen und ließ sich von der Musik mitnehmen, auf eine Reise, die Bilder von Waldspaziergängen, Tänzen und Feierlichkeiten in alten Tavernen vor seinem inneren Auge aufleben ließ.
Als Harry die Augen nach einigen Liedern öffnete sah er, wie einige Weitere sich den Tanzenden angeschlossen hatten und merkte, dass andere sich bereits in ihren Schlafsaal zurückgezogen haben mussten. Robert saß ebenfalls mit geschlossenen Augen und einem breiten Lächeln neben ihm und folgte mit seinem Kopf langsam dem Takt der Musik, während Anthony ebenfalls mit geschlossenen Augen neben Harry auf dem Sofa saß und mit seiner Hand dem Takt der Musik folgte. Luna hatte sich neben den Kamin auf den Boden gelegt und sah den Musikern gespannt beim Spielen zu. Als die große Pendeluhr im Gemeinschaftsraum zehn Uhr schlug, spielten sie ihr letztes Lied und verbeugten sich kurz, während alle anderen Beifall klatschten.
„Wie oft kommt sowas vor?“, fragte Harry leise an Robert gewandt.
„Ab und zu, nicht allzu häufig.“, antwortete dieser, woraufhin Harry lediglich nickte und sich die Augen rieb.
„Ich geh schlafen.“, meinte er nur, stand auf und verabschiedete sich Luna und Robert. Anthony sprang von der Couch auf, verabschiedete sich ebenfalls und lief mit Harry die Treppen zum Schlafsaal hoch. „Du musst wegen mir nicht mitkommen, das weißt du?“, meinte er, als sie die Treppen hochliefen.
„Ich bin aber auch müde.“, entgegnete Anthony empört und sah Harry vorwurfsvoll an. „Ich richte meinen Schlafrhythmus nicht nach dir aus, auch wenn du das vielleicht gerne hättest.“
„Du lebst für das Drama, oder?“, meinte Harry schmunzelnd, woraufhin Anthony lachte.
„Absolut.“
Harry kontrollierte die Karte des Rumtreibers und vergewisserte sich noch einmal, dass niemand in seiner Nähe war – seit dem Vorfall von Blacks erfolgreichem Einbruch wurden die Patrouillen der Lehrer verschärft und Filch hatte sämtliche ihm bekannten Geheimgänge versperrt. Glücklicherweise war einer dieser Geheimgänge nach wie vor noch geheim. „Dissendium.“, flüsterte er und tippte mit der Spitze seines Zauberstabes den Buckel der Einäugigen Hexe an, woraufhin diese den Weg nach Hogsmeade freigab. Er schlüpfte hindurch, verschloss den Zugang wieder und lief zügig in Richtung des Dorfes. Auf eine gewisse Art und Weise fühlte er sich schlecht, dass er die Möglichkeit der Karte so ausnutzte und Remus‘ Nachwehen des Vollmonds ihm die Zeit verschafften heimlich nach Hogsmeade zu gehen.
Seit dem Tag, an dem Neville den Heuler seiner Großmutter bekommen hatte, war eine ganze Woche vergangen, in der er mit regem Interesse beobachtete, wie sich diverse Dynamiken veränderten – Neville hat sich in Gryffindor weitestgehend zurückgezogen, es schien Harry, als dass Hermine, Ginny und die Zwillinge die einzigen waren, die Neville noch in irgendeiner Form ernst nahmen. Der Heuler und die Tatsache, dass Neville der Grund dafür war, dass Black in Gryffindor eindringen konnte, hat ihn zum Gespött und Außenseiter seiner Hauskameraden gemacht. Harry hatte ihn unter der Woche ein paar Mal in den Gewächshäusern angetroffen, wo er Extraarbeiten für Professor Sprout erledigte und einige Male hat er sich zu Harry in die Bibliothek gesetzt – einer der drei Orte, neben dem Gewächshaus und dem Korridor im dritten Stock, an denen er seine Ruhe hatte.
Als Harry nach einer Weile im Keller des Honigtopfes ankam, warf er sich den Tarnumhang über und schlich sich leise durch den Keller hoch in den Verkaufsraum. Vorsichtig packte er sich ein paar Süßigkeiten in seine Tasche, legte heimlich das Geld neben die Kasse, wo gerade noch die Verkäuferin stand und verließ den Laden, ohne weiteres Aufsehen zu erregen. Schmunzelnd holte er sich einen Schokoriegel aus der Tasche, biss genüsslich hinein und lief durch Hogsmeade in Richtung der Heulenden Hütte, wo er sich mit Hermine und Anthony treffen wollte. Beim Schlendern durchs Dorf fiel ihm auf, wie viele seiner Mitschüler wirklich in Hogsmeade waren und neugierig sah er durch das Schaufenster des Friseursalons, wo er zwei ältere Ravenclaws entdeckte, die sich gerade die Haare schneiden ließen.
Normal. Es war normal, dass sie zum Friseur gehen und sich ohne Sorgen die Haare schneiden lassen, durch den Bücherladen schleichen oder sich ein paar Süßigkeiten kaufen und ein Butterbier gönnen konnten. Sie konnten ganz normal leben. Leise seufzte er und lief die Straßen weiter entlang. Eigentlich wollte er einen schönen Tag im Dorf verbringen, aber seine Stimmung war dezent auf der Kippe, wenn er sah, wie die anderen einfach Spaß haben konnten und er sich unter seinem Umhang verstecken musste. Es war kein normaler Spaß. Es gab immer irgendwelche Ereignisse, Gründe oder Ungereimtheiten, weswegen normal für ihn nicht möglich war. Er mochte das Wort nicht, hatte es bei den Dursleys zu oft gehört, zu oft gezeigt bekommen, dass das Wort auf ihn nicht zutraf. In gewisser Weise hatten sie auch recht, auch wenn er als Zauberer hier in dieser Welt normal war, so traf das Drumherum bezüglich seines Lebens im Sinne von normal nicht wirklich zu.
Egal, dachte sich Harry und schüttelte sich kurz zurecht. Er schob die schlechten Gedanken beiseite und biss von seinem Schokoriegel ab. Auf dem Weg zur Heulenden Hütte sah er von Weitem, wie Anthony und Hermine am Zaun standen, der das Grundstück zur Heulenden Hütte markierte, und sich leise unterhielten. Er sah ebenfalls, wie sich aus der Nähe des Waldes Malfoy, Crabbe und Goyle auf die beiden zuliefen und anfingen zu pfeifen.
„Wenn das mal nicht das Schlammblut und die Heulsuse sind – schaut ihr euch nach einer neuen Wohnung um? Der Name der Hütte passt ja schon zu dir, Goldstein.“, spottete Malfoy, woraufhin Crabbe und Goyle anfingen zu lachen. Anthony blickte Malfoy kalt an, Hermine schnaubte und drehte sich langsam um.
„Halt den Rand, Malfoy.“, zischte Anthony und lief langsam auf Malfoy zu. „Ohne deine zwei Affen im Schlepptau hast du nicht so ein großes Mundwerk. Sind sie auch immer brav für dich da? Oder wer beschützt dich sonst vor dem… dunklen Schatten unter deinem Bett – oder… vor dem Irrwicht im Schrank? Wir wissen beide, wer der Irrwicht war.“, flüsterte er zum Schluss mit einem kalten Lächeln. Malfoy wurde ein Stück blasser, als er es bereits schon war und lief kurz darauf vor Wut dunkelrot an – Crabbe und Goyle knackten bereits mit ihren Knöcheln und machten sich auf ein Kommando bereit.
„Das wirst du bereuen, Goldstein.“, zischte er und zog seinen Zauberstab, allerdings hatte Hermine ihren Zauberstab schneller gezogen und Malfoys Bewegung mit einem Impedimenta kurzzeitig festgehalten, woraufhin Anthony ebenfalls seinen Zauberstab gezogen hatte. Allerdings kam es gar nicht so weit, denn Crabbe und Goyle wurden von hinten auf Malfoy gestoßen, was zu einem lauten Aufschrei führte. Die Drei sprangen hoch und wollten auf Hermine und Anthony losgehen, allerdings stolperten sie direkt wieder nach vorne und landeten auf der Nase – ein an sich lustiger Anblick, wäre nicht die Tatsache gewesen, dass Malfoy bei seinem Flug nach vorne dummerweise Harry, der Malfoy das Bein gestellt hatte, den Umhang vom Kopf zog und einen kurzen Augenblick sein Gesicht offenbarte.
„Potter!“, rief Malfoy überrascht und sprang hoch. „Mach dich auf was gefasst!“ Damit rannten die drei Slytherins ins Dorf zurück.
„Scheiße.“, fluchte Harry und zog sich kurz den Umhang vom Kopf, um seine beiden Freunde anzuschauen.
„Danke für die noble Rettung – aber du hast jetzt ein kleines, blondes Problem am Hals.“, entgegnete Anthony trocken.
„RENN!“, rief Hermine und scheuchte ihren Freund los, der unter seinem Tarnumhang durch das Dorf sprintete und im Honigtopf verschwand, in den Keller lief und durch den Geheimgang rannte. Beim Rennen öffnete er die Karte des Rumtreibers und bedankte sich in Gedanken einmal kurz bei Bodkin für das intensive Quidditchtraining der letzten Wochen.
Nach ein paar Minuten kam er im Schloss an, kontrollierte den Ausgang des Geheimgangs und rannte immer noch unter dem Tarnumhang versteckt durch das Schloss. Er sah, dass die drei Slytherins noch nicht im Schloss angekommen sein mussten, da der Geheimgang kürzer war als oberirdische Weg ins Dorf und verschwand im Gemeinschaftsraum, der zu seinem Glück leer war. Hastig warf er den Tarnumhang tief in seinen Koffer in eines der Geheimfächer, verschloss diesen und ging ins Bad, um sich zu waschen. Nachdem er wieder Luft bekam, eine gesunde Gesichtsfarbe angenommen hatte und frisch angezogen war, lief er mit einem Buch im Arm und Edd auf den Schultern die Treppen runter und setzte sich auf eines der Sofas. Er schlug das Buch wahllos an einer Stelle auf, als würde er lesen, und lehnte sich zurück in die weichen Polster. Keine zehn Minuten später schwang die Tür zum Gemeinschaftsraum auf und Professor Snape betrat den Gemeinschaftsraum, mit einem Gesichtsausdruck den Harry zwischen fuchsteufelswild und mordlustig genau in der Mitte einordnen würde.
„Potter.“, spie Snape ihm kalt entgegen und lief langsam auf ihn zu. „Mr. Malfoy hat mir soeben berichtet, dass er Sie in Hogsmeade entdeckt hat.“
Der Blick des Lehrers bohrte sich in Harrys Kopf, doch dieser wich ihm kurzzeitig aus und legte den Kopf runzelnd schief. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich darf nicht nach Hogsmeade.“, entgegnete Harry, was seinen Lehrer nur noch gefährlicher dreinblicken ließ. Die schwarzen Augen verengten sich beinahe zu Schlitzen und Snape trat einen Schritt weiter auf Harry zu.
„Lügen Sie mich nicht an, Potter. Es überrascht mich nicht, dass Sie genauso verlogen und arrogant sind wie Ihr Vater es war.“, warf er dem ihm an den Kopf, doch Harry zog nur eine Augenbraue hoch. Er musste das jetzt so ruhig wie möglich durchziehen, sonst war er verloren. „Ich bin nicht wie mein Vater. Was auch immer für Probleme Sie mit ihm hatten, ich bin nicht dafür verantwortlich.“
„Taschenkontrolle.“, ordnete Snape nach einer kurzen Pause an und Harry schluckte. Die Anspannung in der Luft war so dick, dass er das Gefühl hatte, sie mit einem Messer in Scheiben schneiden zu können, um sein Brot am Abend damit zu belegen. „Jetzt.“
Harry stand auf und lief zum Schlafsaal hoch, Snape direkt hinter ihm. Dieser ließ seinen Blick durch den Schlafsaal gleiten und als sein Blick an den aufgefädelten Wurzeln und diversen Kräuterbündeln, die an einem schattigen Platz an der Wand hingen, wanderte dessen Augenbraue kurz nach oben. Harry deutete auf seinen Koffer und die Tasche, woraufhin Snape den Koffer durchsuchen wollte, jedoch von diesem, als er ihn aufmachen wollte, zurückgestoßen wurde und mit wütendem Blick zu Harry sah. „Was soll das?“
„Ganz vergessen.“, meinte Harry beiläufig unschuldig und öffnete den Koffer. Snape blickte in den Koffer und schnaubte unzufrieden. Er schwang seinen Zauberstab, doch nichts kam aus dem Koffer heraus. Er nahm sich Harrys Tasche und leerte sie auf dem Boden aus, woraufhin ein paar Süßigkeiten, zwei Bücher, ein paar Bleistifte und Federkiele, ein Tintenfass und… die Karte herausfielen. Snape sah Harry mit zusammengekniffenen Augen an und hob die Karte vom Boden auf. Mit einem Schwung seines Zauberstabes flog der Rest wieder in die Tasche zurück und er hob die Karte vor Harrys Gesicht. Er drückte sie Harry in die Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist das?“, fragte er langsam, mit einem gefährlichen Unterton.
