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Razbunare - NCIS:LA

Kurzbeschreibung
GeschichteKrimi / P18 / Het
Grisha "G" Callen OC (Own Character)
14.05.2022
14.05.2022
1
16.585
 
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14.05.2022 16.585
 
Malgorzatta mochte das Hotel nicht.
Es lag wieder in Venice Beach.
In einer ruhigen Seitenstraße. Nicht direkt mit Blick auf den Strand. Aber nur ein paar Schritte von dort entfernt.
Sie mochte es nicht, weil im Moment sowieso alles drunter und drüber ging.
Sam, G, Marty und Kensi waren in Rumänien gewesen. Hatten Hetty dort gerettet, die sich mit einer einheimischen hochkriminellen Familie angelegt hatte. Diese Familie, so hatte sie dann erfahren, hatte auch etwas mit Gs Vergangenheit zu tun. Bisher wusste sie nichts Genaues.
Denn G schwieg. Er war verstört wegen der Dinge, die er dort erfahren hatte, er war besorgt, weil Hetty nach diesem Vorfall dienstunfähig war, und er war unterschwellig aggressiv weil Hettys Vertretung, Lauren Hunter, Sam mit Marty Deeks geteamt hatte, und ihn mit Kensi.
Das wiederum konnte Malgorzatta nicht haben.
Hunter schien zudem sämtliche Fragen, die den Einsatz in Europa betrafen, über die Dokumente, die sichergestellt worden waren, von G abzublocken.
Das frustrierte ihn auf`s Höchste und Malgorzatta hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauerte bis er endgültig an seine Grenze kam.
Sie war auf jeden Fall knapp vor ihrer.
Gs tagelange Abwesenheit nach seiner überstürzten Abreise hatte ihr zugesetzt. Sie konnte mit seiner momentanen Verunsicherung schlecht umgehen. Mehr als einmal hatte sie daran gedacht, Hetty zu Hause aufzusuchen. Doch sie hatte das Gefühl, G damit zu hintergehen.
Sie verstand rein gar nicht, wie es dem Team momentan gelang, sich auf einen Fall zu konzentrieren.
Langsam zog sie die Schlüsselkarte durch das Schloss. Stieß die Tür auf.
Und merkte augenblicklich, dass etwas nicht stimmte!
Ein Mann lag in ihrem Bett.
Auf ihrer Seite. Die Decke bis zur Brust hinauf gezogen. Mit nacktem Oberkörper.
„Hallo?“
Malgorzatta blieb an der offenen Tür stehen.
Rief ein zweites Mal, ohne Antwort zu bekommen.
Sie sah angestrengt auf den Oberkörper des Mannes. Sie konnte keine Atembewegungen erkennen.
Malgorzatta kramte ihr Reizgas-Spray aus der Tasche. Wünschte einmal mehr, G hätte ihr eine Waffe erlaubt. Sie näherte sich vorsichtig dem Bett, behielt dabei sorgsam den Oberkörper des Mannes im Auge. Er atmete nicht.
Und er hatte – als sie ganz vorsichtig ihre Fingerkuppen sein Handgelenk legte – auch keinen fühlbaren Puls.
Rasch ging sie zur offen stehenden Tür zurück und griff zu ihrem Smartphone. Rief an der Zentrale an, die die Notrufe koordinierte, und bat um einen Notarzt an die Adresse des Hotels.
Dann wollte sie G anrufen.
Doch sie zögerte.
Musste sie ihn wirklich damit auch noch belasten?
Dies war doch sicher ein blödes Missverständnis, wie auch immer!
„Ma`m!“
Es waren keine zwei Minuten seit ihrem Anruf bei der Notfallzentrale vergangen als nun zwei Polizeibeamte die Treppe hinauf eilten.
„Treten Sie bitte von der Tür weg!“
Malgorzatta sah die Beamten verblüfft an und trat dann in den Flur.
Sie bekam unterschwellig das unangenehme Gefühl, dass hier etwas begann, fürchterlich schief zu laufen!
