Marker
von heavensnotenough
Kurzbeschreibung
AU - Es gibt zwei Arten von Menschen auf dieser Welt. Es gibt Marker, welche 99% der Bevölkerung ausmachen und es gibt Guardians, welche nur mit 1% Bevölkerungsanteil einen wahnsinnig kleinen Teil ausmachen. Aber wenn man trotzdem mal einem Guardian über den Weg läuft, kann dies enorme Auswirkungen auf das eigenes Leben haben. Das muss zumindest Joko feststellen.
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
24.06.2022
28.05.2023
26
64.024
62
Alle Kapitel
106 Reviews
106 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
2 Reviews
07.07.2022
2.152
Danke für euer Feedback, die Sternchen und Favs <3 Ich muss zugeben, ich habs vermisst ^^ Nun viel Spass mit dem neuen Kapitel.
_______________________________________________________________________________________________
Als er seine Wohnung verlässt, lässt er die Klimaanlage laufen. Dann würde es schön angenehm kühl sein, wenn er nach der Arbeit wieder nach Hause kommt. Schnell hüpft er die Treppe nach unten und schiebt den Hintereingang zum Restaurant auf. Er steht nun direkt in der Küche und wird von warmer, stickiger Luft eingehüllt.
„Ciao Alfredo“, begrüßt er den Koch, der gleichzeitig auch sein Chef ist.
Alfredo grüßt zurück, während Joko zielstrebig die Küche durchschreitet, mit seiner Schulter die Tür zum Gastraum aufschiebt und sich einen kurzen Überblick verschafft. Drei Tische sind belegt, zwei davon haben bereits ihr Essen. Die Gäste am dritten Tisch scheinen wohl frisch gekommen zu sein, denn sie haben weder Essen noch Getränke. Sein Blick huscht weiter zum Tresen, wo er Achim entdeckt, welche wohl gerade die Getränke für besagten Tisch vorbereitet. Beim Tresen angekommen, begrüßen sie sich mit einem Nicken und einem ‚hey‘, bevor Achim auch schon wieder loszieht, um die Getränke an den Mann zu bringen. Danach gibt Achim ihm kurz die wichtigsten Informationen weiter, bevor er sich in den wohlverdienten Feierabend begibt und Joko übernimmt.
Zu Jokos Bedauern hat er gerade mal das fertige Essen an die hungrigen Leute am dritten Tisch gebracht, als die Türe sich schwungvoll öffnet und die nächsten Gäste eintreten. Sein Blick huscht zu der Truppe, welche eintretet und am liebsten hätte Joko laut aufgeseufzt, als da selbstverständlich Klaas gefolgt von der restlichen Band eintritt. Ohne Joko auch nur zu beachten durschreiten die vier Männer zielstrebig den Gästeraum, um sich an den Ecktisch am anderen Ende des Raumes zu setzen, an welchem sie immer sitzen. Joko, der immer noch hinter dem Tresen steht, atmet tief ein und wieder aus, in der Hoffnung, die schlechte Laune damit loszuwerden, bevor er sich vier Speisekarten unter den Arm klemmt und sich auf den Weg zu seiner Hasskundschaft macht.
„Guten Abend die Herren“, begrüßt Joko die vier Typen mit einem so neutralen Tonfall, wie es geht, während er beginnt die Karten zu verteilen.
Thomas und Mark nicken ihm dankend zu, während sie die Speisekarte entgegen nehmen. Klaas hingegen schaut nicht mal auf, sondern streckt einfach nur blind seine Hand auffordernd Joko entgegen, weshalb Joko innerlich die Augen verdrehend und vorsichtig die Karte zwischen Klaas‘ Finger schiebt. Ja und Jakob, der nimmt seine Karte entgegen, während er Joko mit einem fast schon hämischen Grinsen anblickt.
„Darf es schon was zu Trinken sein?“, fragt Joko dann.
„Ach da müssen wir uns zuerst noch die Getränkekarte ansehen“, kommt es von Jakob zurück und erneut verdreht Joko innerlich die Augen, kennen schließlich alle vier die Getränkekarte auswendig, so oft wie sie hier sind.