„Ein Stück Pergament.“, antwortete Harry nüchtern.
„Ein Stück Pergament.“, wiederholte Snape trocken. „Schauen wir mal, was für ein Pergament das ist.“ Harry schluckte. „Offenbare dich!“, sprach der, doch es passierte nichts. „Enthülle dein Geheimnis!“, befahl er, doch es passierte wieder nichts. Er tippte mit der Spitze seines Zauberstabes auf das Papier und befahl der Karte erneut, sich zu offenbaren, gefolgt von einem Enthüllungszauber und Harry riss die Augen auf, als wie von Geisterhand Wörter in einer sauberen Handschrift geschrieben wurden.
‚Mr. Moony möchte Professor Snape beste Grüße ausrichten und ihn dennoch bitten, sein abnormal großes Riechorgan aus anderer Leute Angelegenheiten herauszuhalten.‘
Harry schluckte hart, als er die Wörter las. Er blickte von der Karte zu Snape und wieder zurück. Snape stand wie versteinert vor ihm und blickte mit großen Augen auf weitere Wörter, die darunter erschienen.
‚Mr. Krone möchte an dieser Stelle Mr. Moony zustimmen und hinzufügen, dass Professor Snape ein miesepetriger Depp ist.‘
Harry hätte gerne gelacht, doch die Situation ließ es nicht zu, dass er lachen konnte – und die Worte hörte nicht auf.
‚Mr. Tatze möchte an dieser Stelle noch anmerken, dass es wirklich bedenklich ist, dass solch ein Vollidiot überhaupt Professor werden durfte.‘
Leider waren zu Harrys Unbehagen nicht alle guten Dinge drei… sondern vier:
‚Mr. Wurmschwanz wünscht Professor Snape einen wunderschönen guten Tag und rät dem alten Schleimbolzen, sich zur Abwechslung auch mal die Haare zu waschen.‘
Harry sah wieder von der Karte zu Snape und er war sich sicher, wenn Blicke töten konnten, dann wäre es in diesem Fall keine Metapher gewesen.
„Was fällt Ihnen eigentlich ein?“, fragte Snape wütend und Harry ging einen Schritt zurück.
„Sie sehen, dass ich das nicht geschrieben habe.“, entgegnete er und faltete das Pergament wieder zusammen. „Sie kennen meine Handschrift.“
„Mitkommen.“, meinte Snape, nahm Harry die Karte aus den Händen und stürmte aus dem Schlafsaal. Harry folgte dem Zaubertränkeprofessor und schluckte noch mehr als sie in Richtung Remus‘ Büro liefen, wo sie nach ein paar Minuten ankamen. Nachdem Snape ein paarmal geklopft hatte, öffnete Remus die Tür und runzelte die Stirn.
„Lupin.“, sprach Snape in seiner öligen Manier. „Es gibt hier ein kleines… Erziehungsproblem.“ Remus öffnete die Tür weiter und ließ die beiden eintreten. Remus suchte Harrys Blick, der diesem jedoch auswich und auf den Boden schaute. Er konnte dem Werwolf nicht in die Augen schauen – er wusste, was er verbockt hatte.
„Was ist passiert?“, fragte Remus ruhig.
„Mr. Malfoy kam vorhin zu mir und hat mir berichtet, dass Potter in Hogsmeade gesehen wurde. Natürlich dementiert Potter diese Tatsache, was allerdings anzuzweifeln ist. Bei einer Taschenkontrolle habe ich dieses Pergament hier gefunden… Offensichtlich wurde fragwürdige Magie darin verarbeitet und hat… folglich nichts in den Händen von Schülern zu suchen.“
Remus runzelte die Stirn und warf einen stechenden Blick zu Harry, der wieder auf den Boden blickte. Er nahm die Karte entgegen und drehte sie nachdenklich in seinen Händen um. Als er die Worte las, die auf der Karte standen, konnte Harry kurz erkennen, dass Remus die Nasenflügel aufblähte und schmunzelte.
„Nun, ich gehe davon aus, dass es sich um einen Scherzartikel von Zonko handelt. Ein Pergament, dass Unbefugte beleidigt, die versuchen, es zu lesen.“, meinte der Werwolf und fügte hastig hinzu, als Snape nach dem Pergament greifen wollte, dass er sich weiterhin um die Sache kümmern und das Pergament untersuchen werde. Snape nickte nur und verschwand mit wallendem Umhang aus Remus‘ Büro. Die Tür fiel schwer ins Schloss und Stille erfüllte das Büro. Harry schluckte und trat von einem Fuß auf den Anderen.
„Remus, ich…“, begann er, wurde jedoch unterbrochen.
„Ist das dein Ernst, Harry?“, fragte Remus ruhig – zu ruhig für Harrys Geschmack.
„Ich…“
„Ist das dein verdammter Ernst?“, fragte er nun forscher und Harry merkte, wie sich Wut in Remus Stimme schlich, wie er es noch nicht erlebt hatte.
„Ich…“, versuchte Harry sich zu rechtfertigen, doch seine Stimme brach ab. Er sah Remus mit großen Augen an, die Hände schweißig und zittrig.
„Ich habe keine Ahnung, wie diese Karte in deine Hände gekommen ist und ich will es eigentlich auch gar nicht wissen.“, fuhr Remus fort und lief auf Harry zu, nachdem er die Karte wütend auf den Tisch geklatscht hatte. „Aber du besitzt sie und nachdem du gesehen hast, was eine Passwortliste in den falschen Händen anrichten kann, läufst du nach Hogsmeade, trotz meines Verbots, und streunerst durch die Landschaft? Bist du noch ganz bei Trost?“ Harry sah den Werwolf nur mit glasigen Augen an und knetete seine Hände. Kein Wort kam über seine Lippen. Er sah, was er mit seiner Aktion angerichtet hatte und er war sich auch bewusst, dass er die entsprechenden Konsequenzen tragen müsste.
„Es tut mir leid.“, flüsterte Harry und blickte auf den Boden.
„Deine Eltern haben ihr Leben für deines gelassen und das ist deine Art ‚Danke‘ zu sagen? Du weißt nicht zu was Sirius fähig ist und… – Ich FASSE es nicht.“
Remus sah Harry mit müden Augen an und schüttelte den Kopf. Das war zu viel, für Harry – nicht die Wut, nicht der Anschiss, sondern die Enttäuschung und die Verletzung in Remus‘ Augen – echte Enttäuschung. Harry stand mit glasigen Augen vor ihm und wischte sich mit dem Ärmel seines Pullovers über die Augen, um die sich ansammelnden Tränen wegzuwischen.
„Ich wollte… nur einmal den Ausflug mit Hermine und Anthony machen.“, meinte er mit belegter Stimme und ließ sich auf dem Stuhl hinter ihm nieder. „Und… es war alles gut, bis Malfoy und seine zwei Gorillas angefangen haben Anthony und Hermine zu beleidigen und plötzlich hat Malfoy seinen Zauberstab gezogen und wollte auf die beiden losgehen und Hermine war schnell genug und ich… wollte ihnen helfen und dabei wurde ich entdeckt.“
„Das war eine beschissene Aktion von dir, Harry.“, entgegnete Remus hart und verschränkte die Arme. „Du hättest ins offene Messer laufen können.“
„Ich weiß.“, flüsterte er und wischte sich noch einmal über das Gesicht. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dich angelogen und hintergangen habe.“
„Das Ganze hier ist eine Vertrauenssache, Harry. Mach mein Vertrauen nicht kaputt.“, sagte Remus und ließ sich mit einem langen Seufzen auf die Couch fallen. „Weißt du, es ist nicht so, dass dein Vater und ich und… die anderen nicht auch öfter Unfug getrieben haben, aber hier geht es um deine Sicherheit, mit der du wirklich fahrlässig umgegangen bist.“
Harry nickte stumm und knetete weiter nervös seine Hände.
„Ich mach’s nicht mehr, versprochen.“, sagte er und blickte zu Remus herüber.
„Du warst beim letzten Hogsmeade Wochenende in den Drei Besen und hast die Professoren mit Fudge reden hören, oder?“
Harry sah ihn betroffen an und nickte.
„Dachte ich mir, nachdem du erzählt hast, dass du die Professoren reden gehört hast. Minerva kam nach dem Gespräch auf mich zu und hat mir von der Begegnung mit Fudge und Rosmertha erzählt.“
„Warum hast du mich nicht darauf angesprochen?“
„Ohne Beweise keine Anklage.“
„Hm.“
„Deine Sicherheit ist meine höchste Priorität – ich will, dass du heil aus dieser Sache mit Sirius rauskommst, ich will nicht noch ein weiteres Grab besuchen müssen.“, sprach Remus hart und Harry nickte. Remus hielt Harry an den Schultern und sah ihn ernst an. „Ich bin wütend auf deine Aktion, daraus mache ich kein Geheimnis. Aber mein Versprechen vom Sommer gilt immer noch, ja?“
Harry nickte.
„Aber mach das nie wieder.“
„Da gibt es noch etwas…“, begann Harry und wischte sich ein letztes Mal mit dem Ärmel übers Gesicht. „In der Nacht, als Black eingebrochen ist, habe ich nach deinem Besuch noch auf die Karte geschaut, um zu kontrollieren, ob er noch im Schloss ist… und da habe ich einen Namen gesehen, von dem es eigentlich hieß, dass er tot ist.“
„Wen hast du gesehen?“, fragte Remus stirnrunzelnd.
„Peter Pettigrew. Er war in den Kerkern.“
„Das ist nicht möglich. Das… kann nicht sein.“, entgegnete Remus und fuhr sich mit den Händen durch den Bart. Harry zuckte mit den Schultern und blickte zur Karte auf dem Schreibtisch.
„Die bleibt bei mir.“, meinte Remus und Harry schürzte die Lippen.
„Okay.“, gab er klein bei.
„Und keine Ausflüge mehr. Und falls doch… ich sehe, wo du bist.“, fügte er ernst hinzu, woraufhin Harry die Stirn runzelte.
„Woher weißt du, wie sie funktioniert?“, fragte er.
„Das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.“, meinte Remus. „Bei Gelegenheit erzähle ich sie dir.“
„Bitte, danke.“, sagte Harry. „Und… danke.“
„Du reißt dich zusammen, ja? Ich werde dich jetzt rausschmeißen, wir sehen uns beim Abendessen, Harry. Ich brauch noch eine Stunde Schlaf nach dem ganzen… Trubel.“
„Bis später, Remus.“, meinte Harry und verließ das Büro. Als er die Tür hinter sich zugeschlossen hatte, atmete er ein paar Mal tief durch und zog seine Klamotten wieder zurecht. Er lief zum nächstgelegenen Klo und wusch sich das Gesicht und machte sich auf den Weg zum Glockenturm. Er brauchte frische Luft, aber den Bogen würde er jetzt definitiv nicht überspannen, wenn er das Schloss verließe.
