Deine Melodie in mir
von AlwaysKlako
Kurzbeschreibung
Musik war das Einzige, was Klaas jemals machen wollte. Der große Durchbruch jedoch, der schien nach über zehn Jahren im Business weiter entfernt, als jemals zuvor. Dann lernt der Musiker auf einem Event den charismatischen Joko Winterscheidt kennen, der ihn in seinen Bann zieht und der die Erfüllung von Wünschen und Träumen zu versprechen scheint, von denen Klaas gar nicht wusste, dass er sie hegte. [AU]
GeschichteRomance, Liebesgeschichte / P18 / MaleSlash
Joachim "Joko" Winterscheidt
Klaas Heufer-Umlauf
12.06.2022
05.02.2023
35
188.600
75
Alle Kapitel
231 Reviews
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Dieses Kapitel
6 Reviews
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28.08.2022
5.069
Ihr Lieben,
weiter geht die wilde Fahrt :) vielen lieben Dank wie immer für eure tollen Reaktionen und die vielen Klicks und Herzchen und Sternchen. Ich bin unendlich dankbar ❤
Viel Spaß mit dem neuen Kapitel, einen erholsamen Sonntag euch und einen tollen Start in die neue Woche! Und ganz viel Spaß natürlich auch allen, die in den kommenden zwei Wochen die Dullies live und in Aktion miterleben dürfen :)
Alles Liebe ❤
Die erste Hitzewelle des Sommers hatte Berlin Mitte Juni fest im Griff.
Eine schimmernde Schweißschicht hatte sich auf Klaas‘ Stirn gebildet, während er sich durch die Häuserschluchten und Menschenmassen der Hauptstadt schlängelte, auf dem Weg zu seinem nächsten Termin mit Joko.
Aufregung ließ seine Zellen nervös vibrieren und in den letzten Wochen hatte er sich schon so sehr an dieses Gefühl gewöhnt, dass es ihm sogar unangenehm fehlte, wenn es nicht da war.
Wenn er nicht da war.
Verblüffenderweise hatte sein Kopf allerdings trotzdem ganze Überzeugungsarbeit geleistet und es irgendwie geschafft, sich und Klaas einzureden, dass das alles nichts zu bedeuten hatte. Vielleicht war es aber auch andersherum gewesen und Klaas hatte es seinem Kopf eingeredet. Hinterher konnte er es gar nicht mehr so genau sagen und am Ende war es auch egal.
So oder so jedoch, ob es nun etwas bedeutete oder nicht, existierte diese eine Tatsache nun offenbar in seinem Leben:
Joko Winterscheidt ließ ihn aufgeregt sein.
Mit allem, was er tat und allem, was er sagte.
Und in den vergangenen vier Wochen hatte er viel getan und viel gesagt. Hatte vieles in die Wege geleitet, das Klaas auf seiner Reise helfen würde, und der begann immer mehr daran zu glauben, dass seine Träume vielleicht nicht komplett hoffnungslos waren. Noch war vieles nur in der Vorbereitungsphase; die Termine für Interviews, ein Artikel in einer kommenden Ausgabe der JWD und Planungen für den Dreh eines Musikvideos. Dennoch machten sie jeden Tag ein paar kleine Schritte nach vorne, die Zuversicht und Freude in Klaas schürten.
Diese Aufregung also, die konnte Klaas verstehen. Die war für sein rationales Hirn nachvollziehbar, ohne, dass er irgendetwas von dem, was passierte, relativieren musste.
Die Aufregung hingegen, die er verspürte, wenn er und Joko sich nach wie vor mehrere Male pro Woche zum Laufen trafen, die war eine ganz andere Geschichte. Denn die war alles andere als rational, und an dieser Stelle hatte es in der Tat einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, sich klarzumachen, dass das alles völlig normal war, was die beiden taten.
Es war zugegebenermaßen etwas schwieriger geworden, nachdem ihre „Strafen“ immer häufiger dazu mutiert waren, dass der Verlierer den anderen auf ein Getränk oder eine Kugel Eis – und an Wochenenden sogar das ein oder andere Mal zu einem spontanen Mittagssnack – einladen musste, nur um noch etwas mehr Zeit miteinander zu verbringen. Aber je öfter das vorgekommen war, desto einfacher war es auch geworden, eine gewisse Normalität damit zu verknüpfen.
Außerdem wusste Klaas ja auch, dass es für Joko ohnehin niemals mehr sein würde als ihre Laufduelle und deren Strafen, nachdem der Ältere vor all den Wochen mehr als deutlich Kund getan hatte, dass er sich auf niemanden mehr einlassen würde, mit dem er zusammenarbeitete. Und allein die Tatsache, dass diese Argumentation überhaupt immer mal wieder Klaas‘ Kopf durchkreuzte, der Gedanke, sich auf Joko einzulassen, war immer noch viel zu bekloppt, sodass sich sein Verstand aus Überforderung irgendwann fast von selbst gebeugt und akzeptiert hatte, dass alles, was passierte, völlig normal war. Absolut nichts zu bedeuten hatte.
Die Aufregung in diesem Moment? Die war einfach nur darauf zurückzuführen, dass er gleich einen Fototermin mit Joko haben würde, weil sie heute noch auf seinem Social Media-Account bekannt geben wollten, dass sie nun zusammenarbeiteten, und dass neue und großartige Dinge kommen würden.
Auch das machte Klaas ein bisschen nervös. Die Frage, wie seine Fans reagieren würden. Ob sie sich genauso freuen würden, wie Klaas sich auf dieses Abenteuer freute. Oder ob sie ihn schon verteufeln würden, bevor es richtig losgegangen war.
Joko hatte versprochen, seine Social Media-Expertin Maria das Instagram-Posting engmaschig betreuen zu lassen, jedoch hatte Klaas darauf bestanden, sich selbst so gut es ging darum zu kümmern. Denn auch, wenn ihn der enge und persönliche Kontakt zu seinen Fans manchmal überwältigte oder zu viel war, war es ihm paradoxerweise trotzdem wichtig, ihn zu pflegen.
Zu diesem Thema hatte es in den vergangenen vier Wochen tatsächlich auch mehrere Gespräche und Diskussionen gegeben.
Mit ihm und Joko. Mit ihm und Maria. Und auch mit allen drei zusammen.
Klaas wusste, dass er hier die Unterstützung irgendwann würde zulassen müssen. Wollte ja auch, dass seine Social Media-Präsenz mehr professionell und weniger privat wurde. Doch zumindest für das Einläuten der Veränderung an diesem Tag wollte er die Zügel noch ein letztes Mal komplett alleine in die Hand nehmen. Mit Maria auf Standby.
Der Musiker atmete einmal tief durch die Nervosität hindurch und schob sich anschließend an einer weiteren Stadtführungsgruppe, die den ganzen Bürgersteig blockierte, vorbei. Bevor sich jedoch Unmut über die Rücksichtslosigkeit dieser Menschen in ihm ausbreiten konnte, wurde er glücklicherweise vom Klingeln seines Handys aus dem aufkeimenden Gefühl gerissen.
Nach einem kurzen Zögern, ob er das Telefonat annehmen sollte oder nicht – er hatte Joko versprochen, pünktlich zu sein – konnte er am Ende doch nicht anders, als abzuheben, nachdem er sah, dass es Schmitti war.
„Schmittiii, hi!“, grüßte der Jüngere ihn.
„Hey, Klaas. Na? Alles gut bei dir?“, entgegnete sein Freund.
„Klar, alles bestens. Bin gerade auf dem Weg in die Redaktion.“
„Du bist ja echt richtig busy dieser Tage. Kennt man man gar nicht von dir“, neckte Schmitti den Kleineren und erntete sich damit ein „tzz“, das durch die Leitung schallte.
„Du weißt ja wie’s so ist, mit dem richtigen Ansporn und so, ne?“, schob Klaas hinterher und lief weiter die Straße hinab, während er sich mit seiner freien Hand einmal seine Sonnenbrille zurück auf die Nase schob.
„Na, wenn ich das mal eher gewusst hätte, dass es nur einen blonden, großgewachsenen Schönling braucht, um dich anzuspornen, dann hätt‘ ich schon eher mit der Suche begonnen.“ Ein süffisantes Kichern folgte Schmittis Worten und Klaas konnte nicht umhin festzustellen, dass sein Freund wohl besonders gute Laune hatte.
„Tja, blöd, dass du nich‘ allwissend bist, wa?“, schoss der Brünette zurück und bekam dafür noch ein weiteres Gekicher zu hören.
„Ja, wem sagste das“, erwiderte Schmitti und wurde dann etwas ernster. „Weswegen ich eigentlich anrufe… ich wollte fragen, ob du heute Abend Lust hast, was zu machen? Steven’s vielleicht?“
„Grundsätzlich schon. Aber haste vielleicht Bock zu mir zu kommen und Pizza zu bestellen oder so?”, fragte Klaas und setzte dann auch unmittelbar zu jener Erklärung an, die Thomas zweifelsohne auch erfragt hätte. „Wir wollen heute auf Instagram bekannt geben, dass sich bei mir ‘n bisschen was ändern wird. Deswegen würd‘ ich gern mein Handy und Laptop griffbereit haben.“
Schmitti antwortete nicht sofort, aber die Freude in seiner Stimme war deutlich zu hören, als er es schließlich doch tat. „Das ist ja großartig, dass ihr diesen Schritt nun geht! Dann scheint’s langsam ernst zu werden, oder?“
„Ja, irgendwie schon. Is‘ alles ganz schön aufregend gerade“, gab Klaas zu.