Außerdem nehmen sie sowieso immer das Gleiche. Für alle ein grosses Pilsner Bier. Trotzdem tritt Joko mit einem ‚natürlich‘ den Rücktritt an.
„Was soll das? Du weißt doch bereits genau, was du willst.“, hört Joko Thomas hinter sich murren.
„Ach lass ihm doch den Spass“, erwidert nun Klaas und Joko tritt schnaubend hinter den Tresen.
Dort steht er nun, beobachtet die vier Männer an ihrem Tisch und schaut Jakob zu, wie dieser gespielt interessiert durch die Karte blättert. Was für ein Idiot. Dann, nach ein paar Mal hin und her blättern, legt Jakob die Karte auf den restlichen Stapel, schließlich haben sich alle anderen schon lange entschieden, und dreht sich zu Joko um.
„Garçon, wir möchten gerne bestellen“, winkt Jakob Joko herbei und Joko schließt schnaufend die Augen.
Erneut denkt er sich nur, was für ein Idiot. Was für ein Arschloch. Trotzdem ist er hier bei der Arbeit und der Kunde ist nun Mal König, weshalb sich Joko wieder auf den Weg zum Tisch macht.
„Und für was haben Sie sich entschieden?“, fragt Joko bemüht freundlich.
„Ich nehme gerne ein Pilsner“, kommt es von Jakob und Joko hätte am liebsten ein überraschtes ‚ach wirklich?!‘ von sich gegeben.
„Vier mal“, wirft Klaas nun ein, was er gar nicht hätte tun müssen, weil Joko so oder so weiß, dass alle vier wie immer ein Pilsner nehmen.
„Und zum Essen?“, fragt Joko weiter.
„Oh so weit sind wir noch nicht. Da muss ich nochmals in die Karte schauen.“, kommt es nun gespielt überrascht von Jakob und Joko hätte ihm am liebsten die Karte eigenhändig über die Rübe gezogen.
Doch bevor er auf die Idee kommen konnte, das zu tun, bringt sich Klaas wieder ein.
„Lass den Scheiß, Jakob. Ich hab Kohldampf. Wie immer für mich und ihn ne Salamipizza, für ihn mit Schinken und für ihn eine Margherita.“
Dankbar, dass Klaas nicht auf dieses unmögliche Spielchen von Jakob eingegangen ist, greift Joko wortlos nach dem Stapel Karten und verschwindet in die Küche, um die Bestellung durchzugeben.
Zu Jokos Erleichterung blieben die vier an diesem Abend nicht lange. Kaum waren ihre Teller leer, da winkt Klaas ihn fast schon aggressiv zum Tisch.
„Wir wollen zahlen“, meint Klaas, noch bevor Joko wirklich am Tisch angekommen ist, weshalb er direkt wieder umdreht und zur Kasse geht.
„Jetzt schon? Ich wollte noch nen Nachtisch.“, motzt Jakob.
„Du kannst dir zuhause noch nen Pudding reinschieben, ich hab Kopfschmerzen, ich will nach Hause.“, geht Klaas aber gar nicht auf Jakobs Einwand ein.
Thomas und Mark bleiben still und auch Jakob bleibt, abgesehen von einem Murren ruhig. Alle scheinen zu wissen, dass es keinen Sinn macht, mit Klaas zu diskutieren. Schon gar nicht, wenn es ihm nicht gut geht. Deshalb drückt Jakob kurze Zeit später Joko ein paar Scheine in die Hand und gleich darauf verlässt die Truppe das Lokal.
Die Sonne ist untergegangen und die Luft endlich angenehm kühl. Eine Tatsache, die Klaas wohlwollend wahrnimmt, tut seinem Kopf diese Frische schließlich unglaublich gut. Nach wenigen Metern haben sie den Taxistand erreicht und wie immer steigen sie in eines der freien Autos ein. Nur Klaas läuft diesmal unbeirrt weiter dem Bürgersteig entlang.
