Deine Melodie in mir
von AlwaysKlako
Kurzbeschreibung
Musik war das Einzige, was Klaas jemals machen wollte. Der große Durchbruch jedoch, der schien nach über zehn Jahren im Business weiter entfernt, als jemals zuvor. Dann lernt der Musiker auf einem Event den charismatischen Joko Winterscheidt kennen, der ihn in seinen Bann zieht und der die Erfüllung von Wünschen und Träumen zu versprechen scheint, von denen Klaas gar nicht wusste, dass er sie hegte. [AU]
GeschichteRomance, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
12.06.2022
05.02.2023
35
188.600
75
Alle Kapitel
231 Reviews
231 Reviews
Dieses Kapitel
9 Reviews
9 Reviews
09.10.2022
4.424
Ihr Lieben,
ich weiß gar nicht, was ich zu euren Reaktionen zum letzten Kapitel sagen soll… außer: von Herzen ein dickes Danke! Ich war so ultra nervös vor dem Upload, aber ihr habt die Nervosität weggezaubert. Ganz, ganz lieben Dank für jedes einzelne Wort, jeden Stern und jedes Herz – ihr seid unglaublich ❤
Ich will euch auch gar nicht lange aufhalten und euch direkt in das Kapitel 18 entlassen, das so gesehen eigentlich eher Kapitel 17.2 ist :D Viel Spaß damit!
Die allerliebsten Grüße sende ich euch heute zur Abwechslung mal wieder aus dem Allgäu (Zuhause-JK winken auch) :) habt einen schönen Sonntag und passt gut auf euch auf ❤
Klaas war kein besonders melodramatischer Typ.
Aber wenn er in diesem Moment dachte, dass er in achtunddreißig Jahren nie etwas Besseres erlebt hatte, als Joko Winterscheidt zu küssen, dann war das die absolute und unumstößlichste Wahrheit von allen.
Weder seine erste Gitarre noch sein erster Song, noch sein erstes Konzert hatten sich so krass angefühlt wie das Feuer, das in seinem Bauch explodierte, mit jedem Millimeter, den er sich enger an den Blonden drängte, und mit jedem Herzschlag, den ihre Lippen übereinander glitten.
In einer ersten vorübereilenden Sekunde hatte er noch gedacht, dass es sich gar nicht so viel anders anfühlte, einen Mann zu küssen, wie er das vielleicht irgendwie erwartet hätte, aber dann wurde er auch schon komplett vereinnahmt von diesen Empfindungen, die der Andere in ihm auslöste, und die zweifelsohne die besten waren, die er jemals verspürt hatte.
Seine Welt stand immer noch ein bisschen still, hier in Jokos Armen, die sich um ihn geschlungen hatten; erst beide um seine Taille, bevor eine Hand langsam ihren Weg zu seinem Nacken gefunden hatte. Überall in Klaas kribbelte es, und die Schmetterlinge in seinem Bauch waren zwischenzeitlich auch gänzlich jeglicher Eindämmungsversuche entkommen und flatterten ungebremst umher. Kitzelten ihn von innen, so wie es die überwältigende Hitze des Größeren von außen tat.
Das Gefühl so von Joko gehalten zu werden, der seine ganze Zuneigung und Wärme ungehalten auf ihn überspringen ließ, war etwas, auf das Klaas nie wieder verzichten wollte. Davon hatte ihn dieser erste Kuss, der immer noch andauerte, schon im ersten Augenblick überzeugt, und die Vorstellung, das irgendwann vielleicht nicht mehr haben zu können, ließ ihn sich noch näher an Joko pressen, und der verstärkte seinen Halt um den Kleineren und vertiefte den Kuss.
Noch für eine ganze Weile schien weder Joko dazu bereit, noch war es Klaas, die Verbindung ihrer Lippen zu trennen, die so perfekt aufeinanderpassten und sich miteinander bewegten, in einem sinnlichen Rhythmus und Takt, den sie gar nicht lange suchen mussten, weil es ihr ganz eigener war.
Klaas liebte es, wie es durch ihn vibrierte; liebte es noch mehr, dass Joko es auch verspürte, und sie sich dem gemeinsam hingeben konnten.
Und es taten.
Einen weiteren Herzschlag lang.
Und weitere zwei oder drei danach.
Bis sie sich schließlich doch irgendwann voneinander lösten, weil der Mangel an Sauerstoff zumindest ein kleines Thema wurde, und weil sie immer noch an dieser Tür standen und es vielleicht schon so viel bequemer haben könnten, wenn sie sich nur bewegen würden.
Ihre erhitzten Blicke trafen sich, und für einen Moment überkam Klaas das schlechte Gewissen, Joko derartig überfallen zu haben, aber der Ausdruck in den Augen des Anderen und die feuchtgeküssten Lippen ließen ihn das genauso schnell wieder vergessen.
Daher war seine folgende Entschuldigung auch nur eher halbherzig ernst gemeint. „Tut mir leid, dass ich so über dich hergefallen bin.“ Seine Stimme war kratzig, und er hatte immer noch damit zu tun, seinen Atem zu beruhigen. „Hab’s nich‘ mehr länger ausgehalten…“
Joko kicherte heiser und ließ dabei keinen Zentimeter von Klaas ab. „Hey… who am I to judge?“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Drei Sekunden später wär‘s wahrscheinlich anders herum gelaufen.“
Das nahm Klaas auch noch die restlichen Zweifel, die er vielleicht gehabt hatte, und er lehnte leise lachend seinen Kopf gegen Jokos Brust. Der Blonde strahlte immer noch diese unvergleichliche Hitze aus, und sein Herz schlug kräftig unter seiner Haut. Der Arm, der um Klaas herumgeschlungen war, begann nun mehrere Male beruhigend über den Rücken des Kleineren zu streicheln.
„Wollen wir uns zumindest mal ‘n paar Meter weiter in den Raum bewegen?“, durchbrach Joko die Stille, die sie umhüllt hatte, während sie die Nähe des anderen in sich aufgesogen hatten.
Jetzt aber zog Klaas sich ein wenig zurück, schaute Joko mit einem kurzen Nicken an, und stellte sich dann auf beide Füße, während er nach Jokos Hand fasste.
Gemeinsam überwanden sie die wenigen Schritte und als sie tiefer in den Raum gelangten, stellte Klaas als erstes fest, dass Joko ein deutlich ordentlicherer Typ war als er selbst. Nicht einmal eine Socke lag ziellos im Raum verstreut, während Klaas’ Sessel und die freie Seite seines Bettes als Ablage für frische sowie bereits getragene Klamotten herhalten mussten.
Die Erkenntnis brachte ihn zum Schmunzeln, was auch Joko nicht entging.
„Was ist so lustig?“
Klaas‘ Blick beendete seine Runde durch den Raum, ehe er auf den des Größeren traf. „Du bist ‘n sehr ordentlicher Mensch, oder?“
Das entrang nun auch Joko ein kleines Schmunzeln. „Ja, irgendwie schon. Bei all dem kreativen Chaos in meinem Kopf, mag ich das, wenn’s daheim halbwegs geordnet zugeht“, erklärte er. „Ist aber auch nicht immer der Fall.“
„Ich zelebriere kreatives Chaos in meinem Kopf und Zuhause“, erwiderte der Jüngere mit einem schiefen Grinsen, ehe er sich rücklings auf das Fußende von Jokos Bett sinken ließ.
„Ich würde von einem Rockstar nicht weniger erwarten“, antwortete der Blonde und gab allzu bereitwillig nach, als Klaas ihn neben sich auf das Bett zog.
„Dann weißte ja wenigstens, worauf du dich hier einlässt“, stellte Klaas fest und obwohl die Aussage humorvoll gemeint war, brachte sie doch auch eine gewisse Ernsthaftigkeit mit zurück in den Raum.
Joko schob ein angewinkeltes Bein auf das Bett und wandte sich seinem Gegenüber so weit zu, wie es ihm möglich war. Der Jüngere spiegelte die Körperhaltung des Anderen und drehte sich ihm ebenfalls zu, ihre Hände immer noch fest miteinander verbunden.
„Wissen wir beide denn, worauf wir uns hier einlassen?“, fragte Joko, in dessen Augen sich die Unsicherheit der letzten zwei Wochen zurückschlich.
