Marker
von heavensnotenough
Kurzbeschreibung
AU - Es gibt zwei Arten von Menschen auf dieser Welt. Es gibt Marker, welche 99% der Bevölkerung ausmachen und es gibt Guardians, welche nur mit 1% Bevölkerungsanteil einen wahnsinnig kleinen Teil ausmachen. Aber wenn man trotzdem mal einem Guardian über den Weg läuft, kann dies enorme Auswirkungen auf das eigenes Leben haben. Das muss zumindest Joko feststellen.
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
24.06.2022
15.03.2023
21
51.919
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Dieses Kapitel
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24.11.2022
2.294
„Da vorne an der Ecke ist es“, kündigt Klaas wenig später an, während er mit einer Hand auf ein grosses Gebäude am Straßenrand weist.
„Da ist nirgends ein Parkplatz frei“, erwidert Joko, während er den Straßenrand nach einer Lücke abscannt.
Klaas setzt daraufhin den Blinker und bleibt am Straßenrand stehen.
„Geh du schon mal rein. Ich schau ob ich was in der Nähe finde und sonst fahre ich einfach so lange rum bis du mich anrufst, dann hol ich dich hier wieder ab.“
„Oh okay, danke dir“, antwortet Joko, bevor er seinen Sicherheitsgurt öffnet und aus dem Auto schlüpft.
Dann fährt Klaas auch schon wieder los, bevor die Schlange an ungeduldigen Autofahrern hinter ihnen noch länger wird.
Joko schaut ihm kurz nach, bevor er sich umdreht und in Richtung Gebäude geht. Die Agentur ist am Klingelschild angeschrieben und für einen Augenblick legt sich ein ungutes Gefühl auf seine Brust. Das letzte Mal, als er zu einer Agentur gegangen ist, ist er auf Thorsten getroffen. Eine unschöne Erinnerung und Joko möchte sie nur ungern wiederholen. Dann wiederum denkt er daran, dass er bisher noch nie solche schlechten Erfahrungen gemacht hat. Thorsten ist ein schwarzes Schaf und schwarze Schafe gibts in jeder Branche. Außerdem ist Klaas in der Nähe und dieser Gedanke beruhigt ihn direkt wieder. Er muss sich keine Sorgen machen, noch bevor ihm etwas passieren könnte, würde Klaas auf der Matte stehen. Davon ist Joko überzeugt. Deshalb drückt er ruhigen Gewissens auf den Klingelknopf und betritt das Gebäude, als sich die Tür summend entriegelt. Im zweiten Stock erblickt Joko eine Tür aus Milchglas, auf welcher ebenfalls die Agentur angeschrieben ist und nach kurzem Klopfen tritt Joko ein.
Klaas derweil fährt durch die Straßen Hamburgs auf der Suche nach einem Parkplatz. Schnell muss er aber akzeptieren, dass dies keinen Sinn hat. In der näheren Umgebung ist alles voll, weshalb Klaas sich dazu entscheidet, einfach wirr durch die benachbarten Straßen zu fahren, bis Joko sich melden würde. Er hat keine Ahnung, wie lange so ein Vorstellungsgespräch bei einer Agentur geht. Nennt man das überhaupt Vorstellungsgespräch? Klaas hat keinen Plan.
Tatsächlich geht es nicht allzu lange. Joko hat lediglich eine Kopie seiner Sedcard abgegeben und kurz ein paar Worte mit einer Assistentin gewechselt, die wissen wollte, wo er schon überall Erfahrungen sammeln konnte. Der Chef der Agentur sei diese Woche im Urlaub, aber die Assistentin mit dem Namen Laura, versprach Joko, die Unterlagen ihrem Chef weiterzugeben und dass dieser sich bei Bedarf bei ihm melden würde. Bei Bedarf klang schon mal nicht so vielversprechend und Joko macht sich keine großen Hoffnungen, als er das Gebäude wieder verlässt. Suchend blickt er nach links und rechts und hält Ausschau nach Klaas, doch der ist nirgends zu sehen, weshalb er sein Handy aus seiner Hosentasche kramt, durch seine Kontakte scrollt und bei „Klaas Kinski“ auf den grünen Hörer drückt. Es tutet gerade mal einmal, da meldet sich Klaas auch schon zu Wort.
