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Find Me

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Suspense / P16 / MaleSlash
Alexander "Alec" Gideon Lightwood Isabelle "Izzy" Sophia Lightwood Jonathan Christopher "Jace" Herondale Magnus Bane
02.07.2022
05.11.2022
5
9.792
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Dieses Kapitel
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02.07.2022 2.068
 
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Warte auf jemanden, der dich sieht. Der mit einem Blick in die Tiefen deiner Seele schaut, so dass du dich nicht mehr verstecken kannst. Es wird dir höllisch Angst machen, aber am Ende wirst du zu Hause sein. – C. Louise




Kapitel 1





New York City, 12. September, 1989





Draußen vor dem Fenster war bereits die Dunkelheit hereingebrochen. Die einzige Lichtquelle, eine verbogene Laterne auf der gegenüberliegenden Straßenseite begann zu flackern und erlosch, während dicke Regentropfen unaufhaltsam gegen die Fensterscheiben seines kleinen Apartments trommelten.

Seufzend ließ sich Magnus in den Sessel vor dem Kamin sinken und streckte müde seine Beine aus. Normalerweise hätte er sich in einer solch kühlen Herbstnacht ein Glas Wein eingeschenkt, ein Album von The Cure aufgelegt und die Lautstärke soweit aufgedreht, dass er alles um sich herum vergaß. Doch heute stand ihm nicht der Sinn danach.

Magnus plagten üble Kopfschmerzen, seine Gedanken waren unstet, kreisten ziellos umher und die Leere in seinem Innern wuchs zu unerträglicher Größe.

Vierhundert Jahre...

Manchmal fragte er sich, wie er es geschafft hatte, solange durchzuhalten ohne den Verstand zu verlieren oder an Kummer und Einsamkeit zu Grunde zu gehen. Ganz gleich wie oft ihn Ragnor und Catarina zu Geduld ermahnten, seine Hoffnung schwand im Laufe der Jahrhunderte bis er nicht mehr zu hoffen wagte.

Magnus glaubte schon lange nicht mehr daran, dass die Engel sich seiner gnädig zeigen und ihm diesen einen besonderen Menschen schicken würden, der seinen Geist und seine Seele komplettierte. Vielleicht, so glaubte er, amüsierte es sie, ihn als gebrochenen Mann ziellos durch die Jahrhunderte streifen zu sehen.

Das Leben erschien ihm so sinnlos, wenn es niemanden gab mit dem er es teilen konnte.

Vielleicht würde er heute den Mut dazu haben? Die Idee, seinem sinnlosen Treiben durch die Ewigkeit ein Ende zu bereiten, war ihm bereits vor einigen Jahren gekommen. Warum also noch länger warten? Den Glauben an Wunder hatte Magnus schon vor langer Zeit verloren.

Mühsam erhob er sich von seinem Platz und begab sich leisen Schrittes in sein Arbeitszimmer. Würde er diesen Ort vermissen? Sicher nicht, denn so hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt. Sollte er seinen Freunden eine Nachricht hinterlassen? Vielleicht, doch er würde es nicht tun. Zu groß war die Angst vor der Trauer, die er durch seine Worte auslösen würde.

Mit zitternden Händen griff er nach der kleinen Phiole, die er all die Jahre sicher und gut versteckt in der linken Schublade seines Schreibtischs aufbewahrt hatte. Im Inneren des gläsernen Fläschchens zirkulierte eine dunkelviolette Flüssigkeit. Es würde schnell gehen. Schmerzlos.

Mit wild klopfendem Herzen verschloss Magnus die Schublade und verharrte in seiner Bewegung. Ein kurzer Moment des Zweifelns. Ein kleiner Augenblick der Schwäche. Er schloss die Augen und atmete. Es war zu spät um umzukehren.

Der Weg ins Schlafzimmer erschien ihm endlos. Im Flur hingen Portraits und Fotografien seiner Liebsten, Erinnerungen an ein Leben, dass er lange Zeit genossen hatte, bis ihn die bittere Erkenntnis traf und seine bloße Existenz einfach unerträglich wurde.