„Ey Klaas, wo gehst du hin?“, ruft ihm deshalb Mark in der offenen Autotür stehend zu.
„Ich lauf nach Hause. Ich brauch die frische Luft und mal Ruhe von euch Schreihälsen.“, ruft Klaas zurück, ohne sich auch nur zu seinen Kollegen umzudrehen.
Wieder scheint niemand Klaas‘ Entscheidung in Frage stellen zu wollen, weshalb Mark schulterzuckend ins Auto einsteigt und die Tür schließt. Nur wenige Sekunden später rauscht das Taxi auch schon an Klaas vorbei und er schaut diesem einige Momente nach, bis es hinter der nächsten Ecke verschwindet. Dann löst er den Blick von der Straße und schaut wieder auf den Bürgersteig. Mit seinen Fingern kramt er in seiner Hosentasche und im nächsten Moment zieht er eine Zigarette und ein Feuerzeug hervor. Ohne anzuhalten, steckt er sich diese in den Mund, entzündet schnippend eine Flamme und zieht ausgiebig am Filter, so dass die Spitze orange aufflackert. Tief zieht er den Rauch in seine Lungen und entlässt ihn danach zufrieden seufzend in den klaren Nachthimmel, während das Feuerzeug wieder in seiner Hosentasche verschwindet. Mit seiner freien Hand reibt er sich kraftvoll über die Schläfe. Vielleicht würde er sich zuhause noch ein Aspirin einwerfen.
Nach gut 25 Minuten Fußmarsch erreicht er das große Haus. Licht dringt aus dem Wohnzimmerfenster in den Garten und Klaas kann bis auf den Bürgersteig hören, dass die Jungs gerade Party machen. Deshalb schnaubt er genervt, während er über den Kiesweg zur Haustür schreitet. Als er diese öffnet, schlägt ihm die laute Musik wie eine Faust ins Gesicht und Klaas reibt sich erneut die Schläfen, während er die Tür mit dem Fuß hinter sich zu kickt und direkt zum Wohnzimmer schreitet.
„Macht die Scheiße leiser, ich hab Kopfschmerzen!“, ruft er in den Raum, weshalb augenblicklich drei Köpfe sich zu ihm hindrehen.
Ohne auf eine Reaktion zu warten, hat Klaas sich wieder umgedreht und steuert auf die Treppe zu, die in den zweiten Stock führt. Tatsächlich wird die Musik um einiges leiser, während Klaas die Stufen empor steigt und er atmet erleichtert aus. Im zweiten Stock angekommen läuft er zuerst neben Marks Zimmer vorbei, gefolgt von Thomas‘ Zimmer, um dann die dritte Tür aufzuschieben und sein eigenes Zimmer zu betreten. Erschöpft schließt er die Tür wieder hinter sich, kickt sich die Schuhe von den Füssen und lässt sich auf sein Bett fallen. Leise hört er noch die Musik, welche sich aus dem Wohnzimmer durch die Wände zu ihm hoch schleicht, aber er ist zu faul, um nochmals aufzustehen und den Jungs zu sagen, dass sie die Lautstärke noch mehr drosseln sollen. Außerdem weiß er, dass nicht immer alles so laufen kann, wie er es gerne wollte. Schließlich wohnen sie hier zu viert und auch wenn er der Leader ist, kann er nicht alles bestimmen. Zumal es ja nicht mal sein Haus ist. Es ist Jakobs Haus und weder er noch Thomas noch Mark zahlen auch nur einen Cent Miete.