„Limousinen Service Heufer-Umlauf, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Joko schüttelt grinsend den Kopf und vergisst für einen kurzen Moment die Enttäuschung, die er gerade eben noch verspürt hat.
„Winterscheidt hier. Mein Chauffeur könnte mich hier bitte abholen.“, erwidert Joko so ernst, wie er kann.
„Bin auf dem Weg, Sir“, erklärt Klaas, bevor er auch schon aufgelegt hat.
Schmunzelnd steckt Joko sein Handy wieder weg. Was ein Idiot Klaas doch ist. Aber irgendwie mag er den Idioten langsam. Also so ein kleines bisschen.
Tatsächlich biegt auch schon nur nach wenigen Minuten Klaas um die Ecke und hält am Straßenrand an, damit Joko zusteigen kann, was dieser hastig tut, weil sich hinter Klaas bereits die Autos stauen.
„Jetzt bin ich enttäuscht. Dachte, du hast die Zeit genutzt, um die Karre durch eine Limousine auszutauschen.“, meint Joko, während er sich angurtet.
Klaas lacht daraufhin auf.
„Tut mir leid, ich bin ein Guardian und kein Zauberer.“
„Los gib die nächste Adresse im Navi ein“, fügt dann Klaas an und Joko kramt erneut sein Handy hervor, um die nächste Adresse rauszusuchen und einzugeben.
Laut Navi würden sie 13 Minuten bis dorthin brauchen. Klaas will diese Zeit nutzen.
„Sag mal, wie läuft das dort drin eigentlich ab? Ist das ein Vorstellungsgespräch, oder wie muss ich mir das vorstellen?“
Überrascht ab dieser Frage blickt Joko zu Klaas. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Klaas ernsthaftes Interesse an seinem Beruf zeigen würde.
„Naja, nicht so wirklich. Manchmal wollen die nur die Sedcard sehen.“, beginnt Joko zu erklären.
„Das ist dieses Buch mit Fotos von dir?“, unterbricht ihn Klaas fragend.
„Ja genau. Da sind repräsentative Fotos von mir von früheren Aufträgen, damit die wissen, für was man mich brauchen kann und ob ich in deren Konzept passe, sowie ein paar Angaben zu mir. Eigentlich ein Lebenslauf mit vielen Fotos, wenn man es simple ausdrücken will.“, bestätigt ihm Joko.
„Und wenn sie nicht nur die Sedcard sehen wollen, was passiert dann?“, fragt Klaas interessiert weiter.
„Meistens wollen die verifizieren, dass die Angaben, die ich über meinen Körper gemacht habe, stimmen. Also Gewicht, Größe etc.“
„Und Fotos von dir machen? Gehört das auch dazu?“, fragt Klaas möglichst nebensächlich weiter, während er den Blinker setzt.
Daher weht der Wind, denkt sich nun Joko.
„Wenn die das Gefühl haben, ich könnt zu denen passen und wenn die Zeit haben, dann kommt es ab und an vor, dass sie einen direkt für ein Probe-Shooting dabehalten.“
Klaas gibt nur einen brummenden Ton von sich, der Joko wohl zeigen soll, dass er zugehört und verstanden hat.
„Es sind nicht alle wie Throsten“, sagt dann Joko, nach dem von Klaas auch nach einigen Momenten keine weitere Reaktion kommt.
Wieder brummt Klaas nur vor sich hin.
„Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, dass sowas nochmals passiert“, versucht Joko deshalb Klaas weiter zu beruhigen.
Klaas bleibt still und Joko beobachtet für einige Sekunden Klaas von der Seite, bevor er es ihm gleich tut.
Nur wenig später dreht Klaas in eine Parklücke vor dem Zielgebäude ein.
„Wartest du hier?“, fragt Joko, während er sich losschnallt und Klaas nickt.
Als Joko bereits aus dem Auto ausgestiegen ist und die Tür hinter sich schließen will, erhebt sich Klaas‘ Stimme.
„Ich hab‘s gespürt, dass du dir vorhin selbst Sorgen gemacht hast ... also sag mir bitte nicht, ich soll mir keine Sorgen machen.“
Es klingt nicht anklagend oder genervt, sondern einfach nur ehrlich und Joko weiß gar nicht, was er darauf antworten soll. Er hätte nicht gedacht, dass Klaas das gemerkt hat.