„Ganz ehrlich?“, fragte Klaas und legte direkt schon rückversichernd seine noch freie Hand auf Jokos Oberschenkel.
„Immer. Das hatten wir uns versprochen, richtig?“
Klaas nickte. „Richtig.“ Danach rutschte er noch ein Stück näher auf Joko zu, bis sich ihre angewinkelten Knie berührten. „Wenn ich ehrlich bin, hab‘ ich keine Ahnung, worauf ich mich hier einlasse“, sagte er aufrichtiger Weise. „Es is‘ ‘ne Weile her, dass ich sowas gefühlt hab’. Und ich glaube, es war auch noch nie so intensiv. Ganz sicher war’s das auf jeden Fall noch nie bei einem Mann.”
Der Brünette hielt kurz inne, während Joko ihn aufmerksam beobachtete und zuhörte. Der Ausdruck auf Jokos Gesicht war immer noch vorsichtig zurückhaltend, dafür strömte umso mehr Überzeugung durch die feste Verbindung ihrer Hände. Und genügend Sicherheit, um Klaas von seinen nächsten Worten zu überzeugen.
„Aber weißte was, Joko? Das is’ mir alles scheißegal. Weil ich weiß, was ich will.“ Seine Hand streifte langsam, aber stetig über Jokos Bein, und die Berührung fühlte sich so gut an wie alles andere, was sie bisher geteilt hatten. „Manchmal erscheint mir das alles zu verrückt zu sein, um es glauben zu können… aber dafür hält das Gefühl jetz’ einfach schon zu lange an, um nicht wirklich echt zu sein.“
Die Ehrlichkeit in Klaas‘ Worten schien Jokos Zweifel so weit zu vertreiben, dass nur noch ein kleiner Rest Unsicherheit in dessen Augen aufblitzte. „Und dir ist’s wirklich egal, dass ich ein Mann bin?“
Joko hatte die Frage noch gar nicht ganz ausformuliert, da nickte Klaas schon vehement mit dem Kopf. So sehr ihn vielleicht der Gedanke an mehr mit Joko, gerade was Intimität anging, manchmal noch überforderte, einfach weil er im Grunde kaum eine Ahnung davon hatte, so sehr wusste er trotzdem, dass er Joko wollte. Ganz egal, welches Geschlecht der nun hatte.
„Ich hab‘ da in den letzten Wochen natürlich viel drüber nachgedacht… und trotzdem war’s gleichzeitig nie wirklich ‘n Thema“, gestand er. „Du bist einfach du. Mehr brauch‘ ich nich‘ zu wissen.“ Klaas legte all die Überzeugung in seine Stimme, die er aufbringen konnte. „Aber es ist eben auch das erste Mal mit ‘nem Mann…“ Seine Stimme stockte kurz und er konnte fühlen, wie seine Wangen ganz warm wurden. „Naja… du weißt schon.”
Sein Gesicht wurde noch etwas heißer, aber er wagte es nicht, sein Gegenüber aus den Augen zu lassen. „Das ist das, worauf du dich einlassen müsstest“, schob Klaas seinem Monolog abschließend hinterher. „Kannst du das?“
Jokos weiches Lächeln traute sich zurück auf seine Lippen, während er mit seinem Knie gegen Klaas‘ stupste. „Ich wär‘ nicht hier, wenn ich’s nicht könnte“, versicherte der Blonde ihm. „Du hast alles auf den Kopf gestellt, was ich bisher geglaubt habe zu wissen… und selbst wenn ich wollte, ich könnt‘ dir nicht länger fernbleiben. Nach diesem Abend jetzt noch viel weniger als davor schon.“
Der Größere legte seine Hand auf die von Klaas, die immer noch langsam über seinen Oberschenkel streichelte. „Aber, Klaas… ich weiß ein bisschen, worauf ich mich hier noch einlasse…“, begann er, und seine Stimme wurde schwerfälliger. „Ich weiß, was Menschen da draußen hieraus machen können.“ Er deutete kurz zwischen sie, ehe er seine Hand zurück auf Klaas‘ legte. „Das würde ich kein zweites Mal ertragen… und ich kann auch meiner Familie einen solchen Aufruhr kein zweites Mal antun…“
Joko seufzte tief und hielt Klaas‘ Hand noch ein wenig fester. „Und am allerwenigsten könnte ich es dir antun… dich da in irgendwas reinzuziehen… oder dir im Weg zu stehen… oder gar deinen Traum zu zerstören, für den wir hier arbeiten.“
Ein unangenehmes Ziehen in Klaas‘ Magen schickte Unbehagen durch seinen Körper. Der Andere hielt ihn immer noch fest, gab ihm so weiterhin ein gewisses Maß an Sicherheit, und dennoch wusste der Braunhaarige für einen Augenblick nicht so recht, wohin dieses Gespräch führen würde.
„Ist… ist das eine nicht privat und das andere Beruf?“, versuchte Klaas mit ihrem Lieblingsspruch die aufziehende Schwermütigkeit aufzulockern.
Der Ältere lachte auch tatsächlich kurz auf, nur kam es nicht ganz in seinen Augen an. „Du hast ein Lied über uns geschrieben… ich glaube, damit sind die Grenzen endgültig verwischt, meinst du nicht?“
„Hmm“, antwortete Klaas, mit einem verlegenen Grinsen. „Guter Punkt, ja.“
Joko nickte zustimmend. „Dennoch würd‘ ich’s gerne zumindest nach außen hin weiter trennen. Das hier ist unser privates Ding, und geht die Öffentlichkeit nichts an… ich will das schützen, verstehst du?“ Seine Stimme war voll des Nachdrucks und ließ Klaas auch kaum Raum zur Diskussion.
Mit einem vorsichtigen Ruck rutschte der Braunhaarige noch ein Stück näher an seinen Freund heran und platzierte seine freie Hand auf ihre bereits ineinander verschlungenen.
„Ich hasse es, was dir die Medien damals angetan haben“, knurrte Klaas und ließ sich für einen Augenblick nun doch von der Bedrückung einfangen, die in seinem Freund zu sitzen schien. „Egal, was zu der Zeit passiert war, diese Hetzkampagne hattest du nich‘ verdient.“
Ein fast geräuschloses Seufzen floss dem Blonden von den Lippen. „Ein bisschen hab‘ ich das vielleicht schon… mein Verhalten war einfach nicht korrekt“, sagte Joko und sein Blick fiel auf ihre verbundenen Hände.
„Aber es hat eben nicht nur mich getroffen… sondern auch meine Familie. Und Anna.“ Noch einmal seufzte er leise. „Die mussten wegen mir mit mir durch die Hölle gehen.“
Sein Blick verharrte auf ihren Händen und für einen Moment sagte er nichts mehr. Die Stille, die sie umgab, war schwerfälliger, als sie das sein sollte und Klaas‘ Herz zog sich kurz schmerzhaft zusammen, während er Joko beobachtete.
„Das kann ich kein zweites Mal verantworten. Dass irgendjemand wegen mir leiden muss.“ Joko drückte seine Hand und schaute dann zurück zu seinem Freund. „Deswegen kann und will ich das nicht mit der Öffentlichkeit teilen. So sehr ich mein Glück auch eigentlich in die Welt hinausschreien möchte.“ Der Hauch eines Lächelns kehrte auf Jokos Gesicht zurück und das Gold in seinen Augen nahm deutlich an Intensität zu.
„Denn mich hat schon sehr, sehr lange nichts mehr so glücklich gemacht, wie du in den letzten Wochen und Monaten. Dieses Glück will ich uns beiden bewahren“, sagte er, immer noch mit Nachdruck in der Stimme, aber mit sichtbar mehr Sanftheit in seinen Augen. „Das ist die eine Sache, auf die du dich einlassen müsstest. Kannst du das?“
Der erste Instinkt des Brünetten war es, sofort vehement zu nicken. Denn für ihn gab es zu diesem Zeitpunkt schlichtweg gar keine andere Wahl.
Er wollte Joko.
Ganz egal wie.
„Ich steh‘ eh nich‘ so drauf, mein Privatleben in der Öffentlichkeit breit zu treten, wie du ja weißt. Auf wilde Knutschorgien vorm Brandenburger Tor kann ich also gern verzichten.“
Der Blonde äugte ihn neugierig und auch ein bisschen prüfend. Klaas konnte sehen, wie sich die kleinen Rädchen in dessen Kopf drehten, und auch den Moment, als sie aufhörten, das zu tun. Das war nämlich auch der Moment, in dem Jokos Grinsen zurückkehrte und seine Augen zu funkeln begannen.
