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RFDS (heute) - Teil 3 - Nachbarschaftshilfe

von COHO
Kurzbeschreibung
GeschichteFamilie, Freundschaft / P12 / Gen
Dr. Chris Randall Dr. Geoff Standish Dr. Tom Callaghan Kate Wellings/Standish OC (Own Character)
12.06.2022
21.06.2022
3
6.627
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12.06.2022 2.146
 
3.1 Unfall auf dem Weg



Seit Sandras Ankunft in Coopers Crossing waren mittlerweile drei Wochen vergangen und allen kam es so vor, als wenn sie schon immer in ihrer Kleinstadt gelebt hätte. Überall wo sie hinkam wurde sie herzlich begrüßt.

Genauso erging es Frank Johns. Er war eine Woche später staubüberzogen eingetroffen. Der Weg durch das Outback war in der letzten Zeit beschwerlich, da es seit Wochen nicht mehr geregnet hatte. Aber einer musste den Bulli mit den Messutensilien von Sydney aus überführen. Er war Sandra zur Seite gestellt worden, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Schon bei ihrem ersten Treffen in Sydney hatten sie sich auf Anhieb gut verstanden. Nun bildete sie zusammen eine Wohngemeinschaft. Das ihr Haus direkt neben dem von Kevin Standish lag, war purer Zufall. Wer konnte schon sagen, ob da jemand seine Finger im Spiel gehabt hatte…

Klein und drahtig stiefelte Frank nun am frühen Abend durch die Stadt. Er stieß die Tür zum Pub auf und trat hinein.

„Hey, Frank!“ Begrüßte ihn Victor Buckley lächelnd von der Bar aus. „Habt ihr schon Feierabend gemacht?“

„Jep.“ Gab Frank grinsend als Antwort.

„Ein Bier?“ Fragte Victor Buckley und griff bereits nach einem Glas, um ein Bier frisch zu zapfen.

„Jep.“ Frank ließ sich auf einen der Barhocker nieder.

„Warum hast du denn Sandra nicht mitgebracht. Ihr braucht doch was zu Essen.“ Der Wirt stellte ihm das Glas hin.

„Sie ist noch am Rechnen. Der Anfang ist nicht so einfach…“ Deutete Frank augenzwinkernd an.



„Scarlett“, Kate war zu ihrer Tochter getreten, die gerade den täglichen Funk mit den neuesten Wetternachrichten beendet hatte.

„Mum?“ Verwundert drehte sich die junge Frau der Besucherin zu. „Was machst du hier? Ist was passiert?“

„Nein, es ist alles in Ordnung.“ Kate lehnte sich gegen den Tisch mit dem Funkgerät. „Dein Vater hat Spätschicht und ich hatte gehofft, du würdest mich ins Pub begleiten. Ich habe heute noch nichts Vernünftiges gegessen.“

Einen kurzen Moment schien die Funkerin zu zögern, ja gar nach einer Ausrede zu suchen.

Mit einem aufgelegten Lächeln, nickte sie schließlich: „Gerne.“



„Warum bleibst du nicht?“ Kevin stand in der Dämmerung auf seiner Veranda und hielt Sandra in seinen Armen.

„Weil ich noch einiges für Morgen vorbereiten muss.“ Leicht drückte sie dem Mann vor sich ihre Lippen auf den Mund.

„Kann das nicht warten? Du könntest die Vorbereitungen doch Morgen Vormittag machen…“ Versuchte der Arzt sie mit weicher Stimme weiterhin zum Bleiben zu überreden.

„Nein“, Sandra ergriff seine Hände, die ihre Hüften umschlossen und zog seine Umarmung energisch auf, „es ist zu warm! Wir müssen morgen früh anfangen. In der Mittagssonne werden meine Werte verfälscht.“

Sie stieg langsam und mit Bedacht die Stufen von der Veranda hinunter. „Wann startet ihr Morgan?“

„Zeitig. Die Sprechstunde ist weit draußen.“

Sandra drehte sich nochmals halb zu ihm um und schickte ihm ein wissendes Lächeln. „Siehst du?!“



Die Stimmung zwischen Kate und Scarlett war gut. Sie erzählten sich ihre Erlebnisse der letzten Monate, was sie bewegt oder gar traurig gestimmt hatte.

