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Zwei Leben - Gegen die Welt - Gellert Grindelwald

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Albus Dumbledore Gellert Grindelwald OC (Own Character)
18.07.2022
05.06.2023
43
279.498
9
Alle Kapitel
77 Reviews
Dieses Kapitel
4 Reviews
 
 
18.07.2022 4.700
 
~* Das übliche Prozedere: Die hier verwendeten Charaktere aus dem Potter-Universum (Phantastische Tierwesen) gehören nicht mir, ich habe an ihnen keine Rechte und Geld verdiene ich damit (leider) auch keines.

Diese Fanfiction entsteht in Kooperation mit meiner lieben Freundin Enoraá (Zwei Leben - Gegen die Welt - Albus Dumbledore) - wir schreiben gemeinsam die komplett gleiche Geschichte, allerdings wird sie sich Albus‘ Sicht der Dinge widmen, während bei mir Gellert im Fokus steht.
Natürlich wird in beiden Geschichten annähernd das Gleiche geschrieben werden – lediglich die Gedankengänge und Emotionen sind natürlich individuell auf den eigenen Charakter gemünzt. Missverständnisse, Sichtweisen und möglicherweise auch getrennte Abläufe können es interessant machen, beide Seiten zu lesen. Das ist aber kein Muss! Es rundet die Geschichte für manchen Leser nur ab und vielleicht ist es auch eine angenehme Abwechslung, ein Kapitel aus Albus‘ Sicht und das nächste aus Gellerts Sicht zu lesen. Ganz wie du es magst!
Sollten sich die Geschehnisse sehr unterscheiden und es sich damit extrem lohnen, beide Seiten zu lesen, werde ich das vor dem Kapitel anmerken und ansonsten immer auch Enoraa verlinken, damit du nicht suchen musst.

Diese Fanfiction ist in einem alternativen, dystopischen Universum angesiedelt und bedient sich im kompletten Grundsatz aller Informationen aus den Filmen/Büchern/Pottermore. Durch veränderte Hintergründe werden sowohl Albus als auch Gellert jedoch in ihrem Handeln und Denken recht massiv von den Originalen abweichen, je mehr die Geschichte voranschreitet. Die beiden werden also sehr viel „out of character“ sein. Wenn dir das nicht zusagt oder behagt, ist diese FF vielleicht nichts für dich!

In dieser FF wird das Thema Krieg, Misshandlung, Gewalt, Tod, Armut/Hunger mitaufgegriffen (Disclaimer: Möglicherweise wird diese Liste noch länger). Wenn dich diese Themen betreffen und dir Probleme bereiten, achte bitte auf die entsprechenden Warnhinweise vor den Kapiteln und sei entsprechend vorsichtig!

Neue Kapitel gibt es voraussichtlich 1x pro Woche (Montags)! *~



Kapitel 1 - Der Neue

Hogwarts. Er hatte davon gehört. Eine sehr alte Schule, älter noch als Durmstrang, irgendwo in den Highlands von Schottland. Das klang furchtbar malerisch und nach einer Möglichkeit, nach einer neuen Perspektive. Gellert war sich jedoch bewusst, dass es Augenwischerei war. Es gab keine Möglichkeiten, keine Perspektiven, nicht für einen Zauberer. Es gab in Europa vorbestimmte Wege für seinesgleichen. Schicksale, die sie erfüllen würden. Daran änderte sich nichts, ganz gleich, was Gellert versuchte oder wollte. Schulleiter Solheim hatte es ihnen gesagt, immer und immer wieder, Jahr für Jahr. Klipp und klar. Dafür hatte er am Ende vermutlich auch sein Leben gelassen. Dafür war Durmstrang temporär geschlossen worden, die Lehrer entfernt oder exekutiert und die kritischen Schüler auf die restlichen, europäischen Schulen gebracht worden. Er hatte das vermeintliche Glück, hier in Hogwarts gelandet zu sein. Wunderbar.

Er begriff nicht, wie sich Zauberer und Hexen derart unterdrücken lassen konnten. Sie waren so mächtig, viele sogar überaus talentiert. Wenn sie nur wollten…! Wenn sie nur könnten…! Er hatte keinen Bedarf daran, für irgendwelche sesselpupsenden Regierungsheinis in den Krieg zu ziehen, wenn denen die Nase eines Königs, Ministers oder Kaisers nicht gefiel. Er hatte keine Lust, sein magisches Potenzial dafür zu verschwenden und noch weniger, deswegen sinnlos und anonym zu sterben.

