L'histoire d'un elfe, c'est...
von RedonneMoi
Kurzbeschreibung
Geduld ist die Kunst, etwas auszuhalten, weil man fühlt, dass eine Veränderung ansteht. Vertrauen ist die Kunst, zu wissen, dass alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende findet. Diese Weisheit hat Harry Potter in seinen jungen Jahren trotz aller Widrigkeiten für sich erkennen können, denn egal was passiert - die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und wenn ein Brief seiner Mutter etwas bewiesen hat, dann ist es die Tatsache, dass definitiv alles zum richtigen Zeitpunkt ein Ende finden wird, auch ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Abenteuer, Freundschaft, Romantik - P16, (Pre-)MaleSlash, Het
GeschichteAbenteuer, Freundschaft / P16 / MaleSlash
Anthony Goldstein
Harry Potter
Hermine Granger
Luna Lovegood
OC (Own Character)
Remus "Moony" Lupin
29.07.2022
27.03.2023
30
257.011
26
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Dieses Kapitel
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11.09.2022
7.078
A.d.A.: Noch zwei Kapitel, dann ist das Schuljahr zu Ende und die Reise geht weiter. :)
Es war bereits spät am Abend, als Anthony und Harry im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin auf dem Boden saßen und Zaubererschach spielten. Harry hatte, wieder einmal, verloren und ließ sich genervt auf den Rücken fallen, den Blick auf die Flammen gerichtet, die munter auf dem frisch aufgelegten Holz loderten.
„Du willst das wirklich durchziehen?“, fragte Anthony, der sich neben Harry auf den Bauch gelegt und den Kopf auf seinen überkreuzten Armen abgelegt hatte, während er mit einer Hand seine Katze streichelte, die sich vor ihm eingerollt hatte.
„Es ist die einzige Möglichkeit, die uns noch übrig bleibt. Wir haben die ganze Bibliothek abgesucht und nichts gefunden.“, antwortete Harry nüchtern und drehte seinen Kopf zu Anthony.
„Und mit deinem Tarnumhang in die Verbotene Abteilung ist die beste Idee, weil…?“
„…dort alte und verbotene Bücher stehen? Vielleicht hatte Flamel ja ein dunkles Geheimnis.“
„Glaubst du, Dumbledore würde etwas Dunkles oder Schwarzmagisches im Schloss verstecken? Wir wissen nichts über Flamel oder was er mit Dumbledore zu tun hatte.“
„Nicht wirklich. Aber wir müssen es herausfinden.“
„Das stimmt wohl.“, entgegnete Anthony und gähnte. Sie unterhielten sich noch ein wenig und entschieden sich dann dazu, ins Bett zu gehen, da sie beide ziemlich müde waren.
Am folgenden Tag warteten die beiden Jungs sehnsüchtig auf den Abend, um ihren Plan für ihre Forschung vorantreiben zu können. Nach dem Abendessen zogen sie sich wieder in den Gemeinschaftsraum zurück und kümmerten sich ein wenig um ihre Hausaufgaben und Aufsätze, die nach den Ferien erledigt sein mussten. Sie unterhielten sich noch ein wenig und zur späteren Stunde, als beide das Gefühl hatten, dass es spät genug war, schlüpfte Harry unter seinen Tarnumhang und schlich sich durch die leeren Korridore des Schlosses. Der Schwarzhaarige betrat die Bibliothek, die vom Mondlicht durch die großen Fenster in ein schummriges Licht gehüllt wurde und staunte. Die Bibliothek war tagsüber mit ihren aberhunderten vollgepackten Regalen mehr als beeindruckend und die Tatsache, dass sie über zwei Stockwerke verteilt war, machte sie im Licht noch beeindruckender – nachts hingegen war sie einfach nur unheimlich und eine morbide Stimmung lag in der Luft. Was Harry beim Durchqueren der Bibliothek nicht bemerkte, war ein Paar leuchtender Augen, das ihm geräuschlos folgte.
Harry lief durch den Mittelgang zum hinteren Teil der Bibliothek, wo die Verbotene Abteilung von einer dicken Kordel getrennt war. Er stieg vorsichtig über die Kordel und zog seinen Zauberstab, den er unter seinem Umhang hervorhielt.
„Lumos.“, flüsterte er und die Spitze seines Zauberstabes erhellte die dunklen Buchreihen. Reihe um Reihe lief er die Regale ab, fand alte, beinahe antike Bände mit unauffälligen Titeln und unbekannten Namen, stolperte zwischendurch jedoch auch auf Bücher mit sinister wirkenden Einbänden, Hinweise auf dunkle Magie, unlautere Zauberkünste, Flüche und Zaubertrankbrauerei. Vereinzelte Bände wie Große Geheimnisse der Dunkelsten Künste und Vergleichbares wollte er gar nicht erst berühren. Er lief die Reihen ab, konnte jedoch mit dem Namen Flamel keine Buchtitel entdecken. Ein schwarz eingebundenes Buch weckte sein Interesse, er versuchte es hervorzuziehen, hatte damit jedoch Probleme, weil das Buch ziemlich groß und recht schwer war. Er versuchte es auf einem Schoß abzulegen, was jedoch dazu führte, dass das Buch auf den Boden fiel und aufklappe. Ein markschütternder Schrei drang aus dem alten Buch hervor, der in der Bibliothek hallte und Harry das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er klappte das Buch panisch zu und schob es hektisch wieder in das Regal zurück, das Schreien hörte jedoch nicht auf und zerschlug die Stille in der Bibliothek wie eine Axt das Holz.
„Nox.“, flüsterte er und steckte den Zauberstab wieder in den Holster, nur um zu erkennen, als er sich umdrehte, dass Mrs. Norris ihm gefolgt war und wegrannte. Gedanklich schrie Harry in ähnlicher Manier wie das Buch, im Ärger über seine eigene Unvorsichtigkeit. Er kontrollierte, ob er den Tarnumhang richtig aufliegen hatte und verließ zügig die Bibliothek, nur um an Mr. Filch vorbeizulaufen, der mit Mrs. Norris auf dem Arm in die Bibliothek lief, aus der noch immer die Schreie des Buches hallten.
Harry lief weiter und bog um eine Ecke ab, erschrak jedoch, als er sah, wie Snape und Quirrel an einem Fenster im Gegenlicht des Mondes standen und heftig diskutierten. Die Diskussion ging so weit, dass Snape dem Verteidigungslehrer den Zauberstab in die Brust drückte und lediglich drohend „Überleg dir gut, wo deine Loyalität liegt, Quirrel. Du willst mich nicht zum Feind.“ schnarrte, als Filch um die Ecke gestürmt kam.
„Ein Schüler wandert im Schloss umher.“, sagte Filch, woraufhin Snape von Quirrel abließ und den Hausmeister beäugte.
„Sind Sie sich sicher?“, fragte er misstrauisch und schoss Dolche aus den schwarzen Augen Quirrel entgegen.
„Ein Buch in der Verbotenen Abteilung schreit ohne Unterlass, er muss noch unterwegs sein.“, antwortete Filch, woraufhin sie in Richtung der Bibliothek liefen.
Harry war unterdessen vorsichtig nach hinten an die Wand gewichen, da er sich in diesem Flügel des Schlosses nicht so recht auskannte und warten wollte, bis die Erwachsenen verschwunden waren. Er öffnete die Tür und fand sich in einem leeren Klassenzimmer wieder. In der Mitte des Raumes stand jedoch ein großer auf Klauenfüßen stehender Spiegel, mit einem alten, goldverzierten Rahmen, der die Inschrift Nerhegeb zreH nied reba ztiltnA nied thciN trug. Harry runzelte die Stirn und zog den Tarnumhang von seinem Kopf. Als er vor den Spiegel trat, wurden seine Augen immer größer und sein Herz begann zu pochen. Er sah sich selbst, hinter seinem Spiegelbild standen jedoch seine Mutter und sein Vater, die ihn liebevoll anlächelten und ihre Hände auf seine Schultern legte. Neben Lily, im Hintergrund, standen noch seine Großeltern, Eloanne und Celyn, die ihn ebenfalls freudig anlächelten. Harry drehte sich um, jedoch hinter ihm stand niemand. Auf der anderen Seite, hinter seinem Vater, standen seine anderen Großeltern, die ihn ebenfalls anlächelten.
„Mama? Papa?“, fragte er leise und berührte die kalte Scheibe des Spiegels. Seine Eltern nickten ihm lächelnd entgegen und er blickte zu den älteren Ehepaaren.
„Und… meine Großeltern.“, stellte Harry leise fest, obwohl er eines der beiden Paare ja bereits auf einem Foto gesehen hatte. Sie nickten ihm ebenfalls lächelnd und traten näher an seine Eltern heran. Er ließ den Blick über seine Familie wandern. Sein Vater hatte die gleichen, unbändigen schwarzen Haare und trug eine Brille. Er ähnelte ihm in gewisser Weise, doch Harry hatte das Gefühl, dass seine Gesichtszüge mehr seiner Mutter ähnelten. Zumindest seit seinem Geburtstag. Lily funkelte ihm aus ihren großen, grünen Augen, die tatsächlich genauso aussahen wie seine, entgegen. Eloanne, die etwa so groß, aber zierlicher, wie seine Mutter war, legte ihre Hand auf Lilys Schulter und sah Harry aus großen, hellblauen Augen an. Wie auf dem Bild in einem der Bücher trug sie ihre hellblonden Haare zu einem Dutt hochgebunden, aus dem sich einige Strähnen lösten. Sein Großvater hingegen wirkte eher kräftig, die gleiche dominante Ausstrahlung wie auf dem Bild. Er hatte die gleichen großen, grünen Augen wie seine Mutter, die kurzen roten Haare, ordentlich zur Seite gekämmt. Zwischen dem roten Vollbart blitzte ein Lächeln hervor. Sein anderer Großvater sah seinem Vater ziemlich ähnlich – unbändiges, schwarzes Haar und eine Brille auf der Nase, seine Großmutter lächelte ihm aus dunklen Augen zu, die braunen, von grauen Strähnen durchzogenen Locken zu einem strengen Dutt geknotet.
Harry wusste nicht, wie er mit diesem Bild im Spiegel umgehen sollte. Auf der einen Seite wollte er lachen und auf der anderen Seite wollte er weinen. Sehnsucht und Freude wechselten sich ab, tanzten im Kreis in seiner Brust und seine Atmung wurde schwer. Er merkte, wie sich eine Träne ihren Weg über seine Wange bahnte und leise im Kragen seines Pullovers versank. Er versuchte tief einzuatmen, da er spürte, wie sich sein Brustkorb immer enger anfühlte und seine Gefühle von unten begannen aufzuwallen wie die Wellen des Meeres im Sturm. Stille Tränen rollten über seine Wangen und hinterließen ihre glitzernden Spuren auf der blassen Haut, seine Lippen bebten. Er versuchte, sich zusammenzureißen, aber die Eindrücke vor ihm waren zu groß; die Sehnsucht, die sich in seiner Brust ausweitete, unerträglich. Ein Schluchzen entwich seinen Lippen, während er in die Knie ging und das Gesicht in seinen Armen vergrub und leise weinte.
„Hast du etwas finden können?“, fragte Anthony und sah besorgt in Harrys Gesicht, als dieser mitten in der Nacht wieder im Gemeinschaftsraum ankam.
„Nein. Leider nicht.“, sagte er leise und faltete den Tarnumhang zusammen. „Filch hat mich fast erwischt. Da sind seltsame Bücher in der Abteilung.“
„Was ist passiert?“
„Es hat mich angeschrien.“
„Okay das ist wirklich seltsam. Aber was ist passiert?“
„Nichts.“
„Aha.“
„Gehen wir schlafen?“, fragte Harry und deutete zum Schlafsaal hoch, woraufhin Anthony nur stumm nickte.
In der Nacht zuvor war er lange wach gelegen, verloren im Gedankenkarussell, das nicht anhalten wollte. Irgendwann überrannte ihn jedoch die Müdigkeit und er fiel in einen kurzen Schlaf, denn Anthony und er standen dennoch pünktlich zum Frühstück auf, um sich bei den Lehrern nicht verdächtig zu machen. Den folgenden Tag über war Harry ziemlich ruhig, Anthony beobachtete seinen Freund stillschweigend und grübelte. Tagsüber vergrub sich Harry hauptsächlich in seinen Schulaufgaben, erledigte seine Aufsätze für Verwandlung und Zaubertränke, übte ein wenig Zauberkunst und war mit den Ergebnissen weitestgehend zufrieden.
Das, was sich in seinem Spiegelbild in diesem geheimnisvollen Spiegel offenbarte, zog ihn in den Bann. Er musste sich mit seinen Aufsätzen und Aufgaben ablenken, begann nach Zauberkunst an Verwandlung weiter zu üben, nur um zu verhindern, dass seine Gedanken zu dem Spiegel wanderten.
Es war früher Abend, Anthony und Harry saßen im Gemeinschaftsraum und erledigten die Reste ihrer Aufgaben. Die beiden Jungs spazierten nachmittags ein wenig im Schnee um den zugefrorenen Großen See herum, wurden von den Weasleyzwillingen zu einer Schneeballschlacht herausgefordert, die sie durch die verzauberten Schneebälle gnadenlos verloren hatten und hatten sich, nachdem ihre Füße nass und kalt waren, wieder zurück auf den Weg ins Schloss gemacht, in Ruhe mit den Anderen zu Abend gegessen und sich wieder in den Gemeinschaftsraum zurückgezogen, um weiterzuarbeiten. Anthony saß Harry gegenüber an einem der größeren Tische im Gemeinschaftsraum, als er leise seufzte, seine Feder zur Seite legte den Schwarzhaarigen ansah.