Sie hatten das Glück, dass Jakobs Eltern nach dessen Tod Jakob dieses Haus und eine Unmenge an Geld vermacht haben. Ansonsten würden sie heute wohl alle auf der Straße sitzen, denn ihre Band war bei weitem noch nicht so bekannt, als dass sie davon leben könnten. In einer anderen Welt, in der Jakobs Eltern nicht reich gewesen wären, da hätten die vier sich wohl zusammen in eine 2-Zimmer Wohnung pferchen müssen und erst noch nebenbei einem Job nachgehen, um das alles zu finanzieren. Vermutlich hätten sie dann ziemlich schnell ihre Band, welche sie damals, als Schülerband gegründet haben, aufgeben müssen. Doch so können sie in diesem großen 7-Zimmer Haus wohnen und ihre ganze Zeit in ihre Band stecken, in der Hoffnung, irgendwann den Durchbruch zu schaffen. Davon sind sie aber noch weit entfernt, und abgesehen von gelegentlichen Auftritten in Bars, welche nun wirklich nicht viel Geld einbringen, haben sie es noch nicht weit gebracht.
Aber Klaas ist nicht erst hier, seit Jakobs Eltern gestorben sind. Er durfte schon hier wohnen, als sie noch lebten. Bereits mit sechzehn zog er hier zu seinem Kumpel Jakob, weil er es zuhause nicht mehr aushielt. Seine Mutter hatte sich von seinem Vater getrennt, als er acht war und auch wenn es immer heißt, wenn die Eltern sich trennen sind nicht die Kinder schuld, so war es bei ihm doch genau so. Er war schuld, oder besser gesagt das Mal auf seinem linken Oberarm. Er ist ein Guardian und während sein Vater deswegen unglaublich stolz war, weil dies bedeutete, dass Klaas ein echter, wahrhaftiger Mann sein würde, so hätte seine Mutter alles getan, um Klaas von diesem Muttermal zu befreien, schließlich hat man als Guardian ein unglaublich gefährliches Leben, würde man letztendlich, ohne mit der Wimper zu zucken, für seinen Marker sterben. Immer häufiger kamen sich seine Eltern deshalb in die Haare und mit acht Jahren hatte seine Mutter ihn gepackt und war mit ihm ausgezogen. Seinen Vater hat er daraufhin nie wieder gesehen. Doch auch wenn die ewigen Streitereien zuhause nun endlich aufhörten, so wurde es für Klaas nicht wirklich besser. Seine Mutter war permanent in Sorge um ihn und versuchte, ihn regelrecht von der Außenwelt abzuschirmen. Zu groß war die Angst, Klaas würde auf jemanden geprägt werden. Klaas durfte nie mit den anderen Kindern raus, um zu spielen. Durfte nicht mit ihnen ins Kino oder auf den Jahrmarkt oder gar mit ins Schullager. Doch auch wenn Klaas genauso gerne darauf verzichtet hätte, als Guardian geboren worden zu sein, konnte er sich schließlich tausend bessere Dinge vorstellen, als auf irgendeinen Marker geprägt zu werden und diesem mit seinem Leben zu dienen, so machte er dieses Spiel nicht mehr lange mit, wollte er schließlich trotzdem seine Jugend und Erstrecht nicht sein ganzes Leben verpassen. Und so ist er mit sechzehn abgehauen und zu Jakob gezogen. Seine Mutter versuchte einige Male Kontakt mit ihm aufzubauen und ihn wieder zurück zu sich zu holen, doch Klaas blockte jegliche Versuche ab, bis sie es aufgab und er nichts mehr von ihr hörte.
Viel zu sehen bekam er damals aber auch Jakobs Eltern nicht, denn die waren so gut wie immer unterwegs. Entweder auf Geschäftsreisen oder im Urlaub. Die meiste Zeit waren Jakob und Klaas also alleine zuhause und Jakobs Eltern war es deshalb wohl ganz recht, dass Klaas da war, weil sie so nicht so ein schlechtes Gewissen haben mussten, ihren Sohn komplett alleine zu lassen. Ja und als sie dann starben, da war Jakob verständlicherweise am Boden zerstört, weshalb er versuchte, sich mit Partys abzulenken. Wochenlang waren jeden Abend irgendwelche Freunde da, um zu feiern, und natürlich waren auch Mark und Thomas immer dabei, gehörten sie schließlich zu ihrer Band. Ja und irgendwann, da sind auch die beiden einfach nicht mehr nach Hause gegangen. Sie blieben, genauso wie Klaas und das inzwischen seit vier Jahren. Und auch wenn es Momente wie jetzt gibt, wo Klaas froh wäre, nicht mit diesen Partyvögeln zusammen zu leben, so ist er doch die meiste Zeit einfach nur unglaublich froh, seine Familie um sich zu haben, denn genau das sind die drei Menschen ein Stockwerk unter ihm. Familie.