Obwohl Kate die Offenheit in den Worten ihrer Tochter spürte, so war Kate auch bewusst, dass irgendetwas im Leben von Scarlett passiert war, was sie ihr nicht erzählte.

Kate befand sich in einem Zwiespalt. Sie wollte ihrer Tochter helfen, ihr raten. Aber wie sollte sie dieses heikle Thema beginnen…

„Scarlett, da gibt es noch etwas, das dich sehr beschäftigt. Ich möchte dich nicht zwingen mir davon zu erzählen. Du sollst nur wissen, dass du jederzeit zu mir oder deinem Dad kommen kannst. Wir werden immer ein offenes Ohr für dich haben.“

„Ich weiß, Mum…“ Scarlett fiel es schwer diese paar Worte über die Lippen zu bringen, ohne in Tränen auszubrechen.

Kate legte ihr liebevoll ihre Hand auf den Unterarm, der unter ihrer Haut leicht erzitterte. „Irgendwann ist der richtige Zeitpunkt, um es zu erzählen.“

Scarlett brauchte einen Moment, dann sah sie ihre Mutter mit einem unglücklichen Lächeln an und nickte. Kate erwiderte das Lächeln.

Dann war das Thema für heute Geschichte…



Ein lautes Puffen ließ den Piloten der Nomad aus Charleville aufhorchen.

„Was war das?“ Mark Livingstone, Chefarzt der RFDS-Station in Charleville, saß neben dem Piloten Patrick und schaute verwundert nach draußen.

„Ich weiß es nicht.“ Patrick überprüfte ruhig seine Instrumente. Verwundert schüttelte er seinen Kopf. „Die Anzeigen sind alle okay.“

Wieder erscholl ein Puff.

Neugierig geworden kam der zweite Arzt der Station in Charleville, Ben Collins, nach vorne und stand in dem Durchgang zum Cockpit.

„Wir müssen runtergehen. Ich kann so nichts feststellen. Anscheinend ist etwas mit dem Triebwerk.“

„Wo ist die nächste Landebahn?“ Fragte Ben Collins.

Patrick hatte bereits die Landkarte der Gegend in der sie sich befanden hervorgezogen und suchte darauf die Möglichkeiten ab.

„Das wäre die Landebahn, die zur Baca-Farm gehört. Eine Straße.“ Patrick zögerte nicht lange und änderte ihre Flugrichtung um einige Grad ab. „In zehn Minuten sollten wir unten sein.“



Der Fahrer eines Touristenbusses hing nach vorne gebeugt über dem Lenker und schaute hoch in den Himmel. Er nahm das Mikrophon zur Hand und mit Stolz in der Stimme erklangen seine Worte durch den gut besetzten Bus: „So meine lieben Mitreisenden. Heute haben wir etwas ganz Besonderes auf dem Programm.“

Er machte eine Kunstpause.

„Wenn Sie alle mal rechts aus den Fenstern schauen wollen. Das Flugzeug, welches Sie dort oben sehen, gehört zu den Fliegenden Ärzten. Anscheinend fliegen sie die Farm an auf der wir heute zu Gast sind. Näher können Sie dem Leben hier im Outback nicht kommen. Es ist nicht mehr weit.“

Schon während er sprach, konnte er die begeisterten Blicke und Ausrufe seiner Touristenschar vernehmen.

Lächelnd nahm er eine bequemere Stellung hinter dem Lenkrad ein und leise pfeifend trat er noch etwas mehr aufs Gas.



Puff.

Ben saß hinten im Flugzeug und starrte hinaus über die Weite des Outbacks. Er versuchte seine Aufregung bezüglich der Situation zu überspielen.

Ihm fiel ein Bus auf, der in einiger Entfernung enorm viel Staub aufwirbelte. Leicht besorgt erhob er sich und trat zum Cockpit vor.

„Patrick schau dir den Bus da unten an. Der schlingert ganz schön auf der Straße.“ Der Arzt aus Charleville deutete auf die linke Seite.

Der Pilot schaute hinaus. „Die Straße scheint sehr trocken zu sein. Gut zu wissen. Wir sind gleich da. Wahrscheinlich wird der Straßenabschnitt auf dem wir landen werden in keinem besseren Zustand sein.“ Leicht besorgt schaute der Pilot zu Mark Livingstone hinüber.

Puff.

Mittlerweile hatten sie den Bus weit hinter sich gelassen.