Harry und Anthony lagen beide in ihrem Bett und sahen stillschweigend die Decke an, während Idunas Schnurren den Schlafsaal erfüllte. Sie hatten nach dem Abendessen noch eine Weile zusammen mit Hermine, Luna und Neville im Korridor im dritten Stock verbracht und waren dann zeitig wieder in ihre Gemeinschaftsräume zurückgegangen – den Nachmittag hinsichtlich Hogsmeade hatten sie vorerst unkommentiert gelassen. Harry hatte Hermine und Anthony lediglich kurz offenbart, dass Snape seine Sachen durchsucht hatte und die Karte von Remus konfisziert worden war. Hermine hatte ihm daraufhin ihm leise gestanden, dass sie tatsächlich ein wenig erleichtert war, dass die Karte konfisziert wurde, was Harry nur mit einem kurzen Seitenblick quittiert hatte und das Thema beendete.
„Anthony?“, fragte Harry leise in den Raum hinein.
„Hm?“
„Bei der Heulenden Hütte – “, begann er und drehte sich zu Anthonys Bett um.
„Ja?“
„Warum hat Malfoy dich Heulsuse genannt?“
„Weil er mich im November abends in einem Korridor im zweiten Stock in einem… schwachen Moment erwischt hat.“
„Was hat er gemacht?“
„Mich ausgelacht, was denn sonst. Das lächerliche Halbblut, mit dem lächerlichen Vater, der seine Karriere an den Nagel gehangen hat, weil er unter dem Scheffel seiner Frau steht. Laut Malfoy ist ja das einzig Respektable an mir die Herkunft meiner Mutter, die durch die meines Vater leider beschmutzt wurde. Ekelhafter Vollidiot.“
„Und was hast du dann gemacht?“
„Ihm einen Fluch auf den Hals gehetzt, natürlich.“, lachte Anthony und streckte sich genüsslich.
„Welchen?“
„Den für Juckreize.“
„Und du hast auf seine Hose gezielt?“
„Natürlich.“
„Dafür lohnt sich das zusätzliche Lernen und Lesen, hm?“
„Absolut, Harry. Absolut. Sein Winseln war es wert.“
~oOo
Die letzten Tropfen des Regens fielen gerade vom Himmel und die Sonne versuchte sich gegen die verhangenen Reste des bewölkten Morgenhimmels durchzusetzen. Das Quidditchspiel war gerade beendet und Harry, der seinen Besen schulterte und zu den Umkleidekabinen laufen wollte, sah schmunzelnd zu, wie Professor Flitwick, trotz seiner Größe, vier Slytherins in seiner Rage immer kleiner werden ließ, gefolgt von Professor McGonagall, die in der gleichen Manier auf die vier Slytherins einwirkte. Malfoy, Crabbe, Goyle und Marcus Flint standen mit einem mehr als peinlich berührten Gesichtsausdruck vor den zwei Professoren und sahen stumm auf den Boden. Die Blamage, vor Unmengen von Mitschülern so runtergeputzt zu werden, schien zu wirken.
Das Quidditchspiel von Ravenclaw gegen Gryffindor war in vollem Gang gewesen, und Harry genoss das Fliegen auf seinem neuen Feuerblitz, den er gerade noch rechtzeitig von Professor Flitwick wieder zurückbekommen hatte, als Katie Bell, eine der – außerordentlich hübschen - Jägerinnen der Löwen, neben Harry erschrocken aufschrie und auf die Tribünen deutete. Harry war der Richtung ihrer Hand gefolgt und hatte zwei große, schwarz vermummte Gestalten auf den Tribünen zwischen seinen Mitschülern stehen sehen, woraufhin eine größere Panik ausgebrochen war. Harry, der nicht so recht wusste, wie ihm geschah, zog seinen Zauberstab und ließ mit all seiner Kraft und einem beinahe gebrüllten „Expecto Patronum!“ einen Patronus in die Richtung der Gestalten los – und flog beinahe vom Besen, als er sah, wie ein großer Hirsch mit dem prächtigsten Geweih, das Harry sich nur vorstellen konnte, aus der Spitze seines Zauberstabes hervorbrach und in Richtung der Gestalten vorpreschte. Sein Patronus fiel nicht vielen auf, da sie in der Panik vor potentiellen Dementoren viel zu sehr abgelenkt waren, bis die ‚Dementoren‘ beim Anblick des auf sie zukommenden Hirsches das Gleichgewicht verloren und umfielen – und sich herausstellte, dass es Malfoy und Flint waren, die auf Crabbes und Goyles Schultern saßen, eingehüllt in dunkle Kutten. Harry riss sich wieder zusammen und flog mit McLaggen dem Schnatz hinterher, mit einem deutlichen Schnelligkeitsvorteil für Harry, der den kleinen, goldenen Ball mit seinen Händen umschloss und das Spiel für die Adler gewann.
Am Boden angekommen, sah er, wie die zwei Hauslehrer der Adler und Löwen sich durch die Tribünen vorkämpften und den vier Slytherins jegliche Schande vorwarfen, für die sie eine entsprechende Strafe erhalten sollten. Harry sah, wie Snape sich zunächst versuchte einzumischen, doch wurde dieser von Professor Flitwick unterbrochen, woraufhin Snape nur nickte und seine vier Schüler mit einem kalten Blick anfunkelte, was diese noch betroffener zum Boden blicken ließ.
Remus hatte ihm am Abend beim Essen im Vorbeigehen zu seinem ersten vollständig heraufbeschworenen Patronus gratuliert und mit einem kleinen Zwinkern fünf Punkte für Ravenclaw ausgesprochen. Er offenbarte ihm auch, dass die vier Übeltäter fünfzig Punkte Abzug für Slytherin und eine Reihe durchaus unangenehmer Stunden Nachsitzen kassiert hatten, was Harry zufrieden schmunzeln ließ. Remus verabschiedete sich von Harry, der sich wieder seinem Essen widmete und nachdenklich die heiße Lauchsuppe löffelte, als er mit einem kleinen Satz aus seinen Gedanken herausgerissen wurde.
„Er war wirklich schön.“, sprach jemand leise hinter ihm und er sah Theodore hinter ihm vorbeilaufen, woraufhin Harry lächelte und ihm ein kurzes „Dankeschön“ entgegenbrachte. Der Slytherin winkte ihm noch einmal kurz zu und lief zum Slytherintisch, wo er sich abseits seiner Hauskameraden niederließ und zu essen begann.
„Wunderschön.“, sprach Luna mit ihrer glockenhellen Stimme, als sie sich neben Harry setzte und ihre Schüssel mit Suppe füllte. Harry sah sie fragend an. „Der Hirsch.“, sagte sie. „Er war wirklich wunderschön. Wie die Hirsche in unserem Wald.“
„Stimmt.“, meinte Harry und sah sie nachdenklich an. „Das ist… spannend.“ Luna lächelte ihn nur an und Anthony, der Harry gegenüber saß, deutete mit dem Löffel auf Luna. „Sie hat recht. Und Theo auch, der Hirsch war wirklich imposant.“
„Ich frage mich nur, warum gerade ein Hirsch.“, murmelte Harry mehr zu sich selbst und aß weiter. Luna lächelte nur und Anthony sah den Schwarzhaarigen mit einem ebenso nachdenklichen Blick an, bis er nach einer Weile mit der Schulter zuckte und sich seinem Essen widmete.
„So intelligent wie du bist, manchmal siehst du den Wald vor lauter Bäumen nicht.“, lachte Luna und tat sich etwas mehr von der Suppe in ihre Schüssel. Als das Essen vorbei war, sah Harry wie Remus die Halle verließ und lief ihm schnellen Schrittes hinterher.
„Professor.“, rief Harry und rannte auf den Braunhaarigen zu.
„Ja?“, fragte dieser neugierig. Harry sah sich um Korridor um, um zu schauen, ob noch andere Mitschüler in ihrer Nähe waren, und als er die Luft für rein erklärte, flüsterte er: „Warum ist mein Patronus ein Hirsch?“
„Weil du Qualitäten aufweist, die der Hirsch verkörpert.“
„Ich habe mich noch nie wirklich mit Hirschen auseinandergesetzt.“, meinte Harry daraufhin und kratzte sich hinterm Ohr. „Aber irgendwie fühlt es sich auch nicht fremd an.“
„Du hast zwei Familienwappen, die dir Aufschluss geben können.“, sagte Remus nüchtern und Harry machte große Augen. Mit einem kurzen „Oh“ schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Die Potters haben ein Hirschgeweih auf dem Wappen und die Greenwoods zwei Hirsche.“
„Richtig. Die Familie der Potters hat sowohl die Qualitäten des Löwen als auch die des Hirsches gepriesen. Und die Greenwoods haben nur den Hirsch und die Hirschkuh geführt. Die Wappen verraten dir einiges über die Familien – die Farben, die Pflanzen, Gegenstände, Tiere,… Heraldik ist ein wichtiges Element der traditionellen Zauberergesellschaft.“
„Das ist interessant.“, murmelte Harry. „Ich habe noch nie intensiver darüber nachgedacht.“
„Alles zu seiner Zeit. Außerdem war der Patronus deines Vaters auch ein Hirsch und der Patronus deiner Mutter war eine Hirschkuh. Es hätte mich gewundert, wenn dein Patronus eine andere Gestalt angenommen hätte, wobei mich ein Löwe nicht gewundert hätte, wenn ich ehrlich bin.“
„Hast du ein Familienwappen?“, fragte Harry, doch Remus schüttelte den Kopf. „Mein Vater hat es aufgelöst, nach dem Unfall.“, sagte er leise. „Es war ihm… unangenehm.“
„Wie sah es aus?“
„Dunkelblau und Silber, mit Feder und Schriftrolle.“
„Und das Tier?“, fragte Harry vorsichtig Remus verzog nur leicht das Gesicht, woraufhin Harry nur leise meinte: „Oh.“
„Es ist okay, wie es ist. Es war kein wirklich herausragendes Wappen, die Lupins waren keine allzu alte Familie und mein Vater hat so seinen Frieden gefunden.“, sagte Remus und lächelte. „Es ist auch nicht wirklich wichtig gewesen für mich. Und jetzt muss ich noch ein wenig Korrigieren und Unterricht vorbereiten, dann habe ich morgen einen Sonntag mal frei.“, fügte er theatralisch hinzu und klopfte Harry auf die Schulter. „Wir sehen uns im Unterricht, Harry.“
„Bis dann.“, meinte Harry und schlenderte noch eine Weile durch das Schloss. Nachdem er von einem Portrait einer alten Hexe namens Gunhilda ins Gespräch über seinen Besen gezogen wurde und sich nach einer gefühlten Ewigkeit von ihr verabschiedete lief er die Treppen zum Gemeinschaftsraum hoch, wo die Ravenclaws ihren Sieg über Gryffindor feierten. Harry nickte ihnen allen kurz zu und fand Anthony beim Bibliotheksabschnitt des Gemeinschaftsraumes an einem Tisch über einem Schachbrett gebeugt. Ihm gegenüber saß Markus, der mit einem „Läufer d4“ seine Figur zwei Felder zurücklaufen ließ. Anthony sah den Siebtklässler mit einer hochgezogenen Augenbraue an und legte den Kopf schief.
„Turm f1.“, sagte Anthony und Harry sah zu, wie der König sein Schwert fallen ließ. „Schachmatt.“
„Oh.“, murmelte Markus und lachte. „Ich hätte besser aufpassen sollen.“
Anthony ließ das Brett sich in seinen Ursprungszustand zurückverwandeln und nickte Markus schmunzelnd zu.
„Danke fürs Spiel, Goldstein.“, meinte Markus und stand auf. „Morgen will ich die Revanche. Jetzt wartet ein Butterbier auf mich.“, sagte er, klopfte Anthony auf die Schultern und lief zu seinen Freunden im vorderen Teil des Gemeinschaftsraums.
„Kann er haben.“, sprach Anthony mehr zu sich selbst und sah Harry neugierig an. „Was beschäftigt dich?“
„Der Hirsch. Es ist das Wappentier der Greenwoods und eines der zwei Wappentiere der Potters.“
„Ja, die Wappen sind ziemlich eindeutig. Bevor der Löwe zum König der Tiere erkoren wurde war es der Hirsch. Der Hirsch und der Bär waren immer von besonderer Bedeutung.“
„Ich bin immer wieder erstaunt, dass es kaum einen Bereich gibt, zu dem du mir nichts erzählen kannst.“
„Nun, irgendetwas muss man ja können, nicht wahr?“, lachte Anthony und räumte das Schachbrett auf.