_______________________________________________________________________________________________
Als er seine Wohnung verlässt, lässt er die Klimaanlage laufen. Dann würde es schön angenehm kühl sein, wenn er nach der Arbeit wieder nach Hause kommt. Schnell hüpft er die Treppe nach unten und schiebt den Hintereingang zum Restaurant auf. Er steht nun direkt in der Küche und wird von warmer, stickiger Luft eingehüllt.
„Ciao Alfredo“, begrüßt er den Koch, der gleichzeitig auch sein Chef ist.
Alfredo grüßt zurück, während Joko zielstrebig die Küche durchschreitet, mit seiner Schulter die Tür zum Gastraum aufschiebt und sich einen kurzen Überblick verschafft. Drei Tische sind belegt, zwei davon haben bereits ihr Essen. Die Gäste am dritten Tisch scheinen wohl frisch gekommen zu sein, denn sie haben weder Essen noch Getränke. Sein Blick huscht weiter zum Tresen, wo er Achim entdeckt, welche wohl gerade die Getränke für besagten Tisch vorbereitet. Beim Tresen angekommen, begrüßen sie sich mit einem Nicken und einem ‚hey‘, bevor Achim auch schon wieder loszieht, um die Getränke an den Mann zu bringen. Danach gibt Achim ihm kurz die wichtigsten Informationen weiter, bevor er sich in den wohlverdienten Feierabend begibt und Joko übernimmt.
Zu Jokos Bedauern hat er gerade mal das fertige Essen an die hungrigen Leute am dritten Tisch gebracht, als die Türe sich schwungvoll öffnet und die nächsten Gäste eintreten. Sein Blick huscht zu der Truppe, welche eintretet und am liebsten hätte Joko laut aufgeseufzt, als da selbstverständlich Klaas gefolgt von der restlichen Band eintritt. Ohne Joko auch nur zu beachten durschreiten die vier Männer zielstrebig den Gästeraum, um sich an den Ecktisch am anderen Ende des Raumes zu setzen, an welchem sie immer sitzen. Joko, der immer noch hinter dem Tresen steht, atmet tief ein und wieder aus, in der Hoffnung, die schlechte Laune damit loszuwerden, bevor er sich vier Speisekarten unter den Arm klemmt und sich auf den Weg zu seiner Hasskundschaft macht.
„Guten Abend die Herren“, begrüßt Joko die vier Typen mit einem so neutralen Tonfall, wie es geht, während er beginnt die Karten zu verteilen.
Thomas und Mark nicken ihm dankend zu, während sie die Speisekarte entgegen nehmen. Klaas hingegen schaut nicht mal auf, sondern streckt einfach nur blind seine Hand auffordernd Joko entgegen, weshalb Joko innerlich die Augen verdrehend und vorsichtig die Karte zwischen Klaas‘ Finger schiebt. Ja und Jakob, der nimmt seine Karte entgegen, während er Joko mit einem fast schon hämischen Grinsen anblickt.
„Darf es schon was zu Trinken sein?“, fragt Joko dann.
„Ach da müssen wir uns zuerst noch die Getränkekarte ansehen“, kommt es von Jakob zurück und erneut verdreht Joko innerlich die Augen, kennen schließlich alle vier die Getränkekarte auswendig, so oft wie sie hier sind.
Außerdem nehmen sie sowieso immer das Gleiche. Für alle ein grosses Pilsner Bier. Trotzdem tritt Joko mit einem ‚natürlich‘ den Rücktritt an.
„Was soll das? Du weißt doch bereits genau, was du willst.“, hört Joko Thomas hinter sich murren.
