Richtlinien
von lasdalias
Kurzbeschreibung
Chaos hinterlässt immer Spuren – und Sparrow ist das personifizierte Chaos. Tara kann ein Lied davon singen, auch Jahre nach ihrem zweiten Versuch mit ihm …
GeschichteRomance, Schmerz/Trost / P16 / Het
Captain Jack Sparrow
OC (Own Character)
05.06.2022
14.02.2023
20
60.826
10
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Dieses Kapitel
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05.06.2022
2.508
Hey ihr Lieben,
es ist ewig her, dass ich bei PotC unterwegs war, aber die Welle karibischer Nostalgie auf Social Media ließ mich glatt vor einigen Tagen mal wieder in meine allererste FanFic schauen (und oh Graus, es überkam mich, ich habe ALLES editiert und geföhnt :D) und das wiederum zog direkt eine Plotbunny-Heimsuchung nach sich.
(Konnte ich eigentlich gar nicht gebrauchen, ich hab schon genug Schreib-Baustellen … Aber ihr kennt das ja. Die Muse gibt den Ton an, nicht andersrum.)
Jedenfalls kam mir Tara wieder in den Sinn, die vor über zehn Jahren wirklich eine Engelsgeduld hatte und deren Sad End mir immer ein wenig … arg sad schien.
Man muss hierfür jedenfalls die Ursprungsstory nicht kennen, womöglich bleibt es ein OS. (Edit: Joa. Genau.)
Film 5 ignoriere ich übrigens, ebenso, wie 5 den bisherigen Canon ignoriert hatte :D Take that, Disney!
Vielleicht unterhält’s ja wen, ein Cover gibt’s inzwischen auch, selbst wenn’s aussieht, als wär’s für ne PotC Soap, wie auch immer – viel Spaß beim Lesen.
xx
Dalia
Hassliebe.
Kein anderes Paradoxon fing adäquater ein, was sie für ihn empfand. Jahre später noch ebenso wie damals.
Hass für all seine unschuldige Unwissenheit. Für jede Unschuld, die er ihr genommen hatte. Für die Art, wie er ihr Herz wieder und wieder gebrochen hatte, achtlos und doch so betroffen. Allen voran aber dafür, dass sie seit fünf Jahren in jene Augen seiner Kinder sah, die ihn noch nie selbst erblickt hatten.
Liebe empfand sie ebenso – doch vor allem für das, was zu Taras Überraschung von ihrer gemeinsamen Zeit übrig geblieben war. Nachdem er damals dem Horizont entgegensegelte, fand sie sich bald schon allein mit einer Aufgabe wieder, die sie so nie hatte kommen sehen.
Sie liebte seine Zwillinge, von ganzem Herzen. So sehr, dass sie betete, die Abwesenheit ihres Vaters mit ihren eigenen Umarmungen ausgleichen zu können.
Hassliebe …
Es war nicht mehr und nicht weniger.
Für exakt den Mann, der die tiefschwarzen Augen ihrer Kinder zu verantworten hatte. Seit Jahren erinnerte sie das schelmische Grinsen ihres Sohnes an ihn. Ihre Tochter indes hinterfragte stets vermeintlich unwichtige Details, genau wie er es immer getan hatte.
Das Element der Überraschung war so nie weit, sie hatten den Schalk im Nacken buchstäblich in die Wiege gelegt bekommen.
Sparrow …
Sie kamen ganz nach ihm.
Spatzen ließen sich nicht fangen – Tara hätte es im Grunde schon damals wissen müssen. Und doch hatte sie sich verliebt in ihn, wie in Rauch, den man doch nie halten konnte.
Doch lieben konnte auch er.
Er liebte die See. Sie war seit jeher eng mit ihm verwoben – verankert in seinem Blut und seiner Familie, seit seiner Geburt. Wer das Licht der Welt während eines tobenden Taifuns erblickte und vom ersten Tag an dem Ozean näher als dem Festland war, würde wohl niemals die Freiheit aufgeben, die ein Mast und ein Kiel und ein Rumpf bedeuten konnten.
Doch was war es nur mit ihm?
Selbst nüchtern konnte er nicht geradeaus laufen, sogar unter Gesetzlosen kämpfte er mit bösem Blut und Schulden in jedem Hafen – als Piratenfürst der Karibik war er meist ein Captain ohne Schiff.
Als ehrbarer Mann zu wenig gefügig, um die schmutzigen Befehle der East India Trading Company auszuführen, doch als Pirat gerade zu anständig, um tatsächlich ein schlechter Mensch zu sein.
Jedes verwirrende Wort umhüllte ihn wie ein Schleier, doch wenn sich der Nebel lichtete und seine Argumente ins Bewusstsein drangen, ergab plötzlich alles einen Sinn.
Meist war er dann jedoch bereits über alle Berge.