„Dann… probieren wir das hier?“, fragte er, während seine Finger anfingen, über Klaas‘ Handrücken zu tänzeln. „Mit uns?“
„Ich glaub’, das fänd‘ ich ziemlich gut, ja“, antwortete Klaas und als sich Joko ihm etwas zuneigte, spürte er erst, wie sehr sein Herz schon wieder zu rasen begonnen hatte.
Der Größere lehnte sich ihm noch etwas weiter entgegen, seine Stimme nun etwas tiefer und leiser. „Ziemlich gut?“
„Ziiiemlich gut“, erwiderte Klaas, befreite seine rechte Hand und legte sie seitlich an Jokos Hals, um ihn auch die letzten Zentimeter bestimmt an sich heranzuziehen.
Ihre Lippen fanden sich in einem zweiten Kuss und Klaas‘ Welt blieb nicht stehen, sondern drehte sich in dreifacher Geschwindigkeit weiter, bis ihm irgendwann schwindelig war vor Glück.
„Darf ich bei dir bleiben?“
Über den Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand lief gerade der Abspann einer Komödie, die sie nach einem weiteren auskostenden Kuss und einem kleinen Abendsnack, den sie sich auf das Zimmer hatten bringen lassen, angeschaut hatten. Klaas hob seinen Kopf an, der bis gerade noch auf Jokos Schulter gelegen hatte, und guckte den Blonden an.
„Das soll nicht…“, fügte er noch an, nachdem Joko nicht sofort antwortete. „Also, ich meine… ich glaub‘, ich brauch da noch ‘n bisschen für, bevor—“
„Klausi…“, unterbrach der Ältere ihn sofort und drückte sanft seine Hand. „Wir haben alle Zeit der Welt und müssen nichts überstürzen“, bekräftigte er. „Nur, weil du hier schläfst, müssen wir nicht gleich miteinander schlafen, okay?“
„Okay“, erwiderte Klaas, irgendwie erleichtert, obwohl er gleichzeitig auch überzeugt davon gewesen war, dass Joko keinerlei Erwartungen in diese Richtung gehabt hätte. Dazu war Joko schlichtweg nicht der Typ Mensch. „Dann würd‘ ich kurz rüber in mein Zimmer flitzen und meine Schlafklamotten holen, ja?“
„Ja, mach das gerne.“ Joko drehte sich auf seine Seite und schnappte sich von seinem Nachttisch die zweite Zimmerkarte, um sie anschließend Klaas entgegenzuhalten. „Nimm die mit. Ich spring‘ in der Zwischenzeit kurz unter die Dusche.“
Der Brünette nahm ihm die Karte ab. „Gar keine ausgedehnte Badesession heute?“
„Ne, heute ausnahmsweise nicht“, verneinte der Ältere, leicht schmunzelnd. „Die Motivation schnell fertig zu werden und sich ins Bett zu kuscheln ist überraschenderweise größer.“
Klaas lehnte sich zu ihm und drückte ihm fix seine Lippen auf, was Joko nur allzu euphorisch erwiderte. Trotzdem hielten sie es kurz, da auch Klaas viel lieber gleich richtig mit Joko unter die Bettdecke schlüpfen und es sich gemütlich machen wollte.
„Dann lass das mal machen“, sagte Klaas, stahl sich noch einen letzten Kuss und machte sich dann davon, um in seinem Zimmer das Nötigste für die Nacht zusammenzusuchen.
Er nutzte die Zeit ebenfalls für eine kurze Dusche und um sich die Zähne zu putzen, bevor er bewaffnet mit seiner Zahnbürste und frischen Klamotten für den Folgetag in Jokos Hotelzimmer zurückkehrte.
Der Ältere war noch im Bad zugange, und Klaas musste in sich hineinlachen, als er ihn leicht schief irgendeine Melodie summen hörte, die er nicht kannte. Er legte seine Sachen auf den Stuhl in der Ecke – so fein säuberlich, wie er nur konnte – und legte sich dann auf die linke Betthälfte, auf der er sich irgendwie immer am wohlsten fühlte.
Mit einem Arm hinter dem Kopf guckte er gedankenverloren an die Decke, während er weiterhin Joko zuhörte, wie der im Bad herumraschelte und weiter diese Melodie summte, in die sich immer mal wieder Worte mischten, die das ganze Lied noch etwas krummer klingen ließen.
Aber Klaas liebte es dennoch, und sein Herz pochte kräftig in seinem Brustkorb, als er darüber sinnierte, wie sehr er sich daran gewöhnen könnte, in ihrem Bett auf Joko zu warten, während dieser kleine Privatkonzerte zum Besten gab, die nur er zu hören bekommen würde.
So gedankenverloren und mit einem Lächeln im Gesicht wurde er wenig später von Joko gefunden, der nun nur noch weiße, enge Boxershorts und ein ebenso weißes T-Shirt trug. Er strahlte über das ganze Gesicht, als sich ihre Blicke trafen und der frische Duft, den er mit sich brachte, als er zu Klaas in das Bett schlüpfte, zog den Jüngeren fast automatisch zurück in dessen Arme.
„Daran könnt‘ ich mich auf jeden Fall gewöhnen“, sagte Joko nach einem kurzen Augenblick, in dem Arme und Beine die perfekte Position am und um den Anderen gefunden hatten.
Ob Joko doch Gedanken lesen konnte? Auch durch geschlossene Türen hindurch? In den vergangenen fast drei Monaten hatte Klaas sich das durchaus öfter gefragt, weil Joko ein Talent dafür hatte, die Dinge auszusprechen, die Klaas nur gedacht hatte. Aber vermutlich tickten sie bei aller Unterschiedlichkeit in den wichtigen Dingen dann eben doch auch eher ähnlich, und das war nur eines von vielen Dingen, die Klaas bei ihnen beiden so sehr mochte.
„Woran genau?“, fragte Klaas dennoch, nur um herauszufinden, wie sehr sich ihre Visionen deckten.
„An dich in meinem Bett… mit diesem süßen Lächeln und den strahlendsten blauen Augen.“
Klaas‘ Brauen wölbten sich über seinen zweifelnden Augen. „Hast du mich gerade süß genannt? Ich bin ‘n Rockstar, schon vergessen?“
Der Blonde lachte und zog ihn noch etwas näher an sich. „Wie könnte ich das jemals?“, fragte er und fügte direkt noch an, ehe Klaas antworten konnte. „Und außerdem habe ich dein Lächeln süß genannt, nicht dich, oder?“
Klaas ließ seine Augen noch etwas größer werden. „Achso, weil ich’s nich‘ bin, oder wie?“
„Hey! Erst machst du’s mir zum Vorwurf, dass ich dich süß nenne, und wenn ich’s nicht tu‘, ist es dir auch nicht recht?“
„Natürlich. Macht doch total Sinn, oder etwa nich‘? Gewöhn‘ dich besser da dran.“
Der Ältere lachte erneut, und drückte dann einen Kuss auf Klaas‘ Haarschopf. „Ich glaub‘, das kann ich.“
Danach kehrte für eine Weile Ruhe ein. Joko hatte das Licht am Nachttisch noch nicht abgedreht, aber trotzdem fühlte es sich für Klaas so an, als würde sich der Tag dem Ende zuneigen, und er spürte, wie damit auch langsam die Müdigkeit in seine Poren kroch. Sein Herz schlug immer noch zu schnell und alles in ihm kribbelte, vor allem die Schmetterlinge, die in den vergangenen Stunden noch angewachsen waren. Gleichzeitig legte sich eine friedvolles Wohlbehagen über ihn und lullte ihn ein. Genauso, wie das die Wärme und Geborgenheit tat, die Joko mit ihm teilte.
Was für ein verrückter Tag das nur gewesen war.
An diesem Morgen war er der Verzweiflung noch so nahe gewesen. Da war er der Aufgabe seiner Hoffnung, dass das mit ihm und Joko etwas hätte werden können, noch so nahe gewesen.
Und keine zwölf Stunden später lag er nun hier.