„Was ist geschehen?“
Während der eine Beamte bei ihr stehen blieb, betrat der andere vorsichtig den Raum.
„Ist das Ihr Hotelzimmer?“
„Ja.“ gab Malgorzatta zur Antwort.
„Mein Mann und ich wohnen dort!“
„Was ist geschehen?“
„Leblose Person, männlich, Mitte-Ende Zwanzig!“ rief der Beamte aus dem Zimmer.
„Ich war einkaufen in der Stadt und als ich wiedergekommen bin habe ich  
den leblosen Mann in unserem Bett vorgefunden!“ Malgorzatta wählte ihre Worte mit Bedacht.
Der Beamte nickte.
„Kennen Sie ihn?“
„Nein.“
„Können Sie sich ausweisen, Ma'm?“
Der Beamte sah sie fragend an.
„Natürlich.“
Malgorzatta nahm ihren Ausweis aus der Tasche. Griff dabei wie selbstverständlich auch zu ihrem Smartphone.
Sie wollte G anrufen. Die Sache wurde ihr unheimlich.
Der Beamte nahm ihren Ausweis. Begann, ihre Daten zu notieren.
„Ma'm, Mrs. Callen, können Sie mir bitte erzählen, was passiert ist! Wenn Sie jetzt bitte nicht telefonieren würden!“
„Ich möchte eben meinen Mann anrufen! Er ist Bundesagent!“
„Mrs. Callen, wenn Sie mir bitte schildern würden, was passiert ist!“
Zwei Sanitäter kamen die Treppe hoch gelaufen. Sahen fragend zu ihnen herüber.
Der Polizeibeamte wies auf die offen stehende Tür. Die Sanitäter liefen hinein.
Dann sah der Beamte sie wieder fragend an.
„Ich war einkaufen.“  schilderte Malgorzatta ihm, so ruhig wie nur eben möglich.
Ihr war unheimlich.
„Als ich zurückkam lag der Mann dort im Bett. Ich kenne ihn nicht! Er war vorher nicht da!“
Der Beamte notierte es.
„Neil, er ist tot!“ rief der andere Beamte und blieb in der Tür des Zimmer stehen.
Der Polizeibeamte sah von seinem Block auf, sie an.
Sein Gesichtsausdruck wurde sehr ernst.
„Mrs. Callen, ich nehme Sie in Gewahrsam! Bitte händigen Sie mir Ihr Telefon aus! Sind Sie bewaffnet?“
„Ich habe Pfefferspray dabei.“ antwortete Malgorzatta wahrheitsgemäß.
Sie griff langsam in ihre Tasche und reichte es dem Beamten.
„Ihr Telefon, bitte, Mrs. Callen!“
„Ich möchte meinen Mann anrufen!“ gab Malgorzatta bestimmt zurück und hielt es demonstrativ fest.
„Sie werden später auf dem Revier dazu Gelegenheit haben!“ gab der Polizist zurück und streckte auffordernd die Hand aus, sah sie streng an.
Malgorzatta reichte ihm ihr kleines Telefon widerwillig. Ärgerte sich nur noch mehr, dass sie G nicht gleich angerufen hatte!
„Ich bitte Sie, Mrs. Callen, dort Platz zu nehmen bis sich die Gelegenheit ergeben wird, Sie auf's Revier zu bringen! Es wird nur ein paar Minuten dauern! Da Ihr Mann Bundesagent ist, appelliere ich an Ihre Vernunft und verzichte auf Handschellen! Vorerst!“
Malgorzatta presste für einen Moment die Lippen fest zusammen.
„Danke, Officer!“ meinte sie dann ruhig, betont unterwürfig, und ging dann langsam zu der Zweisitzer-Couch auf dem Flur, schräg von ihrer Zimmertür. Sie nahm Platz.