„Kann ich verstehen. Ja, du, dann lass uns bei dir abhängen, wenn das für dich okay ist. Oder wir verschieben es einfach auf einen anderen Abend?“
„Ne, ne, alles gut. Is‘ vielleicht ganz gut, wenn ich nich‘ alleine bin.“ Der Brünette warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Zehn Minuten noch. Und noch ein paar hundert Meter zu laufen. „Wann machste Feierabend?“
„Ich könnte gegen halb acht bei dir sein?“
„Klingt perfekt. Ich stell‘ Bier kalt“, versprach der Jüngere.
„Das klingt in der Tat perfekt“, bestätigte Schmitti mit einem weiteren fröhlichen Glucksen, das so unüblich für den Produzenten war, dass Klaas sich zu wundern begann, was da los war. Allerdings bekam er keine Chance nachzufragen, da Schmitti schneller war. „Aber eine Frage musst du mir noch beantworten, bevor ich hier weitermachen muss.“
Überrascht und neugierig weiteten sich Klaas‘ Augen, während er unbeirrt weiterlief und sein Tempo noch etwas beschleunigte, damit er sein Versprechen gegenüber seinem Manger würde einhalten können.
„Schieß‘ los.“
„Wenn ihr das heute bekannt gebt, heißt das, dass du und Joko jetzt endlich euren Vertrag unterzeichnet habt?“
Klaas wusste zwar nicht, womit genau er gerechnet hatte, aber es musste etwas Schlimmeres gewesen sein, nachdem er jetzt spürte, wie die Anspannung nachließ. Stattdessen war es nun er, der, wenn auch etwas kratzig, gluckste.
„Ja, haben wir. Gestern Nachmittag“, bestätigte der Musiker. „Aber Joko hat sich von den Vertragsbedingungen tatsächlich nicht mehr abbringen lassen.“ Er schüttelte bei dem Gedanken immer noch etwas konsterniert darüber den Kopf.
„Und du hast trotzdem unterzeichnet?“
„Ja, na sicher. Die Alternative wäre gewesen, dass er’s nicht macht“, sagte Klaas und das Gespräch vom Vortag ratterte erneut in aller Klarheit durch seinen Kopf.
„Das sind meine Bedingungen, Klaas. Die Zahlung wird fällig bei Eintritt einer deiner Songs in die deutschen Top-10 oder bei Ausverkauf eines Stadions.“
„Du meinst das wirklich ernst, oder?“
Ein fast schon amüsiertes Lächeln zeichnete die Lippen des Managers, was in Anbetracht der Tatsache, dass das vielleicht das geschäftlichste Treffen war, das sie bisher hatten, beinahe seltsam wirkte. „Tu‘ ich. Der Vertrag hier ist doch Zeichen genug.“
Klaas schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Aber du kannst das doch alles bis dahin nicht wirklich umsonst machen wollen?“
Jokos Lächeln wurde aufrichtiger. „Ich will mit dir kein Geld verdienen, Klaas. Weil ich’s dankenswerterweise auch nicht muss.“ Er nickte ihm rückversichernd zu. „Ich möchte dir helfen und die einzige Bezahlung, die ich brauche und jetzt schon bekomme, ist der Spaß an der ganzen Sache, den ich gerade wiederentdecke.“
Der Musiker musterte ihn prüfend. „Bist du dir wirklich sicher?“
„Sonst würde ich es nicht sagen. Oder vertraglich festhalten.“ Joko verschränkte seine Hände und platzierte sie vor sich auf dem Tisch. „Take it or leave it, Klaas. Für mich ist das nicht verhandelbar.“
Die Körperhaltung und der Ausdruck des Blonden ließen Klaas wissen, dass es keinen Zweck haben würde, noch länger mit ihm darüber zu diskutieren. Und da er gleichzeitig den Gedanken nicht ertrug, nicht mehr mit Joko zusammenzuarbeiten, würde er sich diesem Schicksal wohl oder übel fügen müssen, auch wenn er nicht verstand, wie Joko das in Kauf nehmen konnte.
Eine Frage brannte ihm trotzdem noch ganz besonders auf dem Herzen. „Und was passiert, falls eines der beiden Bedingungen eintreten sollte? Also danach, meine ich?“
„Der Vertrag läuft weiter, bis einer von uns beiden ihn kündigt.“
„Schon. Aber wie sieht’s dann da mit der Vergütung aus?“
Die Schulter des Managers zuckte. „Wie schon gesagt, du bezahlst mich ausreichend mit der Freude und dem Spaß, den mir das Ganze macht. Zerbrich dir bitte nicht so den Kopf darüber.“
Sich den Kopf nicht zu zerbrechen, gehörte nicht zu Klaas‘ Stärken, besonders wenn sich eine Sache objektiv betrachtet so falsch anfühlte, wie jene, Joko für fast umsonst für ihn arbeiten zu lassen. Gleichzeitig gab ihm der Andere nicht den Hauch eines Zweifels, dass es sich für ihn genau so zu einhundert Prozent richtig anfühlte, und mit der Art wie er sprach und Klaas dabei ansah, ließ er Klaas‘ Widerstand erst langsam, dann aber immer schneller schmelzen.
„Können wir wenigstens in den Vertrag aufnehmen, dass wir über die weitere Vergütung zumindest nochmal sprechen, wenn es so weit ist?“
Joko tat ihm den Gefallen und schien zumindest für einen kurzen Augenblick darüber nachzudenken. Danach wandte er sich an Claudia und Ralf, der Anwältin und dem Anwalt der beiden, und nickte ihnen zu. Die zwei Rechtsbeistände tuschelten sofort und begannen anschließend, auf ihren Laptops zu tippen, um diese letzte Klausel aufzunehmen, bevor der Vertrag unterschriftsreif war.
„Wir können gerne darüber sprechen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Aber ich werde dabei bleiben, Klaas. Ich will mit dir kein Geld verdienen.“
Ihre Blicke verhakten sich für mehrere Herzschläge unverrückbar ineinander, und Klaas konnte kaum fassen, was ihm passierte.
„Dieser Joko Winterscheidt scheint ein wirklicher Glücksgriff zu sein“, stellte Schmitti fest und beförderte Klaas damit zurück in die Gegenwart.
Der Braunhaarige brauchte noch einen kurzen Moment, bis sich seine Gedanken wieder eingefunden hatten, dann jedoch kam die Antwort ganz fix. „Ja, das scheint er wirklich zu sein.“
„Darauf sollten wir später anstoßen.“ Das Lächeln in Schmittis Stimme war kaum zu überhören. „Ich bin dann wie besprochen gegen halb acht bei dir, ja?“
„Alles klar. Dann sehen wir uns später.“
Die zwei verabschiedeten sich noch kurz und fünf Minuten später, um 10:57 Uhr, stand Klaas mit kribbelnder Aufregung in Jokos Büro.
„Magst du deine Gitarre vielleicht noch einmal umhängen? Dann machen wir damit noch ein Foto, bevor wir Joko dazu holen, ja?“, schlug die Fotografin Maya vor, die für Klaas‘ Instagram-Beitrag noch ein neues Foto von dem Musiker und seinem Manager schießen sollte.
Bereits seit einer halben Stunde waren sie dabei, Bilder in den verschiedensten Positionen zu machen und insgeheim dachte Klaas bei sich, dass der ganze Aufriss vielleicht ein bisschen übertrieben war. Allerdings war er auch kein Fotograf, weswegen er das Geknipse ohne Widerrede über sich ergehen ließ.
Wie angewiesen, schlüpfte Klaas durch den Gurt und hängte sich seine nachtblaue Yamaha vor den Körper, bevor er erneut auf die hilfreichen Anweisungen von Maya wartete – denn noch weniger, als er ein Fotograf war, war er ein Model, wie er auch bei dem vergangenen Shooting für seine Pressemappe festgestellt hatte.
Schon wenige Sekunden später klackte die schwarze Kamera erneut und Klaas versuchte, der Fotografin mit unterschiedlichen, etwas unbeholfenen Bewegungen so viele Posen wie möglich anzubieten.
Nach weiteren zwei oder drei Minuten setzte Maya die Kamera endlich ab und signalisierte Klaas mit einem breiten Grinsen, dass sie mit den Solo-Shots erst einmal fertig waren.
„Aber behalte die Gitarre am besten gleich an“, sagte sie zu ihm und drehte sich dann zu jener Seite, von der aus Joko das ganze Geschehen beobachtet hatte. „Bist du so weit?“
Klaas‘ Fokus rutschte wie von selbst zu seinem Manager, der gerade noch sein Handy auf dem hohen Bistrotisch ablegte und anschließend zu ihnen herüberkam.
Zum gefühlt einhundertsten Mal an diesem Tag ließ Klaas seinen Blick über den Blonden gleiten, der in seiner schwarzen Jeans und dem pastellgelben Hemd einfach viel zu gut aussah, besonders jetzt, da er den obersten Knopf am Kragen geöffnet und die Ärmel an seinen Unterarmen hochgekrempelt hatte.
Der Größere grinste verschmitzt, als er auf Klaas zumarschierte und auch immer noch, als er sich neben ihn stellte.
