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Deine Melodie in mir

Kurzbeschreibung
GeschichteRomance, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt Klaas Heufer-Umlauf
12.06.2022
05.02.2023
35
188.600
75
Alle Kapitel
231 Reviews
Dieses Kapitel
7 Reviews
 
29.01.2023 7.450
 
Ihr Lieben,

was soll ich sagen… wir sind wirklich fast am Ende. Zumindest der Hauptteil der Geschichte, der ist es jetzt schon mal. Ich will an dieser Stelle aber noch gar keine großen Worte verlieren, die kommen dann mit dem Epilog. Aber während ich hier sitze und das schreibe, wird mein Herz trotzdem schon ein kleines bisschen schwer. Ich glaube und hoffe, dass ich hier und mit dem Epilog einen guten Punkt gefunden habe, um die beiden in ihr Glück zu entlassen, aber gleichzeitig wird es mir auch unendlich schwerfallen, nicht mehr in dieser Regelmäßigkeit in dieses Universum einzutauchen.

Deswegen tu‘ ich jetzt noch ein letztes Mal für eine Woche so, als wäre es noch nicht zu Ende und danke euch an dieser Stelle erst einmal „nur“ für eure Reaktionen zum letzten Kapitel, die mich wieder einmal umgehauen und unendlich happy gemacht haben ❤️❤️ Ihr seid und bleibt der Wahnsinn und ich kann mich nicht genug bei euch bedanken ❤️

Ein vorletztes Mal wünsche ich euch hier also nochmal viel Spaß mit Kapitel 34 und den verliebten Dullies, die nochmal alles an Softness auspacken, was ihnen zur Verfügung steht :D

Habt einen tollen Sonntag und morgen einen guten Start in die neue Woche! Passt gut auf euch auf ❤️



***
Kapitel 34
***


Klaas rückte sich die dunkelgraue Krawatte zurecht, die er gerade gekonnt gebunden hatte und betrachtete sich anschließend in dem Ganzkörperspiegel, der in der Ecke des Schlafzimmers stand.

Das erste Mal seit gut vier Wochen flackerte in dem Brünetten so etwas wie Lampenfieber auf, während er an sich herabschaute und mit leicht kribbeligen Fingern die Knöpfe seiner Weste schloss.

So richtig war der Musiker das Gefühl gar nicht mehr gewohnt, nachdem er nun seit Weihnachten keine offiziellen, großen Arbeitstermine mehr gehabt hatte, wenn man von dem einem Interview noch kurz vor Silvester und dem Radio-Auftritt vor etwa einer Woche einmal absah. Ansonsten war über die Feiertage weitestgehend Ruhe eingekehrt, und Klaas und sein Freund hatten sich Zeit für ihre Familien und Liebsten genommen, und auch eine Riesenportion davon füreinander.

Erst vor zwei Wochen hatten sie Klaas‘ Weihnachtsgeschenk für Joko eingelöst, und waren über dessen Geburtstag für eine Woche nach Tirol gefahren; in irgendeine völlig überbewertete Promi-Absteige, von der Klaas bis zu jenem Zeitpunkt noch nie etwas gehört hatte, die aber seit Jahren schon zu Jokos Top-Rückzugsorten gehörte. Klaas hatte die unzähligen Vorzüge und Annehmlichkeiten des Stanglwirts allerdings sehr schnell erkannt und zu schätzen gelernt, und so hatten die beiden Männer einen wunderschönen Geburtstag von Joko und eine mehr als erholsame Zeit dort verbracht.

Nach ihrer Rückkehr in das verschneite Berlin hatten sie auch Jokos Geschenk für Klaas eingelöst; hatten an einem Samstagnachmittag einen Großteil von Klaas‘ Klamotten und andere wichtige Dinge eingepackt, die wenig später einen Platz in Jokos übergroßem Kleiderschrank gefunden hatten. Schon in der kommenden Woche war ein weiterer Termin mit Jokos Architekt geplant, den der Blonde damit beauftragt hatte, sein Gästezimmer in ein Musikzimmer nach den Wünschen des Jüngeren umzubauen. Der Rest von Klaas‘ Habseligkeiten sollte dann ebenfalls in Kürze noch in Jokos Zuhause einziehen, das jetzt wohl auch irgendwie Klaas‘ Zuhause war, wie das Gefühl in Klaas‘ Brust und der Schlüssel an seinem Schlüsselbund ihn jeden Tag aufs Neue erinnerten.

In ein paar Wochen würden dann auch die Vorbereitungen für die Stadion-Tour beginnen, die nochmal ein ganz anderes Kaliber zu dem sein würde, was Klaas bisher gemacht hatte. Bis jetzt war zwar noch keines der Konzert davon ausverkauft, aber das war dem Musiker eigentlich auch relativ egal.

Er schwebte nämlich trotzdem auf Wolken und musste sich jeden Tag mehrmals versichern, dass er nicht träumte.

Ganz besonders in Momenten, in denen er in Decken eingewickelt auf Sonnenliegen neben Joko im Schnee lag und die Welt so weit weg war wie Neuseeland von Deutschland, fiel es ihm schwer zu glauben, dass das wirklich real war. Ebenso wie in Momenten, in denen er das Glück hatte, dass Joko für ihn kochte – eine Sache, die sie mittlerweile doch für sich entdeckt hatten – und er ihn ungeniert dabei beobachten durfte, wie er Messer oder Kochlöffel schwang. Und auch in faulen Momenten an Sonntagen oder Feierabenden, wenn sie auf dem Sofa lagen, manchmal mit Klaas‘ Kopf auf Jokos Schoß, oder mit dessen Beinen auf den Oberschenkeln des Jüngeren, während sie Filme oder Dokumentationen schauten, oder einfach nur die Stille genossen, die sie bei all dem Lärm ihres Alltags miteinander teilen konnten. Nach wie vor auch in jenen Momenten, in denen er Joko nach einem erfolgreichen Rennen triumphal in die Arme sprang, und auch in den weit weniger vorkommenden Momenten, in denen er sich seine Niederlagen von Joko liebevoll unter die Nase reiben ließ.

Ganz besonders aber musste Klaas sich in jenen Momenten versichern, dass er nicht träumte, wenn er Joko nahe war. Wenn er ihn küsste. Ihn spürte. Auf sich. Unter sich. In sich. Egal in welcher Weise sie zusammenfanden, ob langsam und zärtlich oder stürmisch und wild, es war immer noch jedes Mal eine Offenbarung und fühlte sich insbesondere in den Momenten danach wie ein absoluter Traum an.

Wie sollte da jemals auch nur irgendein Aspekt seines Berufes an diese Intensität und Relevanz herankommen?

Würde es nicht.

Niemals.

Selbst nicht ein solcher Aspekt, wie er an diesem Abend noch auf der Agenda stand.