„Harry.“
„Hm?“
„Das einzige Mal, dass ich dich heute lachen gehört habe, war bei der Schneeballschlacht mit Fred und George.“
„Ja.“
„Was ist passiert?“
„Ich… Es…“, begann Harry und seufzte. „Ich zeig es dir später, okay?“
Anthony zog die Augenbraue hoch und warf Harry einen undeutbaren Blick zu, nickte jedoch langsam und fuhr mit seiner Arbeit fort.
Harry öffnete leise die Tür zu dem leerstehenden Klassenzimmer, schlüpfte mit Anthony unter seinem Tarnumhang hinein und schloss die Tür. Er zog den Tarnumhang runter und deutete auf den Spiegel.
„Da, in dem Spiegel. Da waren meine Eltern und meine Großeltern, ich habe sie gesehen. Schau!“, meinte Harry und schob Anthony vor den Spiegel. Anthony blickte in den Spiegel und sah verwirrt zu Harry.
„Ich sehe deine Familie nicht, Harry.“, entgegnete er und sah in den Spiegel. „Ich sehe…mich. Unterwegs, aber ich kenne den Ort nicht. Es ist… schön. Und… meine Eltern, sie umarmen sich,… fröhlich. Das passiert so selten.“, flüsterte Anthony und berührte die Scheibe. „Und ich bin auch da.“, fügte er noch leiser hinzu und schluckte die Erkenntnis, dass sein Spiegelbild glücklich lachte, stumm herunter.
„Aber.. sie stehen doch hier neben mir.“, meinte Harry und deutete auf den Bereich um sie herum.
„Vielleicht zeigt der Spiegel was Unbekanntes,… vielleicht das, was noch kommt?“
„Wie kann die Zukunft in der Vergangenheit liegen? Meine Familie ist doch tot...“
„Das ist ein Argument. Der Spiegel ist seltsam. Harry, vielleicht sollten wir diesen Spiegel nicht mehr besuchen. Er ist nicht gut für uns.“
„Warum?“
„Weil er dich traurig macht.“
Anthonys Satz schoss wie ein Pfeil durch seine Eingeweide, ein kalter Griff umklammerte sein Herz und seine Atmung wurde schwer. Harry schluckte und blickte zu Anthony, der ihn mit einem besorgten Blick ansah und seufzte.
„Er macht dich so unfassbar traurig, dass es mich ebenso traurig macht, dich so zu sehen.“, sagte er leise. Harry blickte auf den Boden und nickte.
Er warf einen letzten Blick auf den Spiegel, flüsterte ein kleines „Okay“, warf sich und Anthony den Tarnumhang über und lief mit ihm zurück in den Gemeinschaftsraum.
Harry lag in seinem Bett und hörte dem leisen, gleichmäßigen Atmen aus dem Nebenbett zu, um sich zu vergewissern, dass Anthony wirklich schlief. Er hatte Anthony am Vorabend versichert, nicht mehr zu dem Spiegel zu gehen, aber er konnte nicht mehr nicht hingehen. Er zog ihn an, wie ein Nachtfalter vom Licht angezogen wurde. Die Wärme, die er fühlte, wenn er seine Eltern sah, wie sie ihn umarmten, das Bild, wie seine Großeltern stolz auf ihre Familie blickten und ihre Hand liebevoll auf seine Schultern legten, ihn anstrahlten. Er wollte es wieder sehen, wollte es wieder fühlen. Er schlich sich leise aus dem Schlafsaal heraus, warf sich den Tarnumhang über und lief zu dem verlassenen Klassenzimmer.
Der Spiegel stand unverändert dort und er lächelte, trotz dem schmerzlichen Ziehen in seinem Magen, als er seine Familie sah. Er berührte die Scheibe und seufzte.
„Du bist zurückgekommen.“, hörte er hinter sich und wirbelte herum. Im Licht, das durch die Fenster hereinfiel, stand Dumbledore und sah ihn über die Ränder seiner Halbmondbrille an.
„Ich habe Sie gar nicht gesehen.“, sagte Harry überrascht.
„Ich brauche keinen Tarnumhang, um unsichtbar zu sein.“, fügte er schmunzelnd hinzu.
„Ich…“, begann Harry, doch Dumbledore schüttelte nur langsam den Kopf.
„Wie ich sehe, hast du, wie viele andere vor dir, die Eigenschaften des Spiegels Nerhegeb entdeckt.“, begann er zu sprechen und kam auf Harry zugelaufen. Er sah ihn fragend an.
„Was… ist das für ein Spiegel?“, fragte er vorsichtig und knetete nervös seine Finger.
„Ich gebe dir einen Hinweis. Der glücklichste Mensch der Welt würde, wenn er vor dem Spiegel stünde, sich selbst sehen. So wie er ist, nicht mehr und nicht weniger“
„Dann zeigt er Spiegel das, was wir uns wünschen? Alles, was wir uns wünschen?“
„Ja. Und Nein. Der Spiegel zeigt nur deine tiefsten, sehnsüchtigsten Wünsche. Du, der nie deine Familie kennenlernen konntest, siehst dich im Kreise derer, die dich lieben.“
„Aber Anthony…“, meinte Harry und schluckte.
„Mr. Goldstein hat eine Familie, aber es ist eine zerrüttete Familie. Er wünscht sich nichts sehnlicher als die eigene Freiheit und seine Eltern glücklich zu sehen, ohne Streit und ohne unerfüllbare Erwartungen an ihn.“
„Niemand kann sehen, was der Andere darin sieht.“, stellte Harry leise fest und sah zu Dumbledore. „Darf ich fragen,… was Sie sehen?“
„Ich sehe mich mit einem Paar selbstgestrickter Socken in der Hand. Harry, der Spiegel gibt uns weder Wahrheit noch Wissen. Es gab Menschen, die sich von diesem Spiegel in den Wahnsinn haben treiben lassen, weil sie nicht mehr davon losgekommen sind.“
„Anthony hat gesagt, dass der Spiegel nicht gut für uns ist.“
„Du hast einen sehr intelligenten Freund an deiner Seite, Harry. Der Spiegel wird morgen an einen anderen Ort verfrachtet und ich muss dich dazu ermahnen, nicht nach ihm zu suchen. Es tut uns nicht gut, Träumen hinterherzujagen, wenn wir dabei vergessen zu leben.“, sagte Dumbledore und sah ihn durchdringend an. Harry blickte zu dem Spiegel, nahm ein letztes Bild von sich und seiner Familie in sich auf und seufzte. Er sah zu Dumbledore herüber und nickte.
„Okay.“, sagte Harry und Dumbledore führte ihn zur Tür heraus. Harry hörte, wie die Tür des Klassenzimmers zufiel und ein Riegel einrastete, als Dumbledore ihn durch den Korridor führte.
„Gute Nacht, Harry.“, sagte der Ältere und verschwand summend um die Ecke. Harry runzelte die Stirn.
Kein Punktabzug, keine Strafarbeiten, kein Nachsitzen für unerlaubtes Herumwandern im Schloss – mitten in der Nacht. Er schüttelte leise den Kopf, schlüpfte unter den Tarnumhang und lief zurück zum Gemeinschaftsraum. Als er diesen betrat sah er, dass Anthony vor dem Kamin, in dem die letzte Glut glimmte, saß und seinen Kopf zu ihm drehte.
„Du warst bei dem Spiegel.“
„Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Aber… ich musste es noch einmal sehen, verstehst du?“
„Ja.“
„Bist du böse auf mich?“
„Ein bisschen vielleicht. Was wirst du jetzt tun?“
„Nichts. Der Spiegel wird woanders hingeschafft und… Dumbledore war da, er hat mir verboten, danach zu suchen.“
„Dumbledore war da?“
„Ja. Er tauchte aus dem Nichts auf. Und er war… verständnisvoll, er hat mir erklärt, was es für ein Spiegel ist.“
Anthony sah Harry fragend an und deutete auf den Platz neben sich auf dem Sofa. Harry setzte sich hin und begann zu erzählen, was Dumbledore ihm offenbarte – die Deutung von Anthonys Spiegelbild ließ er jedoch aus, da er nicht in den Wünschen seines Freundes wühlen wollte.
„Das ist ganz schön viel zum Verarbeiten.“, meinte Anthony nachdenklich und legte den Kopf schräg. „Und das ist ganz schön viel an Erkenntnissen, dafür, dass wir nach Flamel gesucht hatten und du letztendlich…oder stattdessen deine Familie gesehen hast.“
Harry sah Anthony mit großen Augen an.
Flamel. Der Spiegel. Seine Familie – seine Großeltern. Seine Großmutter, die ihn anlachte. Eloanne… Greenwood. Beauchamp… Nicolas Flamel. Seine Gedanken begannen zu rattern, Erinnerungen begannen sich zusammen zu fügen. Er erinnerte sich, wie er in der Bibliothek bei sich zuhause stand und die Bücher seiner Großmutter durchblätterte. Einführungen in die Alchemie. Übersetzungen von französischen Büchern. Gemeinschaftsbände mit Nicolas Flamel – Übersetzungen von Büchern von Flamel, alle im Bezug zur Alchemie.
„Anthony!“, rief Harry und rüttelte den Dunkelblonden an den Schultern. „Du bist ein Genie!“
„Danke, ich weiß. Nein, im Ernst – warum?“, fragte er ungläubig.
„Ich hatte dir doch erzählt, dass ich den Namen von Flamel schon einmal gesehen habe, richtig?“
„Richtig.“
„Und ich wusste nicht mehr wo.“
„Auch richtig.“
„Ich habe Bücher von ihm zuhause in der Bibliothek.“
„Was?“
„Meine Großmutter hat seine Bücher übersetzt und Bücher mit ihm zusammen verfasst.“
„WAS?“, rief Anthony und sprang auf. „Oh mein Gott. Es war die ganze Zeit vor unserer Nase. Warte nur, bis Hermine das mitbekommt.“, lachte er und begann seltsam zu tanzen.
„Was machst du?“
„Mich freuen.“, meinte er und schwang seine Hüfte seltsam im Kreis, während er mit den Armen herumfuchtelte.
„Cool.“, lachte Harry und kratzte sich am Kopf. „Glaubst du, Flitwick lässt mich per Flohfeuer mit Remus reden, dass ich die Bücher holen kann?“
„Bestimmt. Er ist zu lieb, als dass er nein sagen würde. Harry, wir kommen dem Rätsel näher!“
„Wann sind die Ferien vorbei?“, fragte Harry. „Wir müssen Hermine einen Brief schreiben.“
„Nach Neujahr sind die Ferien vorbei. Wir schreiben ihr einen Brief, wenn wir mehr herausgefunden haben. Morgen gehen wir zu Flitwick.“ Harry stimmte dem Plan zu und ging mit Anthony zum Schlafsaal hoch.
„Harry?“, fragte dieser als er sich zugedeckt hatte.
„Hm?“
„Du wirst den Spiegel wirklich nicht mehr suchen, oder?“
„Nein.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“
„Okay.“
„Schlaf gut.“
„Du auch.“
Am nächsten Morgen liefen die beiden Ravenclaws guter Dinge zum Frühstück in die Große Halle. Harry hatte eine weitestgehend traumlose Nacht und der Schlaf war erholsamer als die letzten zwei Nächte davor. Der Spiegel beschäftigte ihn nach wie vor, aber die Euphorie über das nächste Puzzleteil hinsichtlich Nicolas Flamel schob die traurigen Gedanken zur Seite. Als sie sich an den gemeinsamen Tisch setzten, wanderte sein Blick zu Dumbledore, der ihn mit einem freudigen Funkeln in den Augen über den Rand seiner Halbmondbrille ansah und ihm mit einem leichten Lächeln zunickte. Harry erwiderte die Geste und begann sich mit den Weasleyzwillingen zu unterhalten.
„Ich habe gehört, dass ihr in der Nähe von Ottery wohnt, stimmt das?“, fragte er leise.
„Ja, wir wohnen nahe am Fluss.“, sagte Fred ebenso leise.
„Ich wohne auch da in der Nähe. Auf der einen Seite des großen Waldes leben ja die Lovegoods. Und auf der anderen Seite des großen Waldes wohne ich.“, meinte er weiterhin leise.
„Der Wald ist spannend. Fast so spannend wie der Verbotene Wald.“, grinste George. „Aber niemand traut sich dort etwas Verbotenes zu machen.“
„Das ist auch gut so.“, sagte Harry und lächelte leicht.
„Du weißt etwas.“, stellte George nüchtern fest. „Spuck’s aus.“
„Der Wald ist tatsächlich verzaubert.“
„Woher weißt du das?“, fragte Fred und George zog die Augenbrauen hoch.
„Die ganzen Wälder und Ländereien gehören meiner Familie, der gesamte Wald ist so verzaubert, dass keiner darin Schaden anrichten kann.“
„Beeindruckend. Die Geschichten um den Wald sind hunderte von Jahre alt.“, meinte George und kratzte sich am Kinn.
„Meine Verwandten haben dort ja auch schon sehr lange gelebt.“, entgegnete Harry weiterhin mit gedämpfter Stimme und zuckte mit den Schultern. „Aber mir ging es nicht um den Wald. Worauf ich hinaus wollte – vielleicht können wir ja in den Sommerferien mal zusammen etwas unternehmen.“
„Das wäre super. Dann lernst du –“, begann Fred.
„ – unsere Familie kennen und wir zeigen dir die Gegend.“, beendete George.
„Wir können auch bei uns im Garten Quidditch spielen.“, meinte Fred und grinste.
„Super.“, antwortete Harry und lächelte. Anthony sah Harry nachdenklich an.
„Und du kommst auch.“, sagte Harry trocken und zeigte mit seinem Löffel auf Anthony.
