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Die Geschichte einer Flint

Kurzbeschreibung
GeschichteFamilie, Liebesgeschichte / P12 / Het
Charlie Weasley OC (Own Character)
01.07.2022
01.08.2022
12
19.916
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Allie


„Hannah! Ich nehme noch einen!“, rief ich der blonden Barkeeperin zu. Der jüngsten Barkeeperin in der Geschichte des Tropfenden Kessels. Mit einem Schwung ihres Zauberstabs füllte sich mein Glas voller Bourbon wieder auf. Es war eine der wenigen Flaschen des amerikanischen Whiskeys, die es in diesem Pub gab. Meistens nahmen nur die durchreisenden Zauberer etwas davon. Briten würden wahrscheinlich immer ihren originalen Whisky bevorzugen.
„Na, was macht ne‘ Frau wie du an einem Ort wie diesem?“, lallte mich plötzlich jemand von der Seite an. Ich würdigte den Sprecher gar nicht erst eines Blickes und nahm einen langen Zug Bourbon. Diese Kerle waren doch alle gleich, wenn sie Betrunken waren. Nur die deutlich widerlichere Version der Wahrheit, die sie tief in sich vergruben, wenn sie durch die selten nüchternen Momente ihres Lebens stolperten.

„Macht dich diese Pferdepisse etwa taub, Schätzchen? Ich kenn da einen Saft, der dir ganz andere Töne entlocken würde.“ Das war dann Stufe 2 des betrunkenen Anbaggerns. Kosenamen und Angeberei. Meistens ekelhafte Angeberei, gefolgt von Stufe 3: Beleidigungen. Was, bei Merlin, hatte die Menschheit verbrochen um mit derart mangelhaften Exemplaren bestückt worden zu sein? Das war nicht das erste Mal, dass ich mir diese Frage stellte. Und ganz sicher, war ich auch nicht die erste Person, die ihn gedacht, wenn nicht sogar ausgesprochen hatte.
Ich reagierte wieder nicht, sondern orderte ein Glas Wasser. Eine goldene Regel für alkoholdurchflossene Nächte: Wechsel dich mit den Leberkillern und Wasser ab.
„Komm schon, du kleine Schlampe. Rede mit mir, dann besorge ich es dir auch noch richtig!“, schimpfte der Kerl und machte einen Schritt auf mich zu. Er war kurz davor eine seiner Hände auf meinen Rücken zu legen, als ich mir seine rechte Hand schnappte und so auf den Rücken drehte, dass er mit seinem Gesicht auf den Tresen knallte.

Einige Blicke richteten sich auf mich und Hannah sah mich bestürzt an. Sie kannte diese Situationen zur Genüge. Doch sie konnte sich mit dem breiten, von der Kundschaft trennenden Tresen etwas besser abschirmen. Und dazu hantierte sie sowieso die ganze Zeit mit ihrem Zauberstab herum und war Recht flink beim Austeilen. Der Griff um ihren leicht gebogenen Helfer wurde stärker. Sie war kurz davor zu einem Machtwort anzusetzen, doch ich wollte das alleine klären. Mit einem Nicken meinerseits verschwand sie das auch, ließ die Situation jedoch nicht aus den Augen.

„Lektion Nr.1: Keine Antwort ist auch eine Antwort! Es ist deine Entscheidung, ob du es persönlich nimmst.“, begann ich die Lehrstunde und brachte meinen Kopf in eine bequeme Position, sodass ich dem Drecksack direkt in die Augen schauen konnte. Das dreckige Grinsen meinerseits war vielleicht etwas übertrieben, aber es brachte irgendwie meine sadistisch-süße Ader etwas besser zum Vorschein. Ich strich ihm eine Strähne seines langen Haares aus dem Gesicht Es war leicht fettig und erinnerte an die Art Wischmopp, die Professor Snape immer mit sich herumgeschleppt hatte, „Lektion Nr.2: Es ist nicht klug, zu versuchen, jemand ohne dessen Einverständnis anzufassen! Wie würde es dir gefallen, wenn ich einfach so auf dich zukomme und einen Nippeldreher versuche.“ Mein kleines Opfer verzog die Miene und mein Grinsen wurde sogar noch breiter, „Na siehst du?! Die Vorstellung gefällt dir auch nicht.“
Ohne seine Hand loszulassen oder auch nur ansatzweise zu lockern, trank ich das Glas Wasser und legte Hannah ein paar Galeonen auf den Tresen. Ich musste aber erst noch meine Lieblingsjacke etwas richten. Es war ein Geschenk meiner Mutter gewesen und voller Aufnäher. Dementsprechend hing ich auch besonders daran und stellte sie gerne zur Show.