„Ich bin dein Guardian. Ich bin hier, um mir Sorgen um dich zu machen, damit du es nicht machen musst.“, spricht dann Klaas weiter und Joko bleibt weiter stumm, weil ihm schlicht die Worte fehlen.
Deshalb nickt er nur, bestätigt Klaas damit, dass er verstanden hat, und lächelt ihn dann kurz dankbar an, bevor er die Beifahrertür endgültig schließt und das Gebäude betritt. Er denkt währenddessen weiter über Klaas‘ Worte nach und je öfter er den Satz in seinem Kopf wiederholt, desto mehr wird ihm klar, dass das irgendwo fast schon eine Liebeserklärung war. Vielleicht spricht da auch nur der Romantiker aus ihm, aber es ändert nichts daran, dass Joko mit einem Lächeln im Gesicht die Tür aufschiebt und die Agentur betritt. Auch hier wird er freundlich von einer Empfangsdame begrüßt und als Joko erklärt, warum er hier ist, wird er gebeten, kurz Platz zu nehmen, damit sie mit dem Chef schauen kann, ob der kurz Zeit für ihn hat. Zu Jokos Glück hat dieser tatsächlich ein paar Minuten, die er Joko opfern kann. Ein blonder Mann, Joko schätzt ihn anfang 40, stellt sich kurze Zeit später mit dem Namen Konrad vor. Konrad macht einen sympathischen Eindruck und Joko fragt sich, ob Klaas spürt, dass er sich hier gerade wohl fühlt. Genau so, wie er es vorhin Klaas erklärt hat, läuft es nun auch ab. Konrad schaut durch Jokos Sedcard, stellt ein paar Fragen und scheint ernsthaftes Interesse an ihm zu haben. So interpretiert Joko es zumindest und hofft, dass er die Situation nicht falsch einschätzt. Er wird wieder zur Assistentin geschickt, welche Joko ausmisst und verifiziert, was Joko angegeben hat. Dann wird er tatsächlich auch noch weiter zum Fotografen geschickt, welcher ein paar Fotos von ihm macht. Nach dreissig Minuten ist der Spuk vorbei und Joko wird mit den Worten ‚wir melden uns‘, verabschiedet. Worte, die er schon öfters gehört hat, aber diesmal hat er ein deutlich besseres Gefühl als sonst.
Als er raus auf die Straße tritt, erblickt er von weitem Klaas, der an den Van gelehnt da steht und raucht. Ohne es zu merken, legt sich ein sanftes Lächeln auf sein Gesicht, während er zu Klaas geht. Als dieser Joko erblickt, will er die noch nicht mal zur Hälfte aufgerauchte Zigarette wegwerfen, doch Joko schüttelt den Kopf. Gibt ihm damit zu verstehen, dass sie es nicht eilig haben und Klaas sich ruhig diesen Moment noch gönnen kann. Dankend nickt Klaas und führt die Zigarette wieder an seine Lippen, während Joko sich neben ihn stellt und ebenfalls gegen den Wagen lehnt.
„Das ging lange“, stellt Klaas fest, nachdem er eine Rauchwolke zum Himmel gepustet hat.
„Ja, ich weiß. Ich durfte Fotos machen.“, erklärt Joko.
„Aber keine Sorge, es lief alles korrekt ab“, fügt er sofort an.
„Ich weiß ... du warst ruhig.“, erwidert Klaas und Joko lächelt vor sich hin, weil Klaas es anscheinend wirklich gespürt hat.
Irgendwie macht ihn diese Tatsache gerade stolz. Irgendwie macht ihn diese Verbindung gerade stolz und er weiß auch nicht, woher das plötzlich kommt.
„Nächste Agentur?“, fragt dann Klaas, während er die nun aufgerauchte Zigarette auf den Boden schnippt.
Joko blickt auf die Uhr und nickt. Eine würden sie heute zeitlich noch gut unterbringen können. Und so steigen sie wieder in den Van, um die nächste Adresse anzusteuern. Die Fahrt dahin verläuft still, doch es ist keine unangenehme Stille. Joko fühlt sich wohl in dieser Situation und bis vor ein paar Tagen hätte er sich das nicht mal in seinen Träumen vorstellen können. Er würde sich wohl fühlen mit Klaas in einem Auto in einer anderen Stadt? Absurd.