„Okay, okay.“, entgegnete dieser und hob unschuldig die Hände hoch. „Wenn meine Eltern es erlauben…“
Der Rest des Frühstücks verlief weitestgehend ruhig und als sie fertig waren, warteten die beiden Ravenclaws bei den Flügeltüren der Großen Halle auf ihren Hauslehrer.
„Professor.“, sprach Harry ihn an.
„Potter?“, fragte dieser.
„Bestünde eventuell die Möglichkeit, dass ich über ein Flohfeuer kurz mit meinem Paten sprechen könnte? Ich brauche dringend Bücher aus unserer privaten Bibliothek für ein paar Aufsätze. Alte Familienstücke, wissen Sie.“, meinte Harry und kratzte sich verlegen am Kopf.
„Normalerweise genehmigen wir das nicht, aber da Ferien sind… Ich erwarte einen vorzüglichen Aufsatz in Zauberkunst von Ihnen, Potter!“, entgegnete Flitwick und hob lächelnd den Finger. „Kommen Sie morgen um elf Uhr in mein Büro.“
Am nächsten Vormittag klopfte Harry pünktlich um Elf an die Bürotür seines Hauslehrers, die nach einem kurzen Moment aufschwang und ihn eintreten ließ. Professor Flitwick saß mit einer Tasse Tee vor seinem Kamin und nickte Harry freundlich zu.
„Potter, ich hoffe, Sie verstehen, dass das eine absolute Ausnahme ist und das nicht an die große Glocke gehangen wird?“, meinte er und fuhr sich mit seiner Hand durch den dunklen Bart.
„Absolut, Sir.“
„Nun denn, die Verbindung ist temporär geöffnet.“, entgegnete er und deutete auf den Kamin. Harry stand neben dem prasselnden Feuer und sah vom Feuer zum Professor und wieder zurück. Er runzelte die Stirn.
„Die Flammen sind nicht grün.“, stellte Harry trocken fest und kratzte sich am Kopf.
„Richtig erkannt.“, meinte Flitwick und sah den Jungen ruhig an.
„Ich weiß nicht, wie das geht, Professor.“
„Oh.“, kam es vom Professor und er lachte. „Sie nehmen eine Hand voll von dem grünen Pulver in der Schale auf dem Kaminsims und werfen es ins Feuer, dabei nennen Sie den Ort, an dem Sie herauskommen möchten.“
„Aber das Feuer brennt?“, fragte Harry unsicher.
„Die Flammen sind kalt, wenn sie grün sind.“, entgegnete Flitwick. „Sie stecken ihren Kopf in die Flammen und können dann kommunizieren.“
„Oh. Okay.“, meinte Harry und nahm sich eine Hand voll von dem grünen Pulver. Er hatte gesehen, wie Remus aus dem Flammen herauskam und er hatte gesehen, wie die Lovegoods aus dem Flammen herauskamen, aber er selbst hatte diesen Transportweg noch nie benutzt. Gedanklich grummelte Harry darüber, dass er auch früher auf die glorreiche Idee hätte kommen können, sich zu informieren, wie dieses Netzwerk genau funktionierte und jetzt nicht wie ein bedröppelter Dackel vor seinem Hauslehrer stand.
„Und denken Sie daran, sie müssen klar und deutlich sprechen.“, mahnte ihn sein Hauslehrer und nahm schmunzelnd einen Schluck Tee. Harry war doch ein wenig nervös und das Amüsement, das er seinem Lehrer bot, machte es nicht besser.
„Okay.“ Er warf das Pulver hastig in die Flammen „‘emus ‘upin‘“, nuschelte er panisch und steckte den Kopf in das Feuer, darauf vorbereitet, sich zu verbrennen oder von den Flammen verschlungen zu werden. Vor lauter Aufregung steckte er den Kopf mit zu viel Schwung in die Flammen, bekam das Übergewicht und fiel vornüber in die Flammen hinein.
Er hustete und spuckte einen Schwall Asche aus, als er aus einem Kamin herauspurzelte, der definitiv nicht der Kamin im Keller seines Zuhauses war. Er runzelte die Stirn Er lag in einem fremden Haus auf dem Boden eines fremden Wohnzimmers.
„Hallo?“, rief er. „Remus?“ Zuerst hörte er nichts, doch dann kamen Schritte und ein großer Mann stand im roten Morgenmantel vor ihm und legte stirnrunzelnd den Kopf schief. Er stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich ein wenig runter.
„Wer bist du?“, fragte der Mann. „Und was machst du in meinem Haus?“
„Harry Potter. Wer… sind Sie? Ich… ich glaube, ich habe mich verwählt.“, stammelte Harry und hustete einen weiteren Schwall Asche heraus.
„Nikodemus Turpin.“
„Oh. Dann sind Sie der…“
„Der Vater von Lisa Turpin, richtig.“, entgegnete der Vater seiner Hauskameradin und begann zu lachen. „Möchtest du mit Lisa sprechen?“, fragte er und drehte sich um, um seine Tochter zu rufen.
„NEIN! Ich,… halt! Ich… ich … ich hab‘ genuschelt! Ich wollte bei mir zuhause ankommen!“, rief Harry.
„Na dann.“, m einte Mr. Turpin amüsiert und nickte. Er reichte Harry eine Schale mit Flohpulver und grinste. „Schönen Tag noch und viel Spaß auf der Weiterreise.“
„Entschuldigung für die Störung. Schöne Grüße an Lisa, auf Wiedersehen Mr. Turpin.“, sagte Harry hastig und warf einen Schwall des grünen Pulvers in die Flammen. „Hogwarts, Büro von Professor Flitwick.“, sagte Harry schnell und verschwand in den Flammen.
Er flog im hohen Bogen aus den Flammen aus dem Kamin seines Hauslehrers heraus, der auf seinem Ohrensessel saß und sich mit einem gackernden Lachen den Bauch hielt, als er Harry mit Asche übersäht, zerzaustem Haar und überfordertem Gesichtsausdruck auf seinem Boden liegen sah.
„Sie haben genuschelt, Potter.“, stellte Flitwick lachend fest. „Wo sind Sie gelandet?“
„Nicht zuhause.“, meinte Harry trocken und schnaufte. „Zum Glück hat Mr. Turpin Humor.“
„Nikodemus Turpin?“, lachte Flitwick noch lauter und wischte sich eine Träne aus den Augen. „Köstlich. Versuchen Sie es noch einmal.“
„Schön, dass Sie sich amüsieren, Professor.“, murmelte Harry ein wenig trotzig und lief wieder zum Kamin. „Haus von Remus Lupin.“, sprach er diesmal deutlich und atmete erleichtert auf, als er seinen Keller erkannte. „Remus?“, rief Harry und stieg aus dem Kamin. Nach einem kurzen Moment kam ein „Harry?“, von der Küchentür, gefolgt von Schritten, die die Kellertreppe herunterliefen.
„Ja.“
„Wie siehst du denn aus?“, fragte Remus und lachte. „Und was machst du hier?“
„Ich brauche unbedingt Bücher aus der Bibliothek.“
„Und wieso siehst du aus, als wärst du ein Schornsteinfeger?“
„Weil ich gerade zum ersten Mal das Flohnetzwerk benutzt habe. Professor Flitwick hat mir eine Genehmigung erteilt, weil ich die Bücher für… Forschungszwecke brauche.“
„Und dennoch, wieso siehst du aus wie ein Schornsteinfeger?“
„Ich hatte… nicht einkalkulierte Umwege auf dem Weg.“
„Du hast genuschelt, oder?“
„Ja.“, stellte Harry trocken fest und sah Remus genervt an, als dieser zu lachen begann. „Lach ruhig, Professor Flitwick hat auch herzhaft gelacht.“
„Wo bist du rausgekommen?“, fragte Remus.
„Im Wohnzimmer von Nikodemus Turpin.“
Remus lachte herzlich und klopfte Harry auf die Schultern. „Alles klar.“, meinte er anschließend. „Du wirst nicht viel Zeit haben, oder?“
„Nein, ich muss schnell in die Bibliothek und dann direkt wieder zurück.“
„Schade. Aber gut. Dann – auf, auf!“, sagte Remus und lief in die Küche zurück. Harry lief schnell in die Bibliothek und packte sämtliche Bücher seiner Großmutter und Nicolas Flamel in seine Tasche ein und lief zurück in die Küche, wo Remus ihm ein in braunes Papier eingewickeltes Bündel in die Hand drückte.
„Hm?“, fragte Harry und nahm das Bündel entgegen und packte es in seine Tasche.
„Apfelkuchen.“, meinte Remus. „Für dich und Anthony.“
„Danke!“, freute sich Harry und lief mit Remus zum Kamin in den Keller. „Bis bald, Remus!“, meinte er und umarmte den Werwolf fest, bevor er das Flohpulver in den Kamin warf.
„Tschüss, Harry.“, entgegnete Remus und winkte dem Schwarzhaarigen noch kurz zu, bevor dieser in den Flammen verschwand.
Harry schaffte es, halbwegs aufrecht – trotz ein paar stolpernder Schritte – aus den Flammen herauszutreten und stemmte zufrieden die Hände in die Hüfte. „Immerhin.“, murmelte er und sah zu seinem Professor, der ihn belustigt ansah.
„Diesmal hat es geklappt.“, meinte Harry trocken und lächelte leicht. „Danke, Professor.“
„Gerne. Schönen Tag noch, Potter.“
„Wiedersehen, Professor.“, entgegnete Harry und verschwand aus dem Büro in Richtung des Gemeinschaftsraumes.
Dort angekommen, sah er Anthony mit Iduna auf dem Sofa liegen und lesen. Als er hörte, wie die Tür aufschwang und er zu Harry blickte, bekam dieser große Augen und brach in schallendes Gelächter aus.
„Aschenputtel, bist du es?“, fragte er nach einer Weile und kicherte in sich hinein.
„Ha, ha, ha.“, entgegnete Harry und ließ sich missmutig auf das Sofa fallen.
„Was ist bitte passiert?“, fragte er den Schwarzhaarigen und setzte seine Katze auf die andere Seite, um das weiße Fell nicht mit herunterrieselnder Asche beschmutzen zu lassen.
„Ich habe zum ersten Mal das Flohnetzwerk benutzt.“
„Und du hast genuschelt.“
„Zum dritten Mal heute… JA! Ich habe genuschelt.“, stöhnte Harry genervt und musste dann doch grinsen.
„Was ist passiert?“
„Ich bin im falschen Wohnzimmer gelandet.“
„Bei…?“
„Nikodemus Turpin, Lisas Vater. Netter Mann. Sein Morgenmantel war glücklicherweise zugebunden....“, meinte Harry trocken und sah Anthony mit geschürzten Lippen an, brach jedoch erneut in Gelächter aus und Harry musste unweigerlich mitlachen.
„Und dann?“
„Bin ich, schlauerweise, statt direkt zu mir nach Hause, nochmal zu Flitwicks Büro gefloht, im hohen Bogen aus seinem Kamin herausgeflogen und vor ihm auf der Nase gelandet. Und weißt du was seine Reaktion war?“
„Hm?“
„Sie haben genuschelt.“, äffte Harry lachend nach. „Und er hat mich ausgelacht. Richtig hart ausgelacht. Dann bin ich glücklicherweise bei mir zuhause herausgekommen, konnte mich von Remus ebenfalls auslachen lassen und die Bücher einpacken.“
„Dann hattest du ja eine spannende Zeit in der letzten Stunde.“, stellte Anthony amüsiert fest und lehnte sich grinsend zurück. „Und wir können anfangen zu forschen.“
„Zuerst… gehe ich duschen. Remus hat uns übrigens Apfelkuchen eingepackt.“
„Er muss mich wirklich gern haben.“
„Hallo?“
„Ich liebe Apfelkuchen.“
„Hallo?“
„Hallo. Ich liebe Apfelkuchen.“
„Ich auch, aber…“, meinte Harry und schüttelte augenrollend den Kopf.
„Entspann dich, Aschenputtel.“
„Ruhe! Moment... Woher kennst du Aschenputtel?“
„Mein Vater hat mir manchmal Muggelmärchen vorgelesen.“
„Ah. Okay.“, meinte Harry und verschwand im Schlafsaal, um sich zu duschen und frische Klamotten anzuziehen. Als er nach ein paar Minuten wieder die Treppe in den Gemeinschaftsraum herunterlief, wartete Anthony schon hibbelig auf ihn.
„So, pack die Bücher aus, es dürstet mir nach Informationen und Wissen.“, forderte Anthony dramatisch und hielt sich eine Hand ans Herz, während er die Nase hochstreckte.
„Jaja.“, entgegnete Harry und klopfte die Asche von seiner Ledertasche, wischte kurz mit einem Taschentuch darüber und packte die Bücher und den Kuchen aus. Er öffnete das braune Papier und schob seinem Freund ein Stück Kuchen zu. Dieser blickte den Apfelkuchen aus seinen haselnussbraunen Augen an, als wäre es das Schönste auf der Welt und biss herzhaft hinein, gab ein wohliges „Mhmmm.“ von sich und nickte lächelnd.
„Remuf muff mich wirklich gern haben, definitiv.“, witzelte er mit vollem Mund.
„Hallo!“, beschwerte sich Harry. „Mein Pate – er hat mich gern!“. Als er merkte, wie seine Empörung aus der Pistole geschossen kam, biss er sich kurz auf die Zunge und wurde rot um die Nase. „Ihr kennt euch gar nicht.“, murmelte er leise und schob einen Krümel des Kuchens auf dem Tisch hin und her
„Bist du… eifersüchtig? Allein schon bei dem… Gedanken?“, feixte Anthony und wackelte mit den Augenbrauen.