Wie in Trance ließ sich Magnus in die weichen Kissen seines Bettes sinken. Die kühle Seide knisterte unter seinem Körper und überall im Zimmer hing der warme Duft von Sandelholz. Sein Lieblingsduft, denn er erinnerte ihn an seine alte Heimat. Die Mutter, die er von Herzen liebte und die ihn trotzdem verließ. Den Vater, den er dringend brauchte und dennoch niemals bekommen sollte.

Eine einzelne Träne rollte ihm über die Wange und versiegte stumm im Kragen seines Hemdes.

Magnus entkorkte die kleine Phiole und betrachtete das Gift in deren Innern. Sein Kopf war frei von jedweden Zweifeln und Ängsten, denn er wünschte sich nichts sehnlicher, als einzuschlafen und die Qualen seines Daseins zu vergessen.

Vorsichtig setzte er das Fläschchen an seine Lippen.

Ein sanftes Kribbeln ließ ihn stocken. Beginnend in den Spitzen seiner Finger, wanderte es über seinen Arm weiter zu seinem Herzen, füllte sein Innerstes mit einer noch nie dagewesenen Wärme und ließ sein Herz schneller und kräftiger schlagen, als es jemals zuvor der Fall gewesen war.

Vorsichtig richtete sich Magnus auf und bemerkte nicht, dass ihm die Phiole aus der Hand geglitten war. Das Gift versickerte im Teppich und hinterließ nichts weiter, als einen hässlichen dunklen Fleck. Die Aufregung, die seinen Körper durchströmte, als er mit starrer Miene den Stoff von seinem Arm schob und die Haut freilegte, war mit bloßen Worten nicht zu beschreiben. Feine Gold schimmernde Linien bildeten in geschwungenen Lettern einen Namen, den nur die Engel selbst dort platziert haben konnten.

Alexander Gideon Lightwood

Hauchzart strichen Magnus Finger über den grazilen Schriftzug, fühlten dessen Erhabenheit, die ihm bestätigte, dass es real war, dass nichts davon seiner Fantasie entsprang.

»Alexander.«, probierte er vorsichtig den Namen seines Seelengefährten. »Alexander…« Seine Stimme bebte und brach. Tränen der Freude und Verzweiflung rannen haltlos über sein Gesicht.

Schluchzend fiel Magnus auf die Knie und presste die Hände an seine Brust, weil er fürchtete, sein Herz würde ihm jeden Augenblick aus dem Leib springen. Die Engel waren grausam. Warum hatten sie bis heute gewartet? Womit hatte er es verdient, dass sie ihn so lange quälten?

Noch einmal betrachtete er den Schriftzug der sich graduell dunkel verfärbte und fortan seinen Unterarm zieren würde.

Lightwood?!

Die Engel erlaubten sich einen weiteren bösen Scherz. Sie amüsierten sich auf seine Kosten und spielten rücksichtslos mit seinen Gefühlen. Er kannte die Familie und verband nichts Gutes mit diesem Namen.

Und dennoch konnte Magnus an nichts mehr anderes denken. Alexander beherrschte vom Augenblick seiner Geburt an sein Leben.  Trug sein Schicksal und sein Herz in seinen winzigen Händen und seinen Namen auf seiner Haut. Er würde ihn lieben. Für ihn spielte es keine Rolle, dass Alexander – sein Alexander – ein Schattenjäger war. Er würde ihn einfach lieben.




Zwei Wochen später





Die Blätter der Bäume begannen sich rot zu färben, so wie das Blut das Valentins Anhänger in den Straßen der Stadt verteilten. New York war schon lange kein sicherer Ort mehr für einen Hexenmeister, doch Magnus hatte es nicht übers Herz gebracht, sein altes Leben hinter sich zu lassen und ohne seinen Seelengefährten das Land zu verlassen. Nicht nachdem er solange auf ihn gewartet hatte.

