Weil er mit ihr reden wollte, rührte sich Jessica nun doch nicht aus dem Bett, kuschelte mit Aaron und fragte ihn: „Ja?“
Am Satzanfang kam Aaron kurz ins Zungenstolpern: „Ich … ich habe mich noch nie von einer Frau so geliebt gefühlt, wie von dir.“
„Wirklich? Das berührt mich nun sehr. Und auf welche Weise?“
„So … so intensiv habe ich es noch nie gefühlt! Die Erlebnisse meines Jobs sind dadurch anders geworden … und ich kann vor dir meine Gefühle nicht verbergen … und … und was hast du eben nur mit mir hier im Bett gemacht? Wie soll ich das beschreiben? Energiewellen? Ich habe sowas noch nie so stark gespürt, wie mit dir gerade eben!“
„Du hast deine Kundalini entfaltet – konntest du sie früher nicht so ausgeprägt spüren? Meistens sind wir verschlossen dafür. Man hat eine Zeit lang die Kundalini-Kraft regelrecht verteufelt, da man sie in der richtigen Weise lenken und einsetzen muss, denn sie ist eine zu mächtige Energie als dass man sie unkontrolliert nutzen sollte. Die Kundalini-Symptome können in allen Lebensbereichen auftreten. Ich beziehe diese Frage jetzt nur auf unsren Sex.“
„Meine Kundalini … klingt das blöd, wenn ich als Mann sage, dass es mich noch nie so beim Sex durch den ganzen Körper gepackt und mit dir als meine Partnerin mitgerissen hat? Ich will nicht kitschig, wie in solchen Schmacht-Romanen, daherreden!“
Liebevoll strich Jessica ihm über die Wange und sie kicherte. „Nein, das klingt gar nicht blöd oder kitschig!“
Vor ihr konnte er es nicht verschweigen: „Jess, mir ist es noch nie passiert, dass ich dabei … am Schluss … ich meine …“
„Aaron, du stammelst schon wieder! Wir zwei sind allein hier. Wenn du von deinen Genussmomenten beim Sex mit mir doch reden willst, dann tu es zwanglos! Vor mir musst du dich nicht schämen!“
„Ich glaube, ich habe noch nie beim Orgasmus geschrien …“ Aaron wurde es im Herzen und im Unterleib unter der Bettdecke heiß.
„So, wie es vorhin passierte?“ Wieder kicherte Jessica, der es gefiel, dass sie aus Aaron endlich die eingekerkerte Seele ins Freie ihrer intimen Zweisamkeit gelockt hatte.
Zuerst musste sich Aaron räuspern, ehe er sagte: „Ja … ich habe darüber gelesen – das mit der Kundalini-Schlange -; ist sie dadurch in mir am Erwachen, weil wir beide zueinandergefunden haben?“
„Das kann sein!“
„Wieso erlebte ich das nicht schon früher … als ich jünger war?“
„Das ist ein spirituelles und körperliches Erwachen, das wir oftmals erst in den späteren Jahren erleben, da wir durch unsre Erfahrungen im Leben zum Erwachen dieser Kräfte in uns geführt werden … und ja, es braucht dazu auch den jeweilig passenden Partner, weiblich sowie männlich können wir dies entfalten und erleben.“
„Die richtige Partner-Seele?“
„Ja, das kann man so nennen. Wir tragen Talente und Fähigkeiten in uns, die in den meisten Menschen tief schlummern und nie erweckt werden.“ Jessica streichelte sanft über seine linke Seite von oben nach unten. „Dave lebt seine Kundalini als passionierter Autor aus.“
„Was ist mit mir bei der Meditation passiert?“, fragte Aaron.
„Du meinst, das Weinen während der Übung und danach am Abend dein heftiger Gefühlsausbruch?“ Nochmals strich Jessica sanft von oben nach unten entlang an Aarons linker Körperseite. „Das nennt man spirituelle Krise. Es wird weniger schlimm sein, wenn du mit der Erwartung herunterfährst und dich langsam der Wandlung in dir hingibst, dann wirst du entdecken, wer und was du wirklich bist.“
„Jess, hat es dir vorhin mit mir gefallen?“
„Ja, du hast meine Kundalini kräftig zum Schwingen gebracht!“
„Wir sollten ins Bad … hilfst du mir aus dem Bett hoch? Ich fühle mich etwas zittrig.“
Für Jessica war es kein Problem, zuerst aus dem Doppelbett zu krabbeln, bevor sie Aaron dazu verhalf, auf die Füße, an die sie ihm die Hausschuhe steckte, hochzukommen.
„Apropos Bett …“, murmelte Jessica, die langsam und nackt aus dem Raum in den Flur und dann zum Badezimmer lief.
Er folgte ihr in Unterhemd und Pullover und sagte: „Mit Beth habe ich hier nie geschlafen. Sie wollte es lieber in ihrer Wohnung und …“
Lächelnd drehte sich Jessica im Badezimmer angekommen zu ihm um. „Das wollte ich dich gar nicht fragen, ob dein Bett hier die brave Jungfrau symbolisiert. Ich habe überlegt, ob wir dein Bett bei uns im Schlafzimmer aufbauen. Ich finde, darin liegt man besser als daheim in meinem. Was meinst du?“
„Wenn der Gipsarm nicht wäre, würde ich es sofort umsetzen.“ Er fing an, sich einarmig am Waschbecken zu waschen.
Jessica stieg in die Duschwanne. „Stimmt, leider … dann beauftragen wir jemanden damit!“
„Warten wir es ab! Wenn meine Kollegen davon hören, dann helfen die uns sicher!“ Mit dem Waschen und Frottieren am Waschbecken war Aaron schneller fertig als Jessica in der Dusche, so ging er in die Küche, wo er den Eintopf aus der Transportbox in einen Topf zum Erhitzen leerte, dann auf kleinster Stufe am Herd einschaltete und sich im Anschluss daran eine Flasche Bier öffnete, indem er sie im Sitzen am Küchenstuhl sich zwischen die Oberschenkel klemmte, wovon er seine trockene Kehle besänftigte und auf Durst ein Drittel direkt aus der Flasche austrank. Gut, dass Jessica ihn so nicht sah. Bevor ihm ohne Hosen eiskalt wurde, ging er ins Schlafzimmer und hob die Sachen vom Boden auf, wo Jessica sie hingeworfen hatte. Nur mit einer Hand sich anzuziehen, war ein Geduldsspiel.
„Jetzt warte mal, ich helfe dir mit den Hosen!“, sagte Jessica, die im Bademantel von Aaron aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer zu ihm zurückkam.
„Kann es sein, dass du mich gerne an- und ausziehst?“, fragte Aaron grinsend.
„Lieber ausziehen!“, gestand Jessica ein, was davon sie lieber tat. Dass er vom Bier getrunken hatte, roch sie an ihm, aber Jessica sagte dazu nichts.