Dem Musiker war natürlich durchaus bewusst, wie besonders es war, als Bester Newcomer bei den Harmony Awards nominiert zu sein. Das hatte ihm Joko schließlich mehr als einmal in aller Deutlichkeit klar gemacht. Zumindest hatte er das in den Situationen getan, in denen nicht die Ironie der Tatsache überwogen hatte, dass ein fast 40-jähriger Musiker unter ausschließlich 20-jährigen Sängerinnen und Sängern nominiert war, was mehr als einmal zu lautstarken Lachanfällen im Hause Heuferscheidt geführt hatte.

Klaas dachte gerade mit einem Schmunzeln an den Lachflash des vergangenen Morgens, als ihn ein kribbelndes Gefühl in seinem Nacken zurück in das Schlafzimmer beförderte.

Sein verschwommener Blick auf den Spiegel klarte sich und traf damit direkt auf das lächelnde Gesicht seines Freundes, der im Türrahmen stand und ihn offenbar beobachtet hatte.

Mit ihren Augen über den Spiegel verbunden, kam der Blonde auf den Musiker zu und hielt auch erst an, als er seine Arme von hinten um seinen Freund schlingen konnte.

Sofort ummantelte ihn die Wärme des Älteren, die einer Heizung in nichts nachstand, und die immer noch die angenehmste und heimeligste war, in der Klaas sich am liebsten verlor.

„Du siehst umwerfend aus“, sagte Joko und drückte einen flüchtigen Kuss auf Klaas‘ Nacken, der das Kribbeln in seinem Körper befeuerte.

„Hast du dich mal angesehen?“, erwiderte der Jüngere auf das Kompliment und drehte sich mit einem dankbaren Lächeln in Jokos Umarmung herum.

Er ließ seine Hände über den dunkelgrünen, samtigen Stoff von Jokos Jackett gleiten und anschließend über das schwarze Hemd, das er darunter trug.

Joko sah umwerfend aus. Tat er in Klaas‘ Augen zwar ohnehin immer, aber an diesem Nachmittag strahlte er dennoch nochmal eine ganz besondere Attraktivität aus. Weil sie untermalt war von Zufriedenheit und Glück; von diesen leuchtenden Emotionen, die der Ältere so sichtbar auf seinem Gesicht trug. In seinen braunen Augen und in dem breiten Grinsen, das die kleinen Grübchen durch seinen Bart hindurchblitzen ließ.

„Hab‘ ich. Kann aber nicht mal im Ansatz mit dir mithalten“, entgegnete Joko aufrichtig, bevor er sich zu Klaas herabbeugte und ihre Lippen in einem kurzen Kuss verband.

„Da kann man drüber streiten“, sagte Klaas und schüttelte dabei leicht amüsiert den Kopf.

„Könnte man. Tun wir aber nicht.“ Der Größere verwickelte seinen Freund in einen weiteren Kuss und nahm ihm so jegliche Möglichkeit und auch jeglichen Willen, ihm zu widersprechen.

Als sie sich das nächste Mal voneinander lösten, schauten sie sich nur dümmlich grinsend und schwer verliebt an und Klaas fragte sich, ob das jemals enden würde.

„Bist du fertig? Rede vorbereitet? Einladung eingesteckt?“, fragte der Manager nach einem kurzen Moment des Schweigens.

„Ja. Nein. Und ja.“ Bei dem zweiten „Ja“ klopfte Klaas sich auf die rechte Seite seines schwarzen Sakkos.

„Und was ist mit deiner Rede? Du solltest dir da wirklich was zurechtlegen, Klausi, glaub’ mir.“

Klaas schnaubte belustigt. „Wenn auch nur der Hauch einer Chance bestehen würde, dass ich eine Dankesrede halten müsste, hätte ich mir was überlegt. Aber neben mir sind vier richtige Newcomer nominiert. Du glaubst ja wohl nich‘ wirklich, dass die ‘n alten Opa wie mich auszeichnen werden.“

Der Blonde musterte den Musiker prüfend, bis sich seine Lippen in ein müdes Grinsen verwandelten. „Du wirst dich an meine Worte erinnern, wenn du deine eigenen auf der Bühne nicht findest.“

Ohne auf eine Antwort von Klaas zu warten, löste Joko seine Umarmung und brachte seine Hände anschließend zu Klaas’ Hals, wo er seine Finger an dessen anthrazitfarbene Krawatte legte. Er biss sich konzentriert auf die Unterlippe, während er vorsichtig an dem Knoten zuppelte und diesen zurechtrückte.

Und der Jüngere beobachtete seinen Freund dabei. Genoss die Wärme und die Innigkeit des Augenblicks, bis Joko schließlich zufrieden schien und seine Hände auf Klaas‘ Brust ablegte.

„Jetzt ist’s perfekt“, wisperte er und ließ seine Stirn dabei gegen die seines Freundes sinken.

Sie nahmen mehrere tiefe Atemzüge und verharrten schweigend in ihrer kleinen, geschützten Blase, in der nur sie beide existierten, und dieses unendliche Glück, das sie teilten.

„Wir sollten… Schmitti und Katha werden jeden Augenblick hier sein“, flüsterte Joko irgendwann in den Raum zwischen ihren Gesichtern.

Klaas atmete noch einmal tief ein und wieder aus; versuchte damit das Lampenfieber hinunterzuschlucken, ehe er seinen Kopf langsam zurückzog und seinen Partner lächelnd anguckte. „Dann lass‘ mal aufbrechen“, stimmte er nickend zu.

Ein letzter, inniger Kuss besiegelte ihre Zuneigung und Verbundenheit, die, wie abgesprochen, für den Rest des Tages erst einmal in den Hintergrund verschwinden sollte.

Dennoch hielt Joko Klaas‘ Hand während der gesamten Autofahrt zu ihrem Zielort fest in seinen eigenen.



Das Geschrei der Fotografierenden war beinahe ohrenbetäubend, während Klaas am vorderen Ende des roten Teppichs stand und Thomas und Katha dabei beobachtete, wie das Paar dankenswerterweise den Anfang gemacht hatte.

„Muss ich da wirklich drüber?“, fragte er an Joko gewandt, der noch neben ihm stand und versprochen hatte, zu warten, bis Klaas an der Reihe war, ehe er sich im Hintergrund ins Innere davon machen wollte.

Müssen nicht, Klausi. Aber du solltest.“

Ihre Blicke trafen sich und Klaas fand nichts als Rückversicherung in den warmen Augen seines Freundes.

„Was, wenn ich über irgend ‘n Kabel oder so falle?“

„Das ist ein roter Teppich, Klaas. Da sind keine Kabel“, antwortete der Blonde mit einer Prise Humor in der Stimmfarbe. „Du wirst fabelhaft sein. Und sie alle mit deinem Charme einfangen. Mach dir nicht so viele Gedanken.“

Der Musiker seufzte und füllte seine Lungen anschließend mit einem tiefen Atemzug. „Und du bist dir ganz sicher, dass du nicht mit mir kommen willst?“

Jokos Lippen formten ein sanfteres Lächeln jetzt und er schüttelte damit kaum merklich seinen Kopf. „Das ist dein Auftritt, Hase. Wenn wir gemeinsam über den roten Teppich laufen würden, lenkt das die Aufmerksamkeit auf Dinge, wo sie zumindest an diesem Abend nicht sein sollten.“

„Du meinst auf uns.“

„Richtig.“ Joko nickte bestätigend. „Heut geht’s aber ausschließlich um dich.“

Der Jüngere drehte sich in die Richtung seines Freundes, sodass er nicht mehr nur neben ihm, sondern vor ihm stand.