Alexander wurde in eine Welt des Zwiespalts und des Chaos geboren und Magnus hatte wenig Hoffnung, dass er den Jungen jemals zu Gesicht bekommen würde. Nicht solange Der Kreis  weiterhin Terror und Tod in der Schattenwelt verbreitete.

Magnus hatte sein Apartment in der Christopher Street verlassen, nachdem ihn Valentins Schergen aufgespürt und sein zu Hause in Schutt und Asche gelegt hatten. Doch er wollte sich nicht beklagen, seine neue Bleibe, ein geräumiges Loft in Greenpoint, schien der ideale Ort für einen Neuanfang zu sein. Er hatte keine Kosten und Mühen gescheut,  es sich so bequem wie möglich zu machen. Große lichtdurchflutete Räume, antike Möbel, teure Stoffe und die stärksten Schutzzauber, derer er fähig war.

Alles schien perfekt, doch der Schein trügte, denn das Zimmer am anderen Ende des Flurs – Alexanders Zimmer – blieb bisweilen leer. Magnus hatte es sich nicht nehmen lassen, seinem Seelengefährten einen Raum in seinem neuen zu Hause einzurichten. Für später. Falls er eines Tages in seiner Nähe sein wollte. Sollten sie jemals die Chance bekommen einander kennenzulernen.

Der Gedanke, dass Alexander in einer Welt aufwuchs, in der Schattenjäger Schattenwesen aufgrund falscher idealistischer Überzeugungen töteten, war für Magnus unerträglich. Es würde ihm das Herz brechen, sollte ihm Alexander bei ihrem ersten Aufeinandertreffen mit Hass und Verachtung begegnen oder gar seinen Tod wünschen.

Die Welt war grausam und Magnus würde alles in seiner Macht stehende tun, um Valentins Treiben ein Ende zu bereiten. Er konnte sich nicht länger zurücklehnen und darauf hoffen, dass jemand anderes das sinnlose Töten stoppte. Die Welt musste besser werden. Für alle Schattenwessen und auch für seinen Alexander.


***



Schneidender Schmerz durchflutete seinen Körper, als die Klinge unbarmherzig in seinen Brustkorb eindrang. Magnus schrie und schmeckte noch im selben Atemzug den metallischen Geschmack seines eigenen Blutes auf der Zunge.

Als die Klinge seinen Körper wieder verließ, biss er die Zähne zusammen und umklammerte die Lehnen des Stuhls so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Valentins höhnisches Lachen ging ihm durch Mark und Bein.

»Du hast dich lange genug in meine Angelegenheiten eingemischt, Hexenmeister.«, zischte er ihm ins Ohr. Seine Miene war ausdruckslos und hart wie Stein.

Magnus empfand nichts. Selbst die kleinste Gefühlsregung, wäre Verschwendung. »Du kommst in meine Stadt, folterst und tötest meine Leute und erwartest allen Ernstes, dass ich mich nicht einmische?«

Auf Valentins Gesicht breitete sich ein freudloses Lächeln aus, als er erneut sein Schwert packte und zum Schlag gegen ihn ausholte. Doch dieses Mal, war Magnus schneller. Magie durchströmte seinen Körper, löste die Stricke, die ihn an den Stuhl fesselten und schoss  in einem flammend blauen Lichtbogen direkt auf Valentin zu.

»Stopp!« Die verzweifelte Stimme einer jungen Frau zog seine ganze Aufmerksamkeit auf sich.

Wiederwillig brach Magnus seinen Angriff ab, um zu hören, was sie ihm zu sagen hatte. Ihre Erscheinung war makellos. Seidig schwarzes Haar, blaugraue Augen und eine Haut, so rein und weiß wie edelster Marmor.

»Mein Name ist Maryse Lightwood.«, erklärte sie und noch während sie sprach, hielt Magnus den Atem an. »Alexander Lightwood ist mein Sohn. Tötest du Valentin, tötest du auch ihn.«

Alexander!