„Nein?“, meinte Harry eine Oktave zu hoch.
„Jaja. Wie dem auch sei, der Kuchen ist wirklich fein. – Und jetzt wird gelesen. Hopp, hopp!“, entgegnete Anthony, wischte sich die Finger sauber und sah erwartungsvoll zu Harry, der die Bücher aus der Tasche holte. Er hatte sämtliche Bücher seiner Großmutter, sowie alles, was er mit dem Namen Flamel entdecken konnte, ausgepackt und stapelte nun mehr als zwölf Bücher vor ihnen auf.
„Du hast zwölf –, ich korrigiere: mindestens zwölf, – Bücher die Flamel betreffen in deiner Bibliothek und erinnerst dich nicht daran? Junge.“, sprach Anthony kopfschüttelnd und überflog die Buchtitel. „Ich würde mal behaupten, Flamel war Alchemist.“
„Du bist ein richtiger Detektiv, Anthony.“
„Danke.“, entgegnete er und sortierte die Bücher auf drei Stapel. „So – Eloanne…, Nicolas Flamel und die Übersetzungen und der dritte Stapel sind die Bände, die sie zusammen verfasst haben.“
Harry nickte und sie begannen die Bücher aufzuschlagen, machten sich Notizen für potentielle Anhaltspunkte, blätterten Kapitel für Kapitel durch und sahen sich zwischendurch mit großen Augen an – das, was dort in den Büchern stand, war definitiv kompliziert und alles andere als einfach.
„Respekt an deine Großmutter, Harry.“, murmelte Anthony, als er die Einführung in die Alchemie durchblätterte. „Wir wissen schon mal so viel: Flamel war Alchemist und deine Großmutter hat bei ihm gelernt. Aber uns fehlt noch die Hauptinfor… Oh. Oh. OH! Harry!“, rief Anthony zum Ende und tippte wild auf eine Seite des Buches.
„Was?“, fragte er und beugte sich herüber.
„Hier steht, dass die Alchemie als die königliche Kunst bezeichnet wurde, die zum Gegenstand hat, das Unedle ins Edle und das Grobe ins Feine zu transformieren. Die eigentliche königliche Kunst besteht darin, durch Transformationsvorgänge den Stein der Weisen zu erlangen, in sowohl philosophischer, als auch materieller Hinsicht. Die… okay, die philosophischen Aspekte sind ziemlich abgefahren, wenn man keine Ahnung von der Materie hat, hier reden sie von Hermetik, Gnostik, Mystik… Magie… Okkultes Wissen…Okay, … auf jeden Fall,… der einzige Alchemist, dem es je gelang, den Stein der Weisen stofflich herzustellen, war Nicolas Flamel, geboren in den 1320er Jahren, zusammen mit seiner Frau Perenelle, mit der er noch heute zusammenlebt und mittlerweile über sechshundertsechzig Jahre alt ist.“
„Dann ist es der Stein der Weisen, der von Fluffy bewacht wird.“, stellte Harry nüchtern fest. „Und der Stein der Weisen ermöglicht es, Flamel und seiner Frau, so alt zu werden? Aber wie?“
„Mit dem Stein der Weisen besitzt man die Möglichkeit das Elixier des Lebens herzustellen, was einen praktisch unsterblich macht.“, meinte Anthony, als er ein paar Seiten weiter blätterte. „Ziemlich harter Tobak, wenn du mich fragst, aber es muss genau das sein, was der Cerberus da bewacht. Jetzt stellt sich nur die Frage –“, begann er.
„ – was Dumbledore mit Flamel zu tun hat.“, beendete Harry den Gedanken.
„Und warum Snape den Stein klauen will. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.“
„Wir sollten Hermine schreiben.“, meinte der Schwarzhaarige.
„Aber dann nur kryptisch. Falls der Brief abgefangen wird.“
„Macht Sinn.“, meinte Harry, nahm sich ein frisches Pergament und fuhr sich mit der Feder über die Nase. Er dachte kurz nach und begann zu schreiben.
Liebe H.
zunächst einmal danke für dein Geschenk, ich habe mich sehr gefreut. Ich hoffe, die Zuckerfedern schmecken dir auch und du hattest ein schönes Weihnachten. Anthony und ich haben mehr rausgefunden zwecks der Sache mit den drei Köpfen. N.F. – ALte Chemie – kleiner Felsen –
Wo ist die Verbindung zu A.D.? Wieso wird es versteckt? Mehr haben wir nicht herausfinden können.
Liebe Grüße,
A. und H.
Harry zeigte Anthony den Brief, der kurz nickte und Harry einen Briefumschlag aus seiner Schultasche gab. Er packte den Brief hinein, versiegelte ihn mit einem tropfen Wachs von einer der Wandkerzen und räumte alle Bücher wieder in seine Tasche ein. Er brachte die Tasche in den Schlafsaal hoch, verstaute alle Bücher in seinem Koffer und lief zu Anthony zurück, der bereits an der Tür des Gemeinschaftsraumes wartete. Sie liefen zur Eulerei, banden Hedwig den Brief ans Bein und sahen ihr hinterher, bis sie am Horizont verschwand.
Sie blickten über die Ländereien des Schlosses, erneut in den Bann gezogen, von der Schönheit, die sich vor ihnen erstreckte. Die in Schnee gehüllte Landschaft glitzerte im Sonnenschein wie unzählige kleine Kristalle, schluckte jegliche Geräusche und hüllte alles in eine angenehme Stille. So standen die beiden Ravenclaws an einem der offenen Fensterbögen der Eulerei, kleine Atemwolken vor ihren Gesichtern wegen der kalten Luft und vereinzeltem Flügelschlagen der Eulen.
Die beiden Jungs verließen die Eulerei und machten sich auf den Weg zum Schwarzen See, dessen Oberfläche nach wie vor fest zugefroren war und sahen, wie die Hufflepuffs und zwei Slytherins lachend und friedlich nebeneinander Schlittschuh liefen.
„Es sind wohl doch nicht alle Slytherins so verkehrt, hm?“, meinte Anthony und schmunzelte, als sie um den See spazierten.
„Scheint wohl so.“, entgegnete Harry nachdenklich. „Aber gerade die sind es wohl, die nicht auffallen und sich im Hintergrund halten.“
„Als gäbe es eine Hierarchie in Slytherin.“
„Bestimmt. Von dem, was du mir erzählt hast, haben sicherlich bestimmte Familien das Sagen in Slytherin.“
„Absolut.“
Sie spazierten noch eine Weile um den Großen See herum und als ihre Füße begannen kalt und ihre Socken nass zu werden und die Sonne begann unterzugehen, machten sie sich auf den Weg zurück ins Schloss, da auch bereits die Glocken pünktlich zum Abendessen schlugen.
Zwei Tage vergingen, nachdem Harry und Anthony ihren Brief an Hermine abgeschickt hatten, und Hedwig flog beim Frühstück in Begleitung drei weiterer Schleiereulen, die die Tagesnachrichten brachten, elegant zur Großen Halle herein, flog im Kreis über den großen Tisch und ließ sich auf Harrys Schulter nieder.
„Guten Morgen.“, flüsterte Harry leise und streichelte Hedwigs Brust. Er nahm ihr den Brief vom Bein ab und gab ihr ein Stück Speck, woraufhin sie zufriedene Laute von sich gab und an seinen Kopf schmiegte. Als er Hermines Schrift auf dem Umschlag erkannte, steckte er ihn in die Gesäßtasche seiner Hose und nickte Anthony zu.
Als Harry einen weichen Atmen, gefolgt von einer leisen Stimme an seinem Ohr vernahm, erschrak er sich unmerklich und zuckte zusammen.
„Ihr solltet an eurer Gestik arbeiten, man könnte meinen, ihr habt etwas geplant.“, raunte ihm George ins Ohr und grinste ihn schelmisch an.
„Erschreck‘ mich doch nicht so.“, meinte Harry und funkelte den Rothaarigen an.
„Lenk‘ nicht vom Thema ab, Harry.“, entgegnete George und biss herzhaft in seine Frühstückswurst.
Der Schwarzhaarige streckte ihm die Zunge raus und ließ Honig über seinen Haferbrei tropfen. Er schnitt sich einen Apfel in kleine Stücke und begann alles zu verrühren, als Anthony ihn empört ansah. „Du gibst nicht auf mit dem Haferbrei, oder?“
„Niemals.“, antwortete Harry und sah ihn gespielt vorwurfsvoll an. „Und du wirst dem Speck nie abschwören, oder?“
„Ein Mann braucht seine Proteine.“, entgegnete Anthony bestimmt und lud sich demonstrativ ein paar mehr Streifen Speck auf den Teller. „Außerdem esse ich manchmal sogar Äpfel zum Frühstück.“
„Wann?“
„Manchmal.“
„Wow.“
„Du könntest aber auch mal ein bisschen Speck zum Frühstück essen – ein wenig Abwechslung ist nicht verkehrt.“, feixte Anthony.
„Jeder weiß, dass Elfen nur von Morgentau benetztem Obst und Feenstaub leben.“, kam es trocken von einer der Hufflepuffs, die neben George saß und schmunzelnd in ihr Brot biss.
Stille herrschte am Tisch, keine Gabel bewegte sich. Harry sah das Mädchen mit großen Augen an, öffnete geschockt seinen Mund, Ron verschluckte sich lautstark und Dumbledore entwich ein kleines Glucksen. Mit Harrys kleinem „Hey!“ brachen die Schüler in ein herzliches Lachen aus und Harry fiel in ein sprachloses Grinsen und biss sich auf die Lippen. Sie sah Harry mit einem schmunzelnden Schulterzucken an, der ihr nur mit zwei Fingern ein „Ich beobachte dich“ andeutete und weiter aß.
„Es ist immer wieder schön, wenn Humor die Herzen erweicht.“, meinte Dumbledore lächelnd und nahm einen Schluck Tee.
„Genau, Albus.“, kam es sarkastisch von Professor McGonagall, die den Schulleiter schräg ansah. „Wirklich zauberhaft.“
„Es ist eine große Macht, die man, vor allem über sich selbst, gewonnen hat, wenn man entscheiden kann, was man an sich heran lässt und was nicht.“, antwortete er daraufhin und sah zu Harry über die Ränder seiner Halbmondbrille mit seinen funkelnden blauen Augen an. „Jeder, der dies verstanden hat, hat eine große Kunst vollbracht.“ Harry runzelte die Stirn und nickte. Er wusste zwar nicht ganz, was er mit dieser Aussage jetzt beim Frühstück anfangen sollte, aber er behielt es im Hinterkopf. Die anderen Schüler blickten Dumbledore teilweise an, als hätte er ihnen erzählt, dass der Himmel heute violett angemalt wurde; lediglich Anthony legte den Kopf schief und eine der Slytherins sah den Schulleiter nachdenklich an.
„Man nimmt den Anderen die Macht über sich selbst weg.“, sprach sie halblaut, mehr zu sich selbst.
„Richtig, Miss Farley.“, entgegnete Dumbledore und nickte zustimmend in ihre Richtung. „Deswegen ist es stets ratsam, Herr über sich selbst zu sein.“
Das Frühstück neigte sich nach den Äußerungen des Schulleiters weitestgehend schweigend dem Ende zu, da die Worte entweder Verwirrung oder Nachdenken bei vereinzelten Schülern ausgelöst hatten. Harry und Anthony liefen schweigend durch das Schloss, wanderten durch fremde Korridore und entdeckten die ein oder andere unbekannte Statue. Da sie keine Hausaufgaben mehr zu erledigen hatten, entschieden sie sich, ein wenig mehr in Ruhe das Schloss zu erkunden und Wege zu gehen, die sie noch nicht kannten. Vor dem ein oder anderen interessanten Portrait blieben sie stehen, unterhielten sich mit den Personen im Bilderrahmen oder blickten aus dem Fenster über die Ländereien. In einer abgelegenen Ecke öffnete Harry den Brief, den er am Morgen erhalten hatte und beugte sich mit Anthony darüber.
Lieber H., lieber A.,
es freut mich, dass es euch gut geht und ja, ich habe mich sehr gefreut über die Zuckerfedern – die Roten sind meine Favoriten!
Und es ärgert mich, dass ich nicht bei eurer Entdeckung dabei sein konnte. Ich würde bei Gelegenheit gerne die Quellen sehen, wo ihr die Informationen herhattet! Natürlich habe ich mir weiterhin intensiv Gedanken gemacht und nach eurem Brief klingelte es in meiner Erinnerung. Ich hatte vor Langem ein Buch ausgeliehen, ein bisschen leichte Lektüre wie ihr euch denken könnt, über verschiedene Teilbereiche der Magie über die Jahrhunderte hinweg. Dort war ein Abschnitt über den Bereich der alten C., wie du bereits gesagt hast, und dort wird ebenfalls erwähnt, dass N.F. als Erfinder des Kiesels viele Forschungen mit D. unternommen hat und sie langjährige Freunde waren. D. und N.F. müssen gewusst haben, dass früher oder später jemand hinter dem Kiesel her sein wird und haben ihn deshalb im Dunkeln verborgen.
Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wer wirklich dahinter her ist. Ich freue mich, euch bald wieder zu sehen!
Alles Liebe,
H.
„Natürlich will sie die Bücher sehen.“, meinte Harry trocken und lachte.
„Und ich wette mir dir, die leichte Lektüre wiegt mindestens zehn Pfund.“, entgegnete Anthony und summte nachdenklich vor sich hin. Er sah aus dem Fenster raus und kratzte sich am Kinn. Nach einer Weile drehte er sich zu Harry um und legte den Kopf schief.