In Jokos Bett.
In Jokos Armen.
Und hatte damit jetzt schon mehr, als er sich jemals erhofft hatte. Jemals erträumt hatte.
Was machte dieser Mann mit ihm?
Was hatte er seit Tag eins mit ihm gemacht?
Es schien immer noch so völlig absurd. Und gleichzeitig eben doch genau so, wie es schon immer hätte sein sollen.
„Alles okay bei dir?“, filterte Jokos Stimme zu ihm hindurch und fing ihn ein.
Der Brünette drehte leicht seinen Kopf, um zu Joko aufschauen zu können. „Ja sicher. Warum?“
Als ob Joko seine Worte schon vorab unterstreichen wollte, drückte er sanft mit seiner Hand Klaas‘ Schulter. „Du bist gerade so angespannt.“
Der Jüngere drehte sich noch ein bisschen weiter, und stützte seinen Kopf dann auf seiner Hand ab. „Es is’ alles in Ordnung“, antwortete er und legte die andere Hand auf Jokos Brust ab. „Ich glaub‘, ich hab‘ gerade nur wieder so ‘n Moment, wo mir das hier alles zu verrückt erscheint, um wahr sein zu können.“
„Das hier mit uns?“, fragte Joko, der ihn durch seine Brille hindurch neugierig und ein wenig amüsiert beobachtete.
„Ja.“ Klaas nickte. „Heut Morgen war ich noch so kurz davor, dich anzuschreien… oder dich einfach ohne Vorwarnung zu küssen. Oder vielleicht auch beides“, gab er ehrlich zu. „Und jetzt sind wir irgendwie trotzdem hier gelandet.“
Joko lachte, und schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf. „Klingt ganz schön dramatisch“, konstatierte er.
„Es war dramatisch“, entgegnete der Jüngere. „Ich wusste einfach nich‘, was ich tun sollte. Weil du die Regeln ja eigentlich von Anfang an klar aufgestellt hattest… und wir uns dann trotzdem fast geküsst hätten.“ Er seufzte leise. „Ich war richtig hart überfordert.“
Der Blonde verwob ihre Finger miteinander und legte sie dann eng verschlungen auf seiner Brust ab. „Tut mir ehrlich leid, dass ich’s so kompliziert gemacht hab‘. Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass das ‘ne richtig dumme Idee war…“
Klaas‘ kompletter Fokus lag auf seinem Freund, um keine Regung des Anderen zu verpassen. „Mich kennenzulernen?“
„Mit dir zu arbeiten, dich kennenzulernen und zu glauben, dass ich das irgendwie trennen könnte. Das war albern. Von Anfang an.“
Die Neugier im Kleineren war geweckt. „Warum hast du’s trotzdem getan?“
„Weil ich wusste, dass du was Besonderes bist. Schon an diesem ersten Abend, als wir durch Berlin gelaufen sind, hab ich’s gewusst.“ Jokos Augen glitten versonnen an Klaas vorbei. „Ich wollte dich unbedingt wiedersehen… und hätte wahrscheinlich jeden einzelnen Tag in diesem Park auf dich gewartet, wenn es hätte sein müssen.“
„Und dann kam alles ganz anders“, stellte Klaas fest, und realisierte in diesem Augenblick, dass sie eigentlich noch nie so richtig über diese ersten Momente ihres Kennenlernens gesprochen hatten. Weil der Zeitpunkt nie der richtige gewesen war. Weil es ihre beiden Welten immer schon irgendwie miteinander vermischt hätte. Viel früher, als sie dafür bereit gewesen wären.
„Ich hatte jede Intention, als ich an diesem Abend in die Florida gelaufen bin, diesen Musiker, den Schmitti so sehr angepriesen hatte, kennenzulernen und mich dann irgendwie höflich und respektvoll aus der Affäre zu ziehen. Jede Intention hatte ich dazu“, beschwor der Ältere und der Tonfall in seiner Stimme ließ auch keinen Zweifel daran. „Und dann standest du da vor mir. Da war ich richtig hart überfordert.“
Klaas musste ob der Wortwahl leise lachen und Jokos Aufmerksamkeit landete wieder ungeteilt auf ihm.
„Eigentlich war ich das seither jeden Tag… weil ich gespürt hab‘, wie das mit uns immer mehr wurde. Und ich ja auch wollte, dass es mehr wurde, auch wenn ich gleichzeitig nicht wusste, wie das gehen sollte.“ Joko seufzte und verfestigte seinen Halt um Klaas. „Also hab‘ ich’s ’ne Weile lang einfach ignoriert. Hab‘ so getan, als wären wir einfach nur Joko und Klaas; zwei Männer, die sich kennenlernen und gern haben und nicht in der Öffentlichkeit stehen, wo das alles in Chaos enden könnte.“
Der Ältere lockerte seinen Griff um Klaas‘ Hand und nutzte seine Finger dann dazu, seinem Freund eine Haarsträhne aus der Stirn zu streifen, während er ihn sehnsuchtsvoll anlächelte.
„Wenn wir geschäftlich zu tun hatten, konnte ich diesen anderen Teil von uns ganz gut ausblenden. Das war so ein bisschen, als würden wir da in einem Paralleluniversum unterwegs sein. Wo beides irgendwie friedlich koexistieren konnte.“
Nachdem die Hand des Braunhaarigen wieder frei war, begann er, kleine Kreise auf Jokos Brustkorb zu zeichnen. „Wie lange ist das gut gegangen?“, wollte er wissen.
„Bis die Gefühle irgendwann zu stark wurden“, antwortete Joko, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. „Als ich dich da vor zwei Wochen fast geküsst hätte, da hab‘ ich es das erste Mal so richtig mit der Angst zu tun bekommen.“
Immer noch drehten seine Finger kleine Kreise auf dem weißen T-Shirt von Joko und er spürte, wie dessen Herz darunter beständig klopfte.
„Angst wovor?“, bohrte Klaas vorsichtig nach, weil er nichts mehr wollte, als zu verstehen, was in diesen Wochen in Joko vorgegangen war.
„Davor, wie stark ich für dich empfinde. Und davor, was das bedeuten würde.“ Joko legte eine Hand auf die von Klaas und verwob ihre Finger miteinander. „Für die längste Zeit konnte ich ja nur glauben, dass du auf Frauen stehst… nicht auf Männer“, erklärte er und seufzte erneut. „Und ich wollte mich da eigentlich in nichts verrennen…“
Jokos Blick wurde nachdenklich. „Und wenn ich mir in schwachen Momenten erlaubt habe zu hoffen, dass du doch mehr empfinden könntest, hatte ich Angst davor, was daraus werden würde… was die Welt daraus machen könnte, wenn sie es erfährt.“
Als würde er sich rückversichern wollen, brachte Joko ihre Gesichter für einen Augenblick näher zusammen und stahl sich einen kurzen, aber sanften Kuss von Klaas.
„Aber im Grunde war’s eh schon zu spät…“, sagte der Ältere schließlich, nachdem sie sich wieder gelöst hatten. „Und ein Zurück hat es irgendwie nicht mehr gegeben.“
Der Brünette wurde nun ebenfalls etwas nachdenklicher, während sein Fokus weiterhin auf Joko verweilte. „Ich bin zwar kein großer Profi in diesen Dingen… aber ein Zurück gab’s wahrscheinlich von Anfang an nie wirklich, oder?“
„Ja, da hast du vermutlich recht“, stimmte der Blonde zu, und das Schmunzeln, das zurück auf seine Lippen kroch, vertrieb zügig die Schwermütigkeit, die kurz von ihnen Besitz zu ergreifen drohte.
Joko löste seine Hand von der des Kleineren und legte sie dafür an dessen Wange. Sein Daumen streifte langsam über seinen Bart und die Berührung sendete eine wohlige Gänsehaut durch Klaas.
„Ich bin wirklich froh, dass ich deine eine Ausnahme bin“, sagte Joko, und die Aufrichtigkeit in seiner Stimme entzog Klaas für einen Augenblick die Fähigkeit normal weiterzuatmen.
Seine Mundwinkel formten sich dennoch zu einem glücklichen Grinsen. „Bin auch ziemlich froh, dass ich deine eine Ausnahme bin“, erwiderte Klaas, und beugte sich leicht über Joko.
In dessen Augen blitzte ein schelmisches Funkeln auf.