Die Zuschauer stutzten etwas, fanden die Situation jedoch auch hochgradig amüsierend. Kein Wunder, wenn man beachtete, dass der schmierige Arsch einen Kopf größer war als meine winzige Zwergenhaftigkeit. Ich machte mich gerne über meine eigene Größe witzig, aber wenn andere sich daran kaputtlachten, führte das häufig zu einem explosiven Chaos.  
„Lass mich gefälligst los, du mieses kleines Schlammblut.“, schimpfte der Idiot, der dachte, er könnte sich mit mir anlegen. Das war ein Fehler. Ein gewaltiger Fehler. Denn damit hatte er nicht nur mich beleidigt, sondern wahrscheinlich auch einen Teil der Menschen, die vorher noch gelacht hatten. Diejenigen, die den rassistischen Ausruf gehört hatten, setzten schlagartig sehr grimmige Mienen auf.
Ein wirklich hochgradig diabolisches Lächeln breitete sich auf meiner unteren Gesichtshälfte aus und ich fing an seine Hand noch etwas mehr zu dehnen. Es machte Spaß. Der Schmerz in seinen Augen bereitete mir wahnsinnige Freude.
„Denkst du wirklich, du kleiner Haufen Drachenscheiße, dass es dir hilft, wenn du mich immer weiter beleidigst und dazu noch ein Teil der Menschen, die hier sind, deren Freunde, deren Familienmitglieder?“, fragte ich und kam seinem Gesicht etwas näher, „Weil vorher hätte ich dich noch grade so gehen gelassen, aber jetzt, jetzt sind meine Gefühle wirklich verletzt und es wäre besser, wenn du dich höflich entschuldigst. Bei allen Menschen hier im Raum.“ Mein eher kleingeistiges Opfer knurrte kurz und wollte schon in mein Gesicht spucken, als ich den Griff so sehr verstärkte, dass er voller Schmerz ächzend aufstöhnte. Sogar kleine Tränen waren schon in seinem Augenwinkel sichtbar.

Tom erschien an meiner Seite und klopfte leicht auf den Tresen vor ihm. Ich wusste, was er damit sagen wollte. Auch wenn er angewidert war, von den Aussagen des kleinen Häufchen Elends, dass ich gerade im Griff hatte. Er wollte keine größere Szene riskieren. Verständnisvoll gab ich nach. Ich richtete den Dreckskerl wieder auf und sah ihn erwartungsvoll an. Er knurrte abermals.
„Na schön. Es tut mir leid. Ich entschuldige mich!“, fauchte er. Ich schnaubte nur. Es war nicht mal ansatzweise das, was wir alle hier verdient hatten. Allein für dieses Wort hätte ich ihn einem Dementor zum Fraß vorgeworfen. Und vielleicht noch Popcornessend dabei zugeschaut, wie das kleine hässliche Stück, dass sich in seinem Fall Seele nannte, seinen ekelerregenden Körper verließ.

„Am Stil solltest du dringend noch arbeiten. Dieses Mal kommst du grade noch so davon.“, lächelte ich teuflisch und ließ den rassistischen Säufer los. Tom ließ nicht lange auf sich warten und warf das kleine Häufchen Drachenmist aus seinem Pub. Applaus erklang und die Menschen pfiffen kurz vor Begeisterung. Ich deutete eine leichte Verbeugung an und winkte Hannah und Tom zum Abschied zu. Unauffällig warf ich noch ein paar Sickel in das Trinkgeldglas meiner blonden Freundin. Sie war kein Fan davon, wenn ihre Freunde, sich auf diese Art bei ihr bedankten.

Auf dem Weg in Richtung Hinterhof trafen zwei strahlend blaue Auge mein Blickfeld und dieser besondere Farbton, eine Mischung aus einem karibischen Blau und dunkelblauen Sprenkeln. Bemerkenswert. Wie in Zeitlupe trafen sich unsere Blicke. Wie in Zeitlupe zogen wir uns gegenseitig in einen Bann. Es war auf eine ganz neue Art und Weise magisch. Beinahe wäre ich zurück gegangen und hätte meine begrenzte Zeit genutzt um den Menschen dahinter kennen zu lernen. Aber nur Beinahe

In der Winkelgasse leuchteten nur ein paar Fenster aus den Wohnungen der Ladenbesitzer und zwei kümmerlich traurige Straßenlaternen, die ihren Job nicht wirklich gut erfüllten. Nicht einmal die farbenfrohe Fassade des Weasley- Scherzartikelladens funkelte und blitzte in die kalte Nacht des Frühlingsanfangs.

Doch es reichte um mich daran zu erinnern, wo ich mein Motorrad geparkt hatte.
Es war ein eher unübliches Verkehrsmittel für die magische Bevölkerung, aber diese traumhaften Maschinen hatten sich bereits in früher Kindheit in mein Herz gerollt. Mit all ihren technischen Raffinessen und dem angenehmen Geruch nach Benzin. Wie ständige Duftnote, die mein Bik zu jeder Zeit umgab. Ich löste die Sicherung und stellte den Verschleierungszauber für Nichtmagier ein. Eine der Voraussetzungen, wenn man damit gerne durch den Himmel schwebte.