Der letzte Stopp ist zwar nicht ganz so befriedigend. Also eigentlich gar nicht befriedigend, denn Joko bekommt direkt gesagt, dass er nicht in das Konzept der Agentur passt, andererseits weiß er so, dass er sich hier gar nicht erst Hoffnungen machen muss.
„Weiter?“, fragt Klaas, als Joko schon nach wenigen Minuten wieder zu ihm ins Auto steigt.
Doch Joko schüttelt nach einem kurzen Blick auf die Uhr den Kopf.
„Das macht glaub keinen Sinn mehr heute. Ist schon zu spät.“
Deshalb nickt Klaas, um zu zeigen, dass er verstanden hat, und startet den Motor um den Weg zurück ins Hotel anzugehen. Wieder verläuft die Fahrt ruhig und erst, als sie fast wieder bei ihrer Unterkunft sind, beginnt Klaas zu sprechen.
„Wir gehen heute Abend zusammen irgendwo in ein Restaurant was essen ... willst du mitkommen?“
Für Joko klingt es nicht wirklich wie eine Einladung, sondern mehr wie ein Akt der Höflichkeit. Etwas, das man fragen muss. Aber das stört ihn nicht wirklich, denn so erstaunlich angenehm es war, mit Klaas unterwegs zu sein, so kann er sich trotzdem immer noch Besseres vorstellen, als mit der Band zusammen in ein Restaurant zu gehen. Er würde sich dort sowieso nur wie das fünfte Rad am Wagen fühlen.
„Nein, danke“, lehnt er deshalb sachlich, aber höflich ab.
„Wirklich nicht?“, kommt es nun von Klaas, während dieser sogar, wenn auch nur eine Sekunde, zu ihm schaut, und Joko kommt nicht drum herum, da Enttäuschung in Klaas‘ Stimme zu hören.
Oder bildet er sich das ein? Möchte Klaas wirklich, dass er dabei ist? Trotzdem bleibt Joko bei seiner Entscheidung und schüttelt den Kopf.
„Aber keine Angst, ich bleib im Zimmer“, fügt Joko an, weil Klaas wahrscheinlich deshalb wollte, dass er mitkommt.
Damit er sichergehen kann, dass Joko in Sicherheit ist.
„Darum ging‘s mir nicht“, erwidert Klaas aber sofort und wieder hat Joko das Gefühl, Enttäuschung seitens Klaas zu vernehmen.
Als wäre Klaas enttäuscht, dass Joko davon ausgeht, es würde ihm nur darum gehen seine Funktion als Guardian komplett ausleben zu können.
„Sei mir nicht böse, aber ich kann mir das noch nicht so wirklich vorstellen, wirklich Zeit mit euch ... mit Jakob ... zu verbringen“, erklärt Joko deshalb ehrlich.
Nun nickt Klaas wieder stumm vor sich hin.
„Okay ... verstehe ...“, murmelt er dann und es klingt ehrlich.
Denn das ist es auch. Klaas versteht es. Würden sie die Rollen tauschen, er würde wohl genauso wenig Zeit mit den Menschen verbringen wollen, die ihn zuvor immer gedemütigt haben. Warum hat er das eigentlich getan?
„Aber du musst nicht im Hotelzimmer bleiben, okay?“, fügt er an, schließlich kann er nicht von Joko verlangen, immer im Hotelzimmer zu sein, wenn er nicht bei ihm ist.
Sollte heute Abend etwas sein, dann würde Klaas halt vom Abendessen verschwinden. Das hätte keinerlei Konsequenzen. Anders als wenn er das tagsüber während der Arbeit beim Plattenlabel machen müsste.
„Ach schon okay. Ich hol mir glaub ich später einfach was beim Asiaten gegenüber des Hotels und machs mir im Zimmer gemütlich. Wann kann man schließlich schon mal im Bett Abendessen und dabei Fernsehen gucken.“, schmunzelt Joko.
„Wenn das für dich wirklich okay ist?“, fragt Klaas nach, während er in die Tiefgarage des Hotels abbiegt.
Natürlich würde es ihm nur recht sein, wenn er Joko sicher im Hotelzimmer weiß, aber er will in dieser Situation Joko auf keinen Fall dazu nötigen. Es wird noch oft genug der Moment kommen, wo es anders nicht möglich sein wird, und er will Jokos Wille, mitzuarbeiten, nicht überstrapazieren.