Im Grunde war er fertig. Durmstrang bildete gut aus, effektiv. In seiner Freizeit hatte er viel trainiert. Zauber, die nicht gelehrt wurden. Also offiziell. Sie waren verboten im Unterricht. Aber Solheim hatte ihm und einigen Auserwählten diese Art von Zauber beigebracht, über die man niemals sprach und die man nur einsetzte, wenn besser niemand hinsah – oder man starb, wenn man es nicht tat. Was er hier sollte, erschloss sich ihm nicht, weshalb er mit ausdrucksloser Miene neben den anderen drei aus Durmstrang, die man hierhergeschickt hatte und beobachtete teilnahmslos, wie ein Zauberer den wartenden Kindern nacheinander einen muffigen, braunen Hut aus ranzigem Leder auf die Häupter setzte. Der rief hier und da Begriffe wie Hufflepuff und Slytherin aus, woraufhin sich die Kinder an einen Tisch begaben, der mit einer dominierenden Farbe geschmückt war. Das Konzept der Häuser hatte man ihm kurz erklärt. Zugehört hatte er nicht. Was scherte es ihn? Es war nur ein Jahr. Er hatte nicht vor, sich hier mit irgendwem groß anzufreunden und dann zu brechen, wenn er wieder in seine Heimat zurückkehrte.

»Gellert Grindelwald«, forderte ihn der Zauberer auf, ihn aus seinen Gedanken reißend. Missmutig schnaubend trat er nach vorn, um sich auf den Stuhl zu setzen. Er konnte nur hoffen, dass keiner dieser englisch-schottischen Bälger Läuse hatte.

»Mh…. Mh!«, machte der Hut in seinem Kopf. Gellert runzelte die Stirn tief. War das der Hut? »Ich sehe viel Potenzial in dir«, sann der Hut mit dunkler Stimme. »Du bist gerissen wie ein Slytherin, aber gescheit bist du auch! Vielleicht ein Ravenclaw?«, grübelte er gut für Gellert hörbar. Wie egal es ihm war… er wusste gerade nicht einmal, ob irgendwas davon besser oder schlechter für ihn wäre. Bevorzugte man irgendeines der Häuser? »Deine Perspektive… es ist mutig, so etwas zu denken in diesen Zeiten. Doch bist du auch mutig genug, sie durchzusetzen?«, fragte der Hut ihn.

»Keine Ahnung, was du meinst. Beende dieses lächerliche Spiel«, forderte Gellert den Hut murmelnd auf. Das ganze Brimborium war ihm äußerst unangenehm. Er wurde angestarrt. Klar, nicht jeden Tag kamen fast erwachsene Schüler neu an eine Schule und mussten dieses merkwürdige Prozedere über sich ergehen lassen.

»Gryffindor!«, rief der Hut aus, woraufhin der rotgoldene Tisch freudig applaudierte. Endlich nahm man ihm den Hut wieder ab und entließ ihn, damit er zu seinen neuen Tischnachbarn rübergehen konnte. Ohne seine Mitschüler groß zu beachten, nahm er Platz, den Blick eher pflichtbewusst als wirklich interessiert nach vorn richtend. Die anderen Durmstrangs landeten nicht in Gryffindor, sondern in Hufflepuff und Ravenclaw. Er applaudierte nicht. Waren diese Häuser jetzt gut oder schlecht? Er würde es erfahren, nicht? Demnächst? Er konnte nur hoffen, dass die Sprache nicht allzu lange eine zu große Barriere darstellte. Sein Englisch war stellenweise echt noch in den Startlöchern.

»Hey, ich bin Albus«, wurde er von der Seite angequatscht. Irritiert, dass jemand während einer so hochoffiziellen und superwichtigen Zeremonie einfach redete, wendete er den Blick aus zwei verschiedenfarbigen Augen auf den fremden, jungen Mann mit dem hellbraunen, leicht gelockten Haaren.

»Gellert«, erwiderte er nur knapp. Er wollte sich nicht sofort in Schwierigkeiten bringen. Er wusste nicht, wie streng die Regeln hier waren und wenn er so auf die Tätowierung auf seiner Hand sah, die ihm schon den einen oder anderen Cruciatus angetan hatte, wollte er zumindest akut nichts riskieren. Wäre ein echt schlechter Einstand ins Schuljahr. Diese verfluchte Tätowierung war ihre Fessel, ihr Fluch. Sie und nur sie allein verhinderte, dass ein Zauberer sich gegen die Muggel stellen konnte, wenn es keinem Befehl entsprach. Nicht, dass man Muggel sagen durfte. Das tat man besser nur unter den engsten Vertrauten. Ein Angriff gegen Nichtmagier, und man wurde auf grausamste Weise gequält. Legte man sein aufmüpfiges Verhalten nicht ab, wurde man von innen heraus regelrecht verflüssigt, sodass man begann, aus jeder Pore zu bluten. Das hatte er schon beobachten dürfen und hatte zumindest für den Moment kein gesteigertes Bedürfnis, herauszufinden, ob die Regeln dieses Landes, dieses Magistrats, noch strenger als die norwegischen waren.