„An einem dieser Tage kann ich dir hoffentlich endlich klar machen, dass ich das nicht brauche“, begann er und seufzte abermals. „Ich brauche keine ungeteilte Aufmerksamkeit. Oder diesen ganzen Firlefanz hier.“

Jokos Augen weiteten sich. „Sag das nicht zu lau—“

„Ich würde immer und immer wieder deine Anwesenheit und Nähe über allem anderen wählen“, unterbrach Klaas den Anderen mitten im Satz. „Du bist das Einzige, was zählt. In Momenten wie diesen. Und auch sonst immer.“

Das Braun in Jokos Augen schmolz, bis nur noch ein warmes Gold zurückblieb. Klaas konnte sehen, dass der Ältere nach irgendeiner Antwort auf die Worte des Kleineren suchte, doch bevor er sie finden konnte, wurden die beiden jäh von einer jungen Dame unterbrochen, die in kurzer Entfernung an der Absperrung des roten Teppichs stand.

„Klaas, Sie sind dran. Wir müssen leider den Zeitplan einhalten“, sagte sie und deutete mit ihrer Hand auf den Durchgang, den die Absperrung freigab.

Der Braunhaarige nickte ihr freundlich lächelnd zu und schaute dann noch einmal kurz zu seinem Freund.

„Wir sehen uns dann drin, ja?“, fragte Klaas, um sie nochmal beide an ihre Absprache zu erinnern.

Joko antwortete nur mit einem kleinen Nicken, das nicht mal wirklich als das bezeichnet werden konnte.

Für mehr war dann auch keine Zeit mehr, denn die blonde Frau räusperte sich hörbar und lenkte damit jegliche Aufmerksamkeit des Musikers auf sich. Der wandte sich schlussendlich von Joko ab und machte sich, nach einem letzten tiefen Atemzug daran, sich der schreienden und blitzenden Meute zu stellen.

Während er die ersten Schritte über den weichen Untergrund wagte, versuchte er sich an all die Tipps und Tricks zu erinnern, die Joko und Schmitti ihm in den vergangenen Tagen mit auf den Weg gegeben hatten, um ihn bestmöglich auf diesen ersten roten Teppich seiner Karriere vorzubereiten.

„Versuche dich alle paar Sekunden neu auszurichten.“

„Folgen den Stimmen, die am lautesten schreien.“

„Biete den Fotografen verschiedene Blicke und Gesten an. Je mehr du von dir aus machst, desto weniger Aufforderungen wirst du erhalten.“

„Lächle. Auch wenn’s schwer fällt.“


Und das tat es wirklich. Ganz besonders in diesen ersten Augenblicken, in denen er geblendet war von dem Blitzlicht-Gewitter, das auf ihn einprasselte.

Klaas konnte kaum etwas sehen. Hörte nur das lautstarke Geklicke und das Rufen nach seinem Namen. Er versuchte, sein Gesicht danach auszurichten. Nach den Stimmen, die am lautesten riefen. Und er versuchte, zu lächeln, auch wenn er sich albern vorkam und noch mehrere Herzschläge lang nicht wusste, was er hier überhaupt tat.

Gerade erst fing sein Verstand an, sich zu beruhigen, und sein wild pochendes Herz auch, als er spürte, wie sich warme Finger zwischen seine eigenen schoben und ein Kribbeln auf seiner Handfläche explodierte.

Sein Kopf schnellte zur Seite, auch wenn nicht der Hauch eines Zweifels bestand, wer da nun neben ihm war. Joko lächelte ihn an. Ein wenig unsicher. Aber dennoch voller Liebe und übersprudelnder Zuneigung. Die postwendend auch Klaas aus allen Poren schoss.

Falls überhaupt noch möglich, wurden die Blitze noch greller und die Rufe noch lauter, als Dutzende von Medienvertretende ihre Namen schrien.

„Klaas! Klaas, hier bitte!“

„Joko! Einmal nach rechts!“

„Klaas! Hier drüben!“

„Klaas! Hier!“

„Joko und Klaas! Einmal hier bitte!“

Es war die Verbindung ihrer beiden Namen, die am eindringlichsten durch das Stimmengewirr echoten und die sie beide fast schon synchron jenen Stimmen entgegendrehen ließ, die sie ausriefen. Klaas‘ Herz schlug immer noch wild und aufgeregt und immer wieder verfestigte er seinen Griff, damit er vergewissern konnte, dass Joko noch da war.

Der löste diesen Halt jedoch schon kurz darauf und schlang seinen freien Arm dafür um Klaas‘ Taille, um ihn noch ein Stückchen näher in seine Seite zu ziehen. Er hauchte einen Kuss gegen Klaas‘ Haarschopf und die Menge wurde noch ein bisschen frenetischer.

Trotzdem störte Klaas das Geschrei schon sehr schnell nicht mehr.

Weil Joko bei ihm war.

Weil er ihn festhielt.

Weil er der Welt zeigte, dass er zu Klaas gehörte. Und weil Klaas zeigen durfte, dass er zu Joko gehörte.

Und das allein durch die Art, wie sie nebeneinander standen. Wie sie sich anschauten. Sich anlächelten. Wie sie ineinander verschlungen immer wieder ein paar Meter gut machten, sich nicht losließen, sondern stattdessen noch ein bisschen näher zusammenrückten. So nah, bis nichts mehr zwischen ihnen Platz hatte außer der Liebe, die Braunhaarige nie mehr verspürt hatte als in diesem Moment.

Hinterher konnte Klaas gar nicht mehr sagen, wie lange sie sich auf dem roten Teppich aufgehalten hatten.

Denn aus mühsamer Pflicht war sehr schnell so etwas wie Spaß geworden, als Joko irgendwann begonnen hatte, ihm Witze ins Ohr zu säuseln, die eigentlich nur wenig lustig gewesen waren, ihm aber dennoch die Freude seines Lebens beschert hatten.

Nicht nur das Ziehen in Klaas‘ Wangen zeugte für den Rest des Abends davon, sondern auch die Bilder, die das Internet am Folgetag fluten würden, würden das zweifelsohne tun.



„Wir haben die große Ehre, nun die Gewinnerin oder den Gewinner in der Kategorie Best Newcomer zu verkünden“, sagte Jeannine Michaelsen, die neben dem Moderator Jan Köppen vor dem Standmikrofon zum Stehen gekommen war.

Der schwarzhaarige Mann an ihrer Seite warf dem Publikum ein strahlend-weißes Lächeln entgegen, das für Klaas fast so blendend war wie das Geblitze der Fotografierenden, von dem sich seine Augen gerade erst so erholt hatten. Ebenjener Gedanke wäre vielleicht auch etwas langlebiger gewesen, wenn nicht eine plötzliche Nervosität alle anderen Sinneseindrücke in Luft aufgelöst hätte.