„Mach dich nicht kleiner, als du bist.“, entgegnete Harry mit hochgezogener Augenbraue. Anthony sah Harry mit einem theatralisch unschuldigen Blick an und nickte ergeben. „Du hast ja recht.“, sagte er leise.
„Was ist los?“, fragte Harry und legte den Kopf schief. Anthony schob zog einen Brief aus seiner Tasche und schob ihn Harry zu, der ihn öffnete und las. Nachdem er ihn ein zweites Mal gelesen hatte schob er ihn seinem Freund wieder zu und schüttelte nur den Kopf. „Deine Mutter ist wirklich…“
„Zum Kotzen?“
„Speziell hätte ich jetzt eher gesagt, aber wenn du es so ausdrücken willst – auch gut. Wieso will sie einen aktuellen Leistungsstand von dir wissen? Die Prüfungen sind doch sowieso im Juni. Das ist in drei Monaten.“
„Weil sie spinnt. Ich hab jetzt schon keine Lust, in den Sommerferien nach Hause zu fahren. Über Ostern bleibe ich hier – falls sie dir einen Brief schreiben sollte, warum ich unbedingt hierbleiben will, wir machen ein wichtiges Projekt für Hagrid, ja?“
„Verstanden.“, entgegnete Harry und lächelte. „Wir bleiben über Ostern auch hier.“
„Das ist schön. Mein Vater hat mir im Gegenzug einen wirklich aufbauenden Brief geschrieben, das ist so ein krasser Kontrast.“
„Ich weiß, dass wir das Thema schon hatten, aber ich kann wirklich nicht verstehen, was die beiden… verbindet.“, seufzte Harry und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
„Ich.“, antwortete Anthony und deutete zum Schlafsaal hoch. Harry nickte, lief mit Anthony den Schlafsaal hoch und verabschiedete sich von seinen Quidditchkollegen, die ihm noch einmal freudig zuriefen. Zumal eine Uhrzeit angebrochen war, ab der die älteren Jahrgänge ihre Ruhe wollten und die Jüngeren von den Vertrauensschülern in die Schlafsäle geschickt wurden. Harry hatte noch immer die leise Vermutung, dass das ein oder andere hochprozentigere Getränk heimlich aus den Taschen gezogen wurde, sobald die Jüngeren in ihren Schlafsälen waren.
„Du meinft wirklif, daff du ef bift, der deine Eltern zufammenhält?“, fragte Harry während dem Zähneputzen. Anthony nickte und wusch das Gesicht ab und kämmte sich die Haare.
„Ja.“, murmelte er und begann seine Zähne zu putzen. „Ich hab dir ja erzählt, daff meine Tante meinte, ich fei ein Unfall gewesen.“, kam es eher undeutlich von ihm.
„Ja, wir haben in den Sommerferien darüber gesprochen.“
„Nun, sie wollten eben die intakte Familie sein – mein Vater hätte es wahrscheinlich auch alleine hinbekommen. Weißt du, mein Vater ist kein schwacher Mann, im Gegenteil – er ist mutig und stark, intelligent… Aber sie findet ihre Wege, ihn unter ihren Scheffel zu stellen, sie ist furchtbar dominant. Und ich denke, dass er sich dem Ganzen wegen mir gebeugt hat und jetzt noch einen finalen Stoß braucht, um sich zu lösen. Ich bin mir sicher, dass es nicht mehr allzu lange dauert, aber ich gebe ihnen vielleicht noch drei Jahre, dann ist diese Ehe im Eimer.“
„Was macht dich da so sicher, Anthony?“
„Ich… fühle es.“, entgegnete dieser und ließ sich in sein Bett fallen, wo Iduna bereits neben seinem Kopfkissen lag und ihn vorwurfsvoll ansah. „Es ist schon eine ganze Weile beobachtbar, ich war mir bei meinem Eintritt in Hogwarts schon sicher, dass es nicht mehr lange gehen würde und jetzt habe ich das Gefühl, dass sich die Schlinge dieser Ehe immer enger zieht. Und wenn mein Vater eines nicht mag, dann ist es eingeengt zu werden, was sie immer mehr tut. Sie versucht ja schon lange einen Keil zwischen uns zu treiben. Das wird… interessant.“
„Meinen Respekt hast du, dass du das so objektiv betrachten kannst.“, meinte Harry und zog sich die Decke über die Schultern. „Ich weiß nicht, wie es ist, Eltern zu haben, aber ich habe es mir immer so gewünscht wie Hermine oder Luna es haben. Oder die Weasleys – liebevoll, beschützend, egal wie schwierig die Umstände sind. Remus gibt mir dieses Gefühl, auch wenn er es vielleicht nicht immer sieht. Manchmal denke ich, dass er sein Licht unter den Scheffel stellt. Und manchmal sehe ich ihn wirklich als meinen Vater an, aber dann fühle ich mich ehrlich gesagt auch ein bisschen schlecht gegenüber meinem richtigen Vater. Aber deine Position,… Eltern zu haben mit so vielen Konflikten, das muss belastend sein.“
„Ich glaube, dass dein Vater, wenn er wüsste, wie sich die Welt entwickelt hat, ziemlich stolz auf Remus wäre und er auch ziemlich glücklich wäre, dass Remus seine Aufgaben so gewissenhaft übernehmen kann.“, erwiderte Anthony und Harry lächelte leicht, was der andere im Dunkeln jedoch nicht sehen konnte. „Mein Vater war immer wie eine Art Blitzableiter, deshalb weiß ich auch, wie stark er sein kann. Und deswegen warte ich und der richtige Moment wird kommen. Man muss nur geduldig sein.“
„Das stimmt.“, meinte Harry und drehte sich zu Anthony. „Gute Nacht.“
„Schlaf gut.“
Tief in der Nacht, unter einem sternenbehangenen Himmel, lief Harry eine vom Mondlicht erhellte Lichtung in einem dunklen Wald entlang. Das Mondlicht durchbrach das Blätterdach des Waldes und warf tanzende Lichtflecken auf den Boden. Die Rufe der Waldkauze in den Wipfeln der Bäume durchbrachen die Dunkelheit und ein leises Zirpen der Insekten begleitete Harrys Schritte über den moosigen Boden. Er wusste auch nicht so recht, wo er entlang lief, der Wald war ihm fremd, doch es war kein unangenehmes Gefühl, das ihn begleitete. Harry blieb kurz stehen und spitzte die Ohren, um etwaige andere Geräusche auszumachen, doch außer den Rufen der Kauze und dem Zirpen der Insekten hörte er nichts – er lief weiter und überquerte einen kleinen Bach, der seinen Weg durch den Wald gebahnt hatte. Er lief gerade um eine große Eibe herum, als er das Geräusch eines zerbrechenden Astes hörte, welches ihn herumwirbeln ließ. Er wollte zu seinem Zauberstab greifen, doch fand er ihn nicht bei sich. Er drehte sich wieder um, als er erkannte, dass hinter ihm niemand gewesen war und lief weiter. Er lief weiter und kam wieder an einem Nebenarm des Baches an, der jedoch breiter war als der Teil, den er zuvor überquert hatte. Harry setzte sich auf einen großen Stein am Wasser und beobachtete das Treiben des Wassers. Über ihm spiegelte sich der Mond auf der Oberfläche und als er genauer hinsah und sich vorbeugte, sah er, wie sich ein Geweih auf der spiegelnden Wasseroberfläche gegenüber seines Kopfes offenbarte und als er den Kopf langsam anhob und in zwei funkelnde Augen blickte –
Die Tür zum Schlafsaal flog auf und Harry hatte das Gefühl, wie durch an einem Faden wieder ins Hier und Jetzt gezogen zu werden. „Harry!“, wurde er aus dem letzten Rest des Schlafs gerissen, nachdem die Tür mit einer Intensität aufgeflogen war, die Iduna in Richtung der Tür in Angriffsstellung fauchen ließ und Anthony nun senkrecht im Bett saß, den Zauberstab bereits gezogen und auf die Tür gerichtet. Harry blickte ungläubig auf die Situation – beeindruckt von Anthonys Reflexen und verwirrt aufgrund der zwei Personen im Türrahmen.
„Ja?“, fragte er und sah Professor Flitwick und Remus fragend an.
„Du bist wohlauf.“, stellte Remus erleichtert fest und atmete langsam aus.
„Natürlich, ich hab sogar richtig gut geschlafen.“, entgegnete Harry. „Warum sind Sie hier, Professor?“, fragte er an seinen Hauslehrer gewandt. Anthony hatte seinen Zauberstab wieder zurückgelegt und blickte mit gerunzelter Stirn zwischen den beiden Professoren hin und her. Er kratzte sich am Kinn und gab ein leises „Hm“ von sich.
„Sirius Black ist wieder ins Schloss eingedrungen – und hat sich diesmal Zugang zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors verschaffen können.“, antwortete Professor Flitwick und schwang ein paar Mal den Zauberstab, bevor der zufrieden nickte. „Es ist niemand sonst hier.“
„Nun, der Ravenclaw Gemeinschaftsraum ist theoretisch der unsicherste von allen Vieren, von daher…“, begann Harry nachdenklich und zuckte mit den Schultern, als er Remus‘ Blick sah. „Wir haben nichts gemerkt.“
„Das mag sein, aber dennoch gibt es Vorkehrungen, dass nicht jeder einfach so in die Gemeinschaftsräume eintreten kann.“
„Ist überhaupt etwas passiert? Wurde jemand verletzt?“, fragte Harry, woraufhin sein Hauslehrer den Kopf schüttelte.
„Mr. Weasleys Bett wurde malträtiert, allerdings war Black nicht so wirklich an Weasley interessiert. Es war… es ist seltsam.“, meinte der Professor und Remus setzte sich auf den Stuhl an Harrys Schreibtisch.
„Neville hat vor geraumer Zeit seine Liste mit den Passwörtern verloren und Sir Cadogan hat Black, der die Liste gefunden hat, reingelassen. Es geht Ron gut, lediglich der Schock sitzt ihm noch in den Knochen. Wir verstehen absolut nicht, warum er wieder in den Gryffindorturm wollte – jedenfalls… ist er wieder aus dem Schloss verschwunden und die Sicherheitsvorkehrungen werden nochmal verschärft.“, sagte Remus und fuhr sich müde mit der Hand übers Gesicht.
„Können wir uns eigentlich sicher sein, dass Black hinter mir her ist? Das ergibt mittlerweile überhaupt keinen Sinn mehr.“, warf Harry in den Raum und die Professoren sahen ihn nur ratlos an.
„Sie… Sie wissen wirklich nichts. Sie haben wirklich keinen Plan.“, stellte Anthony trocken fest, woraufhin die beiden Professoren stumm den Kopf schüttelten. „Also nüchtern betrachtet, ist es sowohl lächerlich als auch suspekt. Harry kriegt namenlose Geschenke, Black dringt zum zweiten Mal im Schloss ein und hat diesmal Zugang zum Gryffindorturm erhalten, obwohl die Vermutung nahelag, dass er hinter Harry her war, was nun offensichtlich widerlegt ist, da er sich an Rons Bett zu schaffen gemacht hat und dabei erkannt haben müsste, dass Harry in keinem der Schlafsäle der Gryffindors war. Und wenn überhaupt, dann sollte Black ja eigentlich wissen, dass Harry keine roten Haare hat.“
„Wir stehen wirklich vor einer Wand aus Rätseln.“, erwiderte Remus. „Wir müssen die Sicherheitsvorkehrungen verstärken. Wahrscheinlich wird das Ministerium noch mehr Dementoren herschicken.“
„Hunderte Dementoren um Hogwarts herum. Super.“, kommentierte Harry trocken und ließ sich zurück in sein Bett fallen.
„Wir müssen wieder weiter. Gute Nacht, meine Herren.“, sprach Flitwick und verließ mit Remus, der den beiden ebenfalls noch eine gute Nacht wünschte, den Schlafsaal. Als die Tür zufiel blickte Harry zu Anthony herüber, der sich ebenfalls zu Harry umgedreht hatte.