Die Idee, Zauberer zu lokalisieren, sie zu registrieren und sie mit einer Nummer zu versehen wie Schlachtvieh, war aus der Sicht der Muggel nicht das Schlechteste. Dass es für sie demütigend war, ernüchternd und dank des in die Tätowierung hineingewirkten Fluches auch äußerst unangenehm und einschränkend, bedachte keiner dieser nichtmagischen Brote. Seine Initialen an Anfang und Ende, sein Geburtstag und -jahr und seine Registrierungsnummer dazwischen sortierten ihn ein wie ein Stück Ware und es kotzte ihn an. So richtig.

Kaum weniger ätzend war die gähnend langweilige Rede des Schulleiters, Ambrosius Heard. Irgendwas von Integrität, Altruismus, Fleiß und der höchsten Pflicht. Es war das hohle Geschwätz eines hohlen Mannes. Gellert sah es schon an den Augen, hörte es an den Worten, die der Mann wählte: Er war nicht übermäßig gescheit. Er war ein Speichellecker und nur deshalb auf der Position, die er jetzt bekleidete.  Da konnte er nur hoffen, dass die Rede möglichst schnell endete.

Sie tat es, wenn auch eher später als früher. Damit war offenbar das Festmahl eröffnet und ihm die Möglichkeit gegeben, endlich das Loch in seinem Bauch zu füllen. Die Reise von Norwegen hierher hatte viele Tage und Stunden verschlungen. Kutsche, Schiff, noch mehr Kutsche und schließlich - zur Abwechslung – Kutsche. Hogwarts lag eben, wie alle Zaubererschulen, im Arsch der Welt.

Aufmerksam betrachtete Gellert die Speisen, die auf dem Tisch standen und entschied sich, mit Kartoffeln und Karotten, Kohlrabi und kleinen Fleischbatzen zu beginnen. Es gab zwar auch Süßspeisen, aber er hatte Gerüchte gehört, dass die Engländer nichts von Süßspeisen verstanden und die Sachen ungenießbar waren, weshalb er es ließ, sich auch nur gedanklich damit zu befassen.

Die ersten drei Gabeln verschlang er regelrecht, schließlich leise seufzend. Er hatte wirklich Hunger gehabt, aber jetzt, wo sein Bauch gefüllt wurde, beruhigte sich das unruhige Rumoren direkt wieder. Er aß seinen Teller leer, nahm sich sogar noch Nachschlag und erst als er sich sicher war, dass er sich übergeben müsste, wenn er noch mehr aß, ließ er sein Besteck auf den Teller sinken, die Luft leise ausstoßend. Die anderen Schüler widmeten sich derweil allerlei merkwürdig aussehender Speisen, von Karamellpudding über Windbeuteln zu komischen Torten, Küchlein oder Keksen. Gellert… ließ das lieber.

»Gellert?«, fragte der junge Mann neben ihm, seine Aufmerksamkeit ungefragt erzwingend. Das war der Fluch mit Namen. Kannte jemand den Namen, sprach er ihn aus und man musste reagieren. Nervtötendes Konzept.

»Ja?«, fragte er zurück, sich dem braunhaarigen Mann mit den intensiven, blauen Augen zuwendend. Ein schöner Farbton, biss sich allerdings mit dem Rot seiner Krawatte. Gellert trug noch gar keine Krawatte. Nur ein weißes Hemd und die dunkelgraue Uniform.

»Wie ist dein Englisch?« Eine aufmerksame und sehr freundliche Frage. War das hier vielleicht das Haus der Hilfsbereiten oder sowas?

»Mäßig«, gab Gellert aufrichtig zurück. »Zwei Monate reichen kaum, eine Sprache zu lernen.« Er hatte sich sehr bemüht, diese verfluchte Sprache zu erlernen, damit er hier nicht komplett absoff und deswegen Ärger bekam. Er wusste, dass seine Mitschüler da weniger Talent und Eifer bewiesen hatten.

»Es klingt schon gut«, lobte ihn der andere Gryffindor-Typ. »Frag gerne, wenn du etwas nicht verstehst.« Das Verstehen war allerdings eher weniger ein vokabulares Problem. Es war die Sprechgeschwindigkeit und die Art, wie die Mundart diese eigentlich elegante Sprache ziemlich zerfetzte. »Was ist deine Muttersprache?« Wollte der Andere gleich noch seine Schuhgröße erfragen?