„Genau, vielleicht noch einen Schritt näher ran an Klaas“, forderte Maya Joko auf und deutete mit ihrer freien Hand die entsprechende Geste, die den Blonden imaginär näher an Klaas heranschob. „Super. Genau so stehen bleiben.“
Schon klickte die Kamera erneut unzählige Male, während die schwarzhaarige Fotografin langsam ihre Positionen wechselte, um sie in den unterschiedlichsten Winkeln einzufangen. Klaas war sich der Nähe seines Partners wieder einmal mehr als deutlich bewusst, da dieser eine Art von Hitze ausstrahlte, die ihn immer wieder aufs Neue in Beschlag nahm. Ebenso wie es sein unverkennbarer Duft tat; diese herbe Mischung eines markanten Parfums und dem warmen Aroma, das förmlich Joko schrie.
Seine Hitze und dieser Duft wurden auch nicht weniger betörend, als Maya Joko dazu aufforderte, seinen Arm lässig auf Klaas‘ Schulter abzulegen. Der Blonde hatte direkt den Rest der Distanz überwunden, die sie noch getrennt hatte, aber bevor er auch der letzten Aufforderung folgte, sah er Klaas vorsichtig an.
„Ist das okay für dich?“, wisperte er so dumpf, dass sicher nur Klaas es hören konnte. Die Frage und der Blick, der sie begleitete, stellte abermals unerhörte Dinge in der Magengrube des Musikers an.
Erst vor ein paar Tagen hatten sie auf ihrer Laufrunde über ihre größten Macken gesprochen und nachdem Joko so aufrichtig ehrlich gewesen war, hatte Klaas ihm im Gegenzug von seiner ausgeprägten Abneigung beziehungsweise Gleichgültigkeit gegenüber Körperkontakt zu anderen Menschen erzählt. Joko hatte ihn daraufhin aus großen Augen heraus angesehen und darüber referiert, wie es für ihn nichts Belebenderes gab, als die Liebe und Wärme zu verteilen, die zu jeder Zeit in ihm brodelte. Und wie sehr er es genoss, sich anderen Menschen körperlich wie mental verbunden zu fühlen, selbst wenn die Person manchmal nur eine flüchtige Bekanntschaft war. Am Ende seines Monologs hatte es länger als sonst unter Klaas‘ Haut gekribbelt, und noch etwas länger hatte es gedauert, diese Neugier abzuschütteln, die ihn herausfinden lassen wollte, wie sich eine Joko-Umarmung wohl anfühlen würde.
Dass Joko seinem Impuls nach Nähe nun nicht einfach nachgab, sondern sich erst die Erlaubnis von Klaas einholte, bedeutete ihm viel, und wieder flackerte da diese unzähmbare Neugier auf, Jokos Arme um seinen Körper spüren zu wollen.
Nur einmal.
Nur kurz.
Nur, um diese Wissbegier zu stillen.
„Klaas?“, riss der Blonde ihn gerade noch rechtzeitig aus seinem Tagtraum. „Ich muss nicht, wenn—“
„Quatsch, alles okay“, versicherte der Musiker ihm diesmal sofort und lächelte ihm ermutigend zu.
Sein eigener Griff verfestigte sich um den Gitarrenhals seiner Yamaha, die er damit noch etwas näher an sich heranzog, während Joko dasselbe bei ihm tat.
Er packte nicht fest zu, legte seinen Arm nur, wie angewiesen, locker und leger auf Klaas‘ Schulter ab, und obwohl es wahrlich eine nicht unschuldigere Geste hätte sein können, ließ die Nähe des Anderen Klaas innerlich erzittern — mit dem Unterschied, dass es nicht das ihm bekannte Erschaudern war, das für gewöhnlich durch ihn schoss, wenn jemand ihn berührte, sondern ein Erbeben ganz anderer Natur.
Ein angenehmeres, irgendwie.
Wohliger.
Der Halt um seine Yamaha wurde noch etwas fester, in der Hoffnung, dass das Vibrieren ein innerliches bleiben würde, während Maya schon wieder damit begann, sie abzulichten.
Mehrere Augenblicke lang standen sie so da, folgten im Einklang den Anweisungen der Fotografin, die sie bat, sich hierhin und dorthin zu drehen und Klaas hatte gar nicht gemerkt, wie angespannt er war, bis Joko ihm irgendwo zwischen Bild Nummer einhundertfünfzig und zweihundert ein amüsiertes, aber doch raues „Atmen, Klaas“ zugeraunt hatte.
Schlagartig lockerte er seinen Griff um das Instrument, krächzte ein verlegenes Lachen und versuchte dann mit ein paar tiefen Atemzügen, seinen überreagierenden Körper unter Kontrolle zu bringen; was ihm nur schwer gelang, da Joko einfach immer noch viel zu nah war. Immer noch zu viel Wärme ausstrahlte. Immer noch viel zu gut roch. Und es sich immer noch viel zu gut anfühlte, wie er seinen Arm so um ihn gelegt hatte.
Gerade, als jene Erkenntnis Form anzunehmen begann, wie perfekt er in Jokos Seite passte, zerschoss Mayas Stimme den Gedankenfetzen, bevor der Braunhaarige ihn hatte greifen können.
„Vielleicht nimmst du Klaas‘ Gitarre noch für ein paar Shots in die Hand? Und dann haben wir’s, würde ich sagen.“
Joko zog seinen Arm zurück und der einzige Grund, warum die plötzlich auftretende Kälte Klaas nicht mehr kümmerte, war die Tatsache, dass sich sein Halt um seine Gitarre erneut instinktiv verfestigte. Sein Blick fand das blaue Instrument wie von selbst und im Augenwinkel konnte er sehen, wie seine Knöchel beinahe weiß waren, dort, wo er den Hals sicher umschlungen hielt.
Der Musiker gab seine Yamaha nicht aus der Hand.
Niemals.
Niemand außer ihm hatte sie je angefasst, seit er sie nach seinen persönlichen Wünschen hatte umgestalten lassen.
Und jeder wusste, dass niemand sie anfassen durfte.
Jeder außer Maya. Und Joko. Dessen Blick er schon im nächsten Moment auf sich spürte.
Als der Musiker zu ihm aufschaute, fand er die warmen braunen Augen des Managers, der ihn interessiert musterte, und ihn doch so tief vertrauensvoll dabei anguckte. Er stand immer noch sehr nahe. Zu nahe, um wirklich klar genug denken zu können. Was am Ende vielleicht auch die einzige Erklärung dafür war, dass Klaas sich, nach nur einer weiteren Sekunde des Zögerns, den Gitarrengurt von den Schultern schob und das Instrument dem Anderen vorsichtig entgegenhielt.
Joko schien zu spüren oder zu sehen, dass das für Klaas keine Selbstverständlichkeit war, denn erneut fragte er: „Ist das okay für dich?“
Klaas nickte nur und schob sie ihm noch ein Stück mehr entgegen. „Pass nur gut auf bitte, ja? Normalerweise geb‘ ich sie nich‘ aus der Hand“, erklärte er so leise, dass erneut nur sie beide es hören konnten. „Und mit nicht meine ich niemals. Jemals.“
Die goldenen Flecken im Braun seiner Augen begannen zu glitzern, als Joko das Instrument in seine Arme nahm. Der Brünette hielt sie noch so lange fest, bis er sich davon überzeugt hatte, dass es in den Händen des Managers sicher war. Erst dann ließ er los, und stellte sich schließlich seitlich neben ihn.
Da war ein anderes Prickeln jetzt, an jenen Stellen, wo bis gerade noch seine Gitarre verweilt hatte. Denn es fühlte sich seltsam an, das Instrument in seiner Nähe zu wissen, in seiner unmittelbaren Nähe, und sie doch nicht festzuhalten.
Weil das jemand anderes tat.
Eine Sache, die nie passierte. Noch nie passiert war.
Aber hier war er nun.
Mit Joko an seiner Seite.
Der Dinge berührte, die Klaas bisher nie einem anderen erlaubt hatte zu berühren.
Und als er ihn anschaute, ihn beobachtete, mit einem der wichtigsten Bestandteile seines Lebens in dessen Armen…
… da war es seltsam okay.
Weil er Joko vertraute. Und weil er absolut davon überzeugt war, dass Joko es nicht kaputt machen würde. Das hatte der Blonde gar nicht in sich, eine so wichtige Sache kaputt zu machen, selbst wenn eine seiner größten Macken seine Tollpatschigkeit war.
Das hier jedoch, das würde er nicht kaputt machen. Hier würde er nicht stolpern oder es aus Versehen fallen lassen. Das wusste Klaas. Dem war er sich zu eintausend Prozent sicher.
Und es war diese Überzeugung, dieses Vertrauen, das das Prickeln an den leeren Stellen, die seine Gitarre hinterlassen hatte, in jenes Kribbeln verwandelte, das immer noch so völlig absurd war und keinen Sinn ergeben sollte, nur, dass es seinen Körper nun doch mit einer solchen Klarheit befiel, die er selbst mit größter Anstrengung nur noch sehr schwer leugnen konnte.
Was zum Teufel machte dieser Mann mit ihm?
Die Feierabend-Pizza mit Schmitti kam Klaas nach der Verrücktheit, die der Nachmittag gewesen war, gerade recht.