Die ewigen Widersprüche, die er in sich vereinte, machten ihn unberechenbar. Genie und Wahnsinn. Manie und Brillanz …
Keine Situation war je zu aussichtslos, den Kopf zog er noch jedes Mal aus der Schlinge – doch ebenso war kein Glück der Welt je von Bestand für ihn.
Eines stand fest. Die Legenden waren alle falsch und wahr zugleich.
Man vergaß niemals den Tag, an dem man Captain Jack Sparrow begegnete. Niemals den Tag, an dem er einen fallen ließ – und die vermeintlich grenzenlose Freiheit wie den salzigen Duft der See mit sich nahm, wenn der Wind sich wieder drehte.
Trubel folgte ihm, wohin immer er ging – und doch war sie es, deren Leben völlig durchgewirbelt worden war.
Er hatte untypisch lange mit sich gehadert, regelrecht gezögert, damals, als er sie zum Abschied geküsst hatte. Seine Lippen hatten ihre so viel länger als sonst berührt, fast verloren, er war so liebevoll gewesen – doch weshalb und wozu, wo er doch im Begriff war, sie zu verlassen?
Sein suchender Blick hatte sie aufgewühlt, auch Tage später noch, Tara bildete sich im Nachhinein ein gespürt zu haben, er sei hin- und hergerissen gewesen.
Es war, als hätte er sie nicht erneut betrogen. Als hätte er sich richtig entschieden, ihr Vertrauen verdient gehabt, und es nur aus Macht der Gewohnheit nicht zugegeben …
Und doch blieb, was danach geschah. Momente später verschwand er aus ihrem Leben, bis heute. Sie hatte ihn losgelassen, ein zweites Mal, sie hatte ihm nachgesehen und erneut war bestätigt worden, was ihr jeder prophezeit hatte.
Er ließ sie zurück. Nicht so kalt wie beim ersten Mal, ganz im Gegenteil – und dennoch. Er ließ sie zurück.
Nicht allein sie, allerdings.
Die Übelkeit war ein Indiz, dass Tara zunächst nicht wahrhaben wollte. Doch während sie noch um ihn weinte und ihre Kleider beträchtlich enger wurden, verfestigte sich die bittersüße Gewissheit.
Es war bald unleugbar. Und es konnte nicht nur ein Kind sein …
Wie sie für eines sorgen sollte, war ihr ein Rätsel, doch gleich zwei Menschen mit Sparrows halber Natur schienen ihr ein Ding der Unmöglichkeit. Sie war auf sich allein gestellt gewesen, nichts weiter als ein kleines, brüchiges Stadthaus in Tortuga war von ihren Eltern geblieben. Baufällig, wie es war, konnte sie daraus keinen Gewinn schlagen – höchstens Schulden und einen Rachemord …
Sie hatte in ihrer Verzweiflung über alle möglichen Lösungen nachgedacht. Denn jeder kannte jemanden in Tortuga, der jemanden kannte … Sie hätte zwar ihr Leben dabei riskiert, doch ein Ausweg wäre es gewesen.
Jedoch nicht ihr wahrer Wunsch, denn es schien ihr wie ein Hauch von Schicksal …
Allein konnte sie diese Zukunft jedoch nicht bewältigen. Auf einem anderen Schiff als seinem und hochschwanger quer durch die Karibik zu segeln schwebte ihr nie vor, doch Not machte erfinderisch. Die Reise war mitnichten ungefährlich und allen voran anstrengend, doch schlussendlich kam sie dort an, wo sie immerhin seinen Vater vermutete.
Edward Teague.
Wächter des Codex, und seines Zeichens ebenso ehemals Piratenfürst und Captain. Ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft Geächteter, beinahe unantastbar. Und die Schiffbruch-Bay zu seinen Füßen – denn wer sich unter Piraten Respekt verschaffen konnte, verdiente ihn auch.
Sie hatte sich gefühlt wie eine Fremde und war auf Verleugnung jeder Art eingestellt, als sie dort anlegte, wo Jack wohl einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte.
Doch als er sie sah, zweifelte Teague nicht. Er kannte sogar ihren Namen, oder riet immerhin richtig …
„Tara?“, hatte er mit hintergründigem Lächeln gefragt. „Nicht zu fassen …“
Sie wusste damals nicht, was genau er damit implizieren wollte, und die Wut und ihre Ohnmacht über den Verlauf ihres Lebens so bald nach Jacks Abschied war noch zu unmittelbar, um dahingehend nachzuhaken. Doch als ihre Kinder endlich in Qual und Hoffnung geboren wurden, verriet Teague es ihr.
Sein Sohn hätte sie erwähnt, in einem Pub in London, gleich nachdem er aus dem Palast des Königs von England geflohen war.