»Norwegisch. Ich spreche besser Deutsch«, sagte er, ein wenig unschlüssig, warum er das Zweite noch ausgespuckt hatte. Das war nicht die Frage gewesen! Andererseits hatte der andere Kerl ein ziemlich vereinnahmendes Lächeln.

»Ich versuche, deutsch aus Büchern zu lernen. Vermutlich spreche ich alles falsch aus, aber ich kann es gut lesen.« Eine Erklärung, die im Kontext ihrer Unterhaltung nicht notwendig gewesen wäre. Offenbar wollte der andere Kerl, Albus, ihn jedoch im Gespräch behalten. Nun gut, er musste sich ja nicht unnötig sträuben.

»Ich lerne Englisch aus Büchern. Spreche ich es richtig aus?«, fragte er zurück. »Deutsch ist schwer, sagen viele. Hart. Sie haben noch keine Russen gehört.« Er schüttelte den Kopf leicht, die leicht aristokratischen Züge des Mannes vor sich musternd. Albus. Ein merkwürdig klingender Name.

»Dein Englisch klingt auch ein bisschen hart«, gestand ihm Albus. »Aber ich verstehe es gut. Kannst du russisch? Aus Durmstrang?«, erkundigte er sich neugierig weiter, eine verirrte, haselnussbraune Strähne von seiner Stirn streichend. Schade, sie hatte dort eigentlich wunderbar platziert ausgesehen.

»Ich verstehe russisch gut, spreche es etwas… aber ich kann es nicht lesen«, antwortete er. »Durmstrang besteht auf Norwegisch. Bestand.« Zur Antwort erhielt er dieses Mal keine weiteren Fragen, sondern ein Nicken.

»Die Frau da oben im roten Kleid«, erklärte er stattdessen. »Professor Singer ist unsere Hauslehrerin. Sie kommt gleich und erklärt ein paar Sachen. Dann können wir endlich gehen. Wir wohnen im Turm.« Die Worte flossen regelrecht aus dem Mund des Mannes und sorgten dafür, dass Gellert erstmal reichlich konzentriert dreinschaute und versuchte, alle soeben vernommenen Worte in seinem Kopf umzuwälzen.

»Hauslehrerin?«, fragte er zurück. Das Wort kannte er noch nicht.  

»Sie ist, quasi, für uns verantwortlich. Naja, angeblich. Die Lehrer kümmern sich außerhalb des Unterrichts nicht viel. Aber sie ist für Gryffindor zuständig. Wenn es Ärger gibt, macht sie uns zur Schnecke«, erklärte ihm Albus mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

»Langsamer«, bat Gellert, die Stirn runzelnd. »Gryffindor… Die Häuser… was bedeuten sie?«, wollte er von Albus jetzt wissen. »Ist es gut, hier zu sitzen?« Dass seine Bitte sein Gegenüber so peinlich berührte, dass dieser sich sogar auf die Lippe biss, tat ihm plötzlich leid. Der Kerl schien wirklich ein gutes Herz zu haben. Solch ein Altruismus war in Durmstrang tödlich.

»Also… am besten ist es bei grün oder blau zu sitzen«, erklärte er langsamer. »Slytherin und Ravenclaw kommen am weitesten… müssen selten an die Front.« Toll. Warum hatte der dämliche Hut dann nicht genau da Schluss gemacht mit seiner grandiosen Grüblerei? Warum war er noch zu Gryffindor gekommen? »Die gelben, Hufflepuff….« Albus winkte ab und schüttelte mit einem Anflug von Bedauern den Kopf. »Gryffindor ist… kompliziert. Wir sind mächtig und dumm.« Dumm? Nichts, was Gellert wirklich von sich behaupten würde! »Helden, die doch eher jung sterben. Schwierig, da rauszukommen…«

Verärgert über diese Erklärung verfinsterte sich der Ausdruck auf Gellerts Zügen, seine verschiedenfarbigen Augen wurden schmaler. »Warum hat mich der Hut hierhergeschickt? Ich bin nicht dumm«, sagte er missvergnügt.

»Oh… nicht dumm, ich… entschuldige«, seufzte sein Gegenüber. »Ich meine damit nicht dumm, sondern einfach… naja, wir setzen uns eben für andere ein. Oft genug mehr als für uns selbst. Diese Art von dumm.« Eine Erklärung, mit der Gellert definitiv besser zurechtkam.

»Warum sucht man sich sein Haus nicht aus?«, fragte er Albus weiter. »Der Hut sprach zuerst von anderen Häusern. Es klang als wäre es ein Experiment, mich nach Gryffindor zu schicken.« Wäre er doch besser nach Slytherin gekommen! Dann hätte er vielleicht etwas bewirken können, statt nur in den Krieg geschickt zu werden, wenn es wieder geschah!