„Ach lass ihm doch den Spass“, erwidert nun Klaas und Joko tritt schnaubend hinter den Tresen.
Dort steht er nun, beobachtet die vier Männer an ihrem Tisch und schaut Jakob zu, wie dieser gespielt interessiert durch die Karte blättert. Was für ein Idiot. Dann, nach ein paar Mal hin und her blättern, legt Jakob die Karte auf den restlichen Stapel, schließlich haben sich alle anderen schon lange entschieden, und dreht sich zu Joko um.
„Garçon, wir möchten gerne bestellen“, winkt Jakob Joko herbei und Joko schließt schnaufend die Augen.
Erneut denkt er sich nur, was für ein Idiot. Was für ein Arschloch. Trotzdem ist er hier bei der Arbeit und der Kunde ist nun Mal König, weshalb sich Joko wieder auf den Weg zum Tisch macht.
„Und für was haben Sie sich entschieden?“, fragt Joko bemüht freundlich.
„Ich nehme gerne ein Pilsner“, kommt es von Jakob und Joko hätte am liebsten ein überraschtes ‚ach wirklich?!‘ von sich gegeben.
„Vier mal“, wirft Klaas nun ein, was er gar nicht hätte tun müssen, weil Joko so oder so weiß, dass alle vier wie immer ein Pilsner nehmen.
„Und zum Essen?“, fragt Joko weiter.
„Oh so weit sind wir noch nicht. Da muss ich nochmals in die Karte schauen.“, kommt es nun gespielt überrascht von Jakob und Joko hätte ihm am liebsten die Karte eigenhändig über die Rübe gezogen.
Doch bevor er auf die Idee kommen konnte, das zu tun, bringt sich Klaas wieder ein.
„Lass den Scheiß, Jakob. Ich hab Kohldampf. Wie immer für mich und ihn ne Salamipizza, für ihn mit Schinken und für ihn eine Margherita.“
Dankbar, dass Klaas nicht auf dieses unmögliche Spielchen von Jakob eingegangen ist, greift Joko wortlos nach dem Stapel Karten und verschwindet in die Küche, um die Bestellung durchzugeben.
Zu Jokos Erleichterung blieben die vier an diesem Abend nicht lange. Kaum waren ihre Teller leer, da winkt Klaas ihn fast schon aggressiv zum Tisch.
„Wir wollen zahlen“, meint Klaas, noch bevor Joko wirklich am Tisch angekommen ist, weshalb er direkt wieder umdreht und zur Kasse geht.
„Jetzt schon? Ich wollte noch nen Nachtisch.“, motzt Jakob.
„Du kannst dir zuhause noch nen Pudding reinschieben, ich hab Kopfschmerzen, ich will nach Hause.“, geht Klaas aber gar nicht auf Jakobs Einwand ein.
Thomas und Mark bleiben still und auch Jakob bleibt, abgesehen von einem Murren ruhig. Alle scheinen zu wissen, dass es keinen Sinn macht, mit Klaas zu diskutieren. Schon gar nicht, wenn es ihm nicht gut geht. Deshalb drückt Jakob kurze Zeit später Joko ein paar Scheine in die Hand und gleich darauf verlässt die Truppe das Lokal.
Die Sonne ist untergegangen und die Luft endlich angenehm kühl. Eine Tatsache, die Klaas wohlwollend wahrnimmt, tut seinem Kopf diese Frische schließlich unglaublich gut. Nach wenigen Metern haben sie den Taxistand erreicht und wie immer steigen sie in eines der freien Autos ein. Nur Klaas läuft diesmal unbeirrt weiter dem Bürgersteig entlang.
„Ey Klaas, wo gehst du hin?“, ruft ihm deshalb Mark in der offenen Autotür stehend zu.
„Ich lauf nach Hause. Ich brauch die frische Luft und mal Ruhe von euch Schreihälsen.“, ruft Klaas zurück, ohne sich auch nur zu seinen Kollegen umzudrehen.