„Ja, wirklich“, bestätigt ihm Joko und es ist nicht gelogen.
Es ist für ihn wirklich eine befriedigende Vorstellung, den Abend so zu verbringen. Das dankbare Lächeln, das Klaas ihm daraufhin schenkt, bestätigt ihn nur in seinem Vorhaben, weshalb sie sich kurze Zeit später im Aufzug auf Jokos Etage angekommen voneinander verabschieden.
„Da ist nirgends ein Parkplatz frei“, erwidert Joko, während er den Straßenrand nach einer Lücke abscannt.
Klaas setzt daraufhin den Blinker und bleibt am Straßenrand stehen.
„Geh du schon mal rein. Ich schau ob ich was in der Nähe finde und sonst fahre ich einfach so lange rum bis du mich anrufst, dann hol ich dich hier wieder ab.“
„Oh okay, danke dir“, antwortet Joko, bevor er seinen Sicherheitsgurt öffnet und aus dem Auto schlüpft.
Dann fährt Klaas auch schon wieder los, bevor die Schlange an ungeduldigen Autofahrern hinter ihnen noch länger wird.
Joko schaut ihm kurz nach, bevor er sich umdreht und in Richtung Gebäude geht. Die Agentur ist am Klingelschild angeschrieben und für einen Augenblick legt sich ein ungutes Gefühl auf seine Brust. Das letzte Mal, als er zu einer Agentur gegangen ist, ist er auf Thorsten getroffen. Eine unschöne Erinnerung und Joko möchte sie nur ungern wiederholen. Dann wiederum denkt er daran, dass er bisher noch nie solche schlechten Erfahrungen gemacht hat. Thorsten ist ein schwarzes Schaf und schwarze Schafe gibts in jeder Branche. Außerdem ist Klaas in der Nähe und dieser Gedanke beruhigt ihn direkt wieder. Er muss sich keine Sorgen machen, noch bevor ihm etwas passieren könnte, würde Klaas auf der Matte stehen. Davon ist Joko überzeugt. Deshalb drückt er ruhigen Gewissens auf den Klingelknopf und betritt das Gebäude, als sich die Tür summend entriegelt. Im zweiten Stock erblickt Joko eine Tür aus Milchglas, auf welcher ebenfalls die Agentur angeschrieben ist und nach kurzem Klopfen tritt Joko ein.
Klaas derweil fährt durch die Straßen Hamburgs auf der Suche nach einem Parkplatz. Schnell muss er aber akzeptieren, dass dies keinen Sinn hat. In der näheren Umgebung ist alles voll, weshalb Klaas sich dazu entscheidet, einfach wirr durch die benachbarten Straßen zu fahren, bis Joko sich melden würde. Er hat keine Ahnung, wie lange so ein Vorstellungsgespräch bei einer Agentur geht. Nennt man das überhaupt Vorstellungsgespräch? Klaas hat keinen Plan.
Tatsächlich geht es nicht allzu lange. Joko hat lediglich eine Kopie seiner Sedcard abgegeben und kurz ein paar Worte mit einer Assistentin gewechselt, die wissen wollte, wo er schon überall Erfahrungen sammeln konnte. Der Chef der Agentur sei diese Woche im Urlaub, aber die Assistentin mit dem Namen Laura, versprach Joko, die Unterlagen ihrem Chef weiterzugeben und dass dieser sich bei Bedarf bei ihm melden würde. Bei Bedarf klang schon mal nicht so vielversprechend und Joko macht sich keine großen Hoffnungen, als er das Gebäude wieder verlässt. Suchend blickt er nach links und rechts und hält Ausschau nach Klaas, doch der ist nirgends zu sehen, weshalb er sein Handy aus seiner Hosentasche kramt, durch seine Kontakte scrollt und bei „Klaas Kinski“ auf den grünen Hörer drückt. Es tutet gerade mal einmal, da meldet sich Klaas auch schon zu Wort.
„Limousinen Service Heufer-Umlauf, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Joko schüttelt grinsend den Kopf und vergisst für einen kurzen Moment die Enttäuschung, die er gerade eben noch verspürt hat.
„Winterscheidt hier. Mein Chauffeur könnte mich hier bitte abholen.“, erwidert Joko so ernst, wie er kann.
„Bin auf dem Weg, Sir“, erklärt Klaas, bevor er auch schon aufgelegt hat.