Tara hatte auch dazu nicht näher nachgefragt – Sparrow befand sich viel zu häufig in vermeintlich ausweglosen, höchst absurden Fallen. Nur um den Handschellen oder dem Strick am Ende doch zu trotzen, als könnte er zaubern …
Doch wie Teague seinen neugeborenen Enkel gleich neben ihrem Bett so im Arm hielt, stoisch und doch heillos verliebt, ergänzte er einige Gedanken. Mit reichlich Larmoyanz, wohl weil auch Edward seinem Sohn niemals der Vater gewesen war, den er gebraucht hätte …
„Jackie lebt für die See und wahrt alle Freiheit“, murmelte er, als das kleine Bündel in seinem Arm vertrauensselig die Hand nach ihm ausstreckte. „Dein Name, allerdings, Liebes …“ Er hatte sie warm angelächelt, während sie sich noch schwer atmend mit ihrer Tochter im Arm von den Strapazen der Geburt erholte. „Er ging ihm nicht leicht über die Lippen, dein Name. Verflucht ungewöhnlich, dachte ich mir. Jackie plaudert nicht gerne aus dem Nähkästchen.“
Sie nickte, das war ihr sehr wohl bewusst.
„Aber Gibbs umso mehr.“ Teague zwinkerte. „Du kennst Gibbs?“
Erneut nickte sie, und er fuhr fort. „Er verstand ihn stets besser als er sich selbst. Jackie wollte das nie zugeben, doch es ist wahr. Gibbs erzählte mir vor nicht allzu langer Zeit von einem Abend, kurz vor seinem Nirvana bei Davy Jones.“
„Der Locker hat ihn merklich Nerven gekostet …“, brummte Tara erschöpft, wenn auch zynisch, und doch drückte sie seine Tochter dabei ganz sachte an sich.
„Aye!“ Teague atmete tief durch und lehnte sich mit dem Kleinen ein wenig in seinem alten Rattanstuhl zurück. „Danach war er zweifelsohne noch verschrobener … Die Hitze und der fehlende Wind im Locker tun dem Gemüt auf Dauer nicht gut. Und zu viel Zeit zum Nachgrübeln über jede einzelne Lebensentscheidung ohnehin nicht … Jedenfalls – sie waren bei Tia Dalma. Calypso … Du weißt ja, Kleiner, wie auch immer man sie nennen mag.“ Teague erzählte die Geschichte, doch längst nicht mehr nur ihr. Er sah auf seinen Enkel herab und das Leben schien ihm gleich ein wenig heller. „Ihre Hütte war voller Voodoo-Utensilien, ein ganz und gar interessanter Ort. So interessant und gefährlich wie sie. Tia Dalma wusste schon immer, was sie tat. Die Leute in den Sümpfen liebten sie, sie schätzen ihre Ratschläge. Nur Jackie war schon immer zu töricht, sie anzunehmen. Den Kompass von ihr, den hatte er allerdings genommen. Allzu gern, trug ihn stets bei sich. Das alte Ding zeigte auf das, was man am meisten begehrt auf dieser Welt …“ Teague sah auf und sprach wieder direkt zu Tara. „Sie haben ihr Ziel daher auch damals ewig nicht gefunden. Viel Zeit verschwendet, weißt du …“
„Weshalb?“, fragte Tara, weil er förmlich darauf zu warten schien.
„Weil er nun mal nicht wusste, was er wollte …“ Teague grinste sie an. „Gibbs erkannte das recht schnell – und irgendwann musste es sich wohl auch mein sturer Sohn eingestehen. Er konnte den Schlüssel zu Davy Jones’ Truhe nicht finden, weil es nicht das war, was er am meisten wollte auf dieser Welt. Der Schlüssel wäre das vernünftigste Begehren gewesen, mit Sicherheit sogar – doch das Herz ist nicht immer vernünftig.“
„In der Tat“, hauchte Tara und sah ihn auffordern an, damit er fortfuhr.