Wieder scheint niemand Klaas‘ Entscheidung in Frage stellen zu wollen, weshalb Mark schulterzuckend ins Auto einsteigt und die Tür schließt. Nur wenige Sekunden später rauscht das Taxi auch schon an Klaas vorbei und er schaut diesem einige Momente nach, bis es hinter der nächsten Ecke verschwindet. Dann löst er den Blick von der Straße und schaut wieder auf den Bürgersteig. Mit seinen Fingern kramt er in seiner Hosentasche und im nächsten Moment zieht er eine Zigarette und ein Feuerzeug hervor. Ohne anzuhalten, steckt er sich diese in den Mund, entzündet schnippend eine Flamme und zieht ausgiebig am Filter, so dass die Spitze orange aufflackert. Tief zieht er den Rauch in seine Lungen und entlässt ihn danach zufrieden seufzend in den klaren Nachthimmel, während das Feuerzeug wieder in seiner Hosentasche verschwindet. Mit seiner freien Hand reibt er sich kraftvoll über die Schläfe. Vielleicht würde er sich zuhause noch ein Aspirin einwerfen.
Nach gut 25 Minuten Fußmarsch erreicht er das große Haus. Licht dringt aus dem Wohnzimmerfenster in den Garten und Klaas kann bis auf den Bürgersteig hören, dass die Jungs gerade Party machen. Deshalb schnaubt er genervt, während er über den Kiesweg zur Haustür schreitet. Als er diese öffnet, schlägt ihm die laute Musik wie eine Faust ins Gesicht und Klaas reibt sich erneut die Schläfen, während er die Tür mit dem Fuß hinter sich zu kickt und direkt zum Wohnzimmer schreitet.
„Macht die Scheiße leiser, ich hab Kopfschmerzen!“, ruft er in den Raum, weshalb augenblicklich drei Köpfe sich zu ihm hindrehen.
Ohne auf eine Reaktion zu warten, hat Klaas sich wieder umgedreht und steuert auf die Treppe zu, die in den zweiten Stock führt. Tatsächlich wird die Musik um einiges leiser, während Klaas die Stufen empor steigt und er atmet erleichtert aus. Im zweiten Stock angekommen läuft er zuerst neben Marks Zimmer vorbei, gefolgt von Thomas‘ Zimmer, um dann die dritte Tür aufzuschieben und sein eigenes Zimmer zu betreten. Erschöpft schließt er die Tür wieder hinter sich, kickt sich die Schuhe von den Füssen und lässt sich auf sein Bett fallen. Leise hört er noch die Musik, welche sich aus dem Wohnzimmer durch die Wände zu ihm hoch schleicht, aber er ist zu faul, um nochmals aufzustehen und den Jungs zu sagen, dass sie die Lautstärke noch mehr drosseln sollen. Außerdem weiß er, dass nicht immer alles so laufen kann, wie er es gerne wollte. Schließlich wohnen sie hier zu viert und auch wenn er der Leader ist, kann er nicht alles bestimmen. Zumal es ja nicht mal sein Haus ist. Es ist Jakobs Haus und weder er noch Thomas noch Mark zahlen auch nur einen Cent Miete.
Sie hatten das Glück, dass Jakobs Eltern nach dessen Tod Jakob dieses Haus und eine Unmenge an Geld vermacht haben. Ansonsten würden sie heute wohl alle auf der Straße sitzen, denn ihre Band war bei weitem noch nicht so bekannt, als dass sie davon leben könnten. In einer anderen Welt, in der Jakobs Eltern nicht reich gewesen wären, da hätten die vier sich wohl zusammen in eine 2-Zimmer Wohnung pferchen müssen und erst noch nebenbei einem Job nachgehen, um das alles zu finanzieren. Vermutlich hätten sie dann ziemlich schnell ihre Band, welche sie damals, als Schülerband gegründet haben, aufgeben müssen. Doch so können sie in diesem großen 7-Zimmer Haus wohnen und ihre ganze Zeit in ihre Band stecken, in der Hoffnung, irgendwann den Durchbruch zu schaffen. Davon sind sie aber noch weit entfernt, und abgesehen von gelegentlichen Auftritten in Bars, welche nun wirklich nicht viel Geld einbringen, haben sie es noch nicht weit gebracht.
