1:0 für Rex
von Bibi77
Kurzbeschreibung
Bei Moser steht Gartenarbeit an. Doch Rex hat andere Pläne und bekommt dabei überraschende Unterstützung. – Ein kleiner Einblick in den privaten Alltag von Rex und Richie.
OneshotHumor / P6 / Gen
Rex
Richard "Richie" Moser
22.07.2022
22.07.2022
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1.987
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22.07.2022
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So ganz überzeugt war Richard Moser noch nicht von dem, was er da vorhatte. Nachdenklich stand er im Garten hinter dem kleinen Haus im Wiener Gürtel, welches er und Schäferhund Rex vor Kurzem angemietet hatten, tippte mit dem Sägeblatt eines kleinen Fuchsschwanzes gegen sein Kinn und sah nach oben. Der Baum war sehr hoch und er sehr ungeschickt. Etwas. Etwas ungeschickt, verbesserte Moser sich, und das galt natürlich auch nur für die Heim- und Gartenarbeit. Doch von allein würden sich die Äste gewiss nicht schneiden und Max, sein Mentor und Kaffeehaus-Spezl, hatte schon nicht Unrecht: Der alte Nussbaum war viel zu groß, viel zu nah am Haus und würde im Herbst viel zu viel Dreck machen und mit seinem Laub die Dachrinnen verstopfen. Und an einem stürmischen Herbsttag im strömenden Regen oben auf der Leiter stehen und mit klammen Fingern modrige Blätter vom Dach popeln, das war eine noch weniger verlockende Vorstellung für Moser als die, an diesem sonnigen Samstagmorgen in den Baum zu steigen und ein bisschen darin herum zu sägen.
„Du hast unbedingt aan Haus im Grünen g’wollt, jetz musst dich auch drum kümmern“, hatte Max gesagt, wie sie neulich zusammen das Chaos hinter dem Haus betrachtet hatten, und irgendwie vorwurfsvoll hinzugefügt: „Also schau, dass du endlich deinen Garten in Ordnung bringst!“
Garten in Ordnung bringen – damit meinte er: regelmäßig Rasen mähen, den Büschen einen kunstvollen Formschnitt verpassen, Blümchen pflanzen, hübsche Geranien in den Blumenkästen… Kurz: den Garten in ein Schönbrunn im Miniformat verwandeln.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Moser, was er sich da bloß angetan hatte. Er hatte eindeutig unterschätzt, wieviel Zeit und Arbeit man für so ein kleines Häuschen mit Garten aufwenden musste. Das Haus war ja noch okay, aber Gartenarbeit? Das war, vorsichtig ausgedrückt, eine völlig neue Erfahrung für ihn, oder besser: eine Herausforderung. Sein natürliches Habitat waren bisher Beton und Asphalt gewesen. Klar, im gefiel die Vorstellung von Natur und dass es sie gab. Das Gras, die Bäume, die Sonne und all das. Seit Rex an seiner Seite war, hielt er sich hin und wieder sogar ganz gern darin auf. Aber etwas dafür tun müssen? Samstags früh aufstehen, um Äste zu schneiden und Rasen zu mähen und in der Erde zu wühlen? Moser seufzte. Daran würde er sich erst noch gewöhnen müssen. Für Rex. Der war, neben dem gekündigten Mietverhältnis in der Stadt, schließlich der Hautgrund dafür gewesen, dass sie hinaus ins Grüne umgesiedelt waren. Der Hund sollte es schön und seinen Auslauf haben und auch mal was anderes schnüffeln dürfen als Abgase, Asphaltstaub und Leichenduft.
Apropos Rex! Wo steckte sein Gartengehilfe eigentlich?
Moser sah sich um, konnte den Vierbeiner aber nirgends entdecken.
„Rex?!“, rief Moser und ein lauter Pfiff schrillte über das Grundstück.
Kein Rex kam.
Wollte sich der Schlawiner etwa vor der Arbeit drücken?
Er wollte.
Schon auf dem Weg nach vorn vernahm Moser ein fröhliches Bellen und dann sah er es auch schon: Rex tollte über die Wiese vor dem Haus und spielte mit dem Ball, den er erst gestern im Zoogeschäft erbettelt hatte. Auffordernd rollte er Moser die bunte Kugel zu – und das Spiel war aus.