„Die Zeit rannte ihm damals davon und so verlockend ihm ewiges Leben auch schon immer schien – einhundert Jahre an Bord der Dutchman wollte Jackie um jeden Preis vermeiden. Doch Jones hatte die Wicked Wench nicht umsonst aus den Tiefen für ihn geholt, er wollte eine Seele. Dreizehn Jahre können erstaunlich schnell vergehen …“ Teague zwinkerte, dann lehnte er sich mit dem Kind im Arm wieder ein wenig mehr vor ihr Bett und ergänzte: „Und dennoch brachte nicht einmal der Ernst der Lage ihn dazu, sich zu konzentrieren. Er musste wohl einsehen, dass er dich vermisst hat.“ Er nickte Tara zu, als sie ihm nicht glauben wollte. „Laut Gibbs hatte Tia Dalma seine Unentschlossenheit regelrecht riechen können. Sie fragte, ob ihr Kompass ihn nicht zu Davy Jones’ Schlüssel führen könnte. Er antwortete nur ausweichend, das kann er verdammt gut – doch die Crew, Gibbs eingeschlossen, hatte keinen blassen Schimmer, wovon Tia Dalma und er da redeten. Jack Sparrow, hast keine Ahnung, was du willst, das muss sie wohl gesagt haben, und hocherfreut überdies. Oder weißt du es doch, bist aber zu unwillig, es als dein Eigen anzuerkennen?“ Teague schmunzelte ob der kleinen Finger, die sich um seine Hand schließen wollten, doch unbeirrt fuhr er fort. „Das hat Jackie sicher zugesetzt … Gleich darauf stand die Frage im Raum, was allen Männern Ärger bereiten würde. Und nachdem großzügig geschätzt wurde, hat er die Antwort darauf gegeben. Eine Frau …“ Väterlich, fast stolz, besah er die Mutter seiner Enkel. „Kaum zu glauben, aber wahr. Worte aus seinem eigenen Mund, wo doch seine erste und einzige Liebe angeblich stets die See war … Tia Dalma hatte exakt darauf hinausgewollt. Er verliebte sich, das waren angeblich ihre Worte, laut Gibbs.“
„Kaum wahr“, stöhnte Tara lethargisch, „denn diesen vermeintlichen Umstand hatte er auch bei unserem Wiedersehen erneut höchst erfolgreich verdrängt.“ Wehmütig besah sie das kleine Gesicht ihrer Tochter. Seiner Tochter … „Er hat nie zurückgeschaut, als wir wieder aneinander zerbrochen sind.“
„Oh doch, das hat er“, erwiderte Teague sofort, beinahe hämisch. „Gibbs hielt mich diesbezüglich auf dem Laufenden, als wir uns begegnet sind.“
„Wann?“
„Auch in London.“
„Tja …“ Tara seufzte. „Und wo ist er dann jetzt, Edward?“
Sie konnte die Tränen über den altbekannten, bitteren Schmerz, den diese Offenbarungen nur mehr befeuerten, kaum zurückhalten. Gar nicht um ihretwillen, mehr wegen ihrer Kinder, die einen Vater verdient hatten.
„Ausgezeichnete Frage, meine Liebe“, gestand Teague und streichelte dem Neugeborenen auf seinem Schoß behutsam über den Kopf. „Weißt du – vermutlich stellt er gerade etwas Blödes an …“
Ihr war zum Heulen zumute, und doch brachte er sie damit zum Lachen. Er brachte sie all die Jahre über zum Lachen, all der Umstände zum Trotz, doch sie sprachen seither nicht wieder von Jack.
Nein, er glänzte mit Abwesenheit, und es war noch nicht einmal seine Schuld. Vorwerfen würde sie es ihm nie können. Er hatte schließlich keinen blassen Schimmer, dass er Vater geworden war – und selbst wenn Gerüchte ebenso wie Matrosen segeln konnten, war Jack in der Welt zu Hause. War er nicht in Singapur, befand er sich womöglich in Marrakesh. Hielt er sich nicht in London auf, hatte es ihn womöglich an die Strände Mexikos verschlagen. Übte er sich nicht in Amtsanmaßung eines Offiziers der spanischen Royal Navy, so gab er sich als Richter oder gar als Priester aus, vermutlich von dreifachen Flüchen verfolgt …
Er war nirgendwo und überall, niemand und jeder, stets auf der Suche nach der Quelle des ewigen Lebens und immerzu auf der Flucht vor all seinen Sünden. Er befolgte keine Regeln – höchstens Richtlinien.
Er war nicht da. Teague hingegen war es.
Und so wurde er nicht nur der Vater, den Tara nicht mehr hatte, sondern auch eine Vaterfigur für ihre Kinder. Die Bay war der ideale Zufluchtsort. Es wurde vielleicht getrunken und getanzt, geraucht und vergessen, geschmuggelt und geschossen – doch am Ende des Tages waren die Menschen dort immerhin ehrlich in ihren Fehlern.
Tia und James – nach den Geschichten um Calypso und Norrington benannt, einfach, um diesen Legenden zu gedenken und Jack zu ärgern, sollte er seine Zwillinge jemals kennenlernen – wuchsen dort vielleicht nicht überbehütet auf, immerhin aber mussten sie sich nicht mit Tara allein auf Tortuga durchschlagen. Dort, wo nicht einmal der Codex allzu viel Beachtung fand, weil ihn niemand mit solcher Ernsthaftigkeit durchsetzte wie in der Hochburg der Piraterie.
Nein, sie war am sichersten dort, wo Teague durchgriff.