»Der Hut ist… also wäre er ein Mensch, würde ich sagen, er wäre ein Gryffindor. Und dann wiederum ist er sehr Slytherin. Mir hat er auch erzählt, wie gut ich doch eigentlich in die anderen Häuser passen würde, vor allem nach Ravenclaw, wohin ich unbedingt wollte… und dann reißt er seine Krempe auf und schickt mich hierher«, ratterte Albus mit zunehmender Sprechgeschwindigkeit herunter, sodass Gellert nur leise seufzen konnte. »Aber sein Wort ist Gesetz und der Rest nur in deinem Kopf.«

Nachdenklich wendete der neue Gryffindor seinen Blick zu dem jetzt stummen Stück Leder. Ein Hut sie zu richten, ihre Herzen zu finden, in Häuser zu treiben und ewig zu binden. Plötzlich kam Bewegung in die Lehrerschaft, die sich um den Schuldirektor herum erhoben, als dieser die Räumlichkeiten verließ. Offenbar ging es dann nun weiter? Stirnrunzelnd wartete er ab, was nun geschah.

Die rotgekleidete Frau kam an ihren Tisch, alle Köpfe wendeten sich ihr zu, weshalb auch Gellert sich bemühte, ihren harschen Worten zu folgen, auch wenn sie ziemlich schnell und akzentuiert sprach. Ob sie wohl Schottin war? Er hatte gehört, dass der schottische Dialekt gar nicht ohne war.

»Herhören!«, schaffte sie sich Gehör. »Ich erinnere Sie daran, dass Sie sich um die Verantwortlichkeit den jüngeren Schülern gegenüber verpflichtet haben. Mr. Dumbledore, ich entbinde Sie von dieser Pflicht – wie ich sehe, haben Sie sich bereits mit Mr. Grindelwald angefreundet. Sie werden ihn bei seinem Einstieg ins Schulgeschehen unterstützen.« Gellert verstand viele Worte, konnte sich also einen Reim machen… was er nicht verstand war, dass sich der Kerl neben ihm offenbar um ihn kümmern sollte. Albus Dumbledore. Der Nachname klang wie ein schlechter Scherz. Ein schiefgelaufener Wortwitz oder sowas. »Ich darf Sie alle außerdem daran erinnern, dass wir nach letztem Jahr mit schlechten Aktien starten – bemühen Sie sich um ein tadelloses Benehmen. Die zusammengehörigen Jahrgänge gruppieren sich morgen nach dem Frühstück, um ihre Stundenpläne zu erhalten. Gliedern Sie unsere neuen Schüler bitte anständig ein, und machen Sie ihnen ihren Stand bewusst«, verlangte sie. Zu viele, zu schnelle Wörter. Verflucht!

»Komm, wir können hoch«, murmelte Albus ihm zu.

»Ich habe kaum etwas verstanden«, murrte Gellert wieder verstimmt, sich von der Sitzbank lösend, um Albus durch die großen Türen nach draußen zu folgen. »Du musst dich nicht kümmern. Ich komme schnell allein zurecht.« Trotzig reckte er das Kinn.

»Ich erkläre es dir nachher«, ging Albus erstmal auf seine Verständnisprobleme ein, ihn nach oben in die Türme des Schlosses führend. Dass die Treppen in ihre Räumlichkeiten allerdings nicht immer die gleiche Richtung anstrebten, war gelinde gesagt ziemlich für den Eimer. Warum baute man Treppen, die die Richtung wechselten?

»Die Treppe geht mittwochs in den zweiten, nicht in den dritten Stock«, erklärte ihm Albus daher. »An jedem anderen Tag spart sie dir zehn Minuten Weg. Aber du musst auf der nächsten Treppe aufpassen – die fünfte Stufe von unten ist eine Trick-Stufe, durch die man durchsackt«, schloss er für diesen Abschnitt.

»Wer nutzt Zauberei für solchen Unsinn?«, fragte Gellert stirnrunzelnd. »Trickstufen und Treppen, die ihre Richtung ändern…« Er schüttelte fassungslos den Kopf, sich die blonden Locken zurückstreichend. Man konnte Zauberei doch so viel sinnvoller einsetzen, den Hunger beenden, Armut abschaffen, Kriege endgültig beenden… wenn man sie doch nur ließe! Wenn die Zauberer nicht unterdrückt würden, könnten sie so viel nützlichere Dinge tun als zu kämpfen und Babysitter zu spielen!