Einzig die Ruhe, die sein Freund neben ihm ausstrahlte, verhinderte, dass er seine Nerven verlor, obwohl er sich weiterhin nicht einmal große Hoffnungen machte, die Auszeichnung zu gewinnen. Schließlich war er ja seit über zehn Jahren im Musikbusiness tätig. Was qualifizierte ihn da schon als Newcomer? Ganz besonders im Vergleich zu seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die allesamt wirklich neu in der Branche waren. Erfolgreich noch dazu.

Nein, er würde ganz sicher nicht gewinnen. Und musste am Ende auch nicht gewinnen, weil wirklich, das hatte er längst.

Sein Blick fand Joko. Der Ältere war noch für einen Augenblick auf die Bühne fokussiert, auf der Jeannine und Jan gerade die Nominierten vorstellten; nette Worte fanden, zu jedem und jeder einzelnen von ihnen, die Klaas dennoch nicht registrierte.

Dann jedoch bemerkte Joko wohl den durchdringenden Blick des Kleineren, denn Braun traf schon kurz darauf auf Blau und Klaas‘ Herzschlag legte nochmal einige Takte zu.

Weil Joko hier war.

Seine Hand hielt.

Weil er ihn anschaute. Immer noch mit unendlicher Zuneigung in den dunklen Tiefen.

Weil Joko ihn liebte.

Weil er Joko liebte.

Und wie war das nicht der absolute Hauptgewinn?

Die größte aller Auszeichnungen?

Wie war das nicht der absolut beste Traum und die erstrebenswerteste Realität, alles in einem?

Um Klaas herum wurde es ruhig. Um Klaas und Joko herum wurde es ruhig, weil ihre Blase sie schützte und gefangen hielt in diesem Moment, der ihrer war, obwohl sie umgeben waren von eintausend Menschen und wer weiß wie vielen mehr hinter den Fernsehbildschirmen der Nation.

Es wurde ruhig um sie herum.

Da waren nur Joko und er.

Und dieser Takt.

In dem sein Herz schlug. In dem ihre Herzen schlugen, denn irgendwie waren die schon sehr lange nicht mehr zu trennen.

Und sie schlugen in diesem einen Takt.

In ihrem Takt.

Der gegen Klaas‘ Brustbein klopfte und in seinen Ohren trommelte.

Es war ruhig um sie herum.

Bevor der ganze Saal in tobenden Applaus explodierte.

„Herzlichen Glückwunsch, Klaas!“

Sein Herz stolperte.

Stoppte.

Und überschlug sich, in der Sekunde, in der Klaas den Geschmack von Joko auf seinen Lippen schmeckte. Dessen Liebe und Euphorie spürte, die Klaas‘ Mund und seinen gesamten Körper kribbeln ließen.

Es zog ihn auf seine Beine, und da waren Hände, die auf seine Schultern klopften; seitlich und von hinten und weiß Gott aus welchen Richtungen noch.

Schemenhaft sah und hörte er Schmitti und Katha und Mark und die Band. Spürte ihre Hände und Glückwünsche und die Freude, die sie mit ihm teilten.

Da war auch die eine Hand, die ihn weiter fest umklammert hielt; ihn verankerte, weil er sonst vermutlich wirklich davongespült worden wäre auf dieser Woge an Emotionen, die zu groß war, um sie verarbeiten zu können.

Es war Jokos strahlendes Gesicht, das den Musiker schließlich gänzlich erdete und die Überwältigung irgendwie einfing, ehe er sich zu guter Letzt von seinen Beinen auf die Bühne tragen ließ.

Sein Kopf drehte Pirouetten mit jedem Schritt Richtung Ziel, sein Verstand auf der verzweifelten Suche nach Worten, die er wohl gleich irgendwie an das Publikum richten sollte.

Du wirst dich an meine Worte erinnern“, hallte es dumpf durch seine Erinnerung, während er sich zunächst darauf konzentrierte, die Trophäe für seinen Erfolg von Jan Köppen entgegenzunehmen.

„Herzlichen Glückwunsch“, sagte der Moderator und klopfte ihm gratulierend auf die Schulter.

„Vielen Dank für deine wundervolle Musik, Klaas“, fügte Jeannine hinzu, während sie zuerst die linke und dann die rechte Wange des Künstlers küsste.

Sein Herz schlug immer noch viel zu schnell und so wirklich glauben konnte er nach wie vor nicht, was passierte, obwohl das Gewicht in seinen Händen ein nicht zu leugnender Beweis war. Jeannine streichelte noch mit einer Hand über seinen Oberarm und lächelte ihm ermutigend zu, ehe sie auf das Mikrofon deutete.

Klaas ermahnte sich zur Besinnung und atmete zwei Mal konzentriert ein und wieder aus, um seine Gedanken zu sortieren und seinen Herzschlag irgendwie auf einem normalen Niveau einzupegeln.

Mit der silberfarbenen Statue in der Hand stellte sich der Musiker vor dem Mikrofon auf und ließ indessen seinen Fokus einmal durch die Zuschauermenge streifen, bis sein Blick auf seine Begleitungen traf.

Bis sein Herz auf Joko traf.

„Das ist… wow“, begann Klaas schließlich, sobald er sich halbwegs gefangen hatte. „Auf dem Weg hierher wurde ich gefragt, ob ich eine Rede vorbereitet hätte… was ich verneint habe. Im Leben hätte ich nich‘ damit gerechnet, dass mir diese Ehre hier zuteilwird… insbesondere nicht unter den fantastischen Künstler:innen, die mit mir nominiert waren.“

Tosender Applaus schwappte durch das Auditorium und ließ die Härchen auf Klaas‘ Armen senkrecht in die Luft schießen.

„Trotzdem bin ich jetzt irgendwie hier gelandet… und weiß nicht wirklich, was ich sagen soll.“ Er kratzte sich geräuschvoll über sein bärtiges Kinn und sortierte derweil seine Worte. „Das vergangene Jahr war wilder als alles, was ich bisher erlebt habe. Ich hatte die unglaubliche Gelegenheit, meine Musik noch einmal neu zu denken. Neu zu erfinden. Neu aufzunehmen. Dafür hatte ich die unermüdliche Hilfe meiner grandiosen Band Gloria, die meine Musik zu ihrer gemacht hat. Und die ich nicht mehr dafür lieben könnte. Danke, Charlotte, Mark, Erik und Mario!“

Erneut brandete lautes Klatschen gegen die Bühne, das ganz besonders aus seiner Ecke zu kommen schien.

„Ich hatte dankenswerterweise auch die niemals endende Unterstützung meiner Familie und all den anderen lieben Menschen in meinem Umfeld. Ihr wisst alle, wer ihr seid. Und ich liebe euch. Auch, wenn ich’s euch viel zu selten sage, ihr seid in meinem Herzen.“

Da war abermals Applaus, weniger dröhnend jetzt, sondern hörbar sanfter.