Und dennoch ahnte Tara intuitiv, dass es der eine Ort der Welt war, den Jack meiden würde wie der Teufel das Weihwasser … Es war demnach fast perfide, seine Kinder dort großzuziehen. Seinen Vater sah Jack am liebsten aus der Ferne – wo Teague war, würde er nicht sein.
Zumindest glaubte sie das jahrelang …
es ist ewig her, dass ich bei PotC unterwegs war, aber die Welle karibischer Nostalgie auf Social Media ließ mich glatt vor einigen Tagen mal wieder in meine allererste FanFic schauen (und oh Graus, es überkam mich, ich habe ALLES editiert und geföhnt :D) und das wiederum zog direkt eine Plotbunny-Heimsuchung nach sich.
(Konnte ich eigentlich gar nicht gebrauchen, ich hab schon genug Schreib-Baustellen … Aber ihr kennt das ja. Die Muse gibt den Ton an, nicht andersrum.)
Jedenfalls kam mir Tara wieder in den Sinn, die vor über zehn Jahren wirklich eine Engelsgeduld hatte und deren Sad End mir immer ein wenig … arg sad schien.
Man muss hierfür jedenfalls die Ursprungsstory nicht kennen, womöglich bleibt es ein OS. (Edit: Joa. Genau.)
Film 5 ignoriere ich übrigens, ebenso, wie 5 den bisherigen Canon ignoriert hatte :D Take that, Disney!
Vielleicht unterhält’s ja wen, ein Cover gibt’s inzwischen auch, selbst wenn’s aussieht, als wär’s für ne PotC Soap, wie auch immer – viel Spaß beim Lesen.
xx
Dalia
☼☼☼
Hassliebe.
Kein anderes Paradoxon fing adäquater ein, was sie für ihn empfand. Jahre später noch ebenso wie damals.
Hass für all seine unschuldige Unwissenheit. Für jede Unschuld, die er ihr genommen hatte. Für die Art, wie er ihr Herz wieder und wieder gebrochen hatte, achtlos und doch so betroffen. Allen voran aber dafür, dass sie seit fünf Jahren in jene Augen seiner Kinder sah, die ihn noch nie selbst erblickt hatten.
Liebe empfand sie ebenso – doch vor allem für das, was zu Taras Überraschung von ihrer gemeinsamen Zeit übrig geblieben war. Nachdem er damals dem Horizont entgegensegelte, fand sie sich bald schon allein mit einer Aufgabe wieder, die sie so nie hatte kommen sehen.
Sie liebte seine Zwillinge, von ganzem Herzen. So sehr, dass sie betete, die Abwesenheit ihres Vaters mit ihren eigenen Umarmungen ausgleichen zu können.
Hassliebe …
Es war nicht mehr und nicht weniger.
Für exakt den Mann, der die tiefschwarzen Augen ihrer Kinder zu verantworten hatte. Seit Jahren erinnerte sie das schelmische Grinsen ihres Sohnes an ihn. Ihre Tochter indes hinterfragte stets vermeintlich unwichtige Details, genau wie er es immer getan hatte.
Das Element der Überraschung war so nie weit, sie hatten den Schalk im Nacken buchstäblich in die Wiege gelegt bekommen.
Sparrow …
Sie kamen ganz nach ihm.
Spatzen ließen sich nicht fangen – Tara hätte es im Grunde schon damals wissen müssen. Und doch hatte sie sich verliebt in ihn, wie in Rauch, den man doch nie halten konnte.
Doch lieben konnte auch er.
Er liebte die See. Sie war seit jeher eng mit ihm verwoben – verankert in seinem Blut und seiner Familie, seit seiner Geburt. Wer das Licht der Welt während eines tobenden Taifuns erblickte und vom ersten Tag an dem Ozean näher als dem Festland war, würde wohl niemals die Freiheit aufgeben, die ein Mast und ein Kiel und ein Rumpf bedeuten konnten.
Doch was war es nur mit ihm?
Selbst nüchtern konnte er nicht geradeaus laufen, sogar unter Gesetzlosen kämpfte er mit bösem Blut und Schulden in jedem Hafen – als Piratenfürst der Karibik war er meist ein Captain ohne Schiff.
Als ehrbarer Mann zu wenig gefügig, um die schmutzigen Befehle der East India Trading Company auszuführen, doch als Pirat gerade zu anständig, um tatsächlich ein schlechter Mensch zu sein.
Jedes verwirrende Wort umhüllte ihn wie ein Schleier, doch wenn sich der Nebel lichtete und seine Argumente ins Bewusstsein drangen, ergab plötzlich alles einen Sinn.
Meist war er dann jedoch bereits über alle Berge.
Die ewigen Widersprüche, die er in sich vereinte, machten ihn unberechenbar. Genie und Wahnsinn. Manie und Brillanz …
Keine Situation war je zu aussichtslos, den Kopf zog er noch jedes Mal aus der Schlinge – doch ebenso war kein Glück der Welt je von Bestand für ihn.