„Na, Rex! Ah ah! Es war ausgemacht, dass du mir hilfst, schon vergessen?“, erinnerte Moser seinen Vierbeiner, während der Fuchsschwanz energisch durch die Luft wedelte.
Rex setzte sich grummelnd und legte einen wehleidigen Blick auf.
„Ja, ich hab auch keine Lust“, sagte Moser, „aber da müss mer jetz durch! Oder willst du, dass wir hier komplett zuwachsen und uns noch mehr Garten-Vorträge vom Max anhören müssen? Na also! Auf geht’s! Umso eher sammer fertig und dann können wir meinetwegen noch ein bissl Ball spielen, okay?“
Bei dem Wort „Ball“ war Rex aufgesprungen und brachte sich in Spielstellung.
„Ja, später“, sagte Moser. Er hob den Ball auf, warf ihn in die leere Regentonne und legte den Deckel darüber.
Spielverderber! – sagte Rex‘ Blick, doch vorerst blieb ihm nichts anderes übrig, als seinem Zweibeiner nach hinten in den Garten zu folgen.
„Also pass auf“, sagte Moser, als hätte er einen Plan, und erklärte Rex gestenreich: „Ich geh da jetz rauf in den Baum und werf dir die Äste runter. Und du bringst sie gleich nach vorn zur Einfahrt, verstanden?“
Doch erst einmal wollte Moser die alte zusammengerollte Schilfmatte entfernen, die irgendjemand mal irgendwann in genau die Astgabel geklemmt hatte, die er sich als Aufstiegshilfe ausgeguckt hatte.
Entschlossen wedelte er die vielen kleinen Insekten beiseite, die davor herumschwirrten, und wollte gerade zupacken, als er bemerkte, dass die Flugobjekte es offenbar auf genau diese Schilfmatte abgesehen hatten.
Moser hielt inne. „Rex, komm amal her!“
Gemeinsam betrachteten sie sich die Sache mal genauer.
Die kleinen Tierchen sahen aus wie Mini-Bienen und waren eifrig damit beschäftigt, die Schilfröhrchen zu erkunden. Sie summten von Loch zu Loch, krabbelten hinein, manche wieder heraus. Viele der Röhrchen waren mit einer grauen oder gelblichen Masse verklebt, die aussah wie Zement oder körniger Honig, und Moser entdeckte bald, dass es die Bienen waren, die sich dort als Rohrverputzer betätigten.
Rex war ebenfalls ganz interessiert, stellte die Ohren auf und schnupperte neugierig an der umschwärmten Matte.
Moser zog ihn vorsichtshalber schnell zurück. „Nase weg, Rex!“
Er hatte nicht viel Ahnung von Insekten, aber irgendetwas sagte ihm, dass er die Tierchen mal lieber nicht bei der Arbeit stören sollte. Vielleicht war die Schilfmatte ja sowas wie ihre Bruthöhle, in der sie ihre Larven aufzogen?
Moser verfolgte ihre Flugbahnen und entdeckte plötzlich überall im Garten Bienen, Hummeln und andere, ihm unbekannte Fluginsekten, die ihm noch nie aufgefallen waren. Dabei war der Verkehr über den verwilderten Rabatten und dem Rasen eigentlich unübersehbar. Letzterer hatte sich in Ermangelung eines regelmäßigen Schnittes inzwischen in eine Wiese aus hohen Gräsern und filigranen Wildblumen verwandelt. Besonders beliebt schienen die rosa Blütenstände zu sein, die sich überall in dichten Büscheln im Garten verteilten. Die kleinen grünen Blätter dieser Pflanze dufteten sehr intensiv und erinnerten Moser an Pizza vom Italiener. Kein Wunder also, dass die Bienen wie verrückt darauf abflogen. Bienen-Pizza sozusagen. Schien ihnen jedenfalls besser zu schmecken als Geranien. In den Balkonkästen vom Max war längst nicht so viel Betrieb – eigentlich gar keiner – und Moser fand, dass das ein gutes Argument dafür war, auf einen anstrengenden Gang in die Blumenabteilung vom Baumarkt und eine noch anstrengendere Pflanzaktion zu verzichten. Ein SEHR gutes Argument.
