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Vertane Chancen

von Miwa86
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFamilie / P12 / Gen
Rose DeWitt Bukater Ruth DeWitt Bukater
18.07.2022
14.10.2022
5
3.496
7
Alle Kapitel
7 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
27.07.2022 645
 
Es war nicht so einfach wie gedacht, ein Treffen mit den Darstellern und Darstellerinnen des Theaterstücks zu bekommen. Zwar war Ruth sich nicht mehr sicher, wie genau ihr Plan, Rose zu treffen begonnen hatte, nur dass es in ihrer Vorstellung wesentlich einfacher gewesen war.
Stirnrunzelnd sah sie die dunkle Tür an, die soeben vor ihr zugeschlagen worden war. Es widerstrebte ihr zutiefst, betteln zu müssen, doch wenn sie die Möglichkeit auf ein Wiedersehen mit ihrer Tochter haben wollte, blieb ihr nichts anderes übrig. Tief durchatmend hob sie die behandschuhte Rechte und klopfte erneut energisch an. Eine, vielleicht auch zwei Minuten lang tat sich nichts, obwohl sie leises Gemurmel hinter der Tür zu vernehmen glaubte. Verärgert wollte Ruth ein weiteres Mal anklopfen, als sich die Tür doch noch öffnete. Zu ihrer Erleichterung stand nun jedoch eine etwas ältere Frau vor ihr, die in Kleidung und Frisur frappierende Ähnlichkeit mit einer Gouvernante aufwies und nicht der ruppige Mann, der sie vorher auf so unhöfliche Art abgewiesen hatte. Um ihre innerliche Unruhe zu überspielen atmete Ruth noch einmal tief ein und aus. Mit der Frau würde sie sich gewiss verständigen können. Auch wenn diese sie gerade recht ungeniert musterte, so als würde sie eine Bittstellerin, die um einen Platz für die Nacht bat. Schließlich ergriff die ältere Dame das Wort. „Der gute Dave hier meinte, Sie wollen zu einer unserer Darstellerinnen?“ Es schien mehr eine Feststellung denn eine Frage zu sein, trotzdem nickte Ruth. „Dies entspricht der Wahrheit“, bestätigte sie. „Ich möchte zu Rose Dawson.“
„So so“, ihr Gegenüber lachte leise. „Da sind Sie aber nicht die Einzige, Gnädige.“ Die Betonung dieses Wortes sagte Ruth, dass die Frau ihr nicht recht traute. „Was wollen Sie denn von unserer jungen Rose?“
„Ein Gespräch“, Ruth trat einen Schritt vor. „Ich bin ihre Mutter.“ Nach diesen Worten war es einige Minuten still zwischen ihnen. Schließlich war es wieder die ältere Dame in der Tür, die zuerst sprach. „Treten Sie bitte näher ins Licht“, bat sie Ruth. „Ich möchte Ihr Gesicht sehen.“ Obwohl Ruth diese Bitte etwas merkwürdig fand, verstand sie gleichzeitig den Sinn selbiger. Daher folgte sie der Aufforderung und gab der Türwächterin so die Gelegenheit, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Diese musterte sie erneut recht gründlich. „Ja“, sagte sie endlich, „ich sehe die Ähnlichkeit. Bitte, kommen Sie herein.“ Damit gab die Frau den Weg frei, sodass Ruth endlich durch die Tür treten konnte. Sie fand sich in einem schlicht wirkenden Raum wieder, der bis auf einige Sitzgelegenheiten leer war. „Bitte, nehmen Sie Platz.“ Die ältere Frau, deren Namen Ruth noch immer nicht erfahren hatte, wies auf einen der mit Polster bezogenen Stühle. „Ich werde mich erkundigen, ob Rose Sie empfangen will.“ Damit verschwand sie in einem schmalen Gang, von dem Ruth annahm, dass er zu den Garderoben der Darsteller führte. Nur zu gerne wäre sie der anderen Frau gefolgt, um ihre Tochter möglichst rasch zu sprechen, doch wusste sie sich zu beherrschen. Statt also diesem ungeduldigen Impuls nachzugeben, schritt sie auf einen der angewiesenen Stühle zu und ließ sich, nach einem prüfenden Blick auf dessen Zustand, auf diesem nieder. Nun hieß es also abwarten.

Je mehr Zeit verstrich, desto unruhiger wurde Ruth. Seufzend musste sie sich eingestehen, dass ihr Plan einen Fehler enthielt. Zwar mochte sie die erste Hürde, nämlich in den Bereich der Künstler zu gelangen, genommen haben, doch lag es nicht in ihrer Hand, ein Treffen mit Rose zu erzwingen. Wenn ihre Tochter sich weigern sollte, mit ihr zu sprechen, aus welchen Gründen auch immer, würde dieser Hüne namens Dave sie sicherlich ohne langes Zaudern zur Tür hinaus begleiten, da war Ruth sich sicher. Nervös nestelte sie an den Fingerspitzen ihrer Handschuhe. Ihr blieb nichts anderes übrig als abzuwarten. Und darauf zu hoffen, dass es Rose eben so sehr danach verlangte, ise zu sehen, wie es Ruth umgekehrt mit ihr erging. Sie hoffte es wirklich sehr.
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