Magnus hatte das Gefühl ihm würde das Blut in den Adern gefrieren. Sein Körper entzog sich seiner Kontrolle und er konnte nur mühsam die Tränen zurückhalten, die sich ihren Weg an die Oberfläche bahnten. Maryse Lightwood war Alexanders Mutter. Wie hatte sie nur zulassen können, dass Valentin den Namen seines Seelengefährten erfuhr? Wie konnte sie Alexander einer solchen Gefahr aussetzen?

»Dein Leben und das Leben deines Seelengefährten liegen in meiner Hand, Hexenmeister, und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.«, zischte Valentin und jedes Wort war ein Stich in sein Herz.

»Das kannst du nicht tun.«, mischte sich ein breitschultriger Mann mit braunem Haar und Bart in ihr Gespräch ein. »Der Junge ist noch ein Säugling. Ein unschuldiges Kind.«

»Er ist eine Schachfigur, Lucian.«, stieß Valentin hervor.

In diesem Moment wusste Magnus, dass Valentin ihn in der Hand hatte, denn er würde das Leben seines Seelengefährten unter keinen Umständen riskieren. Lucian Graymark hatte vollkommen Recht. Alexander war ein unschuldiges Kind und hatte es nicht verdient durch die Hand dieses Narzissten zu sterben.

»Was verlangst du?«, presste Magnus wütend hervor.

»Loyalität und absoluten Gehorsam.« Der Ausdruck in Valentins kalten Augen ließ keinerlei Zweifel daran, dass er meinte, was er sagte.

Es war ein Spiel. Und Magnus liebte es zu spielen. Zumindest eine Weile. Solange bis er des Spielens überdrüssig wurde.




Zwei Jahre später





Der Kreis war zerschlagen und Valentin Morgenstern hatte in den Flammen seines Hauses den Tod gefunden. Ebenso seine Frau Jocelyn Fairchild. Doch Magnus wusste es besser. Er hatte Jocelyn und deren ungeborene Tochter in Sicherheit gebracht und dafür gesorgt, dass es der jungen Frau und ihrem Baby an nichts fehlen würde.

Magnus‘ körperliche Wunden waren schon lange verheilt. Die Wunde in seinem Herzen blieb. Er vermisste und sehnte sich nach Alexander mit jedem Atemzug und jeder Tag ohne ihn war vergeudet.

Magnus hatte bewusst ein paar Tage gewartet, um die Gemeinschaft der Nephilim wieder zur Ruhe kommen zu lassen. Tote mussten betrauert und politische Strukturen wieder hergestellt werden. Das New Yorker Institut stand fortan unter der Leitung von Maryse und Robert Lightwood, die zur Vernunft gekommen waren und ihren Teil dazu beigetragen hatten, Valentin in seinem Treiben zu stoppen.

Eigentlich hatte Magnus die Hoffnung, dass ihr Wandel von tieferer Natur war, doch als er sich an diesem Morgen auf den Weg zum Institut machte und Maryse Lightwood mit steinerner Miene durch die Pforte trat, wusste er, dass sich nichts an ihrer Einstellung gegenüber Schattenweltlern geändert hatte.

»Was willst du, Hexenmeister?«, fragte Maryse, die Arme starr und abweisend vor ihrem Körper verschränkt.

»Ich möchte ihn sehen.«

Ich möchte Alexander sehen.

Es war das Gesetz der Engel, dass es Verbot Seelengefährten voneinander zu trennen und trotzdem verließ ihn alsbald der Mut.

»Er ist nicht hier.« Maryse Stimme war kühl, als sie sprach.

»Wo ist er?«, wollte Magnus wissen, während sein Herz bereits in Trauer und Schmerz versank. Er hatte gewusst, dass es schwierig werden würde. Er hatte vermutet, dass sie ihm Steine in den Weg legen würden.

»Wir haben ihn zu seiner eigenen Sicherheit fortgeschickt.«, erklärte Maryse.

In Sicherheit? Vor wem?!

Die Antwort darauf kannte er bereits.

Magnus blinzelte, als Maryse Lightwood die Pforten des Instituts hinter sich schloss und ihn allein auf der Straße stehen ließ. Ein Glück verbarg der einsetzende Regen seine Tränen.
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