Schmunzelnd steckt Joko sein Handy wieder weg. Was ein Idiot Klaas doch ist. Aber irgendwie mag er den Idioten langsam. Also so ein kleines bisschen.
Tatsächlich biegt auch schon nur nach wenigen Minuten Klaas um die Ecke und hält am Straßenrand an, damit Joko zusteigen kann, was dieser hastig tut, weil sich hinter Klaas bereits die Autos stauen.
„Jetzt bin ich enttäuscht. Dachte, du hast die Zeit genutzt, um die Karre durch eine Limousine auszutauschen.“, meint Joko, während er sich angurtet.
Klaas lacht daraufhin auf.
„Tut mir leid, ich bin ein Guardian und kein Zauberer.“
„Los gib die nächste Adresse im Navi ein“, fügt dann Klaas an und Joko kramt erneut sein Handy hervor, um die nächste Adresse rauszusuchen und einzugeben.
Laut Navi würden sie 13 Minuten bis dorthin brauchen. Klaas will diese Zeit nutzen.
„Sag mal, wie läuft das dort drin eigentlich ab? Ist das ein Vorstellungsgespräch, oder wie muss ich mir das vorstellen?“
Überrascht ab dieser Frage blickt Joko zu Klaas. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Klaas ernsthaftes Interesse an seinem Beruf zeigen würde.
„Naja, nicht so wirklich. Manchmal wollen die nur die Sedcard sehen.“, beginnt Joko zu erklären.
„Das ist dieses Buch mit Fotos von dir?“, unterbricht ihn Klaas fragend.
„Ja genau. Da sind repräsentative Fotos von mir von früheren Aufträgen, damit die wissen, für was man mich brauchen kann und ob ich in deren Konzept passe, sowie ein paar Angaben zu mir. Eigentlich ein Lebenslauf mit vielen Fotos, wenn man es simple ausdrücken will.“, bestätigt ihm Joko.
„Und wenn sie nicht nur die Sedcard sehen wollen, was passiert dann?“, fragt Klaas interessiert weiter.
„Meistens wollen die verifizieren, dass die Angaben, die ich über meinen Körper gemacht habe, stimmen. Also Gewicht, Größe etc.“
„Und Fotos von dir machen? Gehört das auch dazu?“, fragt Klaas möglichst nebensächlich weiter, während er den Blinker setzt.
Daher weht der Wind, denkt sich nun Joko.
„Wenn die das Gefühl haben, ich könnt zu denen passen und wenn die Zeit haben, dann kommt es ab und an vor, dass sie einen direkt für ein Probe-Shooting dabehalten.“
Klaas gibt nur einen brummenden Ton von sich, der Joko wohl zeigen soll, dass er zugehört und verstanden hat.
„Es sind nicht alle wie Throsten“, sagt dann Joko, nach dem von Klaas auch nach einigen Momenten keine weitere Reaktion kommt.
Wieder brummt Klaas nur vor sich hin.
„Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, dass sowas nochmals passiert“, versucht Joko deshalb Klaas weiter zu beruhigen.
Klaas bleibt still und Joko beobachtet für einige Sekunden Klaas von der Seite, bevor er es ihm gleich tut.
Nur wenig später dreht Klaas in eine Parklücke vor dem Zielgebäude ein.
„Wartest du hier?“, fragt Joko, während er sich losschnallt und Klaas nickt.
Als Joko bereits aus dem Auto ausgestiegen ist und die Tür hinter sich schließen will, erhebt sich Klaas‘ Stimme.
„Ich hab‘s gespürt, dass du dir vorhin selbst Sorgen gemacht hast ... also sag mir bitte nicht, ich soll mir keine Sorgen machen.“
Es klingt nicht anklagend oder genervt, sondern einfach nur ehrlich und Joko weiß gar nicht, was er darauf antworten soll. Er hätte nicht gedacht, dass Klaas das gemerkt hat.
„Ich bin dein Guardian. Ich bin hier, um mir Sorgen um dich zu machen, damit du es nicht machen musst.“, spricht dann Klaas weiter und Joko bleibt weiter stumm, weil ihm schlicht die Worte fehlen.