„Die Sache stinkt wie Abraxanerkacke.“, meinte Anthony.
„Hast du schonmal an Abraxanerkacke gerochen?“, entgegnete Harry belustigt, woraufhin Anthony schnaubte. „Unfreiwillig.“
„Anthony…?“, fragte Harry neugierig.
„Ich bin mit etwa zehn Jahren bei einem Ausflug tatsächlich in einen Haufen von den Äpfeln gefallen.“, antwortete er, was Harry laut lachen ließ.
„Mit dem Gesicht voraus?“
„Ja.“, knirschte Anthony mit einem gequälten Gesicht. „Ich habe dreimal hintereinander baden müssen und mein Vater hat extra zwei Zaubertränke für die Badewanne in der Apotheke besorgt, weil der Gestank nicht wegzubekommen war. Es hat sich herausgestellt, dass die Abraxaner junge Robinien gefressen haben – normale Pferde wären daran gestorben, die Abraxaner hatten nur den Schiss des Todes.“
Harry kugelte sich vor Lachen im Bett bei der Vorstellung, woraufhin Anthony nur leise „Haha“ meinte, jedoch dann selbst mitlachen musste. Nach einer Weile, als sie sich wieder beruhigt hatten, verschränkte Harry die Arme hinter seinem Kopf und sah zum Fenster raus. „Die Sonne geht jeden Moment auf.“
„Oh, der verlorene Schlaf – er hätte ein Traum werden können.“
~oOo~
Harry lief gebückt mit einem kleinen geflochtenen Korb die hellen Lichtungen des Verbotenen Waldes entlang und pflückte die frisch aufgegangenen Veilchenblüten, die sich in großen Kissen über den Waldboden erstreckten und summte leise vor sich hin. Er wollte einen Teil der Blüten für Tinkturen ansetzen, einige der Blüten in Öl für Salben einlegen und einen Teil trocknen. Der Traum von der vorigen Nacht, bevor er von Remus und Professor Flitwick geweckt wurde, beschäftigte ihn – warum hatte sich der Hirsch ihm im Traum offenbart? Und was wollte er ihm mitteilen? Interpretierte er zu viel in den Traum? Harry war sich sicher, dass der Traum irgendetwas bedeuten musste.
Langsam ging er auf die Knie und begann ein großes Polster der Blüten abzuernten und legte sie in ein Stofftuch in seinem Korb, als er lautes Hufgetrappel hörte, das näher kam. Er blickte hoch und sah die Zentauren vorbeitraben, woraufhin sie bei seinem Anblick kurz stehenblieben. Er sah Firenze, der ihn mit einem ernsten Blick fixierte. Harry neigte kurz den Kopf und lächelte den blonden Zentauren an, woraufhin dessen Blick ein wenig weicher wurde und er Harry ebenfalls zunickte. Die Zentauren liefen weiter und er fuhr mit dem Sammeln der Waldveilchen fort. Hedwig flog ihre Runden durch die Bäume, mit einem steten Blick auf Harry, und Edd krabbelte zwischen den Hecken entlang, auf der Suche nach Insekten oder Feeneiern.
Die Stunden zogen ins Land. Harry war, nachdem er genügend Veilchenblüten gesammelt hatte, dazu übergegangen, einige Veilchenwurzeln zu ernten, um diese für Zaubertränke zu trocknen und konnte ebenfalls einige Blüten und Wurzeln der Schlüsselblumen sammeln. Er genoss die Ruhe im Wald, die einzelnen Sonnenstrahlen, die die Lichtungen erhellten, während er sich der meditativen Arbeit hingeben und seine Gedanken fliegen lassen konnte.
Harry hatte sich bewusst nach dem Frühstück aus dem Schloss zurückgezogen. Da es Samstag war, war keiner der Schüler mit Unterricht abgelenkt, was bedeutete, dass das Thema Sirius Black in allen Ecken der Korridore in der Luft hing. Er hatte beim Frühstück nur mitbekommen, dass Sir Cadogan von seinem Posten verwiesen wurde und die Fette Dame in ihr altes Portrait zurückgekehrt war – da durch Dumbledores Anweisung nun zwei große Trolle Sicherheitspatrouillen auf dem Gang des Portraits liefen. Laut Anthony, dessen Neugierde zu groß war, blickten die beiden Trolle etwas griesgrämig drein und verglichen alle paar Meter ihre Knüppel miteinander, aber sie waren nicht annähernd so duftend und unästhetisch, wie er es ausgedrückt hatte, wie der Bergtroll in ihrem ersten Schuljahr. Harry hatte daraufhin nur geschmunzelt und sich anschließend von ihm und Luna verabschiedet.
Am frühen Morgen auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum sah er, wie Professor Flitwick die Tore des Schlosses verzauberte und ihnen beibrachte, Sirius Black zu erkennen, was Harry ehrlich gesagt ziemlich cool fand – Professor Flitwick hatte irgendetwas an sich, was er nicht so recht beschreiben konnte, aber was ihn durchaus begeisterte; vielleicht war es diese Mischung aus ‚cool‘ und ‚bieder‘ zugleich.
Schlussendlich war im Großen und Ganzen der Tag trotz des Trubels im Schloss für Harry weitestgehend entspannt verlaufen und als er den Glockenschlag hörte, bemerkte er, dass er das Mittagessen komplett verpasst hatte und es bereits nachmittags war. Er klopfte sich den Dreck von den Knien, sammelte den Bowtruckle wieder ein und lief mit Hedwig auf den Schultern wieder zum Wald raus in Richtung der Gewächshäuser, um Schaufel und Messer zurückzubringen.
Als er zum Schloss hochlief, sah er von Weitem Hermine mit Krummbein auf dem Schoß auf einem großen Stein sitzen und mit betrübtem Gesichtsausdruck über die Ländereien blicken, während sie gedankenverloren Krummbein streichelte.
„Hey.“, sprach sie ihn an, als er auf sie zulief. „Du warst gar nicht beim Mittagessen.“
„Hey. Nein, ich habe die Zeit vergessen.“, meinte er und deutete auf seinen Korb.
„Veilchen und Schlüsselblumen. Für Zaubertränke?“, fragte sie und blickte neugierig in den Korb hinein. Harry nickte und stellte den Korb neben sich ab. „Ja, auch. Ich muss sie gleich in Öl und Weingeist ansetzen, dann können wir uns unterhalten, wenn du magst. Willst du mitkommen?“, fragte Harry, woraufhin Hermine nickte. „Wir müssen nur irgendwo hin, wo wir beide in Ruhe arbeiten können.“
„In zehn Minuten im Klo der Maulenden Myrthe?“, schlug Hermine vor und nachdem er zugestimmt hatte liefen sie ins Schloss zurück. Nachdem er alles Nötige im Schlafsaal geholt hatte, machte er sich auf den Weg zum besagten Mädchenklo.
Hermine war bereits dort angekommen und hatte eine große Decke auf dem Boden ausgebreitet. Als Harry ankam, fiel sein Blick auf das Waschbecken, das den Eingang zur Kammer des Schreckens verbarg, woraufhin er sich kurz schüttelte und sich zu Hermine auf die Decke setzte. Er holte einige Schalen und Gläser hervor und breitete alles vor ihnen aus. Hermine füllte eine der Schalen mit Wasser und begann am Waschbecken die Wurzeln zu säubern, während Harry die Blüten durchsah und in die entsprechenden Gläser füllte, wo er sie mit Weingeist und Öl übergoss, zukorkte und mit einer Schnur fest zuknotete. Hermine war unterdessen dazu übergegangen, die Wurzeln trocken zu tupfen und mit Nadel und Faden aufzufädeln, sodass Harry sie zum Trocknen in den Schlafsaal hängen konnte. Lange saßen sie schweigend auf der Decke und arbeiteten konzentriert vor sich hin, als Harry, nachdem er das letzte Glas verschlossen hatte, zu Hermine blickte und sie nachdenklich ansah.
„Du hast vorhin ziemlich betrübt ausgesehen.“, sagte er und begann kleine Zettel für die Gläser und Wurzeln zu beschriften.
„Ich… war auch betrübt.“, antwortete sie und reichte Harry das letzte Bündel aufgefädelter Wurzeln, an welches er die entsprechenden Zettel heftete.
„Was ist los?“
„Ron.“, seufzte sie und lehnte sich an das Holz der Klokabine hinter ihr zurück. Harry zog eine Augenbraue hoch und deutete ihr an, weiterzusprechen. „Die letzten Wochen hatten wir durchgehend Streit, weil Krummbein komplett auf seine Ratte fixiert ist – als wäre sie sein Erzfeind. Und ich kann den Kater einfach nicht vierundzwanzig Stunden kontrollieren und jetzt ist seine Ratte auch noch verschwunden. Er behauptet, Krummbein hat sie gefressen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht der Fall ist, Krummbein frisst keine Ratten. Dass er seit gestern Nacht auch noch der Held von Gryffindor ist, macht es nicht wirklich besser.“
„Held?“, fragte Harry verwirrt.
„Naja, Black hat die Vorhänge seines Himmelbettes regelrecht zerfetzt und da Ron diesen Angriff von Black überlebt hat, ist er jetzt der Held. Und das macht unseren Streit nicht einfacher.“
„Wirst du deswegen angefeindet?“
„Nein, aber es ist anstrengend, weißt du? So viele Aufgaben, die ich erledigen muss, die Sache mit Seidenschnabel und Hagrid nimmt Zeit in Anspruch und jetzt das mit Ron. Ich bin…“, sprach sie und hielt inne.
„Müde?“, fragte Harry mit einem schrägen Lächeln und Hermine nickte.
„Manchmal frage ich mich, wie du das alles machst.“, meinte sie und sah Harry nachdenklich an.
„Was?“
„Schule, der Trubel um dich, das Private,… nebenher Hogwarts retten.“
„Wenn wir ehrlich sind, dann investiere ich nicht so viel Zeit in die Schule wie du – ich habe die Fächer, die mir Spaß machen und die mich interessieren und die, die ich einfach mache, weil ich sie machen muss. Den Trubel, den blendet man aus. Das Private? Wir sitzen hier, arbeiten etwas, lernen und unterhalten uns – du, Anthony und Luna seid mein Privatleben. Die Abenteuer der letzten Jahre waren da gefühlt auch eher Begleiterscheinung, die wir, nur zur Erinnerung, zusammen bewältigt haben.“
„Da hast du Recht. Ich hätte vielleicht auch nicht so viele Kurse wählen sollen.“
„Du hättest nicht alle Kurse wählen sollen. Du bist in der Muggelwelt aufgewachsen – warum wählst du das Fach dann noch?“
„Aus Interesse am Blickwinkel der Zauberer auf die Muggelwelt.“
„Und sei ehrlich, ist es wirklich interessant?“
„Nicht wirklich.“
Harry lächelte sie an und begann die Schalen auszuspülen. „Du bist die Beste in unserem Jahrgang, es kursiert schon die Aussage, dass du das hellste Köpfchen aktuell an der ganzen Schule bist. Du weißt, was du kannst und weißt, oder?“
„Ja, das weiß ich.“
„Dann weißt du auch, was du fallen lassen kannst, um auf dich zu schauen. Du musst niemandem etwas beweisen, wenn du dir selbst schon bewiesen hast, was du alles kannst.“ Hermine sah Harry nachdenklich an, als dieser sich wieder hinsetzte und die Schalen und Schüsseln begann abzutrocknen und in seiner Tasche zu verstauen.
„Ich hatte in der Grundschule nie wirklich Freunde, aber von den Lehrern kam so viel Anerkennung, die das Ganze wieder wett gemacht hat.“
„Da haben wir was gemeinsam. Nur, dass ich die Leistung nicht zeigen durfte.“, entgegnete Harry und lächelte. „Du bist mehr als Leistung, weißt du das? Du hast Seiten an dir, die anderen vielleicht manchmal auf die Nerven gehen, aber du bist so viel mehr als nur der Bücherwurm und die Klassenbeste.“
„Wann bist du so weise geworden, Harry?“, fragte Hermine schmunzelnd und Harry zuckte mit den Schultern.