Auch auf dem Nachhauseweg hatte Klaas sich der Offensichtlichkeit des Kribbelns und seiner Gedanken nicht verwehren können, da sie zu kraftvoll und auch viel zu eindeutig gewesen waren. Und auch so viel hartnäckiger als jemals zuvor. Mehr denn je spürte Klaas, dass er sich diesen Gedanken stellen sollte. Stellen musste.
Dass er sich ihnen stellen würde, weil es irgendwie unausweichlich schien, mit jeder weiteren Minute, die verging.
Mit jeder weiteren Minute, die er damit zubrachte, auf das Foto von sich und Joko zu starren, auf das sie sich nach dem Shooting geeinigt hatten. Das Foto, in dem Joko seine Welt in dem Armen hielt, sicher und schützend, mit einem verschmitzten Grinsen, das er Klaas zuwarf, der im Gegenzug seine Hand nach seiner Gitarre ausgestreckt hatte.
Sie waren sich ohne Diskussion einig gewesen, dass ihnen beiden das am besten gefallen hatte, und Maya hatte es direkt noch final bearbeitet und ihnen anschließend online zur Verfügung gestellt.
Auf ebendieses Bild gaffte er bereits seit etwa einer halben Stunde und tat das auch noch mindestens eine weitere Minute lang, bevor sein Blick endlich auch den Text darunter fixieren konnte.
Er las sich den Text noch mehrere Male durch, korrigierte hier und da noch die ein oder andere Stelle und begutachtete dann noch einmal die beiden Fotos, die dieses Posting begleiten sollten. Erst für einen kurzen Augenblick sein Solo-Bild an erster Stelle. Und für einen deutlich längeren Augenblick noch einmal das Bild von sich und Joko.
Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte Klaas, sich zu beruhigen. Von der Nervosität, diesen Beitrag abzusetzen und der Ungewissheit, wie seine Fans reagieren würden, aber auch von all den anderen Gedanken und Emotionen, die in seinem Kopf bereits jetzt schon eine wilde Party feierten, zu der er nicht eingeladen war und doch unfreiwillig gezerrt wurde.
Ja. Er würde sich dem allen stellen müssen. Den Reaktionen seiner Fans und den Implikationen seiner Erkenntnisse, und gerade in diesem Moment wusste er nicht, was ihm mehr Angst einjagte.
Noch einmal atmete Klaas tief ein und wieder aus.
Und dann stieß er die eine Sache an, bei der er sich fühlte, als würde er sie zumindest etwas besser kontrollieren können als die andere, und drückte schließlich auf den „Teilen“-Button.
Danach postete er den Beitrag auch in seiner Story und schickte noch ein kurzes persönliches Video hinterher, in dem er im Grunde jedoch auch nur das wiederholte, was bereits unter den Bildern geschrieben stand.
Die ersten Likes kamen im Bruchteil einer Sekunde, und weitere Herzchen und Kommentare folgten schnell. Bevor er sich jedoch darum kümmern wollte, musste er noch einem Versprechen nachkommen, das ihn direkt zu der zweiten Sache führte, die er weniger unter Kontrolle zu haben schien.
Der Brünette musste gar nicht lange warten – also eigentlich musste er gar nicht warten – bis Joko online kam und die beiden Häkchen von Grau auf Blau sprangen.
schon gesehen ;) wir haben ein auge
mit drauf. melde dich, wenn du
unterstützung brauchst :)
19:02 Uhr
Ein Lächeln schlich sich auf Klaas‘ Lippen als er Jokos Worte las, auch wenn die Nachricht so gesehen eigentlich gar nichts Besonderes war. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass Joko so schnell reagiert hatte, die Klaas grinsen ließ, und das Wissen, das damit einherging, dass der andere da war. Immer nur ein Wort weit entfernt.
Wieder dauerte es nur sehr kurz, bis Joko online kam, um die Nachricht zu lesen. Allerdings war er auch genauso schnell wieder verschwunden und schien darauf nicht mehr antworten zu wollen.
Klaas behielt sein Handy noch einen Moment in der Hand und wartete, ob der Andere vielleicht doch nochmal zurückkommen würde. Er scrollte währenddessen ein Stück nach oben, durch die Nachrichten hindurch, die hauptsächlich privater Natur waren, um sich für ihre Läufe oder ihre „Strafen“ zu verabreden. Sie waren beide nicht die größten Texter, wie Klaas schon mehrmals festgestellt hatte, und auch jetzt musste er wieder schmunzeln, wie kurz und knapp ihre Nachrichten teilweise oft waren, und wie aus ihnen doch die besten Erlebnisse und Erinnerungen entstanden waren in den vergangenen Wochen.
Er gab dem Verlauf noch einen Schubs nach unten, um zu den letzten Nachrichten zurückzukehren und indessen begannen seine Finger schon zu tippen, was er noch gar nicht gewagt hatte, klar in Gedanken zu formulieren.
Es dauerte diesmal einen Moment länger, bis Joko online kam, dafür tippte er jedoch auch sofort eine Antwort ein.
sorry du, aber ich hab morgen
vormittag leider einen termin,
den ich nicht verschieben kann :(
19:06 Uhr
Klaas las die Antwort zwei oder drei Mal durch und versuchte, das Ziepen in seiner Seite dabei zu ignorieren. Mal wieder eine Laufrunde ohne Begleitung würde ihm schließlich sicher auch guttun. Das hatte er nicht mehr gemacht, seit er Joko kennengelernt hatte, und vielleicht würde es ihm ja helfen, seine Gedanken in Bezug auf den Mann, der alles in seinem Kopf auf den Kopf gestellt hatte, zu sortieren.
Der Blonde war noch online und die Häkchen wurden direkt blau. Er begann nicht wie eben, sofort zu tippen, aber er schien die App auch nicht zu schließen.
Gerade, als Klaas schon dachte, dass Joko vielleicht einfach nur in einen anderen Chat gehüpft war, verwandelte sich das Wort „Online“ in „Schreibt…“, was wie so oft zu einem beschleunigten Herzschlag führte, gegen den sich der Braunhaarige schon gar nicht mehr wehrte.
oder
19:09 Uhr
Mehrere Male sprangen die Worte „Online“ und „Schreibt…“ hin und her. Einmal war Joko sogar komplett offline, ehe er wieder kam und sich die beiden Worte noch zweimal abwechselten, was Klaas beinahe in den Wahnsinn trieb. Er kam sich auch fast albern dabei vor, so lange auf den Chatverlauf zu starren, wo er die Zeit eigentlich dafür nutzen könnte und sollte, nach seinem Beitrag zu sehen und eventuell den ein oder anderen Kommentar zu beantworten.
Trotzdem wartete er wie gebannt auf die Antwort.
oder wir treffen uns morgen
abend auf einen spaziergang?
und ein abendessen?
19:13 Uhr
So sehr Klaas auf Jokos Nachricht gewartet hatte, so wenig hatte er mit deren Inhalt gerechnet. Nicht, dass er nach dem „oder“ zwischen seinen wilden Herzstolperern mit irgendetwas gerechnet oder etwas erwartet hätte.
Aber das? Das kam auf der nicht existierenden Liste von Möglichkeiten sicher ziemlich ganz weit unten.
Denn das? Das war neu.
Nicht der Spaziergang oder das Essen per se. Aber die Tatsache, dass es passierte, ohne, dass ein verlorenes Laufduell sie zuvor dazu verdonnert hatte.
Das war…
ich lad dich ein. ein abendessen
mit dir könnte eh nie ne strafe sein.
19:17 Uhr
Ja, das war neu.
Und es war völlig verrückt.
So verrückt, wie der Wirbelsturm in Klaas‘ Kopf, der mit einem Mal alles wegfegte und nur eine Sache zurückließ.
ich kümmere mich morgen um
eine reservierung, dann gebe ich
dir bescheid, ja?
19:24 Uhr
Das war absolut und völlig verrückt. Das alles, was gerade passierte, war einfach nur verrückt.
Vielleicht zitterte Klaas‘ Zeigefinger ein klein wenig, als er erst das Finger-Emoji antippte, welches das OK-Zeichen formte, und anschließend einen lächelnden Smiley.
Der Wirbelsturm wütete weiter, blies nach wie vor alles, was nicht den Namen Joko trug, erfolgreich aus seinem Kopf, und erlaubte es nur einer weiteren Wahrheit, zurückzubleiben.
Das war…
… ein Date.
Oder?
weiter geht die wilde Fahrt :) vielen lieben Dank wie immer für eure tollen Reaktionen und die vielen Klicks und Herzchen und Sternchen. Ich bin unendlich dankbar ❤
Viel Spaß mit dem neuen Kapitel, einen erholsamen Sonntag euch und einen tollen Start in die neue Woche! Und ganz viel Spaß natürlich auch allen, die in den kommenden zwei Wochen die Dullies live und in Aktion miterleben dürfen :)
Alles Liebe ❤
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Kapitel 12
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Kapitel 12
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Die erste Hitzewelle des Sommers hatte Berlin Mitte Juni fest im Griff.
Eine schimmernde Schweißschicht hatte sich auf Klaas‘ Stirn gebildet, während er sich durch die Häuserschluchten und Menschenmassen der Hauptstadt schlängelte, auf dem Weg zu seinem nächsten Termin mit Joko.
Aufregung ließ seine Zellen nervös vibrieren und in den letzten Wochen hatte er sich schon so sehr an dieses Gefühl gewöhnt, dass es ihm sogar unangenehm fehlte, wenn es nicht da war.