„Deine Entscheidung.“ Der Mann Mitte Fünfzig schaute vertrauensvoll seinen Piloten an. Dann warf er einen beruhigenden Blick auf seinen Kollegen.

„Okay, versuchen wir es. Wir gehen runter. Ich muss mir unbedingt die Maschine ansehen.“ Patrick drückte den Steuerknüppel leicht nach vorn. „Schnallt euch gut an. Es könnte ruppig werden.“

Ben ging zurück nach hinten und nahm wieder auf dem Sitz Platz. Eilig zog er den Sicherheitsgurt fest.

Puff.

Sein Blick ging hinaus. Der Erdboden kam näher und näher. Lange konnte es nicht mehr dauern.

„Haltet euch fest!“ Kam Patricks Stimme von vorne.

Ben ergriff die Lehne des Sitzes vor sich und wartete angespannt die langen Sekunden, bis er spürte wie die Reifen des Flugzeuges den Boden berührten.

Patrick hatte damit gerechnet, dass er das Flugzeug nur schwer in der Spur halten konnte. Daher hielt er krampfhaft den Steuerknüppel in der Hand. Doch das Flugzeug schlingerte nicht so extrem. Schnell hatte er es wieder unter Kontrolle. Aufatmend rollten sie aus.

Als sie standen, waren sie von einer leichten Stauwolke eingehüllt.

„Puh… Das war saubere Arbeit.“ Ben öffnete seinen Gurt.

Während der Pilot sich noch um das Flugzeug kümmerte, kletterte Mark aus dem Cockpit zu Ben in den Fluggastraum.

„Der Staub legt sich. Holen wir die Leiter schon mal heraus.“

Zusammen machten sie sich an die Arbeit. Sie lösten die Verankerung der Trage, um die darunter versteckte Treppe hervorzuziehen. Mark Livingstone nahm die Leiter und folgte seinem Kollegen zur Tür. Ben stieß diese gerade auf, als ein gewaltiger Ruck, mit enormen blechernem Krach, durch das Flugzeug ging und es sich drehend in Bewegung setzte.

„Was… ?“ Patrick stützte sich instinktiv mit den Händen gegen die Wände des Cockpits.

Ben flog im hohen Bogen aus dem Flugzeug und schlug heftig auf dem Boden auf. Er schlitterte durch den Sand des Outbacks, was er aber nicht mehr mitbekam.

Die Außenwand des Flugzeuges wurde aufgerissen, was aber den lauten Schrei im Innern nicht übertönen konnte.



Sekundenlang lag eine erschreckende Stille über der Szene.

„Au Mann…“ Patrick, der noch immer angeschnallt hinter seinem Steuer gesessen hatte, drehte sich auf seinen Sitz, um in den Fluggastraum zu schauen. „Alles okay bei euch?... Mark!“

Der Arzt lag stöhnend bäuchlings auf dem Boden. Die Trage war durch die Kabine geflogen und hatte ihn getroffen. Sie lag quer über seinen Unterkörper, was ihn behinderte sich zu bewegen. Eine kleine Blutlache hatte sich unter ihm gebildet.

Eilig öffnete Patrick seine Gurte und schlängelte sich behände durch den Durchgang nach hinten.

„Hey, Mark. Du blutest.“ Patrick beugte sich zu ihm hinab.

„Ich bin okay. Nur das Bein.“ Mark schien starke Schmerzen zu haben. „Was war das? Was ist mit Ben?“

„Ich weiß es nicht.“ Patrick nahm die Trage hoch und stemmte sie auf ihren Platz. Dann suchten seine Augen das verformte Flugzeug nach dem zweiten Kollegen ab. Ganz hinten, sah er einen Schuh. Das konnte nur der junge Arzt sein.

„Ich glaube da hinten liegt er. Ben!... Ben, kannst du mich hören?“ Patrick ging weiter nach hinten. Doch der Schuh lag alleine da.

„Hey! Wie sieht es bei euch aus?“ Ben Collins stand plötzlich in der Flugzeugtür und schaute hinein.

„Ben, dein Kopf.“ Patrick kam besorgt sofort auf ihm zu. „Du bist völlig blutverschmiert.“

„Nicht so schlimm. Ich bin wahrscheinlich über den Boden gerutscht. Gibst du mir den Schuh?!“

Mark sah besorgt zu ihm hoch. Sein junger Kollege schien ihm etwas blass. Aber jetzt mussten sie als erstes hier heraus.