Und wie Moser Rex dabei beobachtete, wie er ausgelassen die Schmetterlinge über die Wiese jagte, beschloss er, das für später geplante Rasenmähen einfach auf den Herbst zu verschieben, wenn alles verblüht war. Schließlich konnte er den vielen Gartenbewohnern ja nicht einfach ihre Nahrungsgrundlage entziehen. Wirklich zu dumm, aber da musste Max schon ein bisschen Verständnis für haben, fand Moser und grinste zufrieden in sich hinein.
Damit stand dann nur noch der Baumschnitt auf der Tagesordnung.
Etwas umständlich kletterte Moser am Insektenhotel vorbei in den Nussbaum und kämpfte sich, mit der Säge zwischen den Zähnen, in das dichte grüne Geäst. Er fühlte sich sehr unsicher und bedauerte es sehr, dass er es noch immer nicht geschafft hatte, sich eine gescheite Leiter zu besorgen. Als Kind war er viel geklettert, allerdings hauptsächlich in alten Abrisshäusern und Kellergewölben und seine reichhaltigen Erfahrungen auf diesem Gebiet halfen ihm hier nur bedingt weiter. Alles wackelte und knackte unter seinen Füßen.
Ein besonders aufdringlicher Ast verfing sich in seinem Pullover, schnippte beim Versuch, sich zu befreien, in Mosers Gesicht und brachte ihn beinahe aus dem Gleichgewicht. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich festhalten. Ein paar unreife Walnüsse prasselten auf den Boden, wo Rex aufgeregt hin und her sprang und bellte, als wollte er sagen: Hey, pass doch auf!
Moser sah lieber wieder nach oben, kniff kurz die Augen zusammen und schnaufte tief durch.
„Hab alles im Griff!“, versicherte er Rex und beschloss, dass er hoch genug geklettert war.
Er verschaffte sich einen kurzen Überblick, suchte sich einen Ast heraus, setzte mit der Säge an und – rutschte erst einmal auf dem glatten Holz ab.
„Aaarrh!“
Erschrocken steckte Moser sich den verletzten Daumen in den Mund. Zum Glück war die Haut nur leicht angeratscht und es blutete kaum. Weh tat es trotzdem.
Derweil stand Rex schon mit den Vorderpfoten im Baum und winselte verzweifelt.
„Alles okay!“, rief Moser und hielt seinen Daumen in die Höhe. „Bleib unten, Rex! Kann weitergehen!“
Rex bellte noch ein paar Mal, doch da war nichts zu machen. Moser hantierte schon wieder mit der Säge und rackelte so energisch an dem Ast herum, dass es Laub und weitere Nüsse regnete.
Das hatte Moser sich alles irgendwie leichter vorgestellt.
Der alte Fuchsschwanz, den er im Schuppen gefunden hatte, war schon etwas rostig und ziemlich stumpf, darüber hinaus wohl auch etwas zu klein für die Aufgabe, die ihm gestellt wurde. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis das Holz endlich durch war und der erste Ast nach unten segelte.
Rex schnappte ihn sich und zog ihn schnurstracks nach vorn zur Einfahrt, als wäre er froh, den Kampf mit dem Nussbaum nicht länger mit ansehen zu müssen.
Nach dem zweiten Ast brannten Moser die Muskeln und ihm wurde warm.
Beim dritten Ast glaubte er plötzlich, ein polterndes Geräusch gehört zu haben. Er setzte kurz ab und lauschte. Doch da war nichts. Nur Vogelzwitschern aus den Nachbargrundstücken und ein vorbeifahrendes Auto. Da musste er sich wohl verhört haben. Moser schob die Ärmel hoch und nahm den Sägebetrieb wieder auf.
Nach dem vierten Ast war ihm so warm, dass er seinen Pullover auszog und nach unten warf. Was er dort sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Seit Ast Nummer 1 hatte sich dort offenbar nichts mehr bewegt. Hatte Rex den etwa direkt zum Bauhof geschleppt, oder wo steckte er so lange?
„Rex?!“, rief Moser.