Aber Klaas ist nicht erst hier, seit Jakobs Eltern gestorben sind. Er durfte schon hier wohnen, als sie noch lebten. Bereits mit sechzehn zog er hier zu seinem Kumpel Jakob, weil er es zuhause nicht mehr aushielt. Seine Mutter hatte sich von seinem Vater getrennt, als er acht war und auch wenn es immer heißt, wenn die Eltern sich trennen sind nicht die Kinder schuld, so war es bei ihm doch genau so. Er war schuld, oder besser gesagt das Mal auf seinem linken Oberarm. Er ist ein Guardian und während sein Vater deswegen unglaublich stolz war, weil dies bedeutete, dass Klaas ein echter, wahrhaftiger Mann sein würde, so hätte seine Mutter alles getan, um Klaas von diesem Muttermal zu befreien, schließlich hat man als Guardian ein unglaublich gefährliches Leben, würde man letztendlich, ohne mit der Wimper zu zucken, für seinen Marker sterben. Immer häufiger kamen sich seine Eltern deshalb in die Haare und mit acht Jahren hatte seine Mutter ihn gepackt und war mit ihm ausgezogen. Seinen Vater hat er daraufhin nie wieder gesehen. Doch auch wenn die ewigen Streitereien zuhause nun endlich aufhörten, so wurde es für Klaas nicht wirklich besser. Seine Mutter war permanent in Sorge um ihn und versuchte, ihn regelrecht von der Außenwelt abzuschirmen. Zu groß war die Angst, Klaas würde auf jemanden geprägt werden. Klaas durfte nie mit den anderen Kindern raus, um zu spielen. Durfte nicht mit ihnen ins Kino oder auf den Jahrmarkt oder gar mit ins Schullager. Doch auch wenn Klaas genauso gerne darauf verzichtet hätte, als Guardian geboren worden zu sein, konnte er sich schließlich tausend bessere Dinge vorstellen, als auf irgendeinen Marker geprägt zu werden und diesem mit seinem Leben zu dienen, so machte er dieses Spiel nicht mehr lange mit, wollte er schließlich trotzdem seine Jugend und Erstrecht nicht sein ganzes Leben verpassen. Und so ist er mit sechzehn abgehauen und zu Jakob gezogen. Seine Mutter versuchte einige Male Kontakt mit ihm aufzubauen und ihn wieder zurück zu sich zu holen, doch Klaas blockte jegliche Versuche ab, bis sie es aufgab und er nichts mehr von ihr hörte.
Viel zu sehen bekam er damals aber auch Jakobs Eltern nicht, denn die waren so gut wie immer unterwegs. Entweder auf Geschäftsreisen oder im Urlaub. Die meiste Zeit waren Jakob und Klaas also alleine zuhause und Jakobs Eltern war es deshalb wohl ganz recht, dass Klaas da war, weil sie so nicht so ein schlechtes Gewissen haben mussten, ihren Sohn komplett alleine zu lassen. Ja und als sie dann starben, da war Jakob verständlicherweise am Boden zerstört, weshalb er versuchte, sich mit Partys abzulenken. Wochenlang waren jeden Abend irgendwelche Freunde da, um zu feiern, und natürlich waren auch Mark und Thomas immer dabei, gehörten sie schließlich zu ihrer Band. Ja und irgendwann, da sind auch die beiden einfach nicht mehr nach Hause gegangen. Sie blieben, genauso wie Klaas und das inzwischen seit vier Jahren. Und auch wenn es Momente wie jetzt gibt, wo Klaas froh wäre, nicht mit diesen Partyvögeln zusammen zu leben, so ist er doch die meiste Zeit einfach nur unglaublich froh, seine Familie um sich zu haben, denn genau das sind die drei Menschen ein Stockwerk unter ihm. Familie.