Klaas verlagerte die silberne Noten-Statue von seiner linken in seine rechte Hand und fokussierte sich nun komplett auf seinen Freund.

„Aber nichts von alledem wäre auch nur im Ansatz möglich gewesen, ohne diese eine Person. Ohne den Mann, der das alles hier ins Rollen gebracht hat. Ohne den Mann, der mir Träume erfüllt hat, lange bevor ich sie überhaupt geträumt hab’.“

Selbst auf die Entfernung konnte Klaas sehen, dass Jokos Augen wässrig wurden und er sich mit dem Zeigefinger unter seine Brille fuhr.

„Und mit Träumen meine ich nicht das hier“, schob Klaas noch aufrichtigerweise hinterher und hob dabei den Preis an. „Auch, wenn das schon auch ein ziemlich abgefahrenes Gefühl ist.“

Der Musiker machte sich noch etwas größer und füllte seine Lungen mit Sauerstoff. „Du bedeutest mir die Welt, Joko. Und ohne dich wird’s nie wieder gehen.“

Der Blonde wischte sich erneut über sein Auge und die beiden Männer lächelten sich noch einen kurzen Moment an, bevor Klaas seine Aufmerksamkeit abschließend wieder auf das Publikum lenkte.

„Danke an die Jury, für diesen Preis, der ein wildes Jahr noch so viel wilder hat werden lassen. Nach so vielen Jahren im Musikgeschäft hätte ich nie geglaubt, dass sowas hier für mich noch möglich sein würde. Aber… um das große Glück zu finden, ist’s wohl wirklich niemals zu spät. Vielen Dank.“

Klaas legte eine Hand auf sein Herz. Spürte es schlagen. Kräftig. Beständig.

Er lauschte dem Applaus.

Und genoss den Moment.

Ehe es ihn an den einen Ort zurückzog, an den er gehörte.



„Auf Klaas!“, rief Charlotte durch das Getose der After-Show-Party, irgendwann spät am Abend, nachdem Klaas es endlich in jene Sitzecke geschafft hatte, die seine Gefolgschaft schon direkt bei der Ankunft an der Location belagert hatten.  

„Auf euch!“, erwiderte Klaas stattdessen und hob sein eigenes Sektglas in die Luft, obwohl er das Getränk eigentlich gar nicht so sehr mochte.

„Auf uns“, hallte es auch zwischen weiteren „auf Klaas“-Ausrufen, und mit aufgeregtem Kribbeln schaute der Musiker in die Gesichter der Anwesenden, von Mark und Erik, Charlotte, Mario, Schmitti und Katha. Er stieß auch mit Jakob an, und mit Franky und Benni. Mit Thomas und Maria, und noch mit einer Handvoll mehr Menschen, die ihn allesamt in den vergangenen Monaten auf seinem Weg begleitet hatten.

Stünde die silberne Noten-Statue nicht auf dem Tisch, den sie umgaben, Klaas würde es immer noch nicht wirklich glauben können, dass das alles wirklich passiert war. Dass er nun den begehrtesten, deutschen Musikpreis besaß. Nachdem er einen verdammten Nummer 1-Hit gelandet hatte. Nachdem er eine fast ausverkaufte Tour gespielt hatte. Und das, nachdem er mit seiner wunderbaren Band das Beste aus seiner Musik geholt hatte, was überhaupt nur möglich war. Und das alles nur, weil Joko diese tolle Idee überhaupt erst gehabt hatte. Das alles, weil das Universum Joko und ihn zusammengeführt hatte.

Joko.

Klaas‘ Blick fiel auf seinen Freund, der gerade mit Thomas Martiens herumalberte und lachte, und damit auch Klaas innerlich zum Strahlen brachte. Mehr noch, als er das ohnehin schon tat.

Ja, Joko. Der Mann, ohne den all das hier niemals möglich gewesen wäre.

Er war es natürlich am Ende nicht alleine gewesen, sondern mit ihm all die Menschen, die hier bei ihm waren und noch ein paar mehr, die es an diesem Abend nicht sein konnten. Aber Joko, der hatte sie alle vereint. Hatte sie motiviert und inspiriert, und hatte das Beste aus ihnen allen herausgekitzelt, mit Geduld und Kompetenz und mit einer unvergleichlichen Warmherzigkeit, die niemand so sehr besaß wie der Blonde.

Ein warmes Kribbeln umschloss Klaas‘ Herz und er ließ seine Hand einmal über Jokos Rücken streicheln, der sich spürbar in die Berührung fallen ließ, ohne sein Gespräch zu unterbrechen.

Klaas selbst wandte sich daraufhin Mark zu, der auf seiner anderen Seite saß und gerade sein Sektglas gelehrt hatte.

„Hättest du das jemals gedacht, dass das daraus werden würde, als wir überlegt haben, zusammen Musik zu machen?“, fragte der Braunhaarige und stupste mit seiner Schulter gegen die des Anderen.

„Ich wusste immer schon, dass du’s ganz weit schaffen würdest, wenn du dich dahinterklemmst. Du bist so ein Ausnahmetalent und es gibt nur wenige Menschen, die Musik so spüren und leben wie du“, begann sein Bandkollege und ließ das Kribbeln in Klaas mit seinen Worten weiter anwachsen. „Aber das hier heute Abend… das ist schon ziemlich verrückt.“

Noch einmal glitt Klaas‘ Blick durch die Truppe. Durch seine Menschen. Und tiefe Zuneigung spülte durch seinen Körper.

„Aber ohne euch wär’ das alles nich‘ passiert. Und ich hab‘ vorhin auf der Bühne vielleicht nicht die ausführlichen Worte gefunden, die ihr verdient habt, aber ich bin euch wirklich unendlich dankbar für alles, was ihr getan habt in den letzten Monaten.“

Mark lächelte und seine dunklen Augen taten das auch, während er ihm sanft auf die Schulter klopfte. „Du hast die perfekten Worte gefunden, mein Freund. Mach dir da mal keine Sorgen.“ Sein Mund legte sich in ein unterstreichendes Lächeln. „Wir sind dir dankbar, dass du uns auf dieses Abenteuer eingeladen hast. Auch für uns war und ist das ja der beste Trip unserer Karrieren bisher.“

Der jüngere Musiker faltete seine Hände in seinem Schoß und grinste dankerfüllt. „Und das macht’s einfach noch so viel besser. Dass das für euch genauso besonders is’ wie für mich.“

Mit einem kleinen Ruck rutschte der Braunhaarige auf dem schwarzen Sofa nach vorne und guckte seinem Kumpel anschließend noch etwas frontaler ins Gesicht. Kurz noch hielt er die Frage zurück, die ihn in Bewegung versetzt hatte, ehe er den Mut zusammengesammelt hatte, sie in die Freiheit zu entlassen.