Wenn er nicht da war.
Verblüffenderweise hatte sein Kopf allerdings trotzdem ganze Überzeugungsarbeit geleistet und es irgendwie geschafft, sich und Klaas einzureden, dass das alles nichts zu bedeuten hatte. Vielleicht war es aber auch andersherum gewesen und Klaas hatte es seinem Kopf eingeredet. Hinterher konnte er es gar nicht mehr so genau sagen und am Ende war es auch egal.
So oder so jedoch, ob es nun etwas bedeutete oder nicht, existierte diese eine Tatsache nun offenbar in seinem Leben:
Joko Winterscheidt ließ ihn aufgeregt sein.
Mit allem, was er tat und allem, was er sagte.
Und in den vergangenen vier Wochen hatte er viel getan und viel gesagt. Hatte vieles in die Wege geleitet, das Klaas auf seiner Reise helfen würde, und der begann immer mehr daran zu glauben, dass seine Träume vielleicht nicht komplett hoffnungslos waren. Noch war vieles nur in der Vorbereitungsphase; die Termine für Interviews, ein Artikel in einer kommenden Ausgabe der JWD und Planungen für den Dreh eines Musikvideos. Dennoch machten sie jeden Tag ein paar kleine Schritte nach vorne, die Zuversicht und Freude in Klaas schürten.
Diese Aufregung also, die konnte Klaas verstehen. Die war für sein rationales Hirn nachvollziehbar, ohne, dass er irgendetwas von dem, was passierte, relativieren musste.
Die Aufregung hingegen, die er verspürte, wenn er und Joko sich nach wie vor mehrere Male pro Woche zum Laufen trafen, die war eine ganz andere Geschichte. Denn die war alles andere als rational, und an dieser Stelle hatte es in der Tat einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, sich klarzumachen, dass das alles völlig normal war, was die beiden taten.
Es war zugegebenermaßen etwas schwieriger geworden, nachdem ihre „Strafen“ immer häufiger dazu mutiert waren, dass der Verlierer den anderen auf ein Getränk oder eine Kugel Eis – und an Wochenenden sogar das ein oder andere Mal zu einem spontanen Mittagssnack – einladen musste, nur um noch etwas mehr Zeit miteinander zu verbringen. Aber je öfter das vorgekommen war, desto einfacher war es auch geworden, eine gewisse Normalität damit zu verknüpfen.
Außerdem wusste Klaas ja auch, dass es für Joko ohnehin niemals mehr sein würde als ihre Laufduelle und deren Strafen, nachdem der Ältere vor all den Wochen mehr als deutlich Kund getan hatte, dass er sich auf niemanden mehr einlassen würde, mit dem er zusammenarbeitete. Und allein die Tatsache, dass diese Argumentation überhaupt immer mal wieder Klaas‘ Kopf durchkreuzte, der Gedanke, sich auf Joko einzulassen, war immer noch viel zu bekloppt, sodass sich sein Verstand aus Überforderung irgendwann fast von selbst gebeugt und akzeptiert hatte, dass alles, was passierte, völlig normal war. Absolut nichts zu bedeuten hatte.
Die Aufregung in diesem Moment? Die war einfach nur darauf zurückzuführen, dass er gleich einen Fototermin mit Joko haben würde, weil sie heute noch auf seinem Social Media-Account bekannt geben wollten, dass sie nun zusammenarbeiteten, und dass neue und großartige Dinge kommen würden.
Auch das machte Klaas ein bisschen nervös. Die Frage, wie seine Fans reagieren würden. Ob sie sich genauso freuen würden, wie Klaas sich auf dieses Abenteuer freute. Oder ob sie ihn schon verteufeln würden, bevor es richtig losgegangen war.
Joko hatte versprochen, seine Social Media-Expertin Maria das Instagram-Posting engmaschig betreuen zu lassen, jedoch hatte Klaas darauf bestanden, sich selbst so gut es ging darum zu kümmern. Denn auch, wenn ihn der enge und persönliche Kontakt zu seinen Fans manchmal überwältigte oder zu viel war, war es ihm paradoxerweise trotzdem wichtig, ihn zu pflegen.
Zu diesem Thema hatte es in den vergangenen vier Wochen tatsächlich auch mehrere Gespräche und Diskussionen gegeben.
Mit ihm und Joko. Mit ihm und Maria. Und auch mit allen drei zusammen.
Klaas wusste, dass er hier die Unterstützung irgendwann würde zulassen müssen. Wollte ja auch, dass seine Social Media-Präsenz mehr professionell und weniger privat wurde. Doch zumindest für das Einläuten der Veränderung an diesem Tag wollte er die Zügel noch ein letztes Mal komplett alleine in die Hand nehmen. Mit Maria auf Standby.
Der Musiker atmete einmal tief durch die Nervosität hindurch und schob sich anschließend an einer weiteren Stadtführungsgruppe, die den ganzen Bürgersteig blockierte, vorbei. Bevor sich jedoch Unmut über die Rücksichtslosigkeit dieser Menschen in ihm ausbreiten konnte, wurde er glücklicherweise vom Klingeln seines Handys aus dem aufkeimenden Gefühl gerissen.
Nach einem kurzen Zögern, ob er das Telefonat annehmen sollte oder nicht – er hatte Joko versprochen, pünktlich zu sein – konnte er am Ende doch nicht anders, als abzuheben, nachdem er sah, dass es Schmitti war.
„Schmittiii, hi!“, grüßte der Jüngere ihn.
„Hey, Klaas. Na? Alles gut bei dir?“, entgegnete sein Freund.
„Klar, alles bestens. Bin gerade auf dem Weg in die Redaktion.“
„Du bist ja echt richtig busy dieser Tage. Kennt man man gar nicht von dir“, neckte Schmitti den Kleineren und erntete sich damit ein „tzz“, das durch die Leitung schallte.
„Du weißt ja wie’s so ist, mit dem richtigen Ansporn und so, ne?“, schob Klaas hinterher und lief weiter die Straße hinab, während er sich mit seiner freien Hand einmal seine Sonnenbrille zurück auf die Nase schob.
„Na, wenn ich das mal eher gewusst hätte, dass es nur einen blonden, großgewachsenen Schönling braucht, um dich anzuspornen, dann hätt‘ ich schon eher mit der Suche begonnen.“ Ein süffisantes Kichern folgte Schmittis Worten und Klaas konnte nicht umhin festzustellen, dass sein Freund wohl besonders gute Laune hatte.
„Tja, blöd, dass du nich‘ allwissend bist, wa?“, schoss der Brünette zurück und bekam dafür noch ein weiteres Gekicher zu hören.
„Ja, wem sagste das“, erwiderte Schmitti und wurde dann etwas ernster. „Weswegen ich eigentlich anrufe… ich wollte fragen, ob du heute Abend Lust hast, was zu machen? Steven’s vielleicht?“
„Grundsätzlich schon. Aber haste vielleicht Bock zu mir zu kommen und Pizza zu bestellen oder so?”, fragte Klaas und setzte dann auch unmittelbar zu jener Erklärung an, die Thomas zweifelsohne auch erfragt hätte. „Wir wollen heute auf Instagram bekannt geben, dass sich bei mir ‘n bisschen was ändern wird. Deswegen würd‘ ich gern mein Handy und Laptop griffbereit haben.“
Schmitti antwortete nicht sofort, aber die Freude in seiner Stimme war deutlich zu hören, als er es schließlich doch tat. „Das ist ja großartig, dass ihr diesen Schritt nun geht! Dann scheint’s langsam ernst zu werden, oder?“
„Ja, irgendwie schon. Is‘ alles ganz schön aufregend gerade“, gab Klaas zu.
„Kann ich verstehen. Ja, du, dann lass uns bei dir abhängen, wenn das für dich okay ist. Oder wir verschieben es einfach auf einen anderen Abend?“
„Ne, ne, alles gut. Is‘ vielleicht ganz gut, wenn ich nich‘ alleine bin.“ Der Brünette warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Zehn Minuten noch. Und noch ein paar hundert Meter zu laufen. „Wann machste Feierabend?“
„Ich könnte gegen halb acht bei dir sein?“
„Klingt perfekt. Ich stell‘ Bier kalt“, versprach der Jüngere.
„Das klingt in der Tat perfekt“, bestätigte Schmitti mit einem weiteren fröhlichen Glucksen, das so unüblich für den Produzenten war, dass Klaas sich zu wundern begann, was da los war. Allerdings bekam er keine Chance nachzufragen, da Schmitti schneller war. „Aber eine Frage musst du mir noch beantworten, bevor ich hier weitermachen muss.“
Überrascht und neugierig weiteten sich Klaas‘ Augen, während er unbeirrt weiterlief und sein Tempo noch etwas beschleunigte, damit er sein Versprechen gegenüber seinem Manger würde einhalten können.
„Schieß‘ los.“
„Wenn ihr das heute bekannt gebt, heißt das, dass du und Joko jetzt endlich euren Vertrag unterzeichnet habt?“
Klaas wusste zwar nicht, womit genau er gerechnet hatte, aber es musste etwas Schlimmeres gewesen sein, nachdem er jetzt spürte, wie die Anspannung nachließ. Stattdessen war es nun er, der, wenn auch etwas kratzig, gluckste.