„Luna färbt ab.“, entgegnete er und grinste. „Es sind teilweise die gleichen Baustellen wie bei mir.“
„Luna hat interessante Gedanken.“, murmelte Hermine und kratzte sich am Kinn. „Seltsame Gedanken, aber interessant. Manchmal, das muss ich zugeben, denke ich, dass sie kompletten Stuss von sich gibt, aber dann hat sie wieder diese Art an sich, die einem wieder Hoffnung macht.“
„Sie überrascht mich auch immer wieder.“, meinte Harry daraufhin und hielt Hermine die Hand hin, um sie auf die Beine zu ziehen. „Was machen wir jetzt?“
„Ich müsste noch zwei Aufsätze schreiben. Und du?“
„Zaubertränke, Astronomie und Runen steht bei mir noch an. Ich würde mein Zeug wieder hochbringen und wir können uns gerne in der Bibliothek in zwanzig Minuten treffen. Anthony ist bestimmt auch mit dabei.“
Hermine stimmte kurz zu, faltete die Decke zusammen und verließ mit Harry das Mädchenklo, als die Maulende Myrthe gerade ihren Kopf aus der Kloschüssel heraussteckte und jammerte, dass die beiden schon wieder am Gehen waren.
~oOo~
Luna erzählte Harry und Anthony beim Abendessen gerade vom neuesten Artikel des Klitterers, als lautes Lachen am Gryffindortisch ausbrach. Harry runzelte die Stirn und versuchte die Ursache des Lachens ausfindig zu machen, doch die Traube der Gryffindors am Tisch war zu eng.
„Was ist da?“, fragte er und streckte den Kopf.
„Neville hat einen Heuler bekommen.“, antwortete Anthony und grinste. „Drei…zwei…eins…“
„NEVILLE LONGBOTTOM!“, begann der leuchtend rote Brief loszukeifern und Harry sah, wie Neville kreidebleich auf seinem Platz zusammensank und den Kopf, der langsam hochrot anlief, in seinen Händen vergrub. Die Schimpftirade seiner Großmutter hielt eine ganze Weile an und wenn Harry den Heuler von Mrs. Weasley beeindruckend fand, so hatte Nevilles Großmutter eine ganz neue Definition von beeindruckend eröffnet – und das nicht im positiven Sinne. Als der Brief in Flammen aufgegangen war, war noch vereinzeltes Lachen zu hören, während Neville mit zitternden Händen am Tisch saß.
„Das war hart. Die Frau ist ja grausam.“, murmelte Harry und schob sein Essen zur Seite. Er sah wie Hermine ihre Hand auf Nevilles Schultern legte und auf ihn einredete, doch der Gryffindor saß wie versteinert an seinem Platz und starrte auf die Tischplatte, alle Augen auf ihn gerichtet. Harry seufzte leise, stand auf und lief zum Gryffindortisch herüber, tippte Neville an der Schulter an, woraufhin dieser ihn vorsichtig ansah und die Lippen zusammenpresste. Harry nickte in Richtung des Ausgangs. „Komm.“, meinte er leise und zog Neville am Oberarm hoch, der erstaunlicherweise direkt aufstand und Harry aus der Halle folgte. Hermine packte ein paar belegte Brote und Äpfel in Servietten und lief ihnen hinterher, woraufhin Anthony und Luna aufstanden und ebenfalls die Halle verließen.
„Augusta macht es Neville nicht einfacher.“, meinte Remus leise, nachdem die meisten Schüler sich wieder ihrem Abendessen gewidmet hatten, woraufhin Professor Sprout seufzte und den Kopf schüttelte. „Sie war noch nie… einfach.“
„Es war absolut fahrlässig und einfältig, die Passwörter für den Gemeinschaftsraum auf Papier zu schreiben und sie dann auch noch zu verlieren – aber sie übertrifft sich oft selbst, das stimmt.“, entgegnete Professor McGonagall, während sie nachdenklich mit dem Finger über den Rand ihres Glases fuhr. „Diese öffentlichen Heuler sind auch nicht wirklich angenehm.“
„Mr. Longbottom ist in besten Händen.“, warf Dumbledore ein und lächelte. „Und diese Heuler sind wirklich furchtbar altmodisch – ich hatte gehofft, dass sie irgendwann aus der Mode geraten würden.“
Harry blickte sich kurz im rechten Flügel des Korridors im dritten Stock um und öffnete mit einem leisen Alohomora die Tür. Als die anderen ebenfalls in dem dunklen Zwischenkorridor ankamen, entflammten sich die Fackeln an den Wänden und hüllten den Korridor in ein schummriges Licht. Im entferntesten Winkel des Korridors setzten sie sich unter einer der Fackeln auf den Boden und sahen Neville aufmunternd an.
„Interessante Raumwahl.“, meinte Luna nachdenklich und blickte sich um.
„Das war in unserem ersten Jahr der Verbotene Korridor.“, meinte Anthony und Lunas Augen leuchteten begeistert auf. „Hinter der Tür dort –“, er deutete auf die Tür ein paar Meter weiter, „ – war der Cerberus, der die Falltür zu den Untergrundkammern bewachte, wo der Stein der Weisen lag.“
„Spannend.“, entgegnete sie und legte eine große Serviette vor sich auf den Boden, wo sie ein paar Sandwiches und Kekse aus ihren Taschen darauf ablegte. Hermine packte ebenfalls ihr eingepacktes Essen aus und Anthony packte ebenfalls aus, was er eingesteckt hatte. Schweigend begannen sie zu essen, bis Neville, der gerade den letzten Biss seines Sandwiches runtergeschluckt hatte, zu Harry blickte und tief ein- und ausatmete.
„Harry.“, begann er. „Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen, indem ich die Passwortliste verliere. Ich… konnte mir diese ganzen Passwörter von diesem dummen Ritter einfach nicht merken und… Ich habe die Gerüchte gehört, dass Black möglicherweise hinter dir her ist und… es tut mir wirklich leid.“
„Mach dir kein Kopf, Neville. Ich bin dir nicht böse, absolut nicht.“, entgegnete Harry und drückte ihm ein weiteres Sandwich in die Hand. „Black ist zum zweiten Mal ins Schloss gekommen und hat diesmal seinen Zugang zu Gryffindor bekommen – mit dem Ergebnis, dass er Rons Bett zerfetzt hat und offensichtlich erkennen konnte, dass ich nicht dort wohne. Also… auch wenn es eine beschissene Situation für Gryffindor ist, du hast mich nicht in Gefahr gebracht.“
„Danke.“, murmelte der Gryffindor und biss in sein Sandwich.
„Was hat McGonagall nach dem Mittagessen mit dir besprochen?“, fragte Hermine ihn vorsichtig.
„Sie hat mir die Besuchsrechte für Hogsmeade für den Rest des Jahres entzogen und meine Großmutter informiert.“
„Madig.“, meinte Anthony, während er sich die Krümel vom Pullover klopfte.
„Und danke fürs Retten.“, meinte Neville mit einem gequälten Grinsen, woraufhin die anderen nur lachten und sich über die Kekse hermachten.
„Ich frage mich, Harry, wieso wir nicht schon früher auf die Idee gekommen sind, uns abgesehen von der Bibliothek nicht auch hier zu treffen – niemand benutzt den Korridor und der Raum mit der Falltür ist auch leer.“, sprach Anthony nachdenklich und Hermine zog die Augenbraue hoch. „Er hat Recht, wir hätten da früher drauf kommen können. Dann können wir auch auf Myrthes Klo verzichten.“
„Super.“, meinte Harry begeistert. „Dann machen wir es uns hier einfach gemütlich, bis es etwas Besseres gibt.“
Nachdem sie ihr Abendessen beendet, über die anstehenden Aufsätze und Rons neuen Heldenstatus diskutiert hatten, packten sie ihre Sachen zusammen und schlossen die Tür zum Korridor hinter sich wieder zu. Gemeinsam liefen sie bis zur großen Treppe, wo sie sich voneinander verabschiedeten und in Richtung ihrer jeweiligen Haustürme liefen.
„Neville hat es echt nicht einfach.“, meinte Anthony leise, als sie Treppen hochliefen.
„Ein hürdenloser Weg bringt selten Wachstum mit sich.“, entgegnete Luna und gab dem Türklopfer zum Gemeinschaftsraum die richtige Antwort, um eintreten zu können.
„Das stimmt allerdings.“, gab Anthony zu und steuerte mit Harry und Luna auf eines der Sofas zu. Als sie sich gesetzt hatten, merkten sie, wie es nach einer Weile im Gemeinschaftsraum stiller wurde und eine mittelalterlich klingende Melodie den Raum erfüllte. Als sie sich umdrehten sahen sie drei ihrer Mitschülerinnen mit zwei Flöten und einer Schalmei in der Hand in einer Ecke des Gemeinschaftsraumes sitzen. Begleitet wurde die Melodie von zwei Jungs, die Harfe und Trommel spielten.
„Seit wann wird hier Musik gespielt?“, fragte Harry leise an Anthony gerichtet.
„Wenn ihr nicht nur in der Bibliothek und im Wald leben würdet, würdet ihr auch mitbekommen, was Ravenclaw alles zu bieten hat.“, kam es leise hinter Harry, der kurz zusammenschreckte und Robert sah, der ihn angrinste. „Das sage ich euch seit mehr als zwei Jahren.“ Harry schnaubte schmunzelnd und rutschte ein wenig zur Seite, dass Robert sich neben ihn setzen konnte.
Der Schwarzhaarige legte seinen Kopf auf dem Arm ab, den er auf die Lehne des Sofas gelegt hatte, und lauschte gespannt der Musik. Er sah, wie die einige der Ravenclaws im Gemeinschaftsraum ebenfalls konzentriert der Musik folgten, vereinzelt nebenher weiterarbeiteten und, sehr zu Harrys Vergnügen, sah er, wie ein paar Schülerinnen und Schüler zu tanzen begannen. Luna stand ebenfalls mit geschlossenen Augen beim Kamin und tanzte für sich, vollkommen im Rhythmus der Musik, die Umwelt komplett ausgeblendet. Ihr Tanz wirkte unbeschwert und frei, was Harry seufzend lächeln ließ. Er wünschte sich diese Unbeschwertheit auch für sich. Er schloss die Augen und ließ sich von der Musik mitnehmen, auf eine Reise, die Bilder von Waldspaziergängen, Tänzen und Feierlichkeiten in alten Tavernen vor seinem inneren Auge aufleben ließ.
Als Harry die Augen nach einigen Liedern öffnete sah er, wie einige Weitere sich den Tanzenden angeschlossen hatten und merkte, dass andere sich bereits in ihren Schlafsaal zurückgezogen haben mussten. Robert saß ebenfalls mit geschlossenen Augen und einem breiten Lächeln neben ihm und folgte mit seinem Kopf langsam dem Takt der Musik, während Anthony ebenfalls mit geschlossenen Augen neben Harry auf dem Sofa saß und mit seiner Hand dem Takt der Musik folgte. Luna hatte sich neben den Kamin auf den Boden gelegt und sah den Musikern gespannt beim Spielen zu. Als die große Pendeluhr im Gemeinschaftsraum zehn Uhr schlug, spielten sie ihr letztes Lied und verbeugten sich kurz, während alle anderen Beifall klatschten.
„Wie oft kommt sowas vor?“, fragte Harry leise an Robert gewandt.
„Ab und zu, nicht allzu häufig.“, antwortete dieser, woraufhin Harry lediglich nickte und sich die Augen rieb.
„Ich geh schlafen.“, meinte er nur, stand auf und verabschiedete sich Luna und Robert. Anthony sprang von der Couch auf, verabschiedete sich ebenfalls und lief mit Harry die Treppen zum Schlafsaal hoch. „Du musst wegen mir nicht mitkommen, das weißt du?“, meinte er, als sie die Treppen hochliefen.
„Ich bin aber auch müde.“, entgegnete Anthony empört und sah Harry vorwurfsvoll an. „Ich richte meinen Schlafrhythmus nicht nach dir aus, auch wenn du das vielleicht gerne hättest.“
„Du lebst für das Drama, oder?“, meinte Harry schmunzelnd, woraufhin Anthony lachte.