„Sag’ mal“, begann Klaas schließlich, nebenbei mit seinen Fingern spielend. „Habt ihr… zufällig schon mal darüber gesprochen, wie ihr euch da die Zukunft weiter vorstellt? Nach dem zweiten Teil der Tour, meine ich?“ Seine Fingerspitzen tippelten unaufhörlich gegeneinander. „Ich weiß, wir haben das noch nie wirklich wieder an den Tisch gebracht… und das hier ist jetz‘ auch sicher der falsche Ort“, fuhr Klaas fort und presste seine Lippen kurz aufeinander. „Aber nur mal so generell… hypothetisch… habt ihr euch da schon Gedanken gemacht?“

Ein amüsiertes Glucksen brach aus dem Bandleader hervor, während er beinahe augenblicklich begann, zu nicken. „Haben wir. Ein paar Mal“, bestätigte der Dunkelhaarige, weiter nickend aber nichts mehr sagend.

Klaas stellte sich schon auf das Schlimmste ein, nachdem Mark so lange brauchte, um seine Antwort weiter auszuführen und erst als ein schelmisches Funkeln in dessen Augen aufflackerte, realisierte der Musiker, dass sein Kumpel gar nicht vorhatte, noch mehr zu erläutern. Weil er ihn offenbar ein bisschen ärgern wollte.

Ein leises Kichern, das im Lärm der After-Show-Party beinahe ungehört verhallte, fiel von Klaas‘ Lippen. „Und?“, stupste er seinen Kollegen nach zwei oder drei Herzschlägen an.

Mark beugte sich nach vorne, um ihre beiden Gläser nochmal mit ein paar Schlucken der perlenden Flüssigkeit zu füllen. Eins davon reichte er Klaas, der ihn erwartungsvoll beobachtete.

„Wir würden lügen, wenn wir behaupten würden, dass uns der neugefundene Erfolg der Band nicht auch sehr viel bedeuten und Spaß machen würde“, begann Mark, in dessen dunklen Augen nun wieder die Lichter der Party tanzten, während er das Glas in seiner Hand leicht drehte. „Und wir wüssten nicht, warum wir nicht noch eine Weile mit dir auf dieser Welle reiten sollten.“

In Klaas‘ Brust begann es ordentlich zu poltern, als er die Worte seines Kumpels in sich aufnahm und sich die Möglichkeiten der Zukunft wie ein bunter Fächer vor seinem inneren Auge ausbreiteten.

„Lass uns da die Tage mal in Ruhe zusammen quatschen“, schlug Mark vor und hob sein Glas. „Heute steht Feiern auf dem Plan.“

Ein breites Grinsen pflastere sich auf Klaas‘ Gesicht, von dem er direkt spürte, dass es den Rest des Abends nicht mehr verschwinden würde.

Danke, Mark“, antwortete der Braunhaarige kurz und knapp, dafür aber umso mehr gefüllt mit der Zuneigung, die er verspürte. Ausreichende oder passendere Worte, um seiner tiefempfundenen Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, existierten auf diesem Planeten ohnehin nicht.

Das Lächeln auf Klaas‘ Gesicht wurde noch etwas breiter, während er mit seinem Kumpel anstieß. „Auf uns!“

„Auf uns!“, bestätigte der Gitarrist mit einer freudigen Ausstrahlung, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie noch lange nicht am Ende ihrer gemeinsamen Reise angekommen waren.

Und als Klaas einen großen Schluck Sekt in sich hineinkippte, prickelte die Flüssigkeit mindestens genauso sehr in seinem Bauch, wie es das Glück und die Vorfreude tat.



„Habt ihr Joko gesehen?“

Klaas stellte sich zu Schmitti und Katha an den Bistro-Tisch in ihrer Ecke des Saales und warf den beiden abwechselnd einen fragenden Blick zu.

Schmitti schüttelte postwendend den Kopf, während Katha einmal suchend durch den Raum schaute. „Vorhin war er mal irgendwo da drüben bei der Bar und hat sich mit einer älteren Dame unterhalten“, sagte sie und deutete in die entgegengesetzte Richtung. „Ist aber schon ‘ne Weile her.“

Klaas nickte verständnisvoll und versuchte, einen Blick auf die Bar zu erhaschen, was jedoch kläglich an seiner Größe scheiterte.

„Ich hab‘ für heute genug Hände geschüttelt und Fotos gemacht. Ich will nach Hause“, erklärte der Brünette und ließ seinen Fokus erneut schweifen.

„Wie… verlässt du etwa schon wieder vor mir die Party?“ Schmitti schaute ihn aus großen Augen heraus an, als Klaas‘ Aufmerksamkeit auf ihm landete.

„Kann ja nich‘ jeder so ‘ne Partymaus sein wie du“, erwiderte der Jüngere und zuckte mit der Schulter. „Abgesehen davon hast du heut auch das richtige Date an deiner Seite und brauchst mich noch weniger als beim letzten Mal.“

„Ich brauche dich immer, mein Freund“, entgegnete Schmitti gespielt theatralisch. „Aber mach nur. Wir wissen ja eh, wie du gleich zuhause mit Joko weiterfeiern wirst.“

Katha wackelte in eindeutiger Geste mit ihren Augenbrauen und Klaas schaute kopfschüttelnd zurück zu seinem besten Kumpel.

„Du bist ja nur neidisch.“

Ein ungläubiges Schnauben sprang aus Thomas hervor, ehe er den Kopf zur Seite neigte und seine Freundin für einen Augenblick anschaute, und schließlich seinen Arm um sie legte, während er ihr einen Kuss auf die Schläfe hauchte.

Sein Blick fand zurück zu Klaas. „Niemals.“

Die zärtliche Geste erweichte schließlich auch den Kleineren und ließ den Drang, seinen Kumpel zu ärgern, verpuffen.

„Richtige Antwort“, sagte der Musiker und konnte spüren, wie sich seine Augen vor Freude kräuselten. „Dann überlass‘ ich euch mal eurer Party und geh‘ Joko suchen. Falls wir nich‘ mehr auftauchen, wisst ihr, was passiert ist. Von den anderen hab‘ ich mich schon verabschiedet.“

„In Ordnung“, antwortete Schmitti nickend. „Wir sehen uns dann Dienstag bei Steven, oder?“

„Genau so“, bestätigte Klaas, schnappte sich seine silberne Noten-Figur und lief dann um den Tisch herum, wo er erst Schmitti und anschließend auch Katha herzlich umarmte.

„Danke, dass ihr heute dabei wart. Ich hätte das nicht ohne euch erleben wollen.“ Klaas’ Stimme war ungewohnt emotional, selbst für seine Ohren, als er seiner Freundin über die Schulter streichelte.

„Vielen Dank, dass du uns mitgenommen hast“, erwiderte die Brünette und lehnte sich indessen wieder in die Seite ihres Freundes.

„Is‘ ja gut jetzt mit der Gefühlsduselei“, brummte Schmitti abschließend, obwohl seine Augen humorvoll glitzerten. „Geh’ deinen Prinzen suchen und dann Abflug.“

Mit einem letzten, dankbaren Lächeln an das Paar vor ihm gerichtet, verabschiedete Klaas sich von den beiden und folgte schnurstracks der Aufforderung seines besten Freundes.