„Wir wissen jetzt, dass Dumbledore und Flamel gute Freunde sind, dass Flamel als Einziger den Stein der Weisen herstellen konnte und auch aktiv genutzt hat. Was wir nicht wissen, ist warum Snape unbedingt an den Stein wollte, als der Troll im Schloss war.“, sprach er leise und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wieso zufällig ein Troll ins schloss gelangen konnte.“
„Vielleicht, weil er unsterblich werden will? Oder irgendetwas anderes Böses.“, antwortete Harry kaum hörbar und Anthony zuckte mit den Schultern.
„Wir werden es schon herausfinden.“, meinte er und lief mit Harry zurück in den Gemeinschaftsraum.
~oOo~
Es war bereits spät am Abend, als Anthony und Harry im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin auf dem Boden saßen und Zaubererschach spielten. Harry hatte, wieder einmal, verloren und ließ sich genervt auf den Rücken fallen, den Blick auf die Flammen gerichtet, die munter auf dem frisch aufgelegten Holz loderten.
„Du willst das wirklich durchziehen?“, fragte Anthony, der sich neben Harry auf den Bauch gelegt und den Kopf auf seinen überkreuzten Armen abgelegt hatte, während er mit einer Hand seine Katze streichelte, die sich vor ihm eingerollt hatte.
„Es ist die einzige Möglichkeit, die uns noch übrig bleibt. Wir haben die ganze Bibliothek abgesucht und nichts gefunden.“, antwortete Harry nüchtern und drehte seinen Kopf zu Anthony.
„Und mit deinem Tarnumhang in die Verbotene Abteilung ist die beste Idee, weil…?“
„…dort alte und verbotene Bücher stehen? Vielleicht hatte Flamel ja ein dunkles Geheimnis.“
„Glaubst du, Dumbledore würde etwas Dunkles oder Schwarzmagisches im Schloss verstecken? Wir wissen nichts über Flamel oder was er mit Dumbledore zu tun hatte.“
„Nicht wirklich. Aber wir müssen es herausfinden.“
„Das stimmt wohl.“, entgegnete Anthony und gähnte. Sie unterhielten sich noch ein wenig und entschieden sich dann dazu, ins Bett zu gehen, da sie beide ziemlich müde waren.
Am folgenden Tag warteten die beiden Jungs sehnsüchtig auf den Abend, um ihren Plan für ihre Forschung vorantreiben zu können. Nach dem Abendessen zogen sie sich wieder in den Gemeinschaftsraum zurück und kümmerten sich ein wenig um ihre Hausaufgaben und Aufsätze, die nach den Ferien erledigt sein mussten. Sie unterhielten sich noch ein wenig und zur späteren Stunde, als beide das Gefühl hatten, dass es spät genug war, schlüpfte Harry unter seinen Tarnumhang und schlich sich durch die leeren Korridore des Schlosses. Der Schwarzhaarige betrat die Bibliothek, die vom Mondlicht durch die großen Fenster in ein schummriges Licht gehüllt wurde und staunte. Die Bibliothek war tagsüber mit ihren aberhunderten vollgepackten Regalen mehr als beeindruckend und die Tatsache, dass sie über zwei Stockwerke verteilt war, machte sie im Licht noch beeindruckender – nachts hingegen war sie einfach nur unheimlich und eine morbide Stimmung lag in der Luft. Was Harry beim Durchqueren der Bibliothek nicht bemerkte, war ein Paar leuchtender Augen, das ihm geräuschlos folgte.
Harry lief durch den Mittelgang zum hinteren Teil der Bibliothek, wo die Verbotene Abteilung von einer dicken Kordel getrennt war. Er stieg vorsichtig über die Kordel und zog seinen Zauberstab, den er unter seinem Umhang hervorhielt.
„Lumos.“, flüsterte er und die Spitze seines Zauberstabes erhellte die dunklen Buchreihen. Reihe um Reihe lief er die Regale ab, fand alte, beinahe antike Bände mit unauffälligen Titeln und unbekannten Namen, stolperte zwischendurch jedoch auch auf Bücher mit sinister wirkenden Einbänden, Hinweise auf dunkle Magie, unlautere Zauberkünste, Flüche und Zaubertrankbrauerei. Vereinzelte Bände wie Große Geheimnisse der Dunkelsten Künste und Vergleichbares wollte er gar nicht erst berühren. Er lief die Reihen ab, konnte jedoch mit dem Namen Flamel keine Buchtitel entdecken. Ein schwarz eingebundenes Buch weckte sein Interesse, er versuchte es hervorzuziehen, hatte damit jedoch Probleme, weil das Buch ziemlich groß und recht schwer war. Er versuchte es auf einem Schoß abzulegen, was jedoch dazu führte, dass das Buch auf den Boden fiel und aufklappe. Ein markschütternder Schrei drang aus dem alten Buch hervor, der in der Bibliothek hallte und Harry das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er klappte das Buch panisch zu und schob es hektisch wieder in das Regal zurück, das Schreien hörte jedoch nicht auf und zerschlug die Stille in der Bibliothek wie eine Axt das Holz.
„Nox.“, flüsterte er und steckte den Zauberstab wieder in den Holster, nur um zu erkennen, als er sich umdrehte, dass Mrs. Norris ihm gefolgt war und wegrannte. Gedanklich schrie Harry in ähnlicher Manier wie das Buch, im Ärger über seine eigene Unvorsichtigkeit. Er kontrollierte, ob er den Tarnumhang richtig aufliegen hatte und verließ zügig die Bibliothek, nur um an Mr. Filch vorbeizulaufen, der mit Mrs. Norris auf dem Arm in die Bibliothek lief, aus der noch immer die Schreie des Buches hallten.
Harry lief weiter und bog um eine Ecke ab, erschrak jedoch, als er sah, wie Snape und Quirrel an einem Fenster im Gegenlicht des Mondes standen und heftig diskutierten. Die Diskussion ging so weit, dass Snape dem Verteidigungslehrer den Zauberstab in die Brust drückte und lediglich drohend „Überleg dir gut, wo deine Loyalität liegt, Quirrel. Du willst mich nicht zum Feind.“ schnarrte, als Filch um die Ecke gestürmt kam.
„Ein Schüler wandert im Schloss umher.“, sagte Filch, woraufhin Snape von Quirrel abließ und den Hausmeister beäugte.
„Sind Sie sich sicher?“, fragte er misstrauisch und schoss Dolche aus den schwarzen Augen Quirrel entgegen.
„Ein Buch in der Verbotenen Abteilung schreit ohne Unterlass, er muss noch unterwegs sein.“, antwortete Filch, woraufhin sie in Richtung der Bibliothek liefen.
Harry war unterdessen vorsichtig nach hinten an die Wand gewichen, da er sich in diesem Flügel des Schlosses nicht so recht auskannte und warten wollte, bis die Erwachsenen verschwunden waren. Er öffnete die Tür und fand sich in einem leeren Klassenzimmer wieder. In der Mitte des Raumes stand jedoch ein großer auf Klauenfüßen stehender Spiegel, mit einem alten, goldverzierten Rahmen, der die Inschrift Nerhegeb zreH nied reba ztiltnA nied thciN trug. Harry runzelte die Stirn und zog den Tarnumhang von seinem Kopf. Als er vor den Spiegel trat, wurden seine Augen immer größer und sein Herz begann zu pochen. Er sah sich selbst, hinter seinem Spiegelbild standen jedoch seine Mutter und sein Vater, die ihn liebevoll anlächelten und ihre Hände auf seine Schultern legte. Neben Lily, im Hintergrund, standen noch seine Großeltern, Eloanne und Celyn, die ihn ebenfalls freudig anlächelten. Harry drehte sich um, jedoch hinter ihm stand niemand. Auf der anderen Seite, hinter seinem Vater, standen seine anderen Großeltern, die ihn ebenfalls anlächelten.
„Mama? Papa?“, fragte er leise und berührte die kalte Scheibe des Spiegels. Seine Eltern nickten ihm lächelnd entgegen und er blickte zu den älteren Ehepaaren.
„Und… meine Großeltern.“, stellte Harry leise fest, obwohl er eines der beiden Paare ja bereits auf einem Foto gesehen hatte. Sie nickten ihm ebenfalls lächelnd und traten näher an seine Eltern heran. Er ließ den Blick über seine Familie wandern. Sein Vater hatte die gleichen, unbändigen schwarzen Haare und trug eine Brille. Er ähnelte ihm in gewisser Weise, doch Harry hatte das Gefühl, dass seine Gesichtszüge mehr seiner Mutter ähnelten. Zumindest seit seinem Geburtstag. Lily funkelte ihm aus ihren großen, grünen Augen, die tatsächlich genauso aussahen wie seine, entgegen. Eloanne, die etwa so groß, aber zierlicher, wie seine Mutter war, legte ihre Hand auf Lilys Schulter und sah Harry aus großen, hellblauen Augen an. Wie auf dem Bild in einem der Bücher trug sie ihre hellblonden Haare zu einem Dutt hochgebunden, aus dem sich einige Strähnen lösten. Sein Großvater hingegen wirkte eher kräftig, die gleiche dominante Ausstrahlung wie auf dem Bild. Er hatte die gleichen großen, grünen Augen wie seine Mutter, die kurzen roten Haare, ordentlich zur Seite gekämmt. Zwischen dem roten Vollbart blitzte ein Lächeln hervor. Sein anderer Großvater sah seinem Vater ziemlich ähnlich – unbändiges, schwarzes Haar und eine Brille auf der Nase, seine Großmutter lächelte ihm aus dunklen Augen zu, die braunen, von grauen Strähnen durchzogenen Locken zu einem strengen Dutt geknotet.
Harry wusste nicht, wie er mit diesem Bild im Spiegel umgehen sollte. Auf der einen Seite wollte er lachen und auf der anderen Seite wollte er weinen. Sehnsucht und Freude wechselten sich ab, tanzten im Kreis in seiner Brust und seine Atmung wurde schwer. Er merkte, wie sich eine Träne ihren Weg über seine Wange bahnte und leise im Kragen seines Pullovers versank. Er versuchte tief einzuatmen, da er spürte, wie sich sein Brustkorb immer enger anfühlte und seine Gefühle von unten begannen aufzuwallen wie die Wellen des Meeres im Sturm. Stille Tränen rollten über seine Wangen und hinterließen ihre glitzernden Spuren auf der blassen Haut, seine Lippen bebten. Er versuchte, sich zusammenzureißen, aber die Eindrücke vor ihm waren zu groß; die Sehnsucht, die sich in seiner Brust ausweitete, unerträglich. Ein Schluchzen entwich seinen Lippen, während er in die Knie ging und das Gesicht in seinen Armen vergrub und leise weinte.
„Hast du etwas finden können?“, fragte Anthony und sah besorgt in Harrys Gesicht, als dieser mitten in der Nacht wieder im Gemeinschaftsraum ankam.
„Nein. Leider nicht.“, sagte er leise und faltete den Tarnumhang zusammen. „Filch hat mich fast erwischt. Da sind seltsame Bücher in der Abteilung.“
„Was ist passiert?“
„Es hat mich angeschrien.“
„Okay das ist wirklich seltsam. Aber was ist passiert?“
„Nichts.“
„Aha.“
„Gehen wir schlafen?“, fragte Harry und deutete zum Schlafsaal hoch, woraufhin Anthony nur stumm nickte.
In der Nacht zuvor war er lange wach gelegen, verloren im Gedankenkarussell, das nicht anhalten wollte. Irgendwann überrannte ihn jedoch die Müdigkeit und er fiel in einen kurzen Schlaf, denn Anthony und er standen dennoch pünktlich zum Frühstück auf, um sich bei den Lehrern nicht verdächtig zu machen. Den folgenden Tag über war Harry ziemlich ruhig, Anthony beobachtete seinen Freund stillschweigend und grübelte. Tagsüber vergrub sich Harry hauptsächlich in seinen Schulaufgaben, erledigte seine Aufsätze für Verwandlung und Zaubertränke, übte ein wenig Zauberkunst und war mit den Ergebnissen weitestgehend zufrieden.
Das, was sich in seinem Spiegelbild in diesem geheimnisvollen Spiegel offenbarte, zog ihn in den Bann. Er musste sich mit seinen Aufsätzen und Aufgaben ablenken, begann nach Zauberkunst an Verwandlung weiter zu üben, nur um zu verhindern, dass seine Gedanken zu dem Spiegel wanderten.
Es war früher Abend, Anthony und Harry saßen im Gemeinschaftsraum und erledigten die Reste ihrer Aufgaben. Die beiden Jungs spazierten nachmittags ein wenig im Schnee um den zugefrorenen Großen See herum, wurden von den Weasleyzwillingen zu einer Schneeballschlacht herausgefordert, die sie durch die verzauberten Schneebälle gnadenlos verloren hatten und hatten sich, nachdem ihre Füße nass und kalt waren, wieder zurück auf den Weg ins Schloss gemacht, in Ruhe mit den Anderen zu Abend gegessen und sich wieder in den Gemeinschaftsraum zurückgezogen, um weiterzuarbeiten. Anthony saß Harry gegenüber an einem der größeren Tische im Gemeinschaftsraum, als er leise seufzte, seine Feder zur Seite legte den Schwarzhaarigen ansah.
„Harry.“
„Hm?“
„Das einzige Mal, dass ich dich heute lachen gehört habe, war bei der Schneeballschlacht mit Fred und George.“
„Ja.“
„Was ist passiert?“
„Ich… Es…“, begann Harry und seufzte. „Ich zeig es dir später, okay?“
Anthony zog die Augenbraue hoch und warf Harry einen undeutbaren Blick zu, nickte jedoch langsam und fuhr mit seiner Arbeit fort.
Harry öffnete leise die Tür zu dem leerstehenden Klassenzimmer, schlüpfte mit Anthony unter seinem Tarnumhang hinein und schloss die Tür. Er zog den Tarnumhang runter und deutete auf den Spiegel.