»Zauberer, die keine Angst vor Mu… vor normalen Menschen hatten«, antwortete Albus mit einem schiefen Lächeln. Die blauen Augen funkelten richtig, mit einem Mal wirkte der zuvor noch eher aus der Notwendigkeit heraus hier anwesende Albus Dumbledore mit Leben gefüllt. Hatte er Muggel sagen wollen? Das war verboten und nur Rebellen taten das. Dumme Zauberer, die zumeist nicht lange lebten. Gryffindors, wie es schien. »Die Ihre Magie für jeden Quatsch genutzt haben, der ihnen eingefallen ist. Hast du nicht den Himmel in der Halle gesehen? Hogwarts ist tausend Jahre alt. Merlin selbst war hier Schüler. Ich denke… in diesen Hallen hatten schon viele Hexen und Zauberer sehr viel Spaß«, schwärmte der gleichaltrige Mann und sah sich verträumt in dem Treppenhaus um. Davon angesteckte, folgte Gellert seinem Beispiel und sah sich selbst um, einige Portraits erspähend, in denen Personen saßen. Ja, sie saßen. Sie waren nicht abgebildet, sondern sie existierten dort herum, bewegten sich sogar. Er hatte davon gehört, gesehen hatte er so etwas jedoch noch nie. Und die Decke in der großen Halle… er hatte auch dort nicht hingesehen. Er sah selten irgendwo hin und verlor sich in seinen Gedanken. »Damals… als es noch die großen Zauberer und Hexen gab…«, schloss Albus schließlich seufzend.

»Die gibt es heute sicher auch noch«, murmelte Gellert verdrossen. »Wenn man uns ließe.« Dann würden die Zauberer über die Muggel herrschen, nicht umgekehrt. Die magisch begabten waren mächtiger. Warum sollten sie denen dienen, die Waffen brauchten, um sich zu verteidigen oder anzugreifen?

»Wenn man uns ließe«, stimmte Albus ihm leise zu, sich direkt abwendend, um ihm einen weiteren Geheimgang zu zeigen. Dachte der Mann so wie er? Sah er die Muggel auch als niedere Menschen an? Mit Albus hielt er vor einem Portrait inne, dass eine fette Dame zeigte, die in einem imposanten Kleid hochgradig gelangweilt aussah.  

»Passwort?«, hakte sie nach. Das blühende Leben.

»Sie hält sich für besonders witzig«, erklärte Albus leise und verdrehte die Augen, was Gellert ein Schmunzeln abrang. »Guten Abend, Mylady. Wie war der Sommer?«, wollte er wissen.

»Ach… langweilig, wie eh und je, junger Mann. Und doch eine nette Abwechslung dazu, alle drei Minuten auf und zu schwingen zu müssen«, lamentierte sie voller Theatralik, den Kopf zur Seite werfend als wäre sie auf eine Biene getreten. Danach schwang der schwere Rahmen zur Seite und bot ihnen freien Weg in einen Durchgang, den man von außen nie erwartet hätte.

Albus ging vor, Gellert ganz souverän in einen großen, gemütlich wirkenden Raum führend. »Das hier ist unser Aufenthaltsraum«, erläuterte er, die abgesessenen und teils verblassten Sofas auf den ergrauten Teppichen mit einer umfassenden Geste einschließend. Wäre es etwas pfleglicher behandelt worden, wäre alles hier drin sicher ein toller Anblick. Satte Farben, vornehmlich rot und gold. Tische und Stühle, ein wirklich einladend großer Kamin mit tollen Fresken, Wandteppichen und aufwändigen Malereien an den Wänden. So stellte sich Gellert den Aufenthaltsraum von den Rittern alter Mythen vor. »Links sind die Mädchenschlafräume, rechts die der Jungs.«

»Beachtlich«, murmelte der Blonde. »Gibt es keine Probleme? Mädchen und Jungs an einer Schule?«, wollte er wissen. Wie sollte der militärische Drill funktionieren, wenn die Mädchen doch so viel weniger aushielten, als die Jungs?

»Achja… Durmstrang hat nur Jungs, oder? Nein, meist nicht. Wir haben nur die Hälfte der Fächer gemeinsam. Und komm gar nicht erst auf die Idee, dich zu den Mädchen schleichen zu wollen. Die Treppe spuckt dich wieder aus.« Er deutete kurz auf die Treppe zu den Mädchen. »Die Mädchen könnten zwar zu uns hoch, aber… das kommt eigentlich nicht vor. Die Schlafsäle bieten nicht besonders viel… Privatsphäre.«

Gellert sah die Treppe an, die völlig unscheinbar in die Mädchensäle hochführte und zuckte desinteressiert mit den Schultern. »Für mich uninteressant«, murmelte er aufrichtig, Albus die Treppen hinauf zu den Schlafsälen der Jungen folgend.