„Ziemlich froh?“
„Ziiiemlich froh.“
Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, verband Klaas ihre Lippen, und der Kuss kribbelte von seinen Haarspitzen bis in die Zehen, und bei aller Melodramatik – Joko Winterscheidt zu küssen war mit Abstand das Beste, was Klaas jemals erlebt hatte.
ich weiß gar nicht, was ich zu euren Reaktionen zum letzten Kapitel sagen soll… außer: von Herzen ein dickes Danke! Ich war so ultra nervös vor dem Upload, aber ihr habt die Nervosität weggezaubert. Ganz, ganz lieben Dank für jedes einzelne Wort, jeden Stern und jedes Herz – ihr seid unglaublich ❤
Ich will euch auch gar nicht lange aufhalten und euch direkt in das Kapitel 18 entlassen, das so gesehen eigentlich eher Kapitel 17.2 ist :D Viel Spaß damit!
Die allerliebsten Grüße sende ich euch heute zur Abwechslung mal wieder aus dem Allgäu (Zuhause-JK winken auch) :) habt einen schönen Sonntag und passt gut auf euch auf ❤
***
Kapitel 18
***
Kapitel 18
***
Klaas war kein besonders melodramatischer Typ.
Aber wenn er in diesem Moment dachte, dass er in achtunddreißig Jahren nie etwas Besseres erlebt hatte, als Joko Winterscheidt zu küssen, dann war das die absolute und unumstößlichste Wahrheit von allen.
Weder seine erste Gitarre noch sein erster Song, noch sein erstes Konzert hatten sich so krass angefühlt wie das Feuer, das in seinem Bauch explodierte, mit jedem Millimeter, den er sich enger an den Blonden drängte, und mit jedem Herzschlag, den ihre Lippen übereinander glitten.
In einer ersten vorübereilenden Sekunde hatte er noch gedacht, dass es sich gar nicht so viel anders anfühlte, einen Mann zu küssen, wie er das vielleicht irgendwie erwartet hätte, aber dann wurde er auch schon komplett vereinnahmt von diesen Empfindungen, die der Andere in ihm auslöste, und die zweifelsohne die besten waren, die er jemals verspürt hatte.
Seine Welt stand immer noch ein bisschen still, hier in Jokos Armen, die sich um ihn geschlungen hatten; erst beide um seine Taille, bevor eine Hand langsam ihren Weg zu seinem Nacken gefunden hatte. Überall in Klaas kribbelte es, und die Schmetterlinge in seinem Bauch waren zwischenzeitlich auch gänzlich jeglicher Eindämmungsversuche entkommen und flatterten ungebremst umher. Kitzelten ihn von innen, so wie es die überwältigende Hitze des Größeren von außen tat.
Das Gefühl so von Joko gehalten zu werden, der seine ganze Zuneigung und Wärme ungehalten auf ihn überspringen ließ, war etwas, auf das Klaas nie wieder verzichten wollte. Davon hatte ihn dieser erste Kuss, der immer noch andauerte, schon im ersten Augenblick überzeugt, und die Vorstellung, das irgendwann vielleicht nicht mehr haben zu können, ließ ihn sich noch näher an Joko pressen, und der verstärkte seinen Halt um den Kleineren und vertiefte den Kuss.
Noch für eine ganze Weile schien weder Joko dazu bereit, noch war es Klaas, die Verbindung ihrer Lippen zu trennen, die so perfekt aufeinanderpassten und sich miteinander bewegten, in einem sinnlichen Rhythmus und Takt, den sie gar nicht lange suchen mussten, weil es ihr ganz eigener war.
Klaas liebte es, wie es durch ihn vibrierte; liebte es noch mehr, dass Joko es auch verspürte, und sie sich dem gemeinsam hingeben konnten.
Und es taten.
Einen weiteren Herzschlag lang.
Und weitere zwei oder drei danach.
Bis sie sich schließlich doch irgendwann voneinander lösten, weil der Mangel an Sauerstoff zumindest ein kleines Thema wurde, und weil sie immer noch an dieser Tür standen und es vielleicht schon so viel bequemer haben könnten, wenn sie sich nur bewegen würden.
Ihre erhitzten Blicke trafen sich, und für einen Moment überkam Klaas das schlechte Gewissen, Joko derartig überfallen zu haben, aber der Ausdruck in den Augen des Anderen und die feuchtgeküssten Lippen ließen ihn das genauso schnell wieder vergessen.
Daher war seine folgende Entschuldigung auch nur eher halbherzig ernst gemeint. „Tut mir leid, dass ich so über dich hergefallen bin.“ Seine Stimme war kratzig, und er hatte immer noch damit zu tun, seinen Atem zu beruhigen. „Hab’s nich‘ mehr länger ausgehalten…“
Joko kicherte heiser und ließ dabei keinen Zentimeter von Klaas ab. „Hey… who am I to judge?“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Drei Sekunden später wär‘s wahrscheinlich anders herum gelaufen.“
Das nahm Klaas auch noch die restlichen Zweifel, die er vielleicht gehabt hatte, und er lehnte leise lachend seinen Kopf gegen Jokos Brust. Der Blonde strahlte immer noch diese unvergleichliche Hitze aus, und sein Herz schlug kräftig unter seiner Haut. Der Arm, der um Klaas herumgeschlungen war, begann nun mehrere Male beruhigend über den Rücken des Kleineren zu streicheln.
„Wollen wir uns zumindest mal ‘n paar Meter weiter in den Raum bewegen?“, durchbrach Joko die Stille, die sie umhüllt hatte, während sie die Nähe des anderen in sich aufgesogen hatten.
Jetzt aber zog Klaas sich ein wenig zurück, schaute Joko mit einem kurzen Nicken an, und stellte sich dann auf beide Füße, während er nach Jokos Hand fasste.
Gemeinsam überwanden sie die wenigen Schritte und als sie tiefer in den Raum gelangten, stellte Klaas als erstes fest, dass Joko ein deutlich ordentlicherer Typ war als er selbst. Nicht einmal eine Socke lag ziellos im Raum verstreut, während Klaas’ Sessel und die freie Seite seines Bettes als Ablage für frische sowie bereits getragene Klamotten herhalten mussten.
Die Erkenntnis brachte ihn zum Schmunzeln, was auch Joko nicht entging.
„Was ist so lustig?“
Klaas‘ Blick beendete seine Runde durch den Raum, ehe er auf den des Größeren traf. „Du bist ‘n sehr ordentlicher Mensch, oder?“
Das entrang nun auch Joko ein kleines Schmunzeln. „Ja, irgendwie schon. Bei all dem kreativen Chaos in meinem Kopf, mag ich das, wenn’s daheim halbwegs geordnet zugeht“, erklärte er. „Ist aber auch nicht immer der Fall.“
„Ich zelebriere kreatives Chaos in meinem Kopf und Zuhause“, erwiderte der Jüngere mit einem schiefen Grinsen, ehe er sich rücklings auf das Fußende von Jokos Bett sinken ließ.
„Ich würde von einem Rockstar nicht weniger erwarten“, antwortete der Blonde und gab allzu bereitwillig nach, als Klaas ihn neben sich auf das Bett zog.
„Dann weißte ja wenigstens, worauf du dich hier einlässt“, stellte Klaas fest und obwohl die Aussage humorvoll gemeint war, brachte sie doch auch eine gewisse Ernsthaftigkeit mit zurück in den Raum.
Joko schob ein angewinkeltes Bein auf das Bett und wandte sich seinem Gegenüber so weit zu, wie es ihm möglich war. Der Jüngere spiegelte die Körperhaltung des Anderen und drehte sich ihm ebenfalls zu, ihre Hände immer noch fest miteinander verbunden.
„Wissen wir beide denn, worauf wir uns hier einlassen?“, fragte Joko, in dessen Augen sich die Unsicherheit der letzten zwei Wochen zurückschlich.
„Ganz ehrlich?“, fragte Klaas und legte direkt schon rückversichernd seine noch freie Hand auf Jokos Oberschenkel.