Deshalb nickt er nur, bestätigt Klaas damit, dass er verstanden hat, und lächelt ihn dann kurz dankbar an, bevor er die Beifahrertür endgültig schließt und das Gebäude betritt. Er denkt währenddessen weiter über Klaas‘ Worte nach und je öfter er den Satz in seinem Kopf wiederholt, desto mehr wird ihm klar, dass das irgendwo fast schon eine Liebeserklärung war. Vielleicht spricht da auch nur der Romantiker aus ihm, aber es ändert nichts daran, dass Joko mit einem Lächeln im Gesicht die Tür aufschiebt und die Agentur betritt. Auch hier wird er freundlich von einer Empfangsdame begrüßt und als Joko erklärt, warum er hier ist, wird er gebeten, kurz Platz zu nehmen, damit sie mit dem Chef schauen kann, ob der kurz Zeit für ihn hat. Zu Jokos Glück hat dieser tatsächlich ein paar Minuten, die er Joko opfern kann. Ein blonder Mann, Joko schätzt ihn anfang 40, stellt sich kurze Zeit später mit dem Namen Konrad vor. Konrad macht einen sympathischen Eindruck und Joko fragt sich, ob Klaas spürt, dass er sich hier gerade wohl fühlt. Genau so, wie er es vorhin Klaas erklärt hat, läuft es nun auch ab. Konrad schaut durch Jokos Sedcard, stellt ein paar Fragen und scheint ernsthaftes Interesse an ihm zu haben. So interpretiert Joko es zumindest und hofft, dass er die Situation nicht falsch einschätzt. Er wird wieder zur Assistentin geschickt, welche Joko ausmisst und verifiziert, was Joko angegeben hat. Dann wird er tatsächlich auch noch weiter zum Fotografen geschickt, welcher ein paar Fotos von ihm macht. Nach dreissig Minuten ist der Spuk vorbei und Joko wird mit den Worten ‚wir melden uns‘, verabschiedet. Worte, die er schon öfters gehört hat, aber diesmal hat er ein deutlich besseres Gefühl als sonst.
Als er raus auf die Straße tritt, erblickt er von weitem Klaas, der an den Van gelehnt da steht und raucht. Ohne es zu merken, legt sich ein sanftes Lächeln auf sein Gesicht, während er zu Klaas geht. Als dieser Joko erblickt, will er die noch nicht mal zur Hälfte aufgerauchte Zigarette wegwerfen, doch Joko schüttelt den Kopf. Gibt ihm damit zu verstehen, dass sie es nicht eilig haben und Klaas sich ruhig diesen Moment noch gönnen kann. Dankend nickt Klaas und führt die Zigarette wieder an seine Lippen, während Joko sich neben ihn stellt und ebenfalls gegen den Wagen lehnt.
„Das ging lange“, stellt Klaas fest, nachdem er eine Rauchwolke zum Himmel gepustet hat.
„Ja, ich weiß. Ich durfte Fotos machen.“, erklärt Joko.
„Aber keine Sorge, es lief alles korrekt ab“, fügt er sofort an.
„Ich weiß ... du warst ruhig.“, erwidert Klaas und Joko lächelt vor sich hin, weil Klaas es anscheinend wirklich gespürt hat.
Irgendwie macht ihn diese Tatsache gerade stolz. Irgendwie macht ihn diese Verbindung gerade stolz und er weiß auch nicht, woher das plötzlich kommt.
„Nächste Agentur?“, fragt dann Klaas, während er die nun aufgerauchte Zigarette auf den Boden schnippt.
Joko blickt auf die Uhr und nickt. Eine würden sie heute zeitlich noch gut unterbringen können. Und so steigen sie wieder in den Van, um die nächste Adresse anzusteuern. Die Fahrt dahin verläuft still, doch es ist keine unangenehme Stille. Joko fühlt sich wohl in dieser Situation und bis vor ein paar Tagen hätte er sich das nicht mal in seinen Träumen vorstellen können. Er würde sich wohl fühlen mit Klaas in einem Auto in einer anderen Stadt? Absurd.
Der letzte Stopp ist zwar nicht ganz so befriedigend. Also eigentlich gar nicht befriedigend, denn Joko bekommt direkt gesagt, dass er nicht in das Konzept der Agentur passt, andererseits weiß er so, dass er sich hier gar nicht erst Hoffnungen machen muss.
„Weiter?“, fragt Klaas, als Joko schon nach wenigen Minuten wieder zu ihm ins Auto steigt.
Doch Joko schüttelt nach einem kurzen Blick auf die Uhr den Kopf.