„Da, in dem Spiegel. Da waren meine Eltern und meine Großeltern, ich habe sie gesehen. Schau!“, meinte Harry und schob Anthony vor den Spiegel. Anthony blickte in den Spiegel und sah verwirrt zu Harry.
„Ich sehe deine Familie nicht, Harry.“, entgegnete er und sah in den Spiegel. „Ich sehe…mich. Unterwegs, aber ich kenne den Ort nicht. Es ist… schön. Und… meine Eltern, sie umarmen sich,… fröhlich. Das passiert so selten.“, flüsterte Anthony und berührte die Scheibe. „Und ich bin auch da.“, fügte er noch leiser hinzu und schluckte die Erkenntnis, dass sein Spiegelbild glücklich lachte, stumm herunter.
„Aber.. sie stehen doch hier neben mir.“, meinte Harry und deutete auf den Bereich um sie herum.
„Vielleicht zeigt der Spiegel was Unbekanntes,… vielleicht das, was noch kommt?“
„Wie kann die Zukunft in der Vergangenheit liegen? Meine Familie ist doch tot...“
„Das ist ein Argument. Der Spiegel ist seltsam. Harry, vielleicht sollten wir diesen Spiegel nicht mehr besuchen. Er ist nicht gut für uns.“
„Warum?“
„Weil er dich traurig macht.“
Anthonys Satz schoss wie ein Pfeil durch seine Eingeweide, ein kalter Griff umklammerte sein Herz und seine Atmung wurde schwer. Harry schluckte und blickte zu Anthony, der ihn mit einem besorgten Blick ansah und seufzte.
„Er macht dich so unfassbar traurig, dass es mich ebenso traurig macht, dich so zu sehen.“, sagte er leise. Harry blickte auf den Boden und nickte.
Er warf einen letzten Blick auf den Spiegel, flüsterte ein kleines „Okay“, warf sich und Anthony den Tarnumhang über und lief mit ihm zurück in den Gemeinschaftsraum.
Harry lag in seinem Bett und hörte dem leisen, gleichmäßigen Atmen aus dem Nebenbett zu, um sich zu vergewissern, dass Anthony wirklich schlief. Er hatte Anthony am Vorabend versichert, nicht mehr zu dem Spiegel zu gehen, aber er konnte nicht mehr nicht hingehen. Er zog ihn an, wie ein Nachtfalter vom Licht angezogen wurde. Die Wärme, die er fühlte, wenn er seine Eltern sah, wie sie ihn umarmten, das Bild, wie seine Großeltern stolz auf ihre Familie blickten und ihre Hand liebevoll auf seine Schultern legten, ihn anstrahlten. Er wollte es wieder sehen, wollte es wieder fühlen. Er schlich sich leise aus dem Schlafsaal heraus, warf sich den Tarnumhang über und lief zu dem verlassenen Klassenzimmer.
Der Spiegel stand unverändert dort und er lächelte, trotz dem schmerzlichen Ziehen in seinem Magen, als er seine Familie sah. Er berührte die Scheibe und seufzte.
„Du bist zurückgekommen.“, hörte er hinter sich und wirbelte herum. Im Licht, das durch die Fenster hereinfiel, stand Dumbledore und sah ihn über die Ränder seiner Halbmondbrille an.
„Ich habe Sie gar nicht gesehen.“, sagte Harry überrascht.
„Ich brauche keinen Tarnumhang, um unsichtbar zu sein.“, fügte er schmunzelnd hinzu.
„Ich…“, begann Harry, doch Dumbledore schüttelte nur langsam den Kopf.
„Wie ich sehe, hast du, wie viele andere vor dir, die Eigenschaften des Spiegels Nerhegeb entdeckt.“, begann er zu sprechen und kam auf Harry zugelaufen. Er sah ihn fragend an.
„Was… ist das für ein Spiegel?“, fragte er vorsichtig und knetete nervös seine Finger.
„Ich gebe dir einen Hinweis. Der glücklichste Mensch der Welt würde, wenn er vor dem Spiegel stünde, sich selbst sehen. So wie er ist, nicht mehr und nicht weniger“
„Dann zeigt er Spiegel das, was wir uns wünschen? Alles, was wir uns wünschen?“
„Ja. Und Nein. Der Spiegel zeigt nur deine tiefsten, sehnsüchtigsten Wünsche. Du, der nie deine Familie kennenlernen konntest, siehst dich im Kreise derer, die dich lieben.“
„Aber Anthony…“, meinte Harry und schluckte.
„Mr. Goldstein hat eine Familie, aber es ist eine zerrüttete Familie. Er wünscht sich nichts sehnlicher als die eigene Freiheit und seine Eltern glücklich zu sehen, ohne Streit und ohne unerfüllbare Erwartungen an ihn.“
„Niemand kann sehen, was der Andere darin sieht.“, stellte Harry leise fest und sah zu Dumbledore. „Darf ich fragen,… was Sie sehen?“
„Ich sehe mich mit einem Paar selbstgestrickter Socken in der Hand. Harry, der Spiegel gibt uns weder Wahrheit noch Wissen. Es gab Menschen, die sich von diesem Spiegel in den Wahnsinn haben treiben lassen, weil sie nicht mehr davon losgekommen sind.“
„Anthony hat gesagt, dass der Spiegel nicht gut für uns ist.“
„Du hast einen sehr intelligenten Freund an deiner Seite, Harry. Der Spiegel wird morgen an einen anderen Ort verfrachtet und ich muss dich dazu ermahnen, nicht nach ihm zu suchen. Es tut uns nicht gut, Träumen hinterherzujagen, wenn wir dabei vergessen zu leben.“, sagte Dumbledore und sah ihn durchdringend an. Harry blickte zu dem Spiegel, nahm ein letztes Bild von sich und seiner Familie in sich auf und seufzte. Er sah zu Dumbledore herüber und nickte.
„Okay.“, sagte Harry und Dumbledore führte ihn zur Tür heraus. Harry hörte, wie die Tür des Klassenzimmers zufiel und ein Riegel einrastete, als Dumbledore ihn durch den Korridor führte.
„Gute Nacht, Harry.“, sagte der Ältere und verschwand summend um die Ecke. Harry runzelte die Stirn.
Kein Punktabzug, keine Strafarbeiten, kein Nachsitzen für unerlaubtes Herumwandern im Schloss – mitten in der Nacht. Er schüttelte leise den Kopf, schlüpfte unter den Tarnumhang und lief zurück zum Gemeinschaftsraum. Als er diesen betrat sah er, dass Anthony vor dem Kamin, in dem die letzte Glut glimmte, saß und seinen Kopf zu ihm drehte.
„Du warst bei dem Spiegel.“
„Es tut mir leid, dass ich gelogen habe. Aber… ich musste es noch einmal sehen, verstehst du?“
„Ja.“
„Bist du böse auf mich?“
„Ein bisschen vielleicht. Was wirst du jetzt tun?“
„Nichts. Der Spiegel wird woanders hingeschafft und… Dumbledore war da, er hat mir verboten, danach zu suchen.“
„Dumbledore war da?“
„Ja. Er tauchte aus dem Nichts auf. Und er war… verständnisvoll, er hat mir erklärt, was es für ein Spiegel ist.“
Anthony sah Harry fragend an und deutete auf den Platz neben sich auf dem Sofa. Harry setzte sich hin und begann zu erzählen, was Dumbledore ihm offenbarte – die Deutung von Anthonys Spiegelbild ließ er jedoch aus, da er nicht in den Wünschen seines Freundes wühlen wollte.
„Das ist ganz schön viel zum Verarbeiten.“, meinte Anthony nachdenklich und legte den Kopf schräg. „Und das ist ganz schön viel an Erkenntnissen, dafür, dass wir nach Flamel gesucht hatten und du letztendlich…oder stattdessen deine Familie gesehen hast.“
Harry sah Anthony mit großen Augen an.
Flamel. Der Spiegel. Seine Familie – seine Großeltern. Seine Großmutter, die ihn anlachte. Eloanne… Greenwood. Beauchamp… Nicolas Flamel. Seine Gedanken begannen zu rattern, Erinnerungen begannen sich zusammen zu fügen. Er erinnerte sich, wie er in der Bibliothek bei sich zuhause stand und die Bücher seiner Großmutter durchblätterte. Einführungen in die Alchemie. Übersetzungen von französischen Büchern. Gemeinschaftsbände mit Nicolas Flamel – Übersetzungen von Büchern von Flamel, alle im Bezug zur Alchemie.
„Anthony!“, rief Harry und rüttelte den Dunkelblonden an den Schultern. „Du bist ein Genie!“
„Danke, ich weiß. Nein, im Ernst – warum?“, fragte er ungläubig.
„Ich hatte dir doch erzählt, dass ich den Namen von Flamel schon einmal gesehen habe, richtig?“
„Richtig.“
„Und ich wusste nicht mehr wo.“
„Auch richtig.“
„Ich habe Bücher von ihm zuhause in der Bibliothek.“
„Was?“
„Meine Großmutter hat seine Bücher übersetzt und Bücher mit ihm zusammen verfasst.“
„WAS?“, rief Anthony und sprang auf. „Oh mein Gott. Es war die ganze Zeit vor unserer Nase. Warte nur, bis Hermine das mitbekommt.“, lachte er und begann seltsam zu tanzen.
„Was machst du?“
„Mich freuen.“, meinte er und schwang seine Hüfte seltsam im Kreis, während er mit den Armen herumfuchtelte.
„Cool.“, lachte Harry und kratzte sich am Kopf. „Glaubst du, Flitwick lässt mich per Flohfeuer mit Remus reden, dass ich die Bücher holen kann?“
„Bestimmt. Er ist zu lieb, als dass er nein sagen würde. Harry, wir kommen dem Rätsel näher!“
„Wann sind die Ferien vorbei?“, fragte Harry. „Wir müssen Hermine einen Brief schreiben.“
„Nach Neujahr sind die Ferien vorbei. Wir schreiben ihr einen Brief, wenn wir mehr herausgefunden haben. Morgen gehen wir zu Flitwick.“ Harry stimmte dem Plan zu und ging mit Anthony zum Schlafsaal hoch.
„Harry?“, fragte dieser als er sich zugedeckt hatte.
„Hm?“
„Du wirst den Spiegel wirklich nicht mehr suchen, oder?“
„Nein.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“
„Okay.“
„Schlaf gut.“
„Du auch.“
Am nächsten Morgen liefen die beiden Ravenclaws guter Dinge zum Frühstück in die Große Halle. Harry hatte eine weitestgehend traumlose Nacht und der Schlaf war erholsamer als die letzten zwei Nächte davor. Der Spiegel beschäftigte ihn nach wie vor, aber die Euphorie über das nächste Puzzleteil hinsichtlich Nicolas Flamel schob die traurigen Gedanken zur Seite. Als sie sich an den gemeinsamen Tisch setzten, wanderte sein Blick zu Dumbledore, der ihn mit einem freudigen Funkeln in den Augen über den Rand seiner Halbmondbrille ansah und ihm mit einem leichten Lächeln zunickte. Harry erwiderte die Geste und begann sich mit den Weasleyzwillingen zu unterhalten.
„Ich habe gehört, dass ihr in der Nähe von Ottery wohnt, stimmt das?“, fragte er leise.
„Ja, wir wohnen nahe am Fluss.“, sagte Fred ebenso leise.
„Ich wohne auch da in der Nähe. Auf der einen Seite des großen Waldes leben ja die Lovegoods. Und auf der anderen Seite des großen Waldes wohne ich.“, meinte er weiterhin leise.
„Der Wald ist spannend. Fast so spannend wie der Verbotene Wald.“, grinste George. „Aber niemand traut sich dort etwas Verbotenes zu machen.“
„Das ist auch gut so.“, sagte Harry und lächelte leicht.
„Du weißt etwas.“, stellte George nüchtern fest. „Spuck’s aus.“
„Der Wald ist tatsächlich verzaubert.“
„Woher weißt du das?“, fragte Fred und George zog die Augenbrauen hoch.
„Die ganzen Wälder und Ländereien gehören meiner Familie, der gesamte Wald ist so verzaubert, dass keiner darin Schaden anrichten kann.“
„Beeindruckend. Die Geschichten um den Wald sind hunderte von Jahre alt.“, meinte George und kratzte sich am Kinn.
„Meine Verwandten haben dort ja auch schon sehr lange gelebt.“, entgegnete Harry weiterhin mit gedämpfter Stimme und zuckte mit den Schultern. „Aber mir ging es nicht um den Wald. Worauf ich hinaus wollte – vielleicht können wir ja in den Sommerferien mal zusammen etwas unternehmen.“
„Das wäre super. Dann lernst du –“, begann Fred.
„ – unsere Familie kennen und wir zeigen dir die Gegend.“, beendete George.
„Wir können auch bei uns im Garten Quidditch spielen.“, meinte Fred und grinste.
„Super.“, antwortete Harry und lächelte. Anthony sah Harry nachdenklich an.
„Und du kommst auch.“, sagte Harry trocken und zeigte mit seinem Löffel auf Anthony.
„Okay, okay.“, entgegnete dieser und hob unschuldig die Hände hoch. „Wenn meine Eltern es erlauben…“
Der Rest des Frühstücks verlief weitestgehend ruhig und als sie fertig waren, warteten die beiden Ravenclaws bei den Flügeltüren der Großen Halle auf ihren Hauslehrer.
„Professor.“, sprach Harry ihn an.
„Potter?“, fragte dieser.