„Immer. Das hatten wir uns versprochen, richtig?“
Klaas nickte. „Richtig.“ Danach rutschte er noch ein Stück näher auf Joko zu, bis sich ihre angewinkelten Knie berührten. „Wenn ich ehrlich bin, hab‘ ich keine Ahnung, worauf ich mich hier einlasse“, sagte er aufrichtiger Weise. „Es is‘ ‘ne Weile her, dass ich sowas gefühlt hab’. Und ich glaube, es war auch noch nie so intensiv. Ganz sicher war’s das auf jeden Fall noch nie bei einem Mann.”
Der Brünette hielt kurz inne, während Joko ihn aufmerksam beobachtete und zuhörte. Der Ausdruck auf Jokos Gesicht war immer noch vorsichtig zurückhaltend, dafür strömte umso mehr Überzeugung durch die feste Verbindung ihrer Hände. Und genügend Sicherheit, um Klaas von seinen nächsten Worten zu überzeugen.
„Aber weißte was, Joko? Das is’ mir alles scheißegal. Weil ich weiß, was ich will.“ Seine Hand streifte langsam, aber stetig über Jokos Bein, und die Berührung fühlte sich so gut an wie alles andere, was sie bisher geteilt hatten. „Manchmal erscheint mir das alles zu verrückt zu sein, um es glauben zu können… aber dafür hält das Gefühl jetz’ einfach schon zu lange an, um nicht wirklich echt zu sein.“
Die Ehrlichkeit in Klaas‘ Worten schien Jokos Zweifel so weit zu vertreiben, dass nur noch ein kleiner Rest Unsicherheit in dessen Augen aufblitzte. „Und dir ist’s wirklich egal, dass ich ein Mann bin?“
Joko hatte die Frage noch gar nicht ganz ausformuliert, da nickte Klaas schon vehement mit dem Kopf. So sehr ihn vielleicht der Gedanke an mehr mit Joko, gerade was Intimität anging, manchmal noch überforderte, einfach weil er im Grunde kaum eine Ahnung davon hatte, so sehr wusste er trotzdem, dass er Joko wollte. Ganz egal, welches Geschlecht der nun hatte.
„Ich hab‘ da in den letzten Wochen natürlich viel drüber nachgedacht… und trotzdem war’s gleichzeitig nie wirklich ‘n Thema“, gestand er. „Du bist einfach du. Mehr brauch‘ ich nich‘ zu wissen.“ Klaas legte all die Überzeugung in seine Stimme, die er aufbringen konnte. „Aber es ist eben auch das erste Mal mit ‘nem Mann…“ Seine Stimme stockte kurz und er konnte fühlen, wie seine Wangen ganz warm wurden. „Naja… du weißt schon.”
Sein Gesicht wurde noch etwas heißer, aber er wagte es nicht, sein Gegenüber aus den Augen zu lassen. „Das ist das, worauf du dich einlassen müsstest“, schob Klaas seinem Monolog abschließend hinterher. „Kannst du das?“
Jokos weiches Lächeln traute sich zurück auf seine Lippen, während er mit seinem Knie gegen Klaas‘ stupste. „Ich wär‘ nicht hier, wenn ich’s nicht könnte“, versicherte der Blonde ihm. „Du hast alles auf den Kopf gestellt, was ich bisher geglaubt habe zu wissen… und selbst wenn ich wollte, ich könnt‘ dir nicht länger fernbleiben. Nach diesem Abend jetzt noch viel weniger als davor schon.“
Der Größere legte seine Hand auf die von Klaas, die immer noch langsam über seinen Oberschenkel streichelte. „Aber, Klaas… ich weiß ein bisschen, worauf ich mich hier noch einlasse…“, begann er, und seine Stimme wurde schwerfälliger. „Ich weiß, was Menschen da draußen hieraus machen können.“ Er deutete kurz zwischen sie, ehe er seine Hand zurück auf Klaas‘ legte. „Das würde ich kein zweites Mal ertragen… und ich kann auch meiner Familie einen solchen Aufruhr kein zweites Mal antun…“
Joko seufzte tief und hielt Klaas‘ Hand noch ein wenig fester. „Und am allerwenigsten könnte ich es dir antun… dich da in irgendwas reinzuziehen… oder dir im Weg zu stehen… oder gar deinen Traum zu zerstören, für den wir hier arbeiten.“
Ein unangenehmes Ziehen in Klaas‘ Magen schickte Unbehagen durch seinen Körper. Der Andere hielt ihn immer noch fest, gab ihm so weiterhin ein gewisses Maß an Sicherheit, und dennoch wusste der Braunhaarige für einen Augenblick nicht so recht, wohin dieses Gespräch führen würde.
„Ist… ist das eine nicht privat und das andere Beruf?“, versuchte Klaas mit ihrem Lieblingsspruch die aufziehende Schwermütigkeit aufzulockern.
Der Ältere lachte auch tatsächlich kurz auf, nur kam es nicht ganz in seinen Augen an. „Du hast ein Lied über uns geschrieben… ich glaube, damit sind die Grenzen endgültig verwischt, meinst du nicht?“
„Hmm“, antwortete Klaas, mit einem verlegenen Grinsen. „Guter Punkt, ja.“
Joko nickte zustimmend. „Dennoch würd‘ ich’s gerne zumindest nach außen hin weiter trennen. Das hier ist unser privates Ding, und geht die Öffentlichkeit nichts an… ich will das schützen, verstehst du?“ Seine Stimme war voll des Nachdrucks und ließ Klaas auch kaum Raum zur Diskussion.
Mit einem vorsichtigen Ruck rutschte der Braunhaarige noch ein Stück näher an seinen Freund heran und platzierte seine freie Hand auf ihre bereits ineinander verschlungenen.
„Ich hasse es, was dir die Medien damals angetan haben“, knurrte Klaas und ließ sich für einen Augenblick nun doch von der Bedrückung einfangen, die in seinem Freund zu sitzen schien. „Egal, was zu der Zeit passiert war, diese Hetzkampagne hattest du nich‘ verdient.“
Ein fast geräuschloses Seufzen floss dem Blonden von den Lippen. „Ein bisschen hab‘ ich das vielleicht schon… mein Verhalten war einfach nicht korrekt“, sagte Joko und sein Blick fiel auf ihre verbundenen Hände.
„Aber es hat eben nicht nur mich getroffen… sondern auch meine Familie. Und Anna.“ Noch einmal seufzte er leise. „Die mussten wegen mir mit mir durch die Hölle gehen.“
Sein Blick verharrte auf ihren Händen und für einen Moment sagte er nichts mehr. Die Stille, die sie umgab, war schwerfälliger, als sie das sein sollte und Klaas‘ Herz zog sich kurz schmerzhaft zusammen, während er Joko beobachtete.
„Das kann ich kein zweites Mal verantworten. Dass irgendjemand wegen mir leiden muss.“ Joko drückte seine Hand und schaute dann zurück zu seinem Freund. „Deswegen kann und will ich das nicht mit der Öffentlichkeit teilen. So sehr ich mein Glück auch eigentlich in die Welt hinausschreien möchte.“ Der Hauch eines Lächelns kehrte auf Jokos Gesicht zurück und das Gold in seinen Augen nahm deutlich an Intensität zu.
„Denn mich hat schon sehr, sehr lange nichts mehr so glücklich gemacht, wie du in den letzten Wochen und Monaten. Dieses Glück will ich uns beiden bewahren“, sagte er, immer noch mit Nachdruck in der Stimme, aber mit sichtbar mehr Sanftheit in seinen Augen. „Das ist die eine Sache, auf die du dich einlassen müsstest. Kannst du das?“
Der erste Instinkt des Brünetten war es, sofort vehement zu nicken. Denn für ihn gab es zu diesem Zeitpunkt schlichtweg gar keine andere Wahl.
Er wollte Joko.
Ganz egal wie.
„Ich steh‘ eh nich‘ so drauf, mein Privatleben in der Öffentlichkeit breit zu treten, wie du ja weißt. Auf wilde Knutschorgien vorm Brandenburger Tor kann ich also gern verzichten.“
Der Blonde äugte ihn neugierig und auch ein bisschen prüfend. Klaas konnte sehen, wie sich die kleinen Rädchen in dessen Kopf drehten, und auch den Moment, als sie aufhörten, das zu tun. Das war nämlich auch der Moment, in dem Jokos Grinsen zurückkehrte und seine Augen zu funkeln begannen.