Ihr Kopf war nahezu leer. Bis auf den Gedanken, warum sie G nicht gleich angerufen hatte! Weil er so viel um die Ohren hatte! Und jetzt? Wie standen die Chancen, dass er hiervon nichts mitbekam? Was würde er denken wenn er zum Hotel zurückkehrte? Was würde er denken, wenn er sie telefonisch nicht erreichte? So etwas konnte er nicht gebrauchen im  Moment!
Leute in den weißen Overalls der Spurensicherung kamen die Treppe hoch und verschwanden in ihrem Zimmer.
Malgorzatta war froh, dass G seine Sachen fast alle bei sich hatte! Es wäre ihr unerträglich gewesen, wenn die Beamten seine persönlichen Erinnerungsstücke lieblos durchstöbert hätten!
Dann kam Marty Deeks die Treppe hoch.
Er sah sich suchend um.
Malgorzatta konnte ein Wimmern nicht zurückhalten. Sprang instinktiv auf. Der Beamte, der bei ihr stand, machte sofort einen Schritt in ihre Richtung und hob beschwichtigend die Hand.
Doch Marty war dadurch aufmerksam geworden und kam zu ihr.
„Bitte Ma'm, setzen Sie sich wieder!“ meinte der Beamte derweil streng.
„Schon gut! Ich kümmere mich jetzt!“ meinte Marty zu ihm und zeigte ihm seinen Dienstausweis, wandte sich dann an sie.
„Malin, was ist los?“
Er sah sie ruhig, auffordernd an.
„Wo ist G?“
„Unten.“ meinte Marty bloß ruhig während er seine Augen langsam durch den Flur wandern ließ. Dann sah er sie wieder an.
„Was ist passiert?“
„Bitte, ich möchte mit ihm sprechen!“ Malgorzatta war kurz davor, wieder aufzustehen.
Marty schien das zu merken.
Er setzte sich neben sie. Legte seine Hand an ihren Arm wie um sie zurück zu halten.
Er räusperte sich.
„Mmh … Malin … das Beste für Dich und Callen ist es jetzt, wenn ihr erst einmal keinen Kontakt habt! Vielleicht bis das alles geklärt ist! Callen ist Bundesagent! Du bist … „
Er räusperte sich wieder.
„ … ich weiß nicht wie, irgendwie in diese Agentensache verwickelt! Deswegen müssen wir diese Angelegenheit doppelt akkurat zu Ende bringen! Okay? Ich verstehe, dass das im Moment nicht einfach ist für Dich! Aber bitte, es hilft keinem, wenn wir jetzt Vorschriften missachten!“
Malgorzatta nickte.
Sah Marty an. Presste die Lippen wieder zusammen.
„Wie … wie geht es G?“
Sie hatte Angst vor der Antwort.
Marty schluckte. Wich ihrem Blick für einen Moment aus.
Das war für Malgorzatta schon Antwort genug.
Sie schluckte energisch. Versuchte, sich zusammen zu reißen!
„Was machen wir jetzt?“ fragte sie Marty, mit einem Zittern in der Stimme, bevor er antworten konnte. Sie versuchte, ihn entschlossen anzusehen.
„Wie … bringen wir das jetzt am Besten hinter uns?“
Marty räusperte sich erneut. Offensichtlich irritiert über ihren Wandel.
„In eurem Hotelzimmer … „
Er machte eine rasche Kopfbewegung zu der offen stehenden Tür.
„ … werden gerade Spuren gesichert! Ich schlage vor, wir fahren zum Revier und ich nehme Deine Aussage auf. Dann sehen wir weiter, okay?“
Malgorzatta nickte sofort.
Marty stupste sich mit der Hand an die Nase, eine Geste der Verlegenheit,  
die Malgorzatta von ihm kannte.
„Hör` `mal, Malin … es tut mir leid … ich muss Dich das fragen … bist Du bewaffnet?“
„Nein.“ gab Malgorzatta wahrheitsgemäß zur Antwort.
Marty nickte langsam.
„Und Du hast in Deiner Tasche auch nichts … was jemandem gefährlich werden könnte?“
„Nein.“ wiederholte Malgorzatta wahrheitsgemäß.