Keine Reaktion.
„REE-HEEX!“ Na der konnte was erleben, wenn er es schaffte, jemals wieder heil von diesem Baum herunterzukommen!
„REE – “
Plötzlich bemerkte Moser, dass er beobachtete wurde und hielt inne.
Ein Eichhörnchen hatte seinen Kopf aus einer kleinen Höhle im Baumstamm gesteckt und Moser hatte irgendwie das Gefühl, dass es ihn vorwurfsvoll ansah. Er wusste auch schnell, warum. Denn nun schauten neben der Mama noch zwei Eichhorn-Winzlinge neugierig nach draußen.
Moser schluckte.
„Tschuldigung“, murmelte er verlegen. „Wenn ich gewusst hätte, dass ihr hier wohnt, dann – “
Er seufzte und brach ab. Hier wollte er nicht länger stören. Außerdem, fand Moser, hatte er für den Anfang genug getan und so machte er sich, nicht unglücklich über den vorzeitigen Feierabend, an den Abstieg.
Heil unten angekommen, raffte er die liegen gebliebenen Äste zusammen und schaffte sie selbst nach vorn. Dort musste er feststellen, dass er sich vorhin doch nicht verhört hatte. Rex hatte doch tatsächlich die Regentonne umgestoßen, um an seinen Ball zu gelangen.
„Na du bist mir ja heut eine große Hilfe!“, grummelte Moser und warf die Äste schwungvoll auf einen Haufen.
Er wusste, er sollte eigentlich böse mit seinem unzuverlässigen Gartengehilfen sein, doch dann flog ihm auch schon der Ball in die Arme und Rex hüpfte so freudig bellend in Spielstellung hin und her, dass Mosers Ärger sofort verflog.
„So, du willst mich also herausfordern, ja?“ Moser grinste überlegen. „Na das wollen wir doch mal sehen, wer hier der bessere Spieler is! Dein Tor is da hinten, zwischen den beiden Büschen, und meins – “ Er warf schnell einen herumliegenden Blecheimer und, in einigen Schritten Abstand, seinen Pullover in die Wiese und setzte zum Freistoß an.
Rex hatte ja Recht. So ein Garten sollte vor allem Eines: Spaß machen und für alle da sein – nicht nur für die Zweibeiner. Und wenn Max einen Wembley-Rasen und hübsche Blumenrabatten sehen wollte, dann sollte er halt weiter in Schönbrunn oder im Volksgarten spazieren gehen. Basta!
Schon flog der Ball in Richtung Gegner. Rex sprang hoch, köpfte ihn weg und stürmte hinterher. Moser versuchte noch dazwischen zu grätschen, warf sich mit vollem Körpereinsatz auf den Rasen, doch Rex hüpfte einfach über ihn hinweg, schnappte sich den Ball und manövrierte ihn direkt ins Tor.
1:0 für Rex.
1:0 dafür, den Dingen einfach mal ihren Lauf zu lassen.
„Du hast unbedingt aan Haus im Grünen g’wollt, jetz musst dich auch drum kümmern“, hatte Max gesagt, wie sie neulich zusammen das Chaos hinter dem Haus betrachtet hatten, und irgendwie vorwurfsvoll hinzugefügt: „Also schau, dass du endlich deinen Garten in Ordnung bringst!“
Garten in Ordnung bringen – damit meinte er: regelmäßig Rasen mähen, den Büschen einen kunstvollen Formschnitt verpassen, Blümchen pflanzen, hübsche Geranien in den Blumenkästen… Kurz: den Garten in ein Schönbrunn im Miniformat verwandeln.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Moser, was er sich da bloß angetan hatte. Er hatte eindeutig unterschätzt, wieviel Zeit und Arbeit man für so ein kleines Häuschen mit Garten aufwenden musste. Das Haus war ja noch okay, aber Gartenarbeit? Das war, vorsichtig ausgedrückt, eine völlig neue Erfahrung für ihn, oder besser: eine Herausforderung. Sein natürliches Habitat waren bisher Beton und Asphalt gewesen. Klar, im gefiel die Vorstellung von Natur und dass es sie gab. Das Gras, die Bäume, die Sonne und all das. Seit Rex an seiner Seite war, hielt er sich hin und wieder sogar ganz gern darin auf. Aber etwas dafür tun müssen? Samstags früh aufstehen, um Äste zu schneiden und Rasen zu mähen und in der Erde zu wühlen? Moser seufzte. Daran würde er sich erst noch gewöhnen müssen. Für Rex. Der war, neben dem gekündigten Mietverhältnis in der Stadt, schließlich der Hautgrund dafür gewesen, dass sie hinaus ins Grüne umgesiedelt waren. Der Hund sollte es schön und seinen Auslauf haben und auch mal was anderes schnüffeln dürfen als Abgase, Asphaltstaub und Leichenduft.