»Wir müssen erst einmal schauen, wo du untergebracht bist. Hier, an den Türen, stehen die Namen«, erklärte Albus weiter. »Da wir uns um die jüngeren Schüler kümmern, packen sie immer ältere und jüngere zusammen, das wechselt dann jährlich gerne mal«, murmelte er. Gellert bekam den jähen Eindruck, dass das nicht unbedingt zur Freude seines Mentors war.

An jeder Tür befanden sich tatsächlich handgeschriebene Zettel, auf denen diverse Namen standen. Einige waren durchgestrichen, andere später neu hinzugefügt worden. Es sah chaotisch und gar nicht passend für so ein nobles Schloss aus. Endlose Treppen – wie weit oben waren sie wohl? – später, erspähte Albus wohl die Tür, an der Gellerts Name stand.  

»Sieht so aus, als könnte ich mich revidieren. Wir sind nur zu zweit dieses Jahr«, meinte er mit aufrichtiger Verwunderung in der Stimme. Gellert betrachtete den Zettel mit all den durchgestrichenen Namen darauf und… ein winziger, dafür aber ewig langer Name zwischen all den durchgestrichenen Namen.

»Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore?«, fragte Gellert stirnrunzelnd. Das wurde ja immer lächerlicher.

»Keine Sorge, ich habe bereits alle Witze gehört, die man darüber machen kann«, erwiderte der andere Schüler mit Bitterkeit in der trockenen Stimme, die Tür zum Schlafsaal öffnend. Ein Blechofen dominierte das Zimmer mittig, drum herum standen vier Betten. »Du hast nichts dagegen, wenn… ich ein bisschen aufräume?«, hakte er nach, seinen Zauberstab aus dem Unterarm-Holster ziehend.

Gellert, der nach dem ersten Kommentar verstummt war, zuckte mit den Schultern. »Tu dir keinen Zwang an«, erwiderte er, neugierig, wie gut die Hogwarts-Schüler wohl so zauberten. Er wurde nicht enttäuscht: Albus schwang seinen Zauberstab gekonnt und mit einer ästhetischen Anmut, die Gellert in Stille beobachten ließ. Betten wurden zu praktikablen Kommoden, Fenster öffneten sich und Staub, sowie zwei alte Socken flogen hinaus. Zum Schluss zauberte er seine Klamotten in die Kommode, ohne selbst nur einen einzigen Finger gerührt zu haben. Unweigerlich empfand Gellert eine aufrichtige Achtung für dem Anderen.

»Besser«, verkündete Albus stolz.

»Hier wird Verwandlung unterrichtet?«, fragte Gellert überrascht, zu einer Kommode tretend, um diese mit schlanken Fingern ehrfürchtig zu berühren. Sie war schön.

»Nein«, war die ernüchternde Antwort, die er bekam. Der Anflug von Freude wich von den Zügen des neuen Gryffindors, der die Finger auf der Kommode kurz zu einer Faust ballte.  

»Klar. Nutzt im Krieg oder in der Regierung ja nichts«, murmelte er verärgert. »Ich hatte gehofft, es wäre hier anders als in Durmstrang.«

»Es heißt, es sei hier nicht so streng«, beschwichtigte sein Gegenüber ihn bemüht. »Aber vielleicht erzählen sie das auch nur, das wirst du sicher bald beurteilen könne. Man hat jedenfalls… wenn man will, genügend Freizeit um sich… selbst ein paar Dinge beizubringen.«

»Gibt es hier vernünftige Bücher?«, hakte Gellert vorsichtig nach. Durmstrangs Bibliothek war er mäßig gewesen, viel mehr war es so, dass man eine sehr gute Verbindung nach draußen oder zu den Lehrern brauchte, um wirklich gutes Material zu bekommen. »Wenn du daraus Deutsch lernst?«

Für einen quälend langen Moment musterte ihn nun der braunhaarige Gryffindor, antwortete jedoch schließlich mit einem vernichtenden »Nein.« Aber das war nicht die ganze Antwort, immerhin. »Nicht… öffentlich, jedenfalls.« Nun wurde Gellert hellhörig, er wiederum musterte jetzt Albus. »Wie gerne… magst du die Magie?«, hakte dieser nach, sich auf sein Bett niederlassend.  