Gerade als ich meinen Helm aufsetzen wollte, fiel mir auf, dass ich ihn auf dem Barhocker im Tropfenden Kessel vergessen hatte. Wie konnte es nur dazu kommen? Wieso musste ich auch die Schusseligkeit meiner Großmutter geerbt haben? Es wäre keine Schande gewesen, wäre dieses mangelhafte Talent mit ihr gestorben.

Fluchend fummelte ich meinen Zauberstab aus der Innentasche meiner Jacke, als sich plötzlich etwas in der Dunkelheit bewegte. Feste Stufe liefen langsam über den gepflasterten Weg der Winkelgasse. Der Säufer konnte es nicht sein, dafür waren die Schritte zu kontrolliert und bedacht.
„Wer auch immer das ist, ich bin nicht in der besten Stimmung!“, rief ich der Gestalt zu, die sich langsam näherte. Ich wollte jetzt nicht mehr kämpfen. Der Alkohol, den ich heute getrunken reichte nicht aus um meine Sicht zu trüben, geschweige denn meinen Kampfgeist. Doch die Müdigkeit, die sich langsam in jeden einzelnen Knochen ausbreitete, fing an mich etwas einzuschränken.

„Bevor Sie mich angreifen. Ich habe nur ihren Helm!“, kam es als Antwort und ich ließ meine ausgestreckte Zauberstabhand etwas sinken. Nettigkeit sollte man nicht mit zu viel Argwohn begegnen. Rote Haare traten in den Lichtpegel der mickrigen Laterne und die phänomenalen Augen von vorhin traten vor mich. Beinahe hätte ich mich wieder in diesen Bann ziehen lassen.

Vor mir stand ein großer Mann, breitgebaut und sehr gutaussehend. Er war genau mein Typ. Ein Mann. Selbstsicher und einen guten Geschmack für Kleidung. In seinem Fall bedeutete das nur, dass er aussah wie ein kanadischer Holzfäller, bloß ohne richtig ausgeprägten Bart. Die grünen Karos seiner Jacke passten zu der ausgewaschenen Jeans und hoben seine Augen noch etwas mehr hervor.  Vorsichtshalber hielt er meinen Helm weit vor sich gestreckt.
„Danke sehr.“, sagte ich etwas zögerlich und griff nachdem schwarzen Motorradhelm.
„Keine Ursache.“, erwiderte der Rotschopf, trat geringfügig zur Seite und ging in die Knie um meine Teufelsmaschine etwas genauer zu betrachten, „Wie kommt man damit auf legale Weise in die Winkelgasse?“ Stirnrunzelnd sah er mir zu hinauf.
„Nach einem langen Gespräch mit dem ehemaligen Leiter des Büros gegen den Missbrauch von Muggelartefakten und einer beschleunigten Fluggenehmigung besteht eigentlich nur die Frage, wo ich damit nicht hinkomme.“, grinste ich und sah dem Rotschopf direkt ins Gesicht. Direkt in seine wunderschönen Augen.
„Kann ich mir vorstellen. Er lässt bei sowas nicht so schnell locker!“, murmelte er und richtete sich wieder vollständig auf. Der Rotschopf, der sich langsam aufrichtete, schien genau zu wissen, von wem ich geredet hatte. Natürlich.
„Ihr Vater ist wirklich ein toller Mensch, Charlie.“, pflichtete ich ihm bei und drückte dem verwirrten Mann einen kleinen Kuss auf die Wange, „Diese ehrliche Neugier können sich nicht Viele bewahren. Obendrein nicht die Unvoreingenommenheit gegenüber Nichtmagiern.“ Innerlich bereute ich es, dass ich Charlie Weasley zu erkennen gegeben hatte, dass ich ihn kannte, dass ich genau wusste, wer er war. Charles Septimus Weasley. Die eine Person, die sich wahrscheinlich nicht mal mehr daran erinnerte, dass ich überhaupt existierte.
„Woher wissen Sie…“, stotterte Charlie und legte den Kopf schief. Er schien, als er den Faden zu seiner Realität komplett verloren. Zu all seinen Gedanken. Alle auf einmal.
„Das erfahren Sie noch früh genug.“, schmunzelte ich und setzte meinen Helm auf, ehe ich mich für die Abfahrt bereit machte. Das Leder der Griffe fühlte sich wie immer ungeheuerlich gut an.
„Warten Sie, ich habe noch so viele Fragen.“, erwiderte Charlie und hob eine Hand, als wollte er mein, in die Luft steigendes, Motorrad wieder herunter holen zu wollen.
„Das ist gut, Charlie. Es wäre enttäuschend, wenn sie keine hätten.“ Und mit diesen Worten erhob sich meine Maschine endgültig in den Himmel, über die Dächerspitzen der Winkelgasse, und verschwand im nächtlichen Sternenmeer von London. Nur ein heller Lichtstreif war zu sehen. Wie bei einer Sternschnuppe.
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