„Ja, haben wir. Gestern Nachmittag“, bestätigte der Musiker. „Aber Joko hat sich von den Vertragsbedingungen tatsächlich nicht mehr abbringen lassen.“ Er schüttelte bei dem Gedanken immer noch etwas konsterniert darüber den Kopf.
„Und du hast trotzdem unterzeichnet?“
„Ja, na sicher. Die Alternative wäre gewesen, dass er’s nicht macht“, sagte Klaas und das Gespräch vom Vortag ratterte erneut in aller Klarheit durch seinen Kopf.
„Das sind meine Bedingungen, Klaas. Die Zahlung wird fällig bei Eintritt einer deiner Songs in die deutschen Top-10 oder bei Ausverkauf eines Stadions.“
„Du meinst das wirklich ernst, oder?“
Ein fast schon amüsiertes Lächeln zeichnete die Lippen des Managers, was in Anbetracht der Tatsache, dass das vielleicht das geschäftlichste Treffen war, das sie bisher hatten, beinahe seltsam wirkte. „Tu‘ ich. Der Vertrag hier ist doch Zeichen genug.“
Klaas schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Aber du kannst das doch alles bis dahin nicht wirklich umsonst machen wollen?“
Jokos Lächeln wurde aufrichtiger. „Ich will mit dir kein Geld verdienen, Klaas. Weil ich’s dankenswerterweise auch nicht muss.“ Er nickte ihm rückversichernd zu. „Ich möchte dir helfen und die einzige Bezahlung, die ich brauche und jetzt schon bekomme, ist der Spaß an der ganzen Sache, den ich gerade wiederentdecke.“
Der Musiker musterte ihn prüfend. „Bist du dir wirklich sicher?“
„Sonst würde ich es nicht sagen. Oder vertraglich festhalten.“ Joko verschränkte seine Hände und platzierte sie vor sich auf dem Tisch. „Take it or leave it, Klaas. Für mich ist das nicht verhandelbar.“
Die Körperhaltung und der Ausdruck des Blonden ließen Klaas wissen, dass es keinen Zweck haben würde, noch länger mit ihm darüber zu diskutieren. Und da er gleichzeitig den Gedanken nicht ertrug, nicht mehr mit Joko zusammenzuarbeiten, würde er sich diesem Schicksal wohl oder übel fügen müssen, auch wenn er nicht verstand, wie Joko das in Kauf nehmen konnte.
Eine Frage brannte ihm trotzdem noch ganz besonders auf dem Herzen. „Und was passiert, falls eines der beiden Bedingungen eintreten sollte? Also danach, meine ich?“
„Der Vertrag läuft weiter, bis einer von uns beiden ihn kündigt.“
„Schon. Aber wie sieht’s dann da mit der Vergütung aus?“
Die Schulter des Managers zuckte. „Wie schon gesagt, du bezahlst mich ausreichend mit der Freude und dem Spaß, den mir das Ganze macht. Zerbrich dir bitte nicht so den Kopf darüber.“
Sich den Kopf nicht zu zerbrechen, gehörte nicht zu Klaas‘ Stärken, besonders wenn sich eine Sache objektiv betrachtet so falsch anfühlte, wie jene, Joko für fast umsonst für ihn arbeiten zu lassen. Gleichzeitig gab ihm der Andere nicht den Hauch eines Zweifels, dass es sich für ihn genau so zu einhundert Prozent richtig anfühlte, und mit der Art wie er sprach und Klaas dabei ansah, ließ er Klaas‘ Widerstand erst langsam, dann aber immer schneller schmelzen.
„Können wir wenigstens in den Vertrag aufnehmen, dass wir über die weitere Vergütung zumindest nochmal sprechen, wenn es so weit ist?“
Joko tat ihm den Gefallen und schien zumindest für einen kurzen Augenblick darüber nachzudenken. Danach wandte er sich an Claudia und Ralf, der Anwältin und dem Anwalt der beiden, und nickte ihnen zu. Die zwei Rechtsbeistände tuschelten sofort und begannen anschließend, auf ihren Laptops zu tippen, um diese letzte Klausel aufzunehmen, bevor der Vertrag unterschriftsreif war.
„Wir können gerne darüber sprechen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Aber ich werde dabei bleiben, Klaas. Ich will mit dir kein Geld verdienen.“
Ihre Blicke verhakten sich für mehrere Herzschläge unverrückbar ineinander, und Klaas konnte kaum fassen, was ihm passierte.
„Dieser Joko Winterscheidt scheint ein wirklicher Glücksgriff zu sein“, stellte Schmitti fest und beförderte Klaas damit zurück in die Gegenwart.
Der Braunhaarige brauchte noch einen kurzen Moment, bis sich seine Gedanken wieder eingefunden hatten, dann jedoch kam die Antwort ganz fix. „Ja, das scheint er wirklich zu sein.“
„Darauf sollten wir später anstoßen.“ Das Lächeln in Schmittis Stimme war kaum zu überhören. „Ich bin dann wie besprochen gegen halb acht bei dir, ja?“
„Alles klar. Dann sehen wir uns später.“
Die zwei verabschiedeten sich noch kurz und fünf Minuten später, um 10:57 Uhr, stand Klaas mit kribbelnder Aufregung in Jokos Büro.
∞
„Magst du deine Gitarre vielleicht noch einmal umhängen? Dann machen wir damit noch ein Foto, bevor wir Joko dazu holen, ja?“, schlug die Fotografin Maya vor, die für Klaas‘ Instagram-Beitrag noch ein neues Foto von dem Musiker und seinem Manager schießen sollte.
Bereits seit einer halben Stunde waren sie dabei, Bilder in den verschiedensten Positionen zu machen und insgeheim dachte Klaas bei sich, dass der ganze Aufriss vielleicht ein bisschen übertrieben war. Allerdings war er auch kein Fotograf, weswegen er das Geknipse ohne Widerrede über sich ergehen ließ.
Wie angewiesen, schlüpfte Klaas durch den Gurt und hängte sich seine nachtblaue Yamaha vor den Körper, bevor er erneut auf die hilfreichen Anweisungen von Maya wartete – denn noch weniger, als er ein Fotograf war, war er ein Model, wie er auch bei dem vergangenen Shooting für seine Pressemappe festgestellt hatte.
Schon wenige Sekunden später klackte die schwarze Kamera erneut und Klaas versuchte, der Fotografin mit unterschiedlichen, etwas unbeholfenen Bewegungen so viele Posen wie möglich anzubieten.
Nach weiteren zwei oder drei Minuten setzte Maya die Kamera endlich ab und signalisierte Klaas mit einem breiten Grinsen, dass sie mit den Solo-Shots erst einmal fertig waren.
„Aber behalte die Gitarre am besten gleich an“, sagte sie zu ihm und drehte sich dann zu jener Seite, von der aus Joko das ganze Geschehen beobachtet hatte. „Bist du so weit?“
Klaas‘ Fokus rutschte wie von selbst zu seinem Manager, der gerade noch sein Handy auf dem hohen Bistrotisch ablegte und anschließend zu ihnen herüberkam.
Zum gefühlt einhundertsten Mal an diesem Tag ließ Klaas seinen Blick über den Blonden gleiten, der in seiner schwarzen Jeans und dem pastellgelben Hemd einfach viel zu gut aussah, besonders jetzt, da er den obersten Knopf am Kragen geöffnet und die Ärmel an seinen Unterarmen hochgekrempelt hatte.
Der Größere grinste verschmitzt, als er auf Klaas zumarschierte und auch immer noch, als er sich neben ihn stellte.
„Genau, vielleicht noch einen Schritt näher ran an Klaas“, forderte Maya Joko auf und deutete mit ihrer freien Hand die entsprechende Geste, die den Blonden imaginär näher an Klaas heranschob. „Super. Genau so stehen bleiben.“
Schon klickte die Kamera erneut unzählige Male, während die schwarzhaarige Fotografin langsam ihre Positionen wechselte, um sie in den unterschiedlichsten Winkeln einzufangen. Klaas war sich der Nähe seines Partners wieder einmal mehr als deutlich bewusst, da dieser eine Art von Hitze ausstrahlte, die ihn immer wieder aufs Neue in Beschlag nahm. Ebenso wie es sein unverkennbarer Duft tat; diese herbe Mischung eines markanten Parfums und dem warmen Aroma, das förmlich Joko schrie.
Seine Hitze und dieser Duft wurden auch nicht weniger betörend, als Maya Joko dazu aufforderte, seinen Arm lässig auf Klaas‘ Schulter abzulegen. Der Blonde hatte direkt den Rest der Distanz überwunden, die sie noch getrennt hatte, aber bevor er auch der letzten Aufforderung folgte, sah er Klaas vorsichtig an.
„Ist das okay für dich?“, wisperte er so dumpf, dass sicher nur Klaas es hören konnte. Die Frage und der Blick, der sie begleitete, stellte abermals unerhörte Dinge in der Magengrube des Musikers an.