Apropos Rex! Wo steckte sein Gartengehilfe eigentlich?
Moser sah sich um, konnte den Vierbeiner aber nirgends entdecken.
„Rex?!“, rief Moser und ein lauter Pfiff schrillte über das Grundstück.
Kein Rex kam.
Wollte sich der Schlawiner etwa vor der Arbeit drücken?
Er wollte.
Schon auf dem Weg nach vorn vernahm Moser ein fröhliches Bellen und dann sah er es auch schon: Rex tollte über die Wiese vor dem Haus und spielte mit dem Ball, den er erst gestern im Zoogeschäft erbettelt hatte. Auffordernd rollte er Moser die bunte Kugel zu – und das Spiel war aus.
„Na, Rex! Ah ah! Es war ausgemacht, dass du mir hilfst, schon vergessen?“, erinnerte Moser seinen Vierbeiner, während der Fuchsschwanz energisch durch die Luft wedelte.
Rex setzte sich grummelnd und legte einen wehleidigen Blick auf.
„Ja, ich hab auch keine Lust“, sagte Moser, „aber da müss mer jetz durch! Oder willst du, dass wir hier komplett zuwachsen und uns noch mehr Garten-Vorträge vom Max anhören müssen? Na also! Auf geht’s! Umso eher sammer fertig und dann können wir meinetwegen noch ein bissl Ball spielen, okay?“
Bei dem Wort „Ball“ war Rex aufgesprungen und brachte sich in Spielstellung.
„Ja, später“, sagte Moser. Er hob den Ball auf, warf ihn in die leere Regentonne und legte den Deckel darüber.
Spielverderber! – sagte Rex‘ Blick, doch vorerst blieb ihm nichts anderes übrig, als seinem Zweibeiner nach hinten in den Garten zu folgen.
„Also pass auf“, sagte Moser, als hätte er einen Plan, und erklärte Rex gestenreich: „Ich geh da jetz rauf in den Baum und werf dir die Äste runter. Und du bringst sie gleich nach vorn zur Einfahrt, verstanden?“
Doch erst einmal wollte Moser die alte zusammengerollte Schilfmatte entfernen, die irgendjemand mal irgendwann in genau die Astgabel geklemmt hatte, die er sich als Aufstiegshilfe ausgeguckt hatte.
Entschlossen wedelte er die vielen kleinen Insekten beiseite, die davor herumschwirrten, und wollte gerade zupacken, als er bemerkte, dass die Flugobjekte es offenbar auf genau diese Schilfmatte abgesehen hatten.
Moser hielt inne. „Rex, komm amal her!“
Gemeinsam betrachteten sie sich die Sache mal genauer.
Die kleinen Tierchen sahen aus wie Mini-Bienen und waren eifrig damit beschäftigt, die Schilfröhrchen zu erkunden. Sie summten von Loch zu Loch, krabbelten hinein, manche wieder heraus. Viele der Röhrchen waren mit einer grauen oder gelblichen Masse verklebt, die aussah wie Zement oder körniger Honig, und Moser entdeckte bald, dass es die Bienen waren, die sich dort als Rohrverputzer betätigten.
Rex war ebenfalls ganz interessiert, stellte die Ohren auf und schnupperte neugierig an der umschwärmten Matte.
Moser zog ihn vorsichtshalber schnell zurück. „Nase weg, Rex!“
Er hatte nicht viel Ahnung von Insekten, aber irgendetwas sagte ihm, dass er die Tierchen mal lieber nicht bei der Arbeit stören sollte. Vielleicht war die Schilfmatte ja sowas wie ihre Bruthöhle, in der sie ihre Larven aufzogen?