„Absolut.“
~oOo~
Harry kontrollierte die Karte des Rumtreibers und vergewisserte sich noch einmal, dass niemand in seiner Nähe war – seit dem Vorfall von Blacks erfolgreichem Einbruch wurden die Patrouillen der Lehrer verschärft und Filch hatte sämtliche ihm bekannten Geheimgänge versperrt. Glücklicherweise war einer dieser Geheimgänge nach wie vor noch geheim. „Dissendium.“, flüsterte er und tippte mit der Spitze seines Zauberstabes den Buckel der Einäugigen Hexe an, woraufhin diese den Weg nach Hogsmeade freigab. Er schlüpfte hindurch, verschloss den Zugang wieder und lief zügig in Richtung des Dorfes. Auf eine gewisse Art und Weise fühlte er sich schlecht, dass er die Möglichkeit der Karte so ausnutzte und Remus‘ Nachwehen des Vollmonds ihm die Zeit verschafften heimlich nach Hogsmeade zu gehen.
Seit dem Tag, an dem Neville den Heuler seiner Großmutter bekommen hatte, war eine ganze Woche vergangen, in der er mit regem Interesse beobachtete, wie sich diverse Dynamiken veränderten – Neville hat sich in Gryffindor weitestgehend zurückgezogen, es schien Harry, als dass Hermine, Ginny und die Zwillinge die einzigen waren, die Neville noch in irgendeiner Form ernst nahmen. Der Heuler und die Tatsache, dass Neville der Grund dafür war, dass Black in Gryffindor eindringen konnte, hat ihn zum Gespött und Außenseiter seiner Hauskameraden gemacht. Harry hatte ihn unter der Woche ein paar Mal in den Gewächshäusern angetroffen, wo er Extraarbeiten für Professor Sprout erledigte und einige Male hat er sich zu Harry in die Bibliothek gesetzt – einer der drei Orte, neben dem Gewächshaus und dem Korridor im dritten Stock, an denen er seine Ruhe hatte.
Als Harry nach einer Weile im Keller des Honigtopfes ankam, warf er sich den Tarnumhang über und schlich sich leise durch den Keller hoch in den Verkaufsraum. Vorsichtig packte er sich ein paar Süßigkeiten in seine Tasche, legte heimlich das Geld neben die Kasse, wo gerade noch die Verkäuferin stand und verließ den Laden, ohne weiteres Aufsehen zu erregen. Schmunzelnd holte er sich einen Schokoriegel aus der Tasche, biss genüsslich hinein und lief durch Hogsmeade in Richtung der Heulenden Hütte, wo er sich mit Hermine und Anthony treffen wollte. Beim Schlendern durchs Dorf fiel ihm auf, wie viele seiner Mitschüler wirklich in Hogsmeade waren und neugierig sah er durch das Schaufenster des Friseursalons, wo er zwei ältere Ravenclaws entdeckte, die sich gerade die Haare schneiden ließen.
Normal. Es war normal, dass sie zum Friseur gehen und sich ohne Sorgen die Haare schneiden lassen, durch den Bücherladen schleichen oder sich ein paar Süßigkeiten kaufen und ein Butterbier gönnen konnten. Sie konnten ganz normal leben. Leise seufzte er und lief die Straßen weiter entlang. Eigentlich wollte er einen schönen Tag im Dorf verbringen, aber seine Stimmung war dezent auf der Kippe, wenn er sah, wie die anderen einfach Spaß haben konnten und er sich unter seinem Umhang verstecken musste. Es war kein normaler Spaß. Es gab immer irgendwelche Ereignisse, Gründe oder Ungereimtheiten, weswegen normal für ihn nicht möglich war. Er mochte das Wort nicht, hatte es bei den Dursleys zu oft gehört, zu oft gezeigt bekommen, dass das Wort auf ihn nicht zutraf. In gewisser Weise hatten sie auch recht, auch wenn er als Zauberer hier in dieser Welt normal war, so traf das Drumherum bezüglich seines Lebens im Sinne von normal nicht wirklich zu.
Egal, dachte sich Harry und schüttelte sich kurz zurecht. Er schob die schlechten Gedanken beiseite und biss von seinem Schokoriegel ab. Auf dem Weg zur Heulenden Hütte sah er von Weitem, wie Anthony und Hermine am Zaun standen, der das Grundstück zur Heulenden Hütte markierte, und sich leise unterhielten. Er sah ebenfalls, wie sich aus der Nähe des Waldes Malfoy, Crabbe und Goyle auf die beiden zuliefen und anfingen zu pfeifen.
„Wenn das mal nicht das Schlammblut und die Heulsuse sind – schaut ihr euch nach einer neuen Wohnung um? Der Name der Hütte passt ja schon zu dir, Goldstein.“, spottete Malfoy, woraufhin Crabbe und Goyle anfingen zu lachen. Anthony blickte Malfoy kalt an, Hermine schnaubte und drehte sich langsam um.
„Halt den Rand, Malfoy.“, zischte Anthony und lief langsam auf Malfoy zu. „Ohne deine zwei Affen im Schlepptau hast du nicht so ein großes Mundwerk. Sind sie auch immer brav für dich da? Oder wer beschützt dich sonst vor dem… dunklen Schatten unter deinem Bett – oder… vor dem Irrwicht im Schrank? Wir wissen beide, wer der Irrwicht war.“, flüsterte er zum Schluss mit einem kalten Lächeln. Malfoy wurde ein Stück blasser, als er es bereits schon war und lief kurz darauf vor Wut dunkelrot an – Crabbe und Goyle knackten bereits mit ihren Knöcheln und machten sich auf ein Kommando bereit.
„Das wirst du bereuen, Goldstein.“, zischte er und zog seinen Zauberstab, allerdings hatte Hermine ihren Zauberstab schneller gezogen und Malfoys Bewegung mit einem Impedimenta kurzzeitig festgehalten, woraufhin Anthony ebenfalls seinen Zauberstab gezogen hatte. Allerdings kam es gar nicht so weit, denn Crabbe und Goyle wurden von hinten auf Malfoy gestoßen, was zu einem lauten Aufschrei führte. Die Drei sprangen hoch und wollten auf Hermine und Anthony losgehen, allerdings stolperten sie direkt wieder nach vorne und landeten auf der Nase – ein an sich lustiger Anblick, wäre nicht die Tatsache gewesen, dass Malfoy bei seinem Flug nach vorne dummerweise Harry, der Malfoy das Bein gestellt hatte, den Umhang vom Kopf zog und einen kurzen Augenblick sein Gesicht offenbarte.
„Potter!“, rief Malfoy überrascht und sprang hoch. „Mach dich auf was gefasst!“ Damit rannten die drei Slytherins ins Dorf zurück.
„Scheiße.“, fluchte Harry und zog sich kurz den Umhang vom Kopf, um seine beiden Freunde anzuschauen.
„Danke für die noble Rettung – aber du hast jetzt ein kleines, blondes Problem am Hals.“, entgegnete Anthony trocken.
„RENN!“, rief Hermine und scheuchte ihren Freund los, der unter seinem Tarnumhang durch das Dorf sprintete und im Honigtopf verschwand, in den Keller lief und durch den Geheimgang rannte. Beim Rennen öffnete er die Karte des Rumtreibers und bedankte sich in Gedanken einmal kurz bei Bodkin für das intensive Quidditchtraining der letzten Wochen.
Nach ein paar Minuten kam er im Schloss an, kontrollierte den Ausgang des Geheimgangs und rannte immer noch unter dem Tarnumhang versteckt durch das Schloss. Er sah, dass die drei Slytherins noch nicht im Schloss angekommen sein mussten, da der Geheimgang kürzer war als oberirdische Weg ins Dorf und verschwand im Gemeinschaftsraum, der zu seinem Glück leer war. Hastig warf er den Tarnumhang tief in seinen Koffer in eines der Geheimfächer, verschloss diesen und ging ins Bad, um sich zu waschen. Nachdem er wieder Luft bekam, eine gesunde Gesichtsfarbe angenommen hatte und frisch angezogen war, lief er mit einem Buch im Arm und Edd auf den Schultern die Treppen runter und setzte sich auf eines der Sofas. Er schlug das Buch wahllos an einer Stelle auf, als würde er lesen, und lehnte sich zurück in die weichen Polster. Keine zehn Minuten später schwang die Tür zum Gemeinschaftsraum auf und Professor Snape betrat den Gemeinschaftsraum, mit einem Gesichtsausdruck den Harry zwischen fuchsteufelswild und mordlustig genau in der Mitte einordnen würde.
„Potter.“, spie Snape ihm kalt entgegen und lief langsam auf ihn zu. „Mr. Malfoy hat mir soeben berichtet, dass er Sie in Hogsmeade entdeckt hat.“
Der Blick des Lehrers bohrte sich in Harrys Kopf, doch dieser wich ihm kurzzeitig aus und legte den Kopf runzelnd schief. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich darf nicht nach Hogsmeade.“, entgegnete Harry, was seinen Lehrer nur noch gefährlicher dreinblicken ließ. Die schwarzen Augen verengten sich beinahe zu Schlitzen und Snape trat einen Schritt weiter auf Harry zu.
„Lügen Sie mich nicht an, Potter. Es überrascht mich nicht, dass Sie genauso verlogen und arrogant sind wie Ihr Vater es war.“, warf er dem ihm an den Kopf, doch Harry zog nur eine Augenbraue hoch. Er musste das jetzt so ruhig wie möglich durchziehen, sonst war er verloren. „Ich bin nicht wie mein Vater. Was auch immer für Probleme Sie mit ihm hatten, ich bin nicht dafür verantwortlich.“
„Taschenkontrolle.“, ordnete Snape nach einer kurzen Pause an und Harry schluckte. Die Anspannung in der Luft war so dick, dass er das Gefühl hatte, sie mit einem Messer in Scheiben schneiden zu können, um sein Brot am Abend damit zu belegen. „Jetzt.“
Harry stand auf und lief zum Schlafsaal hoch, Snape direkt hinter ihm. Dieser ließ seinen Blick durch den Schlafsaal gleiten und als sein Blick an den aufgefädelten Wurzeln und diversen Kräuterbündeln, die an einem schattigen Platz an der Wand hingen, wanderte dessen Augenbraue kurz nach oben. Harry deutete auf seinen Koffer und die Tasche, woraufhin Snape den Koffer durchsuchen wollte, jedoch von diesem, als er ihn aufmachen wollte, zurückgestoßen wurde und mit wütendem Blick zu Harry sah. „Was soll das?“
„Ganz vergessen.“, meinte Harry beiläufig unschuldig und öffnete den Koffer. Snape blickte in den Koffer und schnaubte unzufrieden. Er schwang seinen Zauberstab, doch nichts kam aus dem Koffer heraus. Er nahm sich Harrys Tasche und leerte sie auf dem Boden aus, woraufhin ein paar Süßigkeiten, zwei Bücher, ein paar Bleistifte und Federkiele, ein Tintenfass und… die Karte herausfielen. Snape sah Harry mit zusammengekniffenen Augen an und hob die Karte vom Boden auf. Mit einem Schwung seines Zauberstabes flog der Rest wieder in die Tasche zurück und er hob die Karte vor Harrys Gesicht. Er drückte sie Harry in die Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist das?“, fragte er langsam, mit einem gefährlichen Unterton.
„Ein Stück Pergament.“, antwortete Harry nüchtern.
„Ein Stück Pergament.“, wiederholte Snape trocken. „Schauen wir mal, was für ein Pergament das ist.“ Harry schluckte. „Offenbare dich!“, sprach der, doch es passierte nichts. „Enthülle dein Geheimnis!“, befahl er, doch es passierte wieder nichts. Er tippte mit der Spitze seines Zauberstabes auf das Papier und befahl der Karte erneut, sich zu offenbaren, gefolgt von einem Enthüllungszauber und Harry riss die Augen auf, als wie von Geisterhand Wörter in einer sauberen Handschrift geschrieben wurden.