Erst vor ein paar Tagen hatten sie auf ihrer Laufrunde über ihre größten Macken gesprochen und nachdem Joko so aufrichtig ehrlich gewesen war, hatte Klaas ihm im Gegenzug von seiner ausgeprägten Abneigung beziehungsweise Gleichgültigkeit gegenüber Körperkontakt zu anderen Menschen erzählt. Joko hatte ihn daraufhin aus großen Augen heraus angesehen und darüber referiert, wie es für ihn nichts Belebenderes gab, als die Liebe und Wärme zu verteilen, die zu jeder Zeit in ihm brodelte. Und wie sehr er es genoss, sich anderen Menschen körperlich wie mental verbunden zu fühlen, selbst wenn die Person manchmal nur eine flüchtige Bekanntschaft war. Am Ende seines Monologs hatte es länger als sonst unter Klaas‘ Haut gekribbelt, und noch etwas länger hatte es gedauert, diese Neugier abzuschütteln, die ihn herausfinden lassen wollte, wie sich eine Joko-Umarmung wohl anfühlen würde.
Dass Joko seinem Impuls nach Nähe nun nicht einfach nachgab, sondern sich erst die Erlaubnis von Klaas einholte, bedeutete ihm viel, und wieder flackerte da diese unzähmbare Neugier auf, Jokos Arme um seinen Körper spüren zu wollen.
Nur einmal.
Nur kurz.
Nur, um diese Wissbegier zu stillen.
„Klaas?“, riss der Blonde ihn gerade noch rechtzeitig aus seinem Tagtraum. „Ich muss nicht, wenn—“
„Quatsch, alles okay“, versicherte der Musiker ihm diesmal sofort und lächelte ihm ermutigend zu.
Sein eigener Griff verfestigte sich um den Gitarrenhals seiner Yamaha, die er damit noch etwas näher an sich heranzog, während Joko dasselbe bei ihm tat.
Er packte nicht fest zu, legte seinen Arm nur, wie angewiesen, locker und leger auf Klaas‘ Schulter ab, und obwohl es wahrlich eine nicht unschuldigere Geste hätte sein können, ließ die Nähe des Anderen Klaas innerlich erzittern — mit dem Unterschied, dass es nicht das ihm bekannte Erschaudern war, das für gewöhnlich durch ihn schoss, wenn jemand ihn berührte, sondern ein Erbeben ganz anderer Natur.
Ein angenehmeres, irgendwie.
Wohliger.
Der Halt um seine Yamaha wurde noch etwas fester, in der Hoffnung, dass das Vibrieren ein innerliches bleiben würde, während Maya schon wieder damit begann, sie abzulichten.
Mehrere Augenblicke lang standen sie so da, folgten im Einklang den Anweisungen der Fotografin, die sie bat, sich hierhin und dorthin zu drehen und Klaas hatte gar nicht gemerkt, wie angespannt er war, bis Joko ihm irgendwo zwischen Bild Nummer einhundertfünfzig und zweihundert ein amüsiertes, aber doch raues „Atmen, Klaas“ zugeraunt hatte.
Schlagartig lockerte er seinen Griff um das Instrument, krächzte ein verlegenes Lachen und versuchte dann mit ein paar tiefen Atemzügen, seinen überreagierenden Körper unter Kontrolle zu bringen; was ihm nur schwer gelang, da Joko einfach immer noch viel zu nah war. Immer noch zu viel Wärme ausstrahlte. Immer noch viel zu gut roch. Und es sich immer noch viel zu gut anfühlte, wie er seinen Arm so um ihn gelegt hatte.
Gerade, als jene Erkenntnis Form anzunehmen begann, wie perfekt er in Jokos Seite passte, zerschoss Mayas Stimme den Gedankenfetzen, bevor der Braunhaarige ihn hatte greifen können.
„Vielleicht nimmst du Klaas‘ Gitarre noch für ein paar Shots in die Hand? Und dann haben wir’s, würde ich sagen.“
Joko zog seinen Arm zurück und der einzige Grund, warum die plötzlich auftretende Kälte Klaas nicht mehr kümmerte, war die Tatsache, dass sich sein Halt um seine Gitarre erneut instinktiv verfestigte. Sein Blick fand das blaue Instrument wie von selbst und im Augenwinkel konnte er sehen, wie seine Knöchel beinahe weiß waren, dort, wo er den Hals sicher umschlungen hielt.
Der Musiker gab seine Yamaha nicht aus der Hand.
Niemals.
Niemand außer ihm hatte sie je angefasst, seit er sie nach seinen persönlichen Wünschen hatte umgestalten lassen.
Und jeder wusste, dass niemand sie anfassen durfte.
Jeder außer Maya. Und Joko. Dessen Blick er schon im nächsten Moment auf sich spürte.
Als der Musiker zu ihm aufschaute, fand er die warmen braunen Augen des Managers, der ihn interessiert musterte, und ihn doch so tief vertrauensvoll dabei anguckte. Er stand immer noch sehr nahe. Zu nahe, um wirklich klar genug denken zu können. Was am Ende vielleicht auch die einzige Erklärung dafür war, dass Klaas sich, nach nur einer weiteren Sekunde des Zögerns, den Gitarrengurt von den Schultern schob und das Instrument dem Anderen vorsichtig entgegenhielt.
Joko schien zu spüren oder zu sehen, dass das für Klaas keine Selbstverständlichkeit war, denn erneut fragte er: „Ist das okay für dich?“
Klaas nickte nur und schob sie ihm noch ein Stück mehr entgegen. „Pass nur gut auf bitte, ja? Normalerweise geb‘ ich sie nich‘ aus der Hand“, erklärte er so leise, dass erneut nur sie beide es hören konnten. „Und mit nicht meine ich niemals. Jemals.“
Die goldenen Flecken im Braun seiner Augen begannen zu glitzern, als Joko das Instrument in seine Arme nahm. Der Brünette hielt sie noch so lange fest, bis er sich davon überzeugt hatte, dass es in den Händen des Managers sicher war. Erst dann ließ er los, und stellte sich schließlich seitlich neben ihn.
Da war ein anderes Prickeln jetzt, an jenen Stellen, wo bis gerade noch seine Gitarre verweilt hatte. Denn es fühlte sich seltsam an, das Instrument in seiner Nähe zu wissen, in seiner unmittelbaren Nähe, und sie doch nicht festzuhalten.
Weil das jemand anderes tat.
Eine Sache, die nie passierte. Noch nie passiert war.
Aber hier war er nun.
Mit Joko an seiner Seite.
Der Dinge berührte, die Klaas bisher nie einem anderen erlaubt hatte zu berühren.
Und als er ihn anschaute, ihn beobachtete, mit einem der wichtigsten Bestandteile seines Lebens in dessen Armen…
… da war es seltsam okay.
Weil er Joko vertraute. Und weil er absolut davon überzeugt war, dass Joko es nicht kaputt machen würde. Das hatte der Blonde gar nicht in sich, eine so wichtige Sache kaputt zu machen, selbst wenn eine seiner größten Macken seine Tollpatschigkeit war.
Das hier jedoch, das würde er nicht kaputt machen. Hier würde er nicht stolpern oder es aus Versehen fallen lassen. Das wusste Klaas. Dem war er sich zu eintausend Prozent sicher.
Und es war diese Überzeugung, dieses Vertrauen, das das Prickeln an den leeren Stellen, die seine Gitarre hinterlassen hatte, in jenes Kribbeln verwandelte, das immer noch so völlig absurd war und keinen Sinn ergeben sollte, nur, dass es seinen Körper nun doch mit einer solchen Klarheit befiel, die er selbst mit größter Anstrengung nur noch sehr schwer leugnen konnte.
Was zum Teufel machte dieser Mann mit ihm?
∞
Die Feierabend-Pizza mit Schmitti kam Klaas nach der Verrücktheit, die der Nachmittag gewesen war, gerade recht.
Auch auf dem Nachhauseweg hatte Klaas sich der Offensichtlichkeit des Kribbelns und seiner Gedanken nicht verwehren können, da sie zu kraftvoll und auch viel zu eindeutig gewesen waren. Und auch so viel hartnäckiger als jemals zuvor. Mehr denn je spürte Klaas, dass er sich diesen Gedanken stellen sollte. Stellen musste.
Dass er sich ihnen stellen würde, weil es irgendwie unausweichlich schien, mit jeder weiteren Minute, die verging.
Mit jeder weiteren Minute, die er damit zubrachte, auf das Foto von sich und Joko zu starren, auf das sie sich nach dem Shooting geeinigt hatten. Das Foto, in dem Joko seine Welt in dem Armen hielt, sicher und schützend, mit einem verschmitzten Grinsen, das er Klaas zuwarf, der im Gegenzug seine Hand nach seiner Gitarre ausgestreckt hatte.
Sie waren sich ohne Diskussion einig gewesen, dass ihnen beiden das am besten gefallen hatte, und Maya hatte es direkt noch final bearbeitet und ihnen anschließend online zur Verfügung gestellt.