Moser verfolgte ihre Flugbahnen und entdeckte plötzlich überall im Garten Bienen, Hummeln und andere, ihm unbekannte Fluginsekten, die ihm noch nie aufgefallen waren. Dabei war der Verkehr über den verwilderten Rabatten und dem Rasen eigentlich unübersehbar. Letzterer hatte sich in Ermangelung eines regelmäßigen Schnittes inzwischen in eine Wiese aus hohen Gräsern und filigranen Wildblumen verwandelt. Besonders beliebt schienen die rosa Blütenstände zu sein, die sich überall in dichten Büscheln im Garten verteilten. Die kleinen grünen Blätter dieser Pflanze dufteten sehr intensiv und erinnerten Moser an Pizza vom Italiener. Kein Wunder also, dass die Bienen wie verrückt darauf abflogen. Bienen-Pizza sozusagen. Schien ihnen jedenfalls besser zu schmecken als Geranien. In den Balkonkästen vom Max war längst nicht so viel Betrieb – eigentlich gar keiner – und Moser fand, dass das ein gutes Argument dafür war, auf einen anstrengenden Gang in die Blumenabteilung vom Baumarkt und eine noch anstrengendere Pflanzaktion zu verzichten. Ein SEHR gutes Argument.
Und wie Moser Rex dabei beobachtete, wie er ausgelassen die Schmetterlinge über die Wiese jagte, beschloss er, das für später geplante Rasenmähen einfach auf den Herbst zu verschieben, wenn alles verblüht war. Schließlich konnte er den vielen Gartenbewohnern ja nicht einfach ihre Nahrungsgrundlage entziehen. Wirklich zu dumm, aber da musste Max schon ein bisschen Verständnis für haben, fand Moser und grinste zufrieden in sich hinein.
Damit stand dann nur noch der Baumschnitt auf der Tagesordnung.
Etwas umständlich kletterte Moser am Insektenhotel vorbei in den Nussbaum und kämpfte sich, mit der Säge zwischen den Zähnen, in das dichte grüne Geäst. Er fühlte sich sehr unsicher und bedauerte es sehr, dass er es noch immer nicht geschafft hatte, sich eine gescheite Leiter zu besorgen. Als Kind war er viel geklettert, allerdings hauptsächlich in alten Abrisshäusern und Kellergewölben und seine reichhaltigen Erfahrungen auf diesem Gebiet halfen ihm hier nur bedingt weiter. Alles wackelte und knackte unter seinen Füßen.
Ein besonders aufdringlicher Ast verfing sich in seinem Pullover, schnippte beim Versuch, sich zu befreien, in Mosers Gesicht und brachte ihn beinahe aus dem Gleichgewicht. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich festhalten. Ein paar unreife Walnüsse prasselten auf den Boden, wo Rex aufgeregt hin und her sprang und bellte, als wollte er sagen: Hey, pass doch auf!
Moser sah lieber wieder nach oben, kniff kurz die Augen zusammen und schnaufte tief durch.
„Hab alles im Griff!“, versicherte er Rex und beschloss, dass er hoch genug geklettert war.
Er verschaffte sich einen kurzen Überblick, suchte sich einen Ast heraus, setzte mit der Säge an und – rutschte erst einmal auf dem glatten Holz ab.
„Aaarrh!“
Erschrocken steckte Moser sich den verletzten Daumen in den Mund. Zum Glück war die Haut nur leicht angeratscht und es blutete kaum. Weh tat es trotzdem.
Derweil stand Rex schon mit den Vorderpfoten im Baum und winselte verzweifelt.
„Alles okay!“, rief Moser und hielt seinen Daumen in die Höhe. „Bleib unten, Rex! Kann weitergehen!“
Rex bellte noch ein paar Mal, doch da war nichts zu machen. Moser hantierte schon wieder mit der Säge und rackelte so energisch an dem Ast herum, dass es Laub und weitere Nüsse regnete.
Das hatte Moser sich alles irgendwie leichter vorgestellt.