Es brauchte einen kurzen Augenblick des Suchens, doch dann fand Klaas seinen Partner tatsächlich wie von Katha vermutet am anderen Ende der Bar. Der Blonde schüttelte gerade die Hand einer älteren Dame und hielt ihr mit der anderen eine Visitenkarte entgegen.

Klaas beobachtete den Austausch für einige Sekunden und war erleichtert, dass er gar nicht viel unternehmen musste, um die Aufmerksamkeit seines Freundes auf sich zu ziehen, da sich die Frau mit einem freundlichen Nicken schon in der nächsten Sekunde von Joko abwandte und sich die Augen der beiden Männer mit dem nächsten Herzschlag verbanden.

„War kurz davor, eine Vermisstenanzeige aufzugeben“, konstatierte Klaas trocken, während er sich vor ihn stellte.

„War die Sehnsucht etwa so groß?“, fragte der Größere und streichelte ihm kurz über den Oberarm.

„Du hast ja keine Ahnung“, murmelte der Braunhaarige, aber trotzdem laut genug, damit sein Gegenüber ihn hören konnte. „Wie sieht’s bei dir aus? Ich wär‘ bereit, heimzufahren. Ist immerhin schon weit nach meiner Zubettgehzeit.“ Um seine Worte zu unterstreichen, tippte er auf die Uhr an seinem Handgelenk.

Joko lachte sein amüsiertes, tiefes Lachen, das Klaas auch nach all der Zeit noch einfing und ihm ein wohliges Kribbeln in seiner Magengrube bescherte.

„Na, dann sollten wir dich wohl nach Hause bringen, bevor du hier irgendwo einschläfst und mit deiner Schnarcherei unangenehm auffällst.“

„Sach ma!“, erwiderte Klaas empört. „Du sagst doch immer, dass das süß klingt!“

„Für meine Ohren, Hase. Nur für meine Ohren.“ Der Blonde lachte noch einmal herzlich. „Na komm, auf mit dir. Hast du dich schon verabschiedet?“

„Ja, hab‘ ich“, bestätigte Klaas und fügte dann mit einem spitzbübischen Grinsen noch hinzu: „Dich habe ich auch schon verabschiedet.“

„Wie lieb von dir“, erwiderte der Ältere belustigt kichernd. „Dann bringe ich Riccardo nur noch schnell diesen Wisch hier“, erklärte er und zog einen Briefumschlag aus der Innenseite seines Sakkos. „Magst du schon mal unsere Mäntel holen? Dann geht’s schneller.“

Schneller klang wie Musik für Klaas‘ Ohren, weshalb er dem Vorschlag ohne Widerrede zustimmte, die Zeit nur noch kurz nutzte, um auf die Toilette zu verschwinden, ehe er im Anschluss auf dem Weg zur Garderobe bereits eifrig nach den Nummer-Plaketten für ihre Jacken suchte.

Eine junge Frau begrüßte ihn, als er an den Tresen herantrat und die zwei kleinen Schilder dort ablegte, damit die Schwarzhaarige die Zahlen besser lesen konnte.

Sie verschwand mit einem kurzen Fingerzeig in den dunklen Gängen des Jackenlabyrinths und während Klaas wartete, scrollte er gedankenverloren durch die Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm seines Handys, dem er den ganzen Abend über kaum Beachtung geschenkt hatte und das mit Glückwünschen auf jeglichen Kanälen überquoll.

„Diesmal gar keinen Flamingo gerupft?“

Beim Erklingen der Stimme in seinem Rücken fiel Klaas vor Schreck fast sein iPhone aus der Hand. Bereits im nächsten Augenblick legte sich jedoch auch schon eine tiefgreifende Ruhe über ihn, die ihn sanft lächeln ließ.

„Heut nich‘, ne“, erwiderte Klaas und drehte sich zu der Quelle der Stimme.

Zu der Quelle, die auch in diesem Augenblick seine Welt kurz anhalten ließ, weil sie grinste und strahlte und in einem dunkelgrünen Anzug viel zu attraktiv aussah, als dass sie hier einfach so herumlaufen sollte.

„Du warst aber fix“, stellte der Brünette fest, während Joko noch ein paar Schritte auf ihn zu kam.

„Ich wünschte, du würdest das auch beim Laufen öfter zu mir sagen können.“

Klaas lachte und unterbrach das Geräusch auch nur, weil in jenem Moment die junge Frau zurückkam und ihre Mäntel und Schals auf den Tresen legte.

Sie wickelten sich zügig in ihre Stoffschichten ein, um sich gegen die frische Januarnacht zu schützen, und machten sich dann gemeinsam auf den Weg nach draußen.

Es rieselte kleine Schneeflocken vom Himmel und Klaas zog sich seinen Schal direkt noch etwas enger um den Hals, bevor er seinen Award in seine Seite drückte.

„Gehen wir ein Stück?“, fragte Joko ganz unvermittelt, obwohl der Jüngere eigentlich davon ausgegangen war, dass sie das nächstbeste Taxi rufen würden, um schnellstmöglich nach Hause und ins Warme zu kommen.

Jokos Stimmfarbe war sanft und warm, während in ihr gleichzeitig auch die für Joko so typische Leichtigkeit und ein Hauch von Humor mitschwang.

Selbst wenn Klaas gewollt hätte – und er wollte wirklich in ihr warmes, kuscheliges Bett – er hätte Joko nicht widersprechen können. Nicht, wenn er so fragte. Nicht, wenn er das fragte. Eine dieser ersten Fragen, die ihr wildes, verrücktes Abenteuer überhaupt erst gestartet hatte.

„Der Alex is‘ heut aber ‘n Stück weit weg“, stellte Klaas schmunzelnd fest, begann aber schon damit, die beiden Stufen des Gebäudes zu überwinden und sie so in Bewegung zu setzen.

„Dafür ist der Potsdamer Platz gleich ums Eck“, erwiderte Joko und überraschte Klaas damit, indem er einen kleinen Regenschirm aus seinem Mantel hervorzauberte und diesen über ihnen beiden aufspannte.

Für eine Weile liefen sie schweigend durch die Straßen, und nur das Knirschen des Schnees durchbrach die Stille mit jedem Schritt. Sie schienen beinahe allein unterwegs zu sein um diese Uhrzeit, und wieder einmal fühlte sich die Stadt so ganz anders an, als Klaas sie für gewöhnlich kannte.

Besser irgendwie.

Ruhiger.

Romantischer.

So, wie sie sich nur einmal zuvor angefühlt hatte.

Vor noch nicht mal einem Jahr.

Mit genau diesem Mann an seiner Seite.

Damals hätte es Klaas nicht einmal in seinen kühnsten Träumen für möglich gehalten, dass sein Leben sich so komplett verändern könnte. Dass es sich so komplett verändern würde.

Er hatte ja nicht mal wirklich gewusst, was er überhaupt gesucht hatte. Hatte nur diese Leere gespürt. Das Bedürfnis nach mehr. Den Wunsch nach Erfüllung, wie auch immer die hätte aussehen sollen.