Eines stand fest. Die Legenden waren alle falsch und wahr zugleich.
Man vergaß niemals den Tag, an dem man Captain Jack Sparrow begegnete. Niemals den Tag, an dem er einen fallen ließ – und die vermeintlich grenzenlose Freiheit wie den salzigen Duft der See mit sich nahm, wenn der Wind sich wieder drehte.
Trubel folgte ihm, wohin immer er ging – und doch war sie es, deren Leben völlig durchgewirbelt worden war.
Er hatte untypisch lange mit sich gehadert, regelrecht gezögert, damals, als er sie zum Abschied geküsst hatte. Seine Lippen hatten ihre so viel länger als sonst berührt, fast verloren, er war so liebevoll gewesen – doch weshalb und wozu, wo er doch im Begriff war, sie zu verlassen?
Sein suchender Blick hatte sie aufgewühlt, auch Tage später noch, Tara bildete sich im Nachhinein ein gespürt zu haben, er sei hin- und hergerissen gewesen.
Es war, als hätte er sie nicht erneut betrogen. Als hätte er sich richtig entschieden, ihr Vertrauen verdient gehabt, und es nur aus Macht der Gewohnheit nicht zugegeben …
Und doch blieb, was danach geschah. Momente später verschwand er aus ihrem Leben, bis heute. Sie hatte ihn losgelassen, ein zweites Mal, sie hatte ihm nachgesehen und erneut war bestätigt worden, was ihr jeder prophezeit hatte.
Er ließ sie zurück. Nicht so kalt wie beim ersten Mal, ganz im Gegenteil – und dennoch. Er ließ sie zurück.
Nicht allein sie, allerdings.
Die Übelkeit war ein Indiz, dass Tara zunächst nicht wahrhaben wollte. Doch während sie noch um ihn weinte und ihre Kleider beträchtlich enger wurden, verfestigte sich die bittersüße Gewissheit.
Es war bald unleugbar. Und es konnte nicht nur ein Kind sein …
Wie sie für eines sorgen sollte, war ihr ein Rätsel, doch gleich zwei Menschen mit Sparrows halber Natur schienen ihr ein Ding der Unmöglichkeit. Sie war auf sich allein gestellt gewesen, nichts weiter als ein kleines, brüchiges Stadthaus in Tortuga war von ihren Eltern geblieben. Baufällig, wie es war, konnte sie daraus keinen Gewinn schlagen – höchstens Schulden und einen Rachemord …
Sie hatte in ihrer Verzweiflung über alle möglichen Lösungen nachgedacht. Denn jeder kannte jemanden in Tortuga, der jemanden kannte … Sie hätte zwar ihr Leben dabei riskiert, doch ein Ausweg wäre es gewesen.
Jedoch nicht ihr wahrer Wunsch, denn es schien ihr wie ein Hauch von Schicksal …
Allein konnte sie diese Zukunft jedoch nicht bewältigen. Auf einem anderen Schiff als seinem und hochschwanger quer durch die Karibik zu segeln schwebte ihr nie vor, doch Not machte erfinderisch. Die Reise war mitnichten ungefährlich und allen voran anstrengend, doch schlussendlich kam sie dort an, wo sie immerhin seinen Vater vermutete.
Edward Teague.
Wächter des Codex, und seines Zeichens ebenso ehemals Piratenfürst und Captain. Ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft Geächteter, beinahe unantastbar. Und die Schiffbruch-Bay zu seinen Füßen – denn wer sich unter Piraten Respekt verschaffen konnte, verdiente ihn auch.
Sie hatte sich gefühlt wie eine Fremde und war auf Verleugnung jeder Art eingestellt, als sie dort anlegte, wo Jack wohl einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte.
Doch als er sie sah, zweifelte Teague nicht. Er kannte sogar ihren Namen, oder riet immerhin richtig …
„Tara?“, hatte er mit hintergründigem Lächeln gefragt. „Nicht zu fassen …“
Sie wusste damals nicht, was genau er damit implizieren wollte, und die Wut und ihre Ohnmacht über den Verlauf ihres Lebens so bald nach Jacks Abschied war noch zu unmittelbar, um dahingehend nachzuhaken. Doch als ihre Kinder endlich in Qual und Hoffnung geboren wurden, verriet Teague es ihr.
Sein Sohn hätte sie erwähnt, in einem Pub in London, gleich nachdem er aus dem Palast des Königs von England geflohen war.