„Dann… probieren wir das hier?“, fragte er, während seine Finger anfingen, über Klaas‘ Handrücken zu tänzeln. „Mit uns?“
„Ich glaub’, das fänd‘ ich ziemlich gut, ja“, antwortete Klaas und als sich Joko ihm etwas zuneigte, spürte er erst, wie sehr sein Herz schon wieder zu rasen begonnen hatte.
Der Größere lehnte sich ihm noch etwas weiter entgegen, seine Stimme nun etwas tiefer und leiser. „Ziemlich gut?“
„Ziiiemlich gut“, erwiderte Klaas, befreite seine rechte Hand und legte sie seitlich an Jokos Hals, um ihn auch die letzten Zentimeter bestimmt an sich heranzuziehen.
Ihre Lippen fanden sich in einem zweiten Kuss und Klaas‘ Welt blieb nicht stehen, sondern drehte sich in dreifacher Geschwindigkeit weiter, bis ihm irgendwann schwindelig war vor Glück.
∞
„Darf ich bei dir bleiben?“
Über den Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand lief gerade der Abspann einer Komödie, die sie nach einem weiteren auskostenden Kuss und einem kleinen Abendsnack, den sie sich auf das Zimmer hatten bringen lassen, angeschaut hatten. Klaas hob seinen Kopf an, der bis gerade noch auf Jokos Schulter gelegen hatte, und guckte den Blonden an.
„Das soll nicht…“, fügte er noch an, nachdem Joko nicht sofort antwortete. „Also, ich meine… ich glaub‘, ich brauch da noch ‘n bisschen für, bevor—“
„Klausi…“, unterbrach der Ältere ihn sofort und drückte sanft seine Hand. „Wir haben alle Zeit der Welt und müssen nichts überstürzen“, bekräftigte er. „Nur, weil du hier schläfst, müssen wir nicht gleich miteinander schlafen, okay?“
„Okay“, erwiderte Klaas, irgendwie erleichtert, obwohl er gleichzeitig auch überzeugt davon gewesen war, dass Joko keinerlei Erwartungen in diese Richtung gehabt hätte. Dazu war Joko schlichtweg nicht der Typ Mensch. „Dann würd‘ ich kurz rüber in mein Zimmer flitzen und meine Schlafklamotten holen, ja?“
„Ja, mach das gerne.“ Joko drehte sich auf seine Seite und schnappte sich von seinem Nachttisch die zweite Zimmerkarte, um sie anschließend Klaas entgegenzuhalten. „Nimm die mit. Ich spring‘ in der Zwischenzeit kurz unter die Dusche.“
Der Brünette nahm ihm die Karte ab. „Gar keine ausgedehnte Badesession heute?“
„Ne, heute ausnahmsweise nicht“, verneinte der Ältere, leicht schmunzelnd. „Die Motivation schnell fertig zu werden und sich ins Bett zu kuscheln ist überraschenderweise größer.“
Klaas lehnte sich zu ihm und drückte ihm fix seine Lippen auf, was Joko nur allzu euphorisch erwiderte. Trotzdem hielten sie es kurz, da auch Klaas viel lieber gleich richtig mit Joko unter die Bettdecke schlüpfen und es sich gemütlich machen wollte.
„Dann lass das mal machen“, sagte Klaas, stahl sich noch einen letzten Kuss und machte sich dann davon, um in seinem Zimmer das Nötigste für die Nacht zusammenzusuchen.
Er nutzte die Zeit ebenfalls für eine kurze Dusche und um sich die Zähne zu putzen, bevor er bewaffnet mit seiner Zahnbürste und frischen Klamotten für den Folgetag in Jokos Hotelzimmer zurückkehrte.
Der Ältere war noch im Bad zugange, und Klaas musste in sich hineinlachen, als er ihn leicht schief irgendeine Melodie summen hörte, die er nicht kannte. Er legte seine Sachen auf den Stuhl in der Ecke – so fein säuberlich, wie er nur konnte – und legte sich dann auf die linke Betthälfte, auf der er sich irgendwie immer am wohlsten fühlte.
Mit einem Arm hinter dem Kopf guckte er gedankenverloren an die Decke, während er weiterhin Joko zuhörte, wie der im Bad herumraschelte und weiter diese Melodie summte, in die sich immer mal wieder Worte mischten, die das ganze Lied noch etwas krummer klingen ließen.
Aber Klaas liebte es dennoch, und sein Herz pochte kräftig in seinem Brustkorb, als er darüber sinnierte, wie sehr er sich daran gewöhnen könnte, in ihrem Bett auf Joko zu warten, während dieser kleine Privatkonzerte zum Besten gab, die nur er zu hören bekommen würde.
So gedankenverloren und mit einem Lächeln im Gesicht wurde er wenig später von Joko gefunden, der nun nur noch weiße, enge Boxershorts und ein ebenso weißes T-Shirt trug. Er strahlte über das ganze Gesicht, als sich ihre Blicke trafen und der frische Duft, den er mit sich brachte, als er zu Klaas in das Bett schlüpfte, zog den Jüngeren fast automatisch zurück in dessen Arme.
„Daran könnt‘ ich mich auf jeden Fall gewöhnen“, sagte Joko nach einem kurzen Augenblick, in dem Arme und Beine die perfekte Position am und um den Anderen gefunden hatten.
Ob Joko doch Gedanken lesen konnte? Auch durch geschlossene Türen hindurch? In den vergangenen fast drei Monaten hatte Klaas sich das durchaus öfter gefragt, weil Joko ein Talent dafür hatte, die Dinge auszusprechen, die Klaas nur gedacht hatte. Aber vermutlich tickten sie bei aller Unterschiedlichkeit in den wichtigen Dingen dann eben doch auch eher ähnlich, und das war nur eines von vielen Dingen, die Klaas bei ihnen beiden so sehr mochte.
„Woran genau?“, fragte Klaas dennoch, nur um herauszufinden, wie sehr sich ihre Visionen deckten.
„An dich in meinem Bett… mit diesem süßen Lächeln und den strahlendsten blauen Augen.“
Klaas‘ Brauen wölbten sich über seinen zweifelnden Augen. „Hast du mich gerade süß genannt? Ich bin ‘n Rockstar, schon vergessen?“
Der Blonde lachte und zog ihn noch etwas näher an sich. „Wie könnte ich das jemals?“, fragte er und fügte direkt noch an, ehe Klaas antworten konnte. „Und außerdem habe ich dein Lächeln süß genannt, nicht dich, oder?“
Klaas ließ seine Augen noch etwas größer werden. „Achso, weil ich’s nich‘ bin, oder wie?“
„Hey! Erst machst du’s mir zum Vorwurf, dass ich dich süß nenne, und wenn ich’s nicht tu‘, ist es dir auch nicht recht?“
„Natürlich. Macht doch total Sinn, oder etwa nich‘? Gewöhn‘ dich besser da dran.“
Der Ältere lachte erneut, und drückte dann einen Kuss auf Klaas‘ Haarschopf. „Ich glaub‘, das kann ich.“
Danach kehrte für eine Weile Ruhe ein. Joko hatte das Licht am Nachttisch noch nicht abgedreht, aber trotzdem fühlte es sich für Klaas so an, als würde sich der Tag dem Ende zuneigen, und er spürte, wie damit auch langsam die Müdigkeit in seine Poren kroch. Sein Herz schlug immer noch zu schnell und alles in ihm kribbelte, vor allem die Schmetterlinge, die in den vergangenen Stunden noch angewachsen waren. Gleichzeitig legte sich eine friedvolles Wohlbehagen über ihn und lullte ihn ein. Genauso, wie das die Wärme und Geborgenheit tat, die Joko mit ihm teilte.
Was für ein verrückter Tag das nur gewesen war.
An diesem Morgen war er der Verzweiflung noch so nahe gewesen. Da war er der Aufgabe seiner Hoffnung, dass das mit ihm und Joko etwas hätte werden können, noch so nahe gewesen.
Und keine zwölf Stunden später lag er nun hier.
In Jokos Bett.
In Jokos Armen.
Und hatte damit jetzt schon mehr, als er sich jemals erhofft hatte. Jemals erträumt hatte.
Was machte dieser Mann mit ihm?
Was hatte er seit Tag eins mit ihm gemacht?
Es schien immer noch so völlig absurd. Und gleichzeitig eben doch genau so, wie es schon immer hätte sein sollen.