Naiverweise hatte er gedacht, es wäre Musik, die ihm diese Erfüllung bringen würde. Dass Erfolg und große Bühnen diese Leere hätten vertreiben können. Und irgendwie hatten sie auch.

Nur, dass das alles nie ohne Joko passiert wäre.

Es wäre nie ohne Joko passiert, dass er seine Musik auf diese Art in die Welt hinaustragen hatte können.

Genauso, wie er ohne ihn nie diesen Erfolg hätte haben können. Wie er nie einen Nummer 1-Hit gelandet hätte. Oder eine solche Auszeichnung, wie er sie gerade in den Händen trug.

Und trotzdem.

War ihm das im Grunde alles egal.

Denn ohne Joko hätte er auch nie ein so großes, persönliches Glück empfunden.

Hätte er nie eine solch emotionale Erfüllung gefunden, von der Klaas gar nicht wirklich gewusst hatte, dass sie ihm gefehlt hatte.

Und er hätte nie eine solch allumfassende Liebe verspürt, wie sie nun jeden Tag durch ihn pulsierte, mit jedem Herzschlag ein bisschen mehr. Die heller leuchtete als die Sonne. Und ihn wärmer hielt als die wärmste Decke.

All das. All diese Gefühle und Empfindungen, die waren alles für Klaas. Bedeuteten ihm so unendlich viel mehr, als er es jemals in Worte würde fassen können.

Er würde keine Sekunde zögern, den Award in seinen Armen in die nächste Mülltonne zu werfen, wenn er sich entscheiden müsste, ihn oder Joko weiter festzuhalten.

Glücklicherweise musste er sich jedoch nicht entscheiden. Und die Dankbarkeit, die er für diesen Umstand empfand, die würde Klaas ebenfalls niemals in Worte fassen können.

„Was für ein Abend, was?“, fragte Joko, gerade, als sie am Ufer der Spree angekommen waren, der sie für ein paar Meter würden folgen können.

„Was für ein Leben“, antwortete Klaas mit einem leisen Lachen, in das Joko miteinstimmte.

„Ziemlich absurd, ja.“ Der Ältere legte einen Arm um Klaas‘ Schulter und zog ihn ein Stückchen näher in seine Seite. „Fällt mir manchmal immer noch schwer, zu begreifen, dass mir das Universum so unendlich viel Glück beschert.“

Der Musiker schlang im Gegenzug seinen freien Arm um Jokos Taille und lehnte sich noch deutlicher gegen ihn, so gut das gehend funktionierte.

„Weiß nich‘, ob das Universum was damit zu tun hat… aber egal, wer oder was es ist… ich hoffe, es hört niemals auf“, entgegnete Klaas mit einer nachdrücklichen Bestimmtheit in seinem Tonfall.

„Das hoffe ich auch, Klausi. Mehr als alles andere.“ Der Größere beugte sich zu ihm und küsste seinen dunklen Haarschopf.

Rauschend trug die Spree ihr Wasser an den beiden Spaziergängern vorbei und die dicker werdenden Schneeflocken raschelten über den dunklen Stoff ihres Regenschirms, während die zwei Männer erneut selig schweigend durch die Nacht schlenderten.

Ein Schild an einem Aufgang des Ufers wies ihnen bald schon den direkten Weg zum Potsdamer Platz, jedoch schien weder Joko noch Klaas dazu bereit, den Spaziergang an dieser Stelle schon zu beenden. Daher liefen sie einfach weiter, unabgesprochen, so, als hätten sie die Abzweigung gar nicht erst gesehen. Und während sie weiter dem Fluss folgten, die Ruhe und Nähe genossen, mit der der Abend sie beschenkte, zogen sich die beiden Männer noch ein bisschen enger in den jeweiligen Arm des anderen.

„Was passiert jetzt als nächstes?“, fragte Klaas irgendwann, um die Stille zwischen ihnen zu füllen.

„Auf zu neuen Träumen und Zielen, oder?“, antwortete Joko und ein spitzbübischer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, das ein Grinsen auf Klaas‘ eigenes zauberte.

„Hmm“, murmelte der Kleinere und kaute kurz gespielt nachdenklich auf seiner Unterlippe. „Ich glaube, mein nächster Traum is’ es, dass du mich küsst.“

Joko blieb fast augenblicklich stehen und lockerte seinen Halt um Klaas, allerdings nur so weit, dass er sich ihm zu drehen konnte.

„Das ist aber kein besonders anspruchsvoller Traum“, stellte Joko fest und legte seinen Kopf leicht schief.

Der Braunhaarige zog seinen Freund daraufhin noch ein bisschen näher an sich und schaute ihm dabei tief in die Augen. Er hoffte, dass der Andere die Liebe sehen konnte, die er für ihn empfand. Dass er die Zuneigung spüren konnte, die durch Klaas wummerte, strahlend und hell.

„Es ist der einzige Traum, der für mich Bedeutung hat.“

Mit diesen Worten auf seinen Lippen stellte sich Klaas auf seine Zehenspitzen und verband ihre Münder in einem zärtlichen Kuss. Samt der Award in seiner Hand schlang Klaas beide Arme um Jokos Taille und verfestigte seinen Halt; machte es Joko damit unmöglich, sich von ihm zu lösen.

Stattdessen schob sich Klaas ihm noch ein Stück weiter entgegen, und sie klickten ineinander wie die beiden Puzzleteile, die sie füreinander waren.

Die Spree zog weiterhin an ihnen vorbei und der Schnee tippelte unaufhörlich über den Stoff des Regenschirms, der sie vor den gefrorenen Kristallen schützte, die wie Abermillion kleine Sterne auf sie herabtänzelten.

All das nahm der Musiker jedoch nur in einer sehr entfernten Ecke seines Verstandes wahr.

Viel mehr hörte er das Trommeln seines Herzens und spürte die Wärme seines Freundes, die ungehindert seinen ganzen Körper einnahm, so mühelos, wie sie das immer tat.

Da waren nur er und Joko.

Nur Joko und Klaas.

Und dieser Kuss. Der all das transportierte, wofür es niemals ausreichend Worte zu geben schien.

Trotzdem würde der Jüngere niemals aufgeben, es zumindest zu versuchen die passenden Worte zu finden. Genauso, wie er niemals damit aufhören würde, Joko zu zeigen, dass er der absolut größte Preis von allen war.

Als ob der Blonde mal wieder Klaas‘ Gedanken lesen konnte, seufzte glücklich in die Verbindung ihrer Lippen und in die ihrer Herzen, während er den Regenschirm schützend über sie hielt und seine andere Hand wärmend um die Wange des Kleineren schmiegte.

Eine Liebe, wie Klaas sie noch nie empfunden hatte, füllte jede Ecke seines Daseins und obwohl er mit beiden Beinen auf dem Boden stand, fühlte er sich als würde er fliegen. Als würden sie beide fliegen; zusammen und untrennbar verbunden.

Sie küssten sich weiter. Unter dem Mond und den Sternen und den Flocken, die um sie herum tanzten.

Und Klaas‘ Welt?

Die blieb für einen langen, erfüllenden Augenblick lang stehen.

∞ The End ∞
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