„Bestünde eventuell die Möglichkeit, dass ich über ein Flohfeuer kurz mit meinem Paten sprechen könnte? Ich brauche dringend Bücher aus unserer privaten Bibliothek für ein paar Aufsätze. Alte Familienstücke, wissen Sie.“, meinte Harry und kratzte sich verlegen am Kopf.
„Normalerweise genehmigen wir das nicht, aber da Ferien sind… Ich erwarte einen vorzüglichen Aufsatz in Zauberkunst von Ihnen, Potter!“, entgegnete Flitwick und hob lächelnd den Finger. „Kommen Sie morgen um elf Uhr in mein Büro.“
Am nächsten Vormittag klopfte Harry pünktlich um Elf an die Bürotür seines Hauslehrers, die nach einem kurzen Moment aufschwang und ihn eintreten ließ. Professor Flitwick saß mit einer Tasse Tee vor seinem Kamin und nickte Harry freundlich zu.
„Potter, ich hoffe, Sie verstehen, dass das eine absolute Ausnahme ist und das nicht an die große Glocke gehangen wird?“, meinte er und fuhr sich mit seiner Hand durch den dunklen Bart.
„Absolut, Sir.“
„Nun denn, die Verbindung ist temporär geöffnet.“, entgegnete er und deutete auf den Kamin. Harry stand neben dem prasselnden Feuer und sah vom Feuer zum Professor und wieder zurück. Er runzelte die Stirn.
„Die Flammen sind nicht grün.“, stellte Harry trocken fest und kratzte sich am Kopf.
„Richtig erkannt.“, meinte Flitwick und sah den Jungen ruhig an.
„Ich weiß nicht, wie das geht, Professor.“
„Oh.“, kam es vom Professor und er lachte. „Sie nehmen eine Hand voll von dem grünen Pulver in der Schale auf dem Kaminsims und werfen es ins Feuer, dabei nennen Sie den Ort, an dem Sie herauskommen möchten.“
„Aber das Feuer brennt?“, fragte Harry unsicher.
„Die Flammen sind kalt, wenn sie grün sind.“, entgegnete Flitwick. „Sie stecken ihren Kopf in die Flammen und können dann kommunizieren.“
„Oh. Okay.“, meinte Harry und nahm sich eine Hand voll von dem grünen Pulver. Er hatte gesehen, wie Remus aus dem Flammen herauskam und er hatte gesehen, wie die Lovegoods aus dem Flammen herauskamen, aber er selbst hatte diesen Transportweg noch nie benutzt. Gedanklich grummelte Harry darüber, dass er auch früher auf die glorreiche Idee hätte kommen können, sich zu informieren, wie dieses Netzwerk genau funktionierte und jetzt nicht wie ein bedröppelter Dackel vor seinem Hauslehrer stand.
„Und denken Sie daran, sie müssen klar und deutlich sprechen.“, mahnte ihn sein Hauslehrer und nahm schmunzelnd einen Schluck Tee. Harry war doch ein wenig nervös und das Amüsement, das er seinem Lehrer bot, machte es nicht besser.
„Okay.“ Er warf das Pulver hastig in die Flammen „‘emus ‘upin‘“, nuschelte er panisch und steckte den Kopf in das Feuer, darauf vorbereitet, sich zu verbrennen oder von den Flammen verschlungen zu werden. Vor lauter Aufregung steckte er den Kopf mit zu viel Schwung in die Flammen, bekam das Übergewicht und fiel vornüber in die Flammen hinein.
Er hustete und spuckte einen Schwall Asche aus, als er aus einem Kamin herauspurzelte, der definitiv nicht der Kamin im Keller seines Zuhauses war. Er runzelte die Stirn Er lag in einem fremden Haus auf dem Boden eines fremden Wohnzimmers.
„Hallo?“, rief er. „Remus?“ Zuerst hörte er nichts, doch dann kamen Schritte und ein großer Mann stand im roten Morgenmantel vor ihm und legte stirnrunzelnd den Kopf schief. Er stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich ein wenig runter.
„Wer bist du?“, fragte der Mann. „Und was machst du in meinem Haus?“
„Harry Potter. Wer… sind Sie? Ich… ich glaube, ich habe mich verwählt.“, stammelte Harry und hustete einen weiteren Schwall Asche heraus.
„Nikodemus Turpin.“
„Oh. Dann sind Sie der…“
„Der Vater von Lisa Turpin, richtig.“, entgegnete der Vater seiner Hauskameradin und begann zu lachen. „Möchtest du mit Lisa sprechen?“, fragte er und drehte sich um, um seine Tochter zu rufen.
„NEIN! Ich,… halt! Ich… ich … ich hab‘ genuschelt! Ich wollte bei mir zuhause ankommen!“, rief Harry.
„Na dann.“, m einte Mr. Turpin amüsiert und nickte. Er reichte Harry eine Schale mit Flohpulver und grinste. „Schönen Tag noch und viel Spaß auf der Weiterreise.“
„Entschuldigung für die Störung. Schöne Grüße an Lisa, auf Wiedersehen Mr. Turpin.“, sagte Harry hastig und warf einen Schwall des grünen Pulvers in die Flammen. „Hogwarts, Büro von Professor Flitwick.“, sagte Harry schnell und verschwand in den Flammen.
Er flog im hohen Bogen aus den Flammen aus dem Kamin seines Hauslehrers heraus, der auf seinem Ohrensessel saß und sich mit einem gackernden Lachen den Bauch hielt, als er Harry mit Asche übersäht, zerzaustem Haar und überfordertem Gesichtsausdruck auf seinem Boden liegen sah.
„Sie haben genuschelt, Potter.“, stellte Flitwick lachend fest. „Wo sind Sie gelandet?“
„Nicht zuhause.“, meinte Harry trocken und schnaufte. „Zum Glück hat Mr. Turpin Humor.“
„Nikodemus Turpin?“, lachte Flitwick noch lauter und wischte sich eine Träne aus den Augen. „Köstlich. Versuchen Sie es noch einmal.“
„Schön, dass Sie sich amüsieren, Professor.“, murmelte Harry ein wenig trotzig und lief wieder zum Kamin. „Haus von Remus Lupin.“, sprach er diesmal deutlich und atmete erleichtert auf, als er seinen Keller erkannte. „Remus?“, rief Harry und stieg aus dem Kamin. Nach einem kurzen Moment kam ein „Harry?“, von der Küchentür, gefolgt von Schritten, die die Kellertreppe herunterliefen.
„Ja.“
„Wie siehst du denn aus?“, fragte Remus und lachte. „Und was machst du hier?“
„Ich brauche unbedingt Bücher aus der Bibliothek.“
„Und wieso siehst du aus, als wärst du ein Schornsteinfeger?“
„Weil ich gerade zum ersten Mal das Flohnetzwerk benutzt habe. Professor Flitwick hat mir eine Genehmigung erteilt, weil ich die Bücher für… Forschungszwecke brauche.“
„Und dennoch, wieso siehst du aus wie ein Schornsteinfeger?“
„Ich hatte… nicht einkalkulierte Umwege auf dem Weg.“
„Du hast genuschelt, oder?“
„Ja.“, stellte Harry trocken fest und sah Remus genervt an, als dieser zu lachen begann. „Lach ruhig, Professor Flitwick hat auch herzhaft gelacht.“
„Wo bist du rausgekommen?“, fragte Remus.
„Im Wohnzimmer von Nikodemus Turpin.“
Remus lachte herzlich und klopfte Harry auf die Schultern. „Alles klar.“, meinte er anschließend. „Du wirst nicht viel Zeit haben, oder?“
„Nein, ich muss schnell in die Bibliothek und dann direkt wieder zurück.“
„Schade. Aber gut. Dann – auf, auf!“, sagte Remus und lief in die Küche zurück. Harry lief schnell in die Bibliothek und packte sämtliche Bücher seiner Großmutter und Nicolas Flamel in seine Tasche ein und lief zurück in die Küche, wo Remus ihm ein in braunes Papier eingewickeltes Bündel in die Hand drückte.
„Hm?“, fragte Harry und nahm das Bündel entgegen und packte es in seine Tasche.
„Apfelkuchen.“, meinte Remus. „Für dich und Anthony.“
„Danke!“, freute sich Harry und lief mit Remus zum Kamin in den Keller. „Bis bald, Remus!“, meinte er und umarmte den Werwolf fest, bevor er das Flohpulver in den Kamin warf.
„Tschüss, Harry.“, entgegnete Remus und winkte dem Schwarzhaarigen noch kurz zu, bevor dieser in den Flammen verschwand.
Harry schaffte es, halbwegs aufrecht – trotz ein paar stolpernder Schritte – aus den Flammen herauszutreten und stemmte zufrieden die Hände in die Hüfte. „Immerhin.“, murmelte er und sah zu seinem Professor, der ihn belustigt ansah.
„Diesmal hat es geklappt.“, meinte Harry trocken und lächelte leicht. „Danke, Professor.“
„Gerne. Schönen Tag noch, Potter.“
„Wiedersehen, Professor.“, entgegnete Harry und verschwand aus dem Büro in Richtung des Gemeinschaftsraumes.
Dort angekommen, sah er Anthony mit Iduna auf dem Sofa liegen und lesen. Als er hörte, wie die Tür aufschwang und er zu Harry blickte, bekam dieser große Augen und brach in schallendes Gelächter aus.
„Aschenputtel, bist du es?“, fragte er nach einer Weile und kicherte in sich hinein.
„Ha, ha, ha.“, entgegnete Harry und ließ sich missmutig auf das Sofa fallen.
„Was ist bitte passiert?“, fragte er den Schwarzhaarigen und setzte seine Katze auf die andere Seite, um das weiße Fell nicht mit herunterrieselnder Asche beschmutzen zu lassen.
„Ich habe zum ersten Mal das Flohnetzwerk benutzt.“
„Und du hast genuschelt.“
„Zum dritten Mal heute… JA! Ich habe genuschelt.“, stöhnte Harry genervt und musste dann doch grinsen.
„Was ist passiert?“
„Ich bin im falschen Wohnzimmer gelandet.“
„Bei…?“
„Nikodemus Turpin, Lisas Vater. Netter Mann. Sein Morgenmantel war glücklicherweise zugebunden....“, meinte Harry trocken und sah Anthony mit geschürzten Lippen an, brach jedoch erneut in Gelächter aus und Harry musste unweigerlich mitlachen.
„Und dann?“
„Bin ich, schlauerweise, statt direkt zu mir nach Hause, nochmal zu Flitwicks Büro gefloht, im hohen Bogen aus seinem Kamin herausgeflogen und vor ihm auf der Nase gelandet. Und weißt du was seine Reaktion war?“
„Hm?“
„Sie haben genuschelt.“, äffte Harry lachend nach. „Und er hat mich ausgelacht. Richtig hart ausgelacht. Dann bin ich glücklicherweise bei mir zuhause herausgekommen, konnte mich von Remus ebenfalls auslachen lassen und die Bücher einpacken.“
„Dann hattest du ja eine spannende Zeit in der letzten Stunde.“, stellte Anthony amüsiert fest und lehnte sich grinsend zurück. „Und wir können anfangen zu forschen.“
„Zuerst… gehe ich duschen. Remus hat uns übrigens Apfelkuchen eingepackt.“
„Er muss mich wirklich gern haben.“
„Hallo?“
„Ich liebe Apfelkuchen.“
„Hallo?“
„Hallo. Ich liebe Apfelkuchen.“
„Ich auch, aber…“, meinte Harry und schüttelte augenrollend den Kopf.
„Entspann dich, Aschenputtel.“
„Ruhe! Moment... Woher kennst du Aschenputtel?“
„Mein Vater hat mir manchmal Muggelmärchen vorgelesen.“
„Ah. Okay.“, meinte Harry und verschwand im Schlafsaal, um sich zu duschen und frische Klamotten anzuziehen. Als er nach ein paar Minuten wieder die Treppe in den Gemeinschaftsraum herunterlief, wartete Anthony schon hibbelig auf ihn.
„So, pack die Bücher aus, es dürstet mir nach Informationen und Wissen.“, forderte Anthony dramatisch und hielt sich eine Hand ans Herz, während er die Nase hochstreckte.
„Jaja.“, entgegnete Harry und klopfte die Asche von seiner Ledertasche, wischte kurz mit einem Taschentuch darüber und packte die Bücher und den Kuchen aus. Er öffnete das braune Papier und schob seinem Freund ein Stück Kuchen zu. Dieser blickte den Apfelkuchen aus seinen haselnussbraunen Augen an, als wäre es das Schönste auf der Welt und biss herzhaft hinein, gab ein wohliges „Mhmmm.“ von sich und nickte lächelnd.
„Remuf muff mich wirklich gern haben, definitiv.“, witzelte er mit vollem Mund.
„Hallo!“, beschwerte sich Harry. „Mein Pate – er hat mich gern!“. Als er merkte, wie seine Empörung aus der Pistole geschossen kam, biss er sich kurz auf die Zunge und wurde rot um die Nase. „Ihr kennt euch gar nicht.“, murmelte er leise und schob einen Krümel des Kuchens auf dem Tisch hin und her
„Bist du… eifersüchtig? Allein schon bei dem… Gedanken?“, feixte Anthony und wackelte mit den Augenbrauen.
„Nein?“, meinte Harry eine Oktave zu hoch.
„Jaja. Wie dem auch sei, der Kuchen ist wirklich fein. – Und jetzt wird gelesen. Hopp, hopp!“, entgegnete Anthony, wischte sich die Finger sauber und sah erwartungsvoll zu Harry, der die Bücher aus der Tasche holte. Er hatte sämtliche Bücher seiner Großmutter, sowie alles, was er mit dem Namen Flamel entdecken konnte, ausgepackt und stapelte nun mehr als zwölf Bücher vor ihnen auf.