Tara hatte auch dazu nicht näher nachgefragt – Sparrow befand sich viel zu häufig in vermeintlich ausweglosen, höchst absurden Fallen. Nur um den Handschellen oder dem Strick am Ende doch zu trotzen, als könnte er zaubern …
Doch wie Teague seinen neugeborenen Enkel gleich neben ihrem Bett so im Arm hielt, stoisch und doch heillos verliebt, ergänzte er einige Gedanken. Mit reichlich Larmoyanz, wohl weil auch Edward seinem Sohn niemals der Vater gewesen war, den er gebraucht hätte …
„Jackie lebt für die See und wahrt alle Freiheit“, murmelte er, als das kleine Bündel in seinem Arm vertrauensselig die Hand nach ihm ausstreckte. „Dein Name, allerdings, Liebes …“ Er hatte sie warm angelächelt, während sie sich noch schwer atmend mit ihrer Tochter im Arm von den Strapazen der Geburt erholte. „Er ging ihm nicht leicht über die Lippen, dein Name. Verflucht ungewöhnlich, dachte ich mir. Jackie plaudert nicht gerne aus dem Nähkästchen.“
Sie nickte, das war ihr sehr wohl bewusst.
„Aber Gibbs umso mehr.“ Teague zwinkerte. „Du kennst Gibbs?“
Erneut nickte sie, und er fuhr fort. „Er verstand ihn stets besser als er sich selbst. Jackie wollte das nie zugeben, doch es ist wahr. Gibbs erzählte mir vor nicht allzu langer Zeit von einem Abend, kurz vor seinem Nirvana bei Davy Jones.“
„Der Locker hat ihn merklich Nerven gekostet …“, brummte Tara erschöpft, wenn auch zynisch, und doch drückte sie seine Tochter dabei ganz sachte an sich.
„Aye!“ Teague atmete tief durch und lehnte sich mit dem Kleinen ein wenig in seinem alten Rattanstuhl zurück. „Danach war er zweifelsohne noch verschrobener … Die Hitze und der fehlende Wind im Locker tun dem Gemüt auf Dauer nicht gut. Und zu viel Zeit zum Nachgrübeln über jede einzelne Lebensentscheidung ohnehin nicht … Jedenfalls – sie waren bei Tia Dalma. Calypso … Du weißt ja, Kleiner, wie auch immer man sie nennen mag.“ Teague erzählte die Geschichte, doch längst nicht mehr nur ihr. Er sah auf seinen Enkel herab und das Leben schien ihm gleich ein wenig heller. „Ihre Hütte war voller Voodoo-Utensilien, ein ganz und gar interessanter Ort. So interessant und gefährlich wie sie. Tia Dalma wusste schon immer, was sie tat. Die Leute in den Sümpfen liebten sie, sie schätzen ihre Ratschläge. Nur Jackie war schon immer zu töricht, sie anzunehmen. Den Kompass von ihr, den hatte er allerdings genommen. Allzu gern, trug ihn stets bei sich. Das alte Ding zeigte auf das, was man am meisten begehrt auf dieser Welt …“ Teague sah auf und sprach wieder direkt zu Tara. „Sie haben ihr Ziel daher auch damals ewig nicht gefunden. Viel Zeit verschwendet, weißt du …“
„Weshalb?“, fragte Tara, weil er förmlich darauf zu warten schien.
„Weil er nun mal nicht wusste, was er wollte …“ Teague grinste sie an. „Gibbs erkannte das recht schnell – und irgendwann musste es sich wohl auch mein sturer Sohn eingestehen. Er konnte den Schlüssel zu Davy Jones’ Truhe nicht finden, weil es nicht das war, was er am meisten wollte auf dieser Welt. Der Schlüssel wäre das vernünftigste Begehren gewesen, mit Sicherheit sogar – doch das Herz ist nicht immer vernünftig.“
„In der Tat“, hauchte Tara und sah ihn auffordern an, damit er fortfuhr.