‚Mr. Moony möchte Professor Snape beste Grüße ausrichten und ihn dennoch bitten, sein abnormal großes Riechorgan aus anderer Leute Angelegenheiten herauszuhalten.‘
Harry schluckte hart, als er die Wörter las. Er blickte von der Karte zu Snape und wieder zurück. Snape stand wie versteinert vor ihm und blickte mit großen Augen auf weitere Wörter, die darunter erschienen.
‚Mr. Krone möchte an dieser Stelle Mr. Moony zustimmen und hinzufügen, dass Professor Snape ein miesepetriger Depp ist.‘
Harry hätte gerne gelacht, doch die Situation ließ es nicht zu, dass er lachen konnte – und die Worte hörte nicht auf.
‚Mr. Tatze möchte an dieser Stelle noch anmerken, dass es wirklich bedenklich ist, dass solch ein Vollidiot überhaupt Professor werden durfte.‘
Leider waren zu Harrys Unbehagen nicht alle guten Dinge drei… sondern vier:
‚Mr. Wurmschwanz wünscht Professor Snape einen wunderschönen guten Tag und rät dem alten Schleimbolzen, sich zur Abwechslung auch mal die Haare zu waschen.‘
Harry sah wieder von der Karte zu Snape und er war sich sicher, wenn Blicke töten konnten, dann wäre es in diesem Fall keine Metapher gewesen.
„Was fällt Ihnen eigentlich ein?“, fragte Snape wütend und Harry ging einen Schritt zurück.
„Sie sehen, dass ich das nicht geschrieben habe.“, entgegnete er und faltete das Pergament wieder zusammen. „Sie kennen meine Handschrift.“
„Mitkommen.“, meinte Snape, nahm Harry die Karte aus den Händen und stürmte aus dem Schlafsaal. Harry folgte dem Zaubertränkeprofessor und schluckte noch mehr als sie in Richtung Remus‘ Büro liefen, wo sie nach ein paar Minuten ankamen. Nachdem Snape ein paarmal geklopft hatte, öffnete Remus die Tür und runzelte die Stirn.
„Lupin.“, sprach Snape in seiner öligen Manier. „Es gibt hier ein kleines… Erziehungsproblem.“ Remus öffnete die Tür weiter und ließ die beiden eintreten. Remus suchte Harrys Blick, der diesem jedoch auswich und auf den Boden schaute. Er konnte dem Werwolf nicht in die Augen schauen – er wusste, was er verbockt hatte.
„Was ist passiert?“, fragte Remus ruhig.
„Mr. Malfoy kam vorhin zu mir und hat mir berichtet, dass Potter in Hogsmeade gesehen wurde. Natürlich dementiert Potter diese Tatsache, was allerdings anzuzweifeln ist. Bei einer Taschenkontrolle habe ich dieses Pergament hier gefunden… Offensichtlich wurde fragwürdige Magie darin verarbeitet und hat… folglich nichts in den Händen von Schülern zu suchen.“
Remus runzelte die Stirn und warf einen stechenden Blick zu Harry, der wieder auf den Boden blickte. Er nahm die Karte entgegen und drehte sie nachdenklich in seinen Händen um. Als er die Worte las, die auf der Karte standen, konnte Harry kurz erkennen, dass Remus die Nasenflügel aufblähte und schmunzelte.
„Nun, ich gehe davon aus, dass es sich um einen Scherzartikel von Zonko handelt. Ein Pergament, dass Unbefugte beleidigt, die versuchen, es zu lesen.“, meinte der Werwolf und fügte hastig hinzu, als Snape nach dem Pergament greifen wollte, dass er sich weiterhin um die Sache kümmern und das Pergament untersuchen werde. Snape nickte nur und verschwand mit wallendem Umhang aus Remus‘ Büro. Die Tür fiel schwer ins Schloss und Stille erfüllte das Büro. Harry schluckte und trat von einem Fuß auf den Anderen.
„Remus, ich…“, begann er, wurde jedoch unterbrochen.
„Ist das dein Ernst, Harry?“, fragte Remus ruhig – zu ruhig für Harrys Geschmack.
„Ich…“
„Ist das dein verdammter Ernst?“, fragte er nun forscher und Harry merkte, wie sich Wut in Remus Stimme schlich, wie er es noch nicht erlebt hatte.
„Ich…“, versuchte Harry sich zu rechtfertigen, doch seine Stimme brach ab. Er sah Remus mit großen Augen an, die Hände schweißig und zittrig.
„Ich habe keine Ahnung, wie diese Karte in deine Hände gekommen ist und ich will es eigentlich auch gar nicht wissen.“, fuhr Remus fort und lief auf Harry zu, nachdem er die Karte wütend auf den Tisch geklatscht hatte. „Aber du besitzt sie und nachdem du gesehen hast, was eine Passwortliste in den falschen Händen anrichten kann, läufst du nach Hogsmeade, trotz meines Verbots, und streunerst durch die Landschaft? Bist du noch ganz bei Trost?“ Harry sah den Werwolf nur mit glasigen Augen an und knetete seine Hände. Kein Wort kam über seine Lippen. Er sah, was er mit seiner Aktion angerichtet hatte und er war sich auch bewusst, dass er die entsprechenden Konsequenzen tragen müsste.
„Es tut mir leid.“, flüsterte Harry und blickte auf den Boden.
„Deine Eltern haben ihr Leben für deines gelassen und das ist deine Art ‚Danke‘ zu sagen? Du weißt nicht zu was Sirius fähig ist und… – Ich FASSE es nicht.“
Remus sah Harry mit müden Augen an und schüttelte den Kopf. Das war zu viel, für Harry – nicht die Wut, nicht der Anschiss, sondern die Enttäuschung und die Verletzung in Remus‘ Augen – echte Enttäuschung. Harry stand mit glasigen Augen vor ihm und wischte sich mit dem Ärmel seines Pullovers über die Augen, um die sich ansammelnden Tränen wegzuwischen.
„Ich wollte… nur einmal den Ausflug mit Hermine und Anthony machen.“, meinte er mit belegter Stimme und ließ sich auf dem Stuhl hinter ihm nieder. „Und… es war alles gut, bis Malfoy und seine zwei Gorillas angefangen haben Anthony und Hermine zu beleidigen und plötzlich hat Malfoy seinen Zauberstab gezogen und wollte auf die beiden losgehen und Hermine war schnell genug und ich… wollte ihnen helfen und dabei wurde ich entdeckt.“
„Das war eine beschissene Aktion von dir, Harry.“, entgegnete Remus hart und verschränkte die Arme. „Du hättest ins offene Messer laufen können.“
„Ich weiß.“, flüsterte er und wischte sich noch einmal über das Gesicht. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dich angelogen und hintergangen habe.“
„Das Ganze hier ist eine Vertrauenssache, Harry. Mach mein Vertrauen nicht kaputt.“, sagte Remus und ließ sich mit einem langen Seufzen auf die Couch fallen. „Weißt du, es ist nicht so, dass dein Vater und ich und… die anderen nicht auch öfter Unfug getrieben haben, aber hier geht es um deine Sicherheit, mit der du wirklich fahrlässig umgegangen bist.“
Harry nickte stumm und knetete weiter nervös seine Hände.
„Ich mach’s nicht mehr, versprochen.“, sagte er und blickte zu Remus herüber.
„Du warst beim letzten Hogsmeade Wochenende in den Drei Besen und hast die Professoren mit Fudge reden hören, oder?“
Harry sah ihn betroffen an und nickte.
„Dachte ich mir, nachdem du erzählt hast, dass du die Professoren reden gehört hast. Minerva kam nach dem Gespräch auf mich zu und hat mir von der Begegnung mit Fudge und Rosmertha erzählt.“
„Warum hast du mich nicht darauf angesprochen?“
„Ohne Beweise keine Anklage.“
„Hm.“
„Deine Sicherheit ist meine höchste Priorität – ich will, dass du heil aus dieser Sache mit Sirius rauskommst, ich will nicht noch ein weiteres Grab besuchen müssen.“, sprach Remus hart und Harry nickte. Remus hielt Harry an den Schultern und sah ihn ernst an. „Ich bin wütend auf deine Aktion, daraus mache ich kein Geheimnis. Aber mein Versprechen vom Sommer gilt immer noch, ja?“
Harry nickte.
„Aber mach das nie wieder.“
„Da gibt es noch etwas…“, begann Harry und wischte sich ein letztes Mal mit dem Ärmel übers Gesicht. „In der Nacht, als Black eingebrochen ist, habe ich nach deinem Besuch noch auf die Karte geschaut, um zu kontrollieren, ob er noch im Schloss ist… und da habe ich einen Namen gesehen, von dem es eigentlich hieß, dass er tot ist.“
„Wen hast du gesehen?“, fragte Remus stirnrunzelnd.
„Peter Pettigrew. Er war in den Kerkern.“
„Das ist nicht möglich. Das… kann nicht sein.“, entgegnete Remus und fuhr sich mit den Händen durch den Bart. Harry zuckte mit den Schultern und blickte zur Karte auf dem Schreibtisch.
„Die bleibt bei mir.“, meinte Remus und Harry schürzte die Lippen.
„Okay.“, gab er klein bei.
„Und keine Ausflüge mehr. Und falls doch… ich sehe, wo du bist.“, fügte er ernst hinzu, woraufhin Harry die Stirn runzelte.
„Woher weißt du, wie sie funktioniert?“, fragte er.
„Das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.“, meinte Remus. „Bei Gelegenheit erzähle ich sie dir.“
„Bitte, danke.“, sagte Harry. „Und… danke.“
„Du reißt dich zusammen, ja? Ich werde dich jetzt rausschmeißen, wir sehen uns beim Abendessen, Harry. Ich brauch noch eine Stunde Schlaf nach dem ganzen… Trubel.“
„Bis später, Remus.“, meinte Harry und verließ das Büro. Als er die Tür hinter sich zugeschlossen hatte, atmete er ein paar Mal tief durch und zog seine Klamotten wieder zurecht. Er lief zum nächstgelegenen Klo und wusch sich das Gesicht und machte sich auf den Weg zum Glockenturm. Er brauchte frische Luft, aber den Bogen würde er jetzt definitiv nicht überspannen, wenn er das Schloss verließe.
~oOo~
Harry und Anthony lagen beide in ihrem Bett und sahen stillschweigend die Decke an, während Idunas Schnurren den Schlafsaal erfüllte. Sie hatten nach dem Abendessen noch eine Weile zusammen mit Hermine, Luna und Neville im Korridor im dritten Stock verbracht und waren dann zeitig wieder in ihre Gemeinschaftsräume zurückgegangen – den Nachmittag hinsichtlich Hogsmeade hatten sie vorerst unkommentiert gelassen. Harry hatte Hermine und Anthony lediglich kurz offenbart, dass Snape seine Sachen durchsucht hatte und die Karte von Remus konfisziert worden war. Hermine hatte ihm daraufhin ihm leise gestanden, dass sie tatsächlich ein wenig erleichtert war, dass die Karte konfisziert wurde, was Harry nur mit einem kurzen Seitenblick quittiert hatte und das Thema beendete.
„Anthony?“, fragte Harry leise in den Raum hinein.
„Hm?“
„Bei der Heulenden Hütte – “, begann er und drehte sich zu Anthonys Bett um.
„Ja?“
„Warum hat Malfoy dich Heulsuse genannt?“
„Weil er mich im November abends in einem Korridor im zweiten Stock in einem… schwachen Moment erwischt hat.“
„Was hat er gemacht?“
„Mich ausgelacht, was denn sonst. Das lächerliche Halbblut, mit dem lächerlichen Vater, der seine Karriere an den Nagel gehangen hat, weil er unter dem Scheffel seiner Frau steht. Laut Malfoy ist ja das einzig Respektable an mir die Herkunft meiner Mutter, die durch die meines Vater leider beschmutzt wurde. Ekelhafter Vollidiot.“
„Und was hast du dann gemacht?“
„Ihm einen Fluch auf den Hals gehetzt, natürlich.“, lachte Anthony und streckte sich genüsslich.
„Welchen?“
„Den für Juckreize.“
„Und du hast auf seine Hose gezielt?“
„Natürlich.“
„Dafür lohnt sich das zusätzliche Lernen und Lesen, hm?“
„Absolut, Harry. Absolut. Sein Winseln war es wert.“