Ihre Blicke begegneten sich, länger als es vielleicht angemessen gewesen wäre. Zur Antwort zog Gellert seinen Zauberstab aus dem Oberschenkelholster und bewegte ihn geschmeidig durch die Luft. »Expecto… Patronum«, flüsterte er kaum hörbar, woraufhin sich aus seiner Stabspitze ein blauweißes Licht löste und wie in einem Nebel verdickte, bis ein majestätischer, großer Vogel mit langen Schwanz- und Kopffedern erschien, selbst nur aus dem wabernden Lichtnebel bestehend. Geschmeidig wie ein echter Vogel flog das Wesen durch den Raum, gltit dahin wie ein echtes Tier. Gellert wusste nicht, was für ein Vogel das sein sollte, aber das war sein – eigentlich verbotener - Patronus. Ein großer, wunderschöner Vogel. War das Antwort genug? Es war kein Zauber, der offiziell gelehrt wurde. Aber es war ja mittlerweile bekannt, dass er einer der schwierigen Schüler war, sonst hätte man ihn ja nicht aus Durmstrang entfernt, um das negative Gedankengut von Solheim zu tilgen.

Scheinbar bewirkte sein Patronus jedoch, dass Albus sich… was? Fürchtete? War er entsetzt? Verwirrt? Er war auf jedenfall erstarrt und wie er den Vogel so anstarrte, musste es in seinem Kopf einen komplexen Denkprozess geben.

»Ich… zeige dir die Bücher«, versprach der junge Mann ganz plötzlich, nachdem er gefühlte Ewigkeiten die Augen geschlossen gehalten hatte. In dem Augenblick hatte Gellert den Patronus auch verschwinden lassen. Er musste seinen Zimmernachbarn ja nicht unnötig quälen. »Am Freitagabend.«

Es war Montag. Warum sollte er vier Tage verschwenden? »In Ordnung«, sagte Gellert stirnrunzelnd. »Hilfst du mir in der Zwischenzeit, mein Englisch weiter… zu fördern?«, fragte er. Wenn sie sonst nichts tun konnten?

»Natürlich. Aber nicht mehr heute. In der Woche ist Verschlafen keine gute Idee. Ich zeige dir noch die Waschräume«, schlug er vor, einen Pyjama und einen Beutel zu Tage fördernd. Etwas zögerlicher tat es Gellert ihm gleich, wobei er sich mit einem Schlafhemd und bequemen Shorts begnügte. Er folgte Albus mit etwas Abstand. Warum hatte der Kerl so merkwürdig reagiert beim Anblick seines Patronus? Hatte er ihn falsch eingeschätzt? Würde er ihn verpetzen, dass er den Zauber hier angewendet hatte? Solche Zauber wurden nicht unterrichtet und sie zu können verstieß dementsprechend gegen Schulregeln. Sowas sollte man besser nicht zeigen…

Gemeinsam mit seinem Zimmernachbarn kam er in den Waschräumen an und fand dort ein sehr vertrautes Bild vor: Jungs und junge Männer, die die Zähne putzten, sich duschten, wuschen oder noch verweilten nach dem Waschen. Freunde tauschten sich über ihre Ferien aus, ein Handtuch wurde zusammengerollt und einem anderen Schüler auf den nackten Hintern gezwirbelt. Ja, hier war es genauso wie in Durmstrang und das ließ Gellert ein wenig lächeln. Ein wenig Vertrautheit. Wie auch Albus begrüßte er jetzt eine Dusche und entledigte sich seiner Schuluniform, um in der hinterletzten Kabine zu duschen. Er würde Acht geben, alte Verhaltensmuster nicht zu wiederholen und dementsprechend zusehen, dass er mehr für sich blieb, vor allem in den Waschräumen.  

Es war ganz bewusst, dass er länger brauchte als Albus, damit dieser sich fertig anziehen und schonmal weitergehen konnte, ehe Gellert sich abtrocknete und in Shorts und Schlafhemd schlüpfte, barfuß zum Waschbecken tretend, wo Albus gerade mit einem anderen, jungen Mann im Gespräch war. Also genauer: Er hörte zu, lächelte und nickte. Nur die Glückwünsche waren offenbar interessierterer Natur. Wer der andere Schüler wohl war? Offenbar waren sie befreundet und er irgendwie dazwischengefunkt, wie es den Anschein hatte.  

Klüger wäre es, sich von diesem Albus fernzuhalten. Bücher zeigen lassen, und dann eigenständig unterwegs sein. Dann konnte er ihn nicht in Gefahr bringen und lief auch nicht Gefahr, durch ihn irgendwie in irgendwas reingezogen zu werden… denn irgendwas war mit dem Kerl. Die Reaktion auf seinen Patronus war derart verwirrt und entsetzt gewesen, dass er sich fast sicher sein musste, dass der überfreundliche Kerl ein Spitzel war. Einer, der für Zuwendungen seine Mitschüler verriet.


* ~ Ich hoffe, dir hat der Einstand in diese neue FF gefallen. Wir sind aktuell bei 21 Kapiteln und können mindestens bis Weihnachten wöchentlich hochladen! (Ich glaube, die aktuelle Anzahl an Kapiteln teaser ich jetzt einfach unter jedes Kapitel :D) ~*
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