„Die Zeit rannte ihm damals davon und so verlockend ihm ewiges Leben auch schon immer schien – einhundert Jahre an Bord der Dutchman wollte Jackie um jeden Preis vermeiden. Doch Jones hatte die Wicked Wench nicht umsonst aus den Tiefen für ihn geholt, er wollte eine Seele. Dreizehn Jahre können erstaunlich schnell vergehen …“ Teague zwinkerte, dann lehnte er sich mit dem Kind im Arm wieder ein wenig mehr vor ihr Bett und ergänzte: „Und dennoch brachte nicht einmal der Ernst der Lage ihn dazu, sich zu konzentrieren. Er musste wohl einsehen, dass er dich vermisst hat.“ Er nickte Tara zu, als sie ihm nicht glauben wollte. „Laut Gibbs hatte Tia Dalma seine Unentschlossenheit regelrecht riechen können. Sie fragte, ob ihr Kompass ihn nicht zu Davy Jones’ Schlüssel führen könnte. Er antwortete nur ausweichend, das kann er verdammt gut – doch die Crew, Gibbs eingeschlossen, hatte keinen blassen Schimmer, wovon Tia Dalma und er da redeten. Jack Sparrow, hast keine Ahnung, was du willst, das muss sie wohl gesagt haben, und hocherfreut überdies. Oder weißt du es doch, bist aber zu unwillig, es als dein Eigen anzuerkennen?“ Teague schmunzelte ob der kleinen Finger, die sich um seine Hand schließen wollten, doch unbeirrt fuhr er fort. „Das hat Jackie sicher zugesetzt … Gleich darauf stand die Frage im Raum, was allen Männern Ärger bereiten würde. Und nachdem großzügig geschätzt wurde, hat er die Antwort darauf gegeben. Eine Frau …“ Väterlich, fast stolz, besah er die Mutter seiner Enkel. „Kaum zu glauben, aber wahr. Worte aus seinem eigenen Mund, wo doch seine erste und einzige Liebe angeblich stets die See war … Tia Dalma hatte exakt darauf hinausgewollt. Er verliebte sich, das waren angeblich ihre Worte, laut Gibbs.“
„Kaum wahr“, stöhnte Tara lethargisch, „denn diesen vermeintlichen Umstand hatte er auch bei unserem Wiedersehen erneut höchst erfolgreich verdrängt.“ Wehmütig besah sie das kleine Gesicht ihrer Tochter. Seiner Tochter … „Er hat nie zurückgeschaut, als wir wieder aneinander zerbrochen sind.“
„Oh doch, das hat er“, erwiderte Teague sofort, beinahe hämisch. „Gibbs hielt mich diesbezüglich auf dem Laufenden, als wir uns begegnet sind.“
„Wann?“
„Auch in London.“
„Tja …“ Tara seufzte. „Und wo ist er dann jetzt, Edward?“
Sie konnte die Tränen über den altbekannten, bitteren Schmerz, den diese Offenbarungen nur mehr befeuerten, kaum zurückhalten. Gar nicht um ihretwillen, mehr wegen ihrer Kinder, die einen Vater verdient hatten.
„Ausgezeichnete Frage, meine Liebe“, gestand Teague und streichelte dem Neugeborenen auf seinem Schoß behutsam über den Kopf. „Weißt du – vermutlich stellt er gerade etwas Blödes an …“
Ihr war zum Heulen zumute, und doch brachte er sie damit zum Lachen. Er brachte sie all die Jahre über zum Lachen, all der Umstände zum Trotz, doch sie sprachen seither nicht wieder von Jack.
Nein, er glänzte mit Abwesenheit, und es war noch nicht einmal seine Schuld. Vorwerfen würde sie es ihm nie können. Er hatte schließlich keinen blassen Schimmer, dass er Vater geworden war – und selbst wenn Gerüchte ebenso wie Matrosen segeln konnten, war Jack in der Welt zu Hause. War er nicht in Singapur, befand er sich womöglich in Marrakesh. Hielt er sich nicht in London auf, hatte es ihn womöglich an die Strände Mexikos verschlagen. Übte er sich nicht in Amtsanmaßung eines Offiziers der spanischen Royal Navy, so gab er sich als Richter oder gar als Priester aus, vermutlich von dreifachen Flüchen verfolgt …
Er war nirgendwo und überall, niemand und jeder, stets auf der Suche nach der Quelle des ewigen Lebens und immerzu auf der Flucht vor all seinen Sünden. Er befolgte keine Regeln – höchstens Richtlinien.
Er war nicht da. Teague hingegen war es.
Und so wurde er nicht nur der Vater, den Tara nicht mehr hatte, sondern auch eine Vaterfigur für ihre Kinder. Die Bay war der ideale Zufluchtsort. Es wurde vielleicht getrunken und getanzt, geraucht und vergessen, geschmuggelt und geschossen – doch am Ende des Tages waren die Menschen dort immerhin ehrlich in ihren Fehlern.
Tia und James – nach den Geschichten um Calypso und Norrington benannt, einfach, um diesen Legenden zu gedenken und Jack zu ärgern, sollte er seine Zwillinge jemals kennenlernen – wuchsen dort vielleicht nicht überbehütet auf, immerhin aber mussten sie sich nicht mit Tara allein auf Tortuga durchschlagen. Dort, wo nicht einmal der Codex allzu viel Beachtung fand, weil ihn niemand mit solcher Ernsthaftigkeit durchsetzte wie in der Hochburg der Piraterie.
Nein, sie war am sichersten dort, wo Teague durchgriff.
Und dennoch ahnte Tara intuitiv, dass es der eine Ort der Welt war, den Jack meiden würde wie der Teufel das Weihwasser … Es war demnach fast perfide, seine Kinder dort großzuziehen. Seinen Vater sah Jack am liebsten aus der Ferne – wo Teague war, würde er nicht sein.
Zumindest glaubte sie das jahrelang …