Auf ebendieses Bild gaffte er bereits seit etwa einer halben Stunde und tat das auch noch mindestens eine weitere Minute lang, bevor sein Blick endlich auch den Text darunter fixieren konnte.
liebe wegbegleiter*innen,
ganz im zeichen unserer vertrauensvollen kommunikation untereinander, wollte ich heut die gelegenheit nutzen, um euch als erstes von den spannenden neuigkeiten zu berichten, die sich hier in den letzten wochen ergeben haben.
wie einige aufmerksame menschen von euch sicher wissen, feiere ich dieses jahr mein offizielles, zehnjähriges alben-jubiläum. zeit daher, das letzte jahrzehnt revue passieren zu lassen. und das soll im rahmen eines greatest hits-albums (natürlich auch mit ein paar neuen songs) und einer jubiläumstour im winter diesen jahres passieren. darauf freue ich mich sehr. um diese party zu der bestmöglichsten party überhaupt zu machen, habe ich mir auch noch etwas unterstützung geholt und ich freue mich, euch allen heute joko winterscheidt vorstellen zu dürfen. schon jetzt hatte joko mit seiner jahrelangen erfahrung unzählige tipps parat, und ich könnte nicht dankbarer sein.
ich hoffe, ihr freut euch genauso sehr auf dieses abenteuer, wie ich mich freue :) auf dass wir uns alle bald wieder sehen!
alles liebe. alles gute.
euer klaas
ganz im zeichen unserer vertrauensvollen kommunikation untereinander, wollte ich heut die gelegenheit nutzen, um euch als erstes von den spannenden neuigkeiten zu berichten, die sich hier in den letzten wochen ergeben haben.
wie einige aufmerksame menschen von euch sicher wissen, feiere ich dieses jahr mein offizielles, zehnjähriges alben-jubiläum. zeit daher, das letzte jahrzehnt revue passieren zu lassen. und das soll im rahmen eines greatest hits-albums (natürlich auch mit ein paar neuen songs) und einer jubiläumstour im winter diesen jahres passieren. darauf freue ich mich sehr. um diese party zu der bestmöglichsten party überhaupt zu machen, habe ich mir auch noch etwas unterstützung geholt und ich freue mich, euch allen heute joko winterscheidt vorstellen zu dürfen. schon jetzt hatte joko mit seiner jahrelangen erfahrung unzählige tipps parat, und ich könnte nicht dankbarer sein.
ich hoffe, ihr freut euch genauso sehr auf dieses abenteuer, wie ich mich freue :) auf dass wir uns alle bald wieder sehen!
alles liebe. alles gute.
euer klaas
Er las sich den Text noch mehrere Male durch, korrigierte hier und da noch die ein oder andere Stelle und begutachtete dann noch einmal die beiden Fotos, die dieses Posting begleiten sollten. Erst für einen kurzen Augenblick sein Solo-Bild an erster Stelle. Und für einen deutlich längeren Augenblick noch einmal das Bild von sich und Joko.
Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte Klaas, sich zu beruhigen. Von der Nervosität, diesen Beitrag abzusetzen und der Ungewissheit, wie seine Fans reagieren würden, aber auch von all den anderen Gedanken und Emotionen, die in seinem Kopf bereits jetzt schon eine wilde Party feierten, zu der er nicht eingeladen war und doch unfreiwillig gezerrt wurde.
Ja. Er würde sich dem allen stellen müssen. Den Reaktionen seiner Fans und den Implikationen seiner Erkenntnisse, und gerade in diesem Moment wusste er nicht, was ihm mehr Angst einjagte.
Noch einmal atmete Klaas tief ein und wieder aus.
Und dann stieß er die eine Sache an, bei der er sich fühlte, als würde er sie zumindest etwas besser kontrollieren können als die andere, und drückte schließlich auf den „Teilen“-Button.
Danach postete er den Beitrag auch in seiner Story und schickte noch ein kurzes persönliches Video hinterher, in dem er im Grunde jedoch auch nur das wiederholte, was bereits unter den Bildern geschrieben stand.
Die ersten Likes kamen im Bruchteil einer Sekunde, und weitere Herzchen und Kommentare folgten schnell. Bevor er sich jedoch darum kümmern wollte, musste er noch einem Versprechen nachkommen, das ihn direkt zu der zweiten Sache führte, die er weniger unter Kontrolle zu haben schien.
hey joko, insta-posting ist online.
19:01 Uhr
19:01 Uhr
Der Brünette musste gar nicht lange warten – also eigentlich musste er gar nicht warten – bis Joko online kam und die beiden Häkchen von Grau auf Blau sprangen.
schon gesehen ;) wir haben ein auge
mit drauf. melde dich, wenn du
unterstützung brauchst :)
19:02 Uhr
Ein Lächeln schlich sich auf Klaas‘ Lippen als er Jokos Worte las, auch wenn die Nachricht so gesehen eigentlich gar nichts Besonderes war. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass Joko so schnell reagiert hatte, die Klaas grinsen ließ, und das Wissen, das damit einherging, dass der andere da war. Immer nur ein Wort weit entfernt.
danke, das werd ich.
19:03 Uhr
19:03 Uhr
Wieder dauerte es nur sehr kurz, bis Joko online kam, um die Nachricht zu lesen. Allerdings war er auch genauso schnell wieder verschwunden und schien darauf nicht mehr antworten zu wollen.
Klaas behielt sein Handy noch einen Moment in der Hand und wartete, ob der Andere vielleicht doch nochmal zurückkommen würde. Er scrollte währenddessen ein Stück nach oben, durch die Nachrichten hindurch, die hauptsächlich privater Natur waren, um sich für ihre Läufe oder ihre „Strafen“ zu verabreden. Sie waren beide nicht die größten Texter, wie Klaas schon mehrmals festgestellt hatte, und auch jetzt musste er wieder schmunzeln, wie kurz und knapp ihre Nachrichten teilweise oft waren, und wie aus ihnen doch die besten Erlebnisse und Erinnerungen entstanden waren in den vergangenen Wochen.
Er gab dem Verlauf noch einen Schubs nach unten, um zu den letzten Nachrichten zurückzukehren und indessen begannen seine Finger schon zu tippen, was er noch gar nicht gewagt hatte, klar in Gedanken zu formulieren.
sehen wir uns morgen zum joggen?
19:05 Uhr
19:05 Uhr
Es dauerte diesmal einen Moment länger, bis Joko online kam, dafür tippte er jedoch auch sofort eine Antwort ein.
sorry du, aber ich hab morgen
vormittag leider einen termin,
den ich nicht verschieben kann :(
19:06 Uhr
Klaas las die Antwort zwei oder drei Mal durch und versuchte, das Ziepen in seiner Seite dabei zu ignorieren. Mal wieder eine Laufrunde ohne Begleitung würde ihm schließlich sicher auch guttun. Das hatte er nicht mehr gemacht, seit er Joko kennengelernt hatte, und vielleicht würde es ihm ja helfen, seine Gedanken in Bezug auf den Mann, der alles in seinem Kopf auf den Kopf gestellt hatte, zu sortieren.
alles gut. dann beim nächsten
mal wieder.
19:07 Uhr
mal wieder.
19:07 Uhr
Der Blonde war noch online und die Häkchen wurden direkt blau. Er begann nicht wie eben, sofort zu tippen, aber er schien die App auch nicht zu schließen.
Gerade, als Klaas schon dachte, dass Joko vielleicht einfach nur in einen anderen Chat gehüpft war, verwandelte sich das Wort „Online“ in „Schreibt…“, was wie so oft zu einem beschleunigten Herzschlag führte, gegen den sich der Braunhaarige schon gar nicht mehr wehrte.
oder
19:09 Uhr
Mehrere Male sprangen die Worte „Online“ und „Schreibt…“ hin und her. Einmal war Joko sogar komplett offline, ehe er wieder kam und sich die beiden Worte noch zweimal abwechselten, was Klaas beinahe in den Wahnsinn trieb. Er kam sich auch fast albern dabei vor, so lange auf den Chatverlauf zu starren, wo er die Zeit eigentlich dafür nutzen könnte und sollte, nach seinem Beitrag zu sehen und eventuell den ein oder anderen Kommentar zu beantworten.
Trotzdem wartete er wie gebannt auf die Antwort.
oder wir treffen uns morgen
abend auf einen spaziergang?
und ein abendessen?
19:13 Uhr
So sehr Klaas auf Jokos Nachricht gewartet hatte, so wenig hatte er mit deren Inhalt gerechnet. Nicht, dass er nach dem „oder“ zwischen seinen wilden Herzstolperern mit irgendetwas gerechnet oder etwas erwartet hätte.
Aber das? Das kam auf der nicht existierenden Liste von Möglichkeiten sicher ziemlich ganz weit unten.
Denn das? Das war neu.
Nicht der Spaziergang oder das Essen per se. Aber die Tatsache, dass es passierte, ohne, dass ein verlorenes Laufduell sie zuvor dazu verdonnert hatte.
Das war…
aber wie wissen wir denn dann,
wer bezahlen muss?
19:17 Uhr
wer bezahlen muss?
19:17 Uhr
ich lad dich ein. ein abendessen
mit dir könnte eh nie ne strafe sein.
19:17 Uhr
Ja, das war neu.
Und es war völlig verrückt.
So verrückt, wie der Wirbelsturm in Klaas‘ Kopf, der mit einem Mal alles wegfegte und nur eine Sache zurückließ.
wo wollen wir uns treffen?
19:22 Uhr
19:22 Uhr
ich kümmere mich morgen um
eine reservierung, dann gebe ich
dir bescheid, ja?
19:24 Uhr
Das war absolut und völlig verrückt. Das alles, was gerade passierte, war einfach nur verrückt.
Vielleicht zitterte Klaas‘ Zeigefinger ein klein wenig, als er erst das Finger-Emoji antippte, welches das OK-Zeichen formte, und anschließend einen lächelnden Smiley.
Der Wirbelsturm wütete weiter, blies nach wie vor alles, was nicht den Namen Joko trug, erfolgreich aus seinem Kopf, und erlaubte es nur einer weiteren Wahrheit, zurückzubleiben.
Das war…
… ein Date.
Oder?
∞∞∞