„Das macht glaub keinen Sinn mehr heute. Ist schon zu spät.“
Deshalb nickt Klaas, um zu zeigen, dass er verstanden hat, und startet den Motor um den Weg zurück ins Hotel anzugehen. Wieder verläuft die Fahrt ruhig und erst, als sie fast wieder bei ihrer Unterkunft sind, beginnt Klaas zu sprechen.
„Wir gehen heute Abend zusammen irgendwo in ein Restaurant was essen ... willst du mitkommen?“
Für Joko klingt es nicht wirklich wie eine Einladung, sondern mehr wie ein Akt der Höflichkeit. Etwas, das man fragen muss. Aber das stört ihn nicht wirklich, denn so erstaunlich angenehm es war, mit Klaas unterwegs zu sein, so kann er sich trotzdem immer noch Besseres vorstellen, als mit der Band zusammen in ein Restaurant zu gehen. Er würde sich dort sowieso nur wie das fünfte Rad am Wagen fühlen.
„Nein, danke“, lehnt er deshalb sachlich, aber höflich ab.
„Wirklich nicht?“, kommt es nun von Klaas, während dieser sogar, wenn auch nur eine Sekunde, zu ihm schaut, und Joko kommt nicht drum herum, da Enttäuschung in Klaas‘ Stimme zu hören.
Oder bildet er sich das ein? Möchte Klaas wirklich, dass er dabei ist? Trotzdem bleibt Joko bei seiner Entscheidung und schüttelt den Kopf.
„Aber keine Angst, ich bleib im Zimmer“, fügt Joko an, weil Klaas wahrscheinlich deshalb wollte, dass er mitkommt.
Damit er sichergehen kann, dass Joko in Sicherheit ist.
„Darum ging‘s mir nicht“, erwidert Klaas aber sofort und wieder hat Joko das Gefühl, Enttäuschung seitens Klaas zu vernehmen.
Als wäre Klaas enttäuscht, dass Joko davon ausgeht, es würde ihm nur darum gehen seine Funktion als Guardian komplett ausleben zu können.
„Sei mir nicht böse, aber ich kann mir das noch nicht so wirklich vorstellen, wirklich Zeit mit euch ... mit Jakob ... zu verbringen“, erklärt Joko deshalb ehrlich.
Nun nickt Klaas wieder stumm vor sich hin.
„Okay ... verstehe ...“, murmelt er dann und es klingt ehrlich.
Denn das ist es auch. Klaas versteht es. Würden sie die Rollen tauschen, er würde wohl genauso wenig Zeit mit den Menschen verbringen wollen, die ihn zuvor immer gedemütigt haben. Warum hat er das eigentlich getan?
„Aber du musst nicht im Hotelzimmer bleiben, okay?“, fügt er an, schließlich kann er nicht von Joko verlangen, immer im Hotelzimmer zu sein, wenn er nicht bei ihm ist.
Sollte heute Abend etwas sein, dann würde Klaas halt vom Abendessen verschwinden. Das hätte keinerlei Konsequenzen. Anders als wenn er das tagsüber während der Arbeit beim Plattenlabel machen müsste.
„Ach schon okay. Ich hol mir glaub ich später einfach was beim Asiaten gegenüber des Hotels und machs mir im Zimmer gemütlich. Wann kann man schließlich schon mal im Bett Abendessen und dabei Fernsehen gucken.“, schmunzelt Joko.
„Wenn das für dich wirklich okay ist?“, fragt Klaas nach, während er in die Tiefgarage des Hotels abbiegt.
Natürlich würde es ihm nur recht sein, wenn er Joko sicher im Hotelzimmer weiß, aber er will in dieser Situation Joko auf keinen Fall dazu nötigen. Es wird noch oft genug der Moment kommen, wo es anders nicht möglich sein wird, und er will Jokos Wille, mitzuarbeiten, nicht überstrapazieren.
„Ja, wirklich“, bestätigt ihm Joko und es ist nicht gelogen.
Es ist für ihn wirklich eine befriedigende Vorstellung, den Abend so zu verbringen. Das dankbare Lächeln, das Klaas ihm daraufhin schenkt, bestätigt ihn nur in seinem Vorhaben, weshalb sie sich kurze Zeit später im Aufzug auf Jokos Etage angekommen voneinander verabschieden.