„Alles okay bei dir?“, filterte Jokos Stimme zu ihm hindurch und fing ihn ein.
Der Brünette drehte leicht seinen Kopf, um zu Joko aufschauen zu können. „Ja sicher. Warum?“
Als ob Joko seine Worte schon vorab unterstreichen wollte, drückte er sanft mit seiner Hand Klaas‘ Schulter. „Du bist gerade so angespannt.“
Der Jüngere drehte sich noch ein bisschen weiter, und stützte seinen Kopf dann auf seiner Hand ab. „Es is’ alles in Ordnung“, antwortete er und legte die andere Hand auf Jokos Brust ab. „Ich glaub‘, ich hab‘ gerade nur wieder so ‘n Moment, wo mir das hier alles zu verrückt erscheint, um wahr sein zu können.“
„Das hier mit uns?“, fragte Joko, der ihn durch seine Brille hindurch neugierig und ein wenig amüsiert beobachtete.
„Ja.“ Klaas nickte. „Heut Morgen war ich noch so kurz davor, dich anzuschreien… oder dich einfach ohne Vorwarnung zu küssen. Oder vielleicht auch beides“, gab er ehrlich zu. „Und jetzt sind wir irgendwie trotzdem hier gelandet.“
Joko lachte, und schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf. „Klingt ganz schön dramatisch“, konstatierte er.
„Es war dramatisch“, entgegnete der Jüngere. „Ich wusste einfach nich‘, was ich tun sollte. Weil du die Regeln ja eigentlich von Anfang an klar aufgestellt hattest… und wir uns dann trotzdem fast geküsst hätten.“ Er seufzte leise. „Ich war richtig hart überfordert.“
Der Blonde verwob ihre Finger miteinander und legte sie dann eng verschlungen auf seiner Brust ab. „Tut mir ehrlich leid, dass ich’s so kompliziert gemacht hab‘. Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass das ‘ne richtig dumme Idee war…“
Klaas‘ kompletter Fokus lag auf seinem Freund, um keine Regung des Anderen zu verpassen. „Mich kennenzulernen?“
„Mit dir zu arbeiten, dich kennenzulernen und zu glauben, dass ich das irgendwie trennen könnte. Das war albern. Von Anfang an.“
Die Neugier im Kleineren war geweckt. „Warum hast du’s trotzdem getan?“
„Weil ich wusste, dass du was Besonderes bist. Schon an diesem ersten Abend, als wir durch Berlin gelaufen sind, hab ich’s gewusst.“ Jokos Augen glitten versonnen an Klaas vorbei. „Ich wollte dich unbedingt wiedersehen… und hätte wahrscheinlich jeden einzelnen Tag in diesem Park auf dich gewartet, wenn es hätte sein müssen.“
„Und dann kam alles ganz anders“, stellte Klaas fest, und realisierte in diesem Augenblick, dass sie eigentlich noch nie so richtig über diese ersten Momente ihres Kennenlernens gesprochen hatten. Weil der Zeitpunkt nie der richtige gewesen war. Weil es ihre beiden Welten immer schon irgendwie miteinander vermischt hätte. Viel früher, als sie dafür bereit gewesen wären.
„Ich hatte jede Intention, als ich an diesem Abend in die Florida gelaufen bin, diesen Musiker, den Schmitti so sehr angepriesen hatte, kennenzulernen und mich dann irgendwie höflich und respektvoll aus der Affäre zu ziehen. Jede Intention hatte ich dazu“, beschwor der Ältere und der Tonfall in seiner Stimme ließ auch keinen Zweifel daran. „Und dann standest du da vor mir. Da war ich richtig hart überfordert.“
Klaas musste ob der Wortwahl leise lachen und Jokos Aufmerksamkeit landete wieder ungeteilt auf ihm.
„Eigentlich war ich das seither jeden Tag… weil ich gespürt hab‘, wie das mit uns immer mehr wurde. Und ich ja auch wollte, dass es mehr wurde, auch wenn ich gleichzeitig nicht wusste, wie das gehen sollte.“ Joko seufzte und verfestigte seinen Halt um Klaas. „Also hab‘ ich’s ’ne Weile lang einfach ignoriert. Hab‘ so getan, als wären wir einfach nur Joko und Klaas; zwei Männer, die sich kennenlernen und gern haben und nicht in der Öffentlichkeit stehen, wo das alles in Chaos enden könnte.“
Der Ältere lockerte seinen Griff um Klaas‘ Hand und nutzte seine Finger dann dazu, seinem Freund eine Haarsträhne aus der Stirn zu streifen, während er ihn sehnsuchtsvoll anlächelte.
„Wenn wir geschäftlich zu tun hatten, konnte ich diesen anderen Teil von uns ganz gut ausblenden. Das war so ein bisschen, als würden wir da in einem Paralleluniversum unterwegs sein. Wo beides irgendwie friedlich koexistieren konnte.“
Nachdem die Hand des Braunhaarigen wieder frei war, begann er, kleine Kreise auf Jokos Brustkorb zu zeichnen. „Wie lange ist das gut gegangen?“, wollte er wissen.
„Bis die Gefühle irgendwann zu stark wurden“, antwortete Joko, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. „Als ich dich da vor zwei Wochen fast geküsst hätte, da hab‘ ich es das erste Mal so richtig mit der Angst zu tun bekommen.“
Immer noch drehten seine Finger kleine Kreise auf dem weißen T-Shirt von Joko und er spürte, wie dessen Herz darunter beständig klopfte.
„Angst wovor?“, bohrte Klaas vorsichtig nach, weil er nichts mehr wollte, als zu verstehen, was in diesen Wochen in Joko vorgegangen war.
„Davor, wie stark ich für dich empfinde. Und davor, was das bedeuten würde.“ Joko legte eine Hand auf die von Klaas und verwob ihre Finger miteinander. „Für die längste Zeit konnte ich ja nur glauben, dass du auf Frauen stehst… nicht auf Männer“, erklärte er und seufzte erneut. „Und ich wollte mich da eigentlich in nichts verrennen…“
Jokos Blick wurde nachdenklich. „Und wenn ich mir in schwachen Momenten erlaubt habe zu hoffen, dass du doch mehr empfinden könntest, hatte ich Angst davor, was daraus werden würde… was die Welt daraus machen könnte, wenn sie es erfährt.“
Als würde er sich rückversichern wollen, brachte Joko ihre Gesichter für einen Augenblick näher zusammen und stahl sich einen kurzen, aber sanften Kuss von Klaas.
„Aber im Grunde war’s eh schon zu spät…“, sagte der Ältere schließlich, nachdem sie sich wieder gelöst hatten. „Und ein Zurück hat es irgendwie nicht mehr gegeben.“
Der Brünette wurde nun ebenfalls etwas nachdenklicher, während sein Fokus weiterhin auf Joko verweilte. „Ich bin zwar kein großer Profi in diesen Dingen… aber ein Zurück gab’s wahrscheinlich von Anfang an nie wirklich, oder?“
„Ja, da hast du vermutlich recht“, stimmte der Blonde zu, und das Schmunzeln, das zurück auf seine Lippen kroch, vertrieb zügig die Schwermütigkeit, die kurz von ihnen Besitz zu ergreifen drohte.
Joko löste seine Hand von der des Kleineren und legte sie dafür an dessen Wange. Sein Daumen streifte langsam über seinen Bart und die Berührung sendete eine wohlige Gänsehaut durch Klaas.
„Ich bin wirklich froh, dass ich deine eine Ausnahme bin“, sagte Joko, und die Aufrichtigkeit in seiner Stimme entzog Klaas für einen Augenblick die Fähigkeit normal weiterzuatmen.
Seine Mundwinkel formten sich dennoch zu einem glücklichen Grinsen. „Bin auch ziemlich froh, dass ich deine eine Ausnahme bin“, erwiderte Klaas, und beugte sich leicht über Joko.
In dessen Augen blitzte ein schelmisches Funkeln auf.
„Ziemlich froh?“
„Ziiiemlich froh.“
Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, verband Klaas ihre Lippen, und der Kuss kribbelte von seinen Haarspitzen bis in die Zehen, und bei aller Melodramatik – Joko Winterscheidt zu küssen war mit Abstand das Beste, was Klaas jemals erlebt hatte.
∞∞∞