„Was hat uns da gerammt?“ Patrick hängte sich aus der Tür und schaute zum Heck des Flugzeuges. „Wir haben uns mindestens einmal um uns selber gedreht.

Er sah den Bus, dessen Front stark beschädigt nur einen Meter weiter stand.

„Oh Gott! War der voll?“ Patrick glaubte seinen Augen nicht trauen zu können.

Ben war unterdessen zu seinem Chef getreten und machte sich ein erstes Bild über dessen Verletzungen. „Das ist ein offener Oberschenkelbruch, Mark. Wir werden ihn schienen und müssen dann aufpassen, dass sich das Blut nicht staut.“

„Was?... Was war es?“ Mark hatte sich mit Hilfe von Ben aufgesetzt. Die Schmerzen im Bein waren enorm.

„Der Bus! Ein Touristenbus!“ Patrick kam aufgeregt zu ihnen.

„Wir müssen ihnen helfen.“ Mark sah seine Crew entschlossen an.

„Du nicht.“ Bestimmte Ben. „Wir bringen dich hinaus in den Schatten. Dort werden wir als Erstes dich verarzten.“ Ben kramte in dem Medikamentenkasten, der noch gut gesichert an seinem Platz stand.

„Spar dir das Schmerzmittel, Ben.“ Mark ahnte an den Handbewegungen seines Kollegen, was er vorhatte. „Du wirst es wahrscheinlich dringender für die Insassen des Busses benötigen.“

„Mark… Wir können dich ohne nicht hier herausbringen.“

„Doch.“ Mark biss schon jetzt die Zähne zusammen. „Bringt mich hinaus. Dann kann mir Patrick beim Schienen helfen. Und dann das Funkgerät: Wir brauchen Hilfe!“

„Am besten setzen wir dich auf die Trage.“ Ben deutete auf den Übeltäter des Bruchs. „Dann brauchen wir dein Bein nur kurz bewegen. Zuerst müssen wir dich aber noch umdrehen.“

Mark nickte nur kurz. „Macht schnell.“

„Patrick, der Oberkörper. Wir drehen über das gesunde Bein. Vorsichtig, aber schnell.“

Ben nahm vorsichtig den Unterschenkel und den Oberschenkel oberhalb des Bruches in die Hand. „Los.“

Mark biss die Zähne aufeinander. Tränen bildeten sich in seinen Augen, die dann auch über seine Wangen liefen.

„Okay, Patrick. Sofort weiter auf die Trage.“ Während der Pilot den Chefarzt nun unter die Achseln packte, wechselte Ben vorsichtig die Griffstellungen seiner Hände.

„Bereit?“ Fragend sah Ben seinen Chef und Freund an. Dieser nickte, mehr brachte er nicht hinaus. „Okay, du musst das linke Bein hoch auf die Trage legen… Gut so… Patrick, los.“

Schnell hoben sie Mark Livingston auf die Trage. Diesmal konnte er den Schmerz nicht wegdrücken. Er ließ ihn aus seinem Körper heraus.

„Alles gut, Mark, das war es…“ Ben versuchte zu lächeln, aber er fühlte sich nicht gut. Ihm war schlecht. „Du hättest die Schmerzmittel annehmen sollen.“

„Los, raus jetzt. Wir müssen endlich Hilfe anfordern.“

Sie brachten Mark hinaus in den Schatten des Flugzeuges.

„Ihr kommt klar? Dann gehe ich jetzt mal nach den Leuten in dem Bus schauen.“ Ben war ernst. Er ging zum Flugzeug zurück und nahm den Notfallkoffer und seine Arzttasche zur Hand. Tief durchatmend brauchte er einige Sekunden um sich zu sammeln. Dann ging er los… –

„Womit möchtest du das Bein schienen?“ Patrick sah den Chefarzt auf Anweisungen wartend an.

„Als erstes das Funkgerät. Wir brauchen dringend Hilfe.“

Kurze Zeit später hatte Patrick das tragbare Gerät neben Mark aufgestellt, der augenblicklich den Notruf aktivierte.

„Patrick schnell den Feuerlöscher!“ Hörten sie plötzlich Bens Stimme. „Der Motor beginnt zu brennen!“
 
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