Der alte Fuchsschwanz, den er im Schuppen gefunden hatte, war schon etwas rostig und ziemlich stumpf, darüber hinaus wohl auch etwas zu klein für die Aufgabe, die ihm gestellt wurde. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis das Holz endlich durch war und der erste Ast nach unten segelte.
Rex schnappte ihn sich und zog ihn schnurstracks nach vorn zur Einfahrt, als wäre er froh, den Kampf mit dem Nussbaum nicht länger mit ansehen zu müssen.
Nach dem zweiten Ast brannten Moser die Muskeln und ihm wurde warm.
Beim dritten Ast glaubte er plötzlich, ein polterndes Geräusch gehört zu haben. Er setzte kurz ab und lauschte. Doch da war nichts. Nur Vogelzwitschern aus den Nachbargrundstücken und ein vorbeifahrendes Auto. Da musste er sich wohl verhört haben. Moser schob die Ärmel hoch und nahm den Sägebetrieb wieder auf.
Nach dem vierten Ast war ihm so warm, dass er seinen Pullover auszog und nach unten warf. Was er dort sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Seit Ast Nummer 1 hatte sich dort offenbar nichts mehr bewegt. Hatte Rex den etwa direkt zum Bauhof geschleppt, oder wo steckte er so lange?
„Rex?!“, rief Moser.
Keine Reaktion.
„REE-HEEX!“ Na der konnte was erleben, wenn er es schaffte, jemals wieder heil von diesem Baum herunterzukommen!
„REE – “
Plötzlich bemerkte Moser, dass er beobachtete wurde und hielt inne.
Ein Eichhörnchen hatte seinen Kopf aus einer kleinen Höhle im Baumstamm gesteckt und Moser hatte irgendwie das Gefühl, dass es ihn vorwurfsvoll ansah. Er wusste auch schnell, warum. Denn nun schauten neben der Mama noch zwei Eichhorn-Winzlinge neugierig nach draußen.
Moser schluckte.
„Tschuldigung“, murmelte er verlegen. „Wenn ich gewusst hätte, dass ihr hier wohnt, dann – “
Er seufzte und brach ab. Hier wollte er nicht länger stören. Außerdem, fand Moser, hatte er für den Anfang genug getan und so machte er sich, nicht unglücklich über den vorzeitigen Feierabend, an den Abstieg.
Heil unten angekommen, raffte er die liegen gebliebenen Äste zusammen und schaffte sie selbst nach vorn. Dort musste er feststellen, dass er sich vorhin doch nicht verhört hatte. Rex hatte doch tatsächlich die Regentonne umgestoßen, um an seinen Ball zu gelangen.
„Na du bist mir ja heut eine große Hilfe!“, grummelte Moser und warf die Äste schwungvoll auf einen Haufen.
Er wusste, er sollte eigentlich böse mit seinem unzuverlässigen Gartengehilfen sein, doch dann flog ihm auch schon der Ball in die Arme und Rex hüpfte so freudig bellend in Spielstellung hin und her, dass Mosers Ärger sofort verflog.
„So, du willst mich also herausfordern, ja?“ Moser grinste überlegen. „Na das wollen wir doch mal sehen, wer hier der bessere Spieler is! Dein Tor is da hinten, zwischen den beiden Büschen, und meins – “ Er warf schnell einen herumliegenden Blecheimer und, in einigen Schritten Abstand, seinen Pullover in die Wiese und setzte zum Freistoß an.
Rex hatte ja Recht. So ein Garten sollte vor allem Eines: Spaß machen und für alle da sein – nicht nur für die Zweibeiner. Und wenn Max einen Wembley-Rasen und hübsche Blumenrabatten sehen wollte, dann sollte er halt weiter in Schönbrunn oder im Volksgarten spazieren gehen. Basta!
Schon flog der Ball in Richtung Gegner. Rex sprang hoch, köpfte ihn weg und stürmte hinterher. Moser versuchte noch dazwischen zu grätschen, warf sich mit vollem Körpereinsatz auf den Rasen, doch Rex hüpfte einfach über ihn hinweg, schnappte sich den Ball und manövrierte ihn direkt ins Tor.
1:0 für Rex.
1:0 dafür, den Dingen einfach mal ihren Lauf zu lassen.