„Du hast zwölf –, ich korrigiere: mindestens zwölf, – Bücher die Flamel betreffen in deiner Bibliothek und erinnerst dich nicht daran? Junge.“, sprach Anthony kopfschüttelnd und überflog die Buchtitel. „Ich würde mal behaupten, Flamel war Alchemist.“
„Du bist ein richtiger Detektiv, Anthony.“
„Danke.“, entgegnete er und sortierte die Bücher auf drei Stapel. „So – Eloanne…, Nicolas Flamel und die Übersetzungen und der dritte Stapel sind die Bände, die sie zusammen verfasst haben.“
Harry nickte und sie begannen die Bücher aufzuschlagen, machten sich Notizen für potentielle Anhaltspunkte, blätterten Kapitel für Kapitel durch und sahen sich zwischendurch mit großen Augen an – das, was dort in den Büchern stand, war definitiv kompliziert und alles andere als einfach.
„Respekt an deine Großmutter, Harry.“, murmelte Anthony, als er die Einführung in die Alchemie durchblätterte. „Wir wissen schon mal so viel: Flamel war Alchemist und deine Großmutter hat bei ihm gelernt. Aber uns fehlt noch die Hauptinfor… Oh. Oh. OH! Harry!“, rief Anthony zum Ende und tippte wild auf eine Seite des Buches.
„Was?“, fragte er und beugte sich herüber.
„Hier steht, dass die Alchemie als die königliche Kunst bezeichnet wurde, die zum Gegenstand hat, das Unedle ins Edle und das Grobe ins Feine zu transformieren. Die eigentliche königliche Kunst besteht darin, durch Transformationsvorgänge den Stein der Weisen zu erlangen, in sowohl philosophischer, als auch materieller Hinsicht. Die… okay, die philosophischen Aspekte sind ziemlich abgefahren, wenn man keine Ahnung von der Materie hat, hier reden sie von Hermetik, Gnostik, Mystik… Magie… Okkultes Wissen…Okay, … auf jeden Fall,… der einzige Alchemist, dem es je gelang, den Stein der Weisen stofflich herzustellen, war Nicolas Flamel, geboren in den 1320er Jahren, zusammen mit seiner Frau Perenelle, mit der er noch heute zusammenlebt und mittlerweile über sechshundertsechzig Jahre alt ist.“
„Dann ist es der Stein der Weisen, der von Fluffy bewacht wird.“, stellte Harry nüchtern fest. „Und der Stein der Weisen ermöglicht es, Flamel und seiner Frau, so alt zu werden? Aber wie?“
„Mit dem Stein der Weisen besitzt man die Möglichkeit das Elixier des Lebens herzustellen, was einen praktisch unsterblich macht.“, meinte Anthony, als er ein paar Seiten weiter blätterte. „Ziemlich harter Tobak, wenn du mich fragst, aber es muss genau das sein, was der Cerberus da bewacht. Jetzt stellt sich nur die Frage –“, begann er.
„ – was Dumbledore mit Flamel zu tun hat.“, beendete Harry den Gedanken.
„Und warum Snape den Stein klauen will. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.“
„Wir sollten Hermine schreiben.“, meinte der Schwarzhaarige.
„Aber dann nur kryptisch. Falls der Brief abgefangen wird.“
„Macht Sinn.“, meinte Harry, nahm sich ein frisches Pergament und fuhr sich mit der Feder über die Nase. Er dachte kurz nach und begann zu schreiben.
Liebe H.
zunächst einmal danke für dein Geschenk, ich habe mich sehr gefreut. Ich hoffe, die Zuckerfedern schmecken dir auch und du hattest ein schönes Weihnachten. Anthony und ich haben mehr rausgefunden zwecks der Sache mit den drei Köpfen. N.F. – ALte Chemie – kleiner Felsen –
Wo ist die Verbindung zu A.D.? Wieso wird es versteckt? Mehr haben wir nicht herausfinden können.
Liebe Grüße,
A. und H.
Harry zeigte Anthony den Brief, der kurz nickte und Harry einen Briefumschlag aus seiner Schultasche gab. Er packte den Brief hinein, versiegelte ihn mit einem tropfen Wachs von einer der Wandkerzen und räumte alle Bücher wieder in seine Tasche ein. Er brachte die Tasche in den Schlafsaal hoch, verstaute alle Bücher in seinem Koffer und lief zu Anthony zurück, der bereits an der Tür des Gemeinschaftsraumes wartete. Sie liefen zur Eulerei, banden Hedwig den Brief ans Bein und sahen ihr hinterher, bis sie am Horizont verschwand.
Sie blickten über die Ländereien des Schlosses, erneut in den Bann gezogen, von der Schönheit, die sich vor ihnen erstreckte. Die in Schnee gehüllte Landschaft glitzerte im Sonnenschein wie unzählige kleine Kristalle, schluckte jegliche Geräusche und hüllte alles in eine angenehme Stille. So standen die beiden Ravenclaws an einem der offenen Fensterbögen der Eulerei, kleine Atemwolken vor ihren Gesichtern wegen der kalten Luft und vereinzeltem Flügelschlagen der Eulen.
Die beiden Jungs verließen die Eulerei und machten sich auf den Weg zum Schwarzen See, dessen Oberfläche nach wie vor fest zugefroren war und sahen, wie die Hufflepuffs und zwei Slytherins lachend und friedlich nebeneinander Schlittschuh liefen.
„Es sind wohl doch nicht alle Slytherins so verkehrt, hm?“, meinte Anthony und schmunzelte, als sie um den See spazierten.
„Scheint wohl so.“, entgegnete Harry nachdenklich. „Aber gerade die sind es wohl, die nicht auffallen und sich im Hintergrund halten.“
„Als gäbe es eine Hierarchie in Slytherin.“
„Bestimmt. Von dem, was du mir erzählt hast, haben sicherlich bestimmte Familien das Sagen in Slytherin.“
„Absolut.“
Sie spazierten noch eine Weile um den Großen See herum und als ihre Füße begannen kalt und ihre Socken nass zu werden und die Sonne begann unterzugehen, machten sie sich auf den Weg zurück ins Schloss, da auch bereits die Glocken pünktlich zum Abendessen schlugen.
Zwei Tage vergingen, nachdem Harry und Anthony ihren Brief an Hermine abgeschickt hatten, und Hedwig flog beim Frühstück in Begleitung drei weiterer Schleiereulen, die die Tagesnachrichten brachten, elegant zur Großen Halle herein, flog im Kreis über den großen Tisch und ließ sich auf Harrys Schulter nieder.
„Guten Morgen.“, flüsterte Harry leise und streichelte Hedwigs Brust. Er nahm ihr den Brief vom Bein ab und gab ihr ein Stück Speck, woraufhin sie zufriedene Laute von sich gab und an seinen Kopf schmiegte. Als er Hermines Schrift auf dem Umschlag erkannte, steckte er ihn in die Gesäßtasche seiner Hose und nickte Anthony zu.
Als Harry einen weichen Atmen, gefolgt von einer leisen Stimme an seinem Ohr vernahm, erschrak er sich unmerklich und zuckte zusammen.
„Ihr solltet an eurer Gestik arbeiten, man könnte meinen, ihr habt etwas geplant.“, raunte ihm George ins Ohr und grinste ihn schelmisch an.
„Erschreck‘ mich doch nicht so.“, meinte Harry und funkelte den Rothaarigen an.
„Lenk‘ nicht vom Thema ab, Harry.“, entgegnete George und biss herzhaft in seine Frühstückswurst.
Der Schwarzhaarige streckte ihm die Zunge raus und ließ Honig über seinen Haferbrei tropfen. Er schnitt sich einen Apfel in kleine Stücke und begann alles zu verrühren, als Anthony ihn empört ansah. „Du gibst nicht auf mit dem Haferbrei, oder?“
„Niemals.“, antwortete Harry und sah ihn gespielt vorwurfsvoll an. „Und du wirst dem Speck nie abschwören, oder?“
„Ein Mann braucht seine Proteine.“, entgegnete Anthony bestimmt und lud sich demonstrativ ein paar mehr Streifen Speck auf den Teller. „Außerdem esse ich manchmal sogar Äpfel zum Frühstück.“
„Wann?“
„Manchmal.“
„Wow.“
„Du könntest aber auch mal ein bisschen Speck zum Frühstück essen – ein wenig Abwechslung ist nicht verkehrt.“, feixte Anthony.
„Jeder weiß, dass Elfen nur von Morgentau benetztem Obst und Feenstaub leben.“, kam es trocken von einer der Hufflepuffs, die neben George saß und schmunzelnd in ihr Brot biss.
Stille herrschte am Tisch, keine Gabel bewegte sich. Harry sah das Mädchen mit großen Augen an, öffnete geschockt seinen Mund, Ron verschluckte sich lautstark und Dumbledore entwich ein kleines Glucksen. Mit Harrys kleinem „Hey!“ brachen die Schüler in ein herzliches Lachen aus und Harry fiel in ein sprachloses Grinsen und biss sich auf die Lippen. Sie sah Harry mit einem schmunzelnden Schulterzucken an, der ihr nur mit zwei Fingern ein „Ich beobachte dich“ andeutete und weiter aß.
„Es ist immer wieder schön, wenn Humor die Herzen erweicht.“, meinte Dumbledore lächelnd und nahm einen Schluck Tee.
„Genau, Albus.“, kam es sarkastisch von Professor McGonagall, die den Schulleiter schräg ansah. „Wirklich zauberhaft.“
„Es ist eine große Macht, die man, vor allem über sich selbst, gewonnen hat, wenn man entscheiden kann, was man an sich heran lässt und was nicht.“, antwortete er daraufhin und sah zu Harry über die Ränder seiner Halbmondbrille mit seinen funkelnden blauen Augen an. „Jeder, der dies verstanden hat, hat eine große Kunst vollbracht.“ Harry runzelte die Stirn und nickte. Er wusste zwar nicht ganz, was er mit dieser Aussage jetzt beim Frühstück anfangen sollte, aber er behielt es im Hinterkopf. Die anderen Schüler blickten Dumbledore teilweise an, als hätte er ihnen erzählt, dass der Himmel heute violett angemalt wurde; lediglich Anthony legte den Kopf schief und eine der Slytherins sah den Schulleiter nachdenklich an.
„Man nimmt den Anderen die Macht über sich selbst weg.“, sprach sie halblaut, mehr zu sich selbst.
„Richtig, Miss Farley.“, entgegnete Dumbledore und nickte zustimmend in ihre Richtung. „Deswegen ist es stets ratsam, Herr über sich selbst zu sein.“
Das Frühstück neigte sich nach den Äußerungen des Schulleiters weitestgehend schweigend dem Ende zu, da die Worte entweder Verwirrung oder Nachdenken bei vereinzelten Schülern ausgelöst hatten. Harry und Anthony liefen schweigend durch das Schloss, wanderten durch fremde Korridore und entdeckten die ein oder andere unbekannte Statue. Da sie keine Hausaufgaben mehr zu erledigen hatten, entschieden sie sich, ein wenig mehr in Ruhe das Schloss zu erkunden und Wege zu gehen, die sie noch nicht kannten. Vor dem ein oder anderen interessanten Portrait blieben sie stehen, unterhielten sich mit den Personen im Bilderrahmen oder blickten aus dem Fenster über die Ländereien. In einer abgelegenen Ecke öffnete Harry den Brief, den er am Morgen erhalten hatte und beugte sich mit Anthony darüber.
Lieber H., lieber A.,
es freut mich, dass es euch gut geht und ja, ich habe mich sehr gefreut über die Zuckerfedern – die Roten sind meine Favoriten!
Und es ärgert mich, dass ich nicht bei eurer Entdeckung dabei sein konnte. Ich würde bei Gelegenheit gerne die Quellen sehen, wo ihr die Informationen herhattet! Natürlich habe ich mir weiterhin intensiv Gedanken gemacht und nach eurem Brief klingelte es in meiner Erinnerung. Ich hatte vor Langem ein Buch ausgeliehen, ein bisschen leichte Lektüre wie ihr euch denken könnt, über verschiedene Teilbereiche der Magie über die Jahrhunderte hinweg. Dort war ein Abschnitt über den Bereich der alten C., wie du bereits gesagt hast, und dort wird ebenfalls erwähnt, dass N.F. als Erfinder des Kiesels viele Forschungen mit D. unternommen hat und sie langjährige Freunde waren. D. und N.F. müssen gewusst haben, dass früher oder später jemand hinter dem Kiesel her sein wird und haben ihn deshalb im Dunkeln verborgen.
Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wer wirklich dahinter her ist. Ich freue mich, euch bald wieder zu sehen!
Alles Liebe,
H.
„Natürlich will sie die Bücher sehen.“, meinte Harry trocken und lachte.
„Und ich wette mir dir, die leichte Lektüre wiegt mindestens zehn Pfund.“, entgegnete Anthony und summte nachdenklich vor sich hin. Er sah aus dem Fenster raus und kratzte sich am Kinn. Nach einer Weile drehte er sich zu Harry um und legte den Kopf schief.
„Wir wissen jetzt, dass Dumbledore und Flamel gute Freunde sind, dass Flamel als Einziger den Stein der Weisen herstellen konnte und auch aktiv genutzt hat. Was wir nicht wissen, ist warum Snape unbedingt an den Stein wollte, als der Troll im Schloss war.“, sprach er leise und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wieso zufällig ein Troll ins schloss gelangen konnte.“
„Vielleicht, weil er unsterblich werden will? Oder irgendetwas anderes Böses.“, antwortete Harry kaum hörbar und Anthony zuckte mit den Schultern.
„Wir werden es schon herausfinden.“, meinte er und lief mit Harry zurück in den Gemeinschaftsraum.