„Wo ist Dein Mobiltelefon?“
„Der Officer hat es!“
Sie machte eine rasche Kopfbewegung zu dem Beamten, der bei ihnen stand.
„Sir!“
Der Beamte reichte Marty sofort eine durchsichtige Plastiktüte, in dem sich ihr Smartphone und ihr Pfefferspray befanden.
Marty nahm es.
„Danke.“
Er wandte sich ihr wieder zu.
„Malin … noch etwas! Wenn wir jetzt zum Revier fahren müsste ich Dir eigentlich Handschellen anlegen! Ich möchte wirklich darauf verzichten … wenn Du mit versprichst, keinen Unsinn zu machen!“
Er sah sie an. Aufmerksam.
Malgorzatta dachte an G.
Es würde auf ihn zurückfallen. Sie wollte nichts tun, was ihm schaden konnte. Was seinem Ruf als hervorragender Bundesbeamter irgendwie in Misskredit bringen konnte.
„Ja, natürlich, Marty! Danke schön!“
„Okay! Dann komm!“
Marty machte eine auffordernde Kopfbewegung und schob sie am Arm sacht in Richtung der Treppe.
Malgorzatta bemühte sich, ruhig zu bleiben. Langsam, geordnet zu erscheinen.
Unten in der kleinen Eingangshalle sicherten zwei Beamte den Eingang.
Ein Beamter stand an der Rezeption.
Ein Anderer stand bei zwei Gästen, die in der kleinen Sitzecke links neben dem Eingang auf der Couch saßen.
Hatten sie alle etwas dazu zu sagen?
Marty zog sie sehr sacht nach links, vom Haupteingang weg, an der Rezeption vorbei.
„Wir gehen hinten `raus!“ meinte er zu ihr.
' Ist G dort?' hatte Malgorzatta hoffnungsvoll auf der Zunge. Sie hielt es mühsam zurück. Sie wollte es – für G – ganz ruhig und professionell hinter sich bringen.
Ihr Herz klopfte rasch als sie in die kleine Seitengasse traten.
Nach rechts, zum Hauptweg hin, war sie mit dem gelben Plastikband der Polizei abgesperrt.
Marty zog sie sacht nach links.
Unten an der Straße stand sein Wagen.
Marty öffnete ihr – genau so Gentlemen-like wie G – die Beifahrertür und ließ sie einsteigen. Er schloss die Tür hinter ihr.
Dann stieg er auf der Fahrerseite ein.
Malgorzatta schnallte sich demonstrativ an. Sie wollte ihren guten Willen zeigen.
Marty schnallte sich ebenfalls an und startete dann den Motor.
Malgorzatta konnte es nicht zurück halten.
„Marty … ist Sam bei G?“
„Ja.“  antwortete Marty einfach und lenkte den Wagen auf die Straße.
„Und Kensi.“
Malgorzatta presste die Lippen zusammen.
Kensi war mittlerweile ein rotes Tuch für sie.
War sie im OSP, aus welchem Grund auch immer, versuchte sie, ihr aus dem Weg zu gehen.
Sie war total eifersüchtig aus sie.
Grundlos!
Sie kam gegen das Gefühl einfach nicht an!
„Alles okay? Soweit?“ erkundigte sich Marty fürsorglich und warf ihr einen prüfenden Blick zu.
Malgorzatta täuschte ihn mit einem Lächeln so gut es ging.
„Ja. Soweit. Danke, dass Du Dich kümmerst, Marty!“
Marty grinste.
„Das ist meine Aufgabe. Ich bin der Verbindungsmann. Ich habe mich selten zuvor … so nützlich gefühlt in dem Job!“
Malgorzatta lächelte ihm zu.
Ein bisschen aufrichtiger diesmal.
„Ich bin froh, dass Du das machst! Ich hätte jetzt sehr ungerne einen fremden Officer neben mir! Wie … geht es jetzt weiter für mich?“
„Ich nehme im Revier Deine Aussage auf!“ ließ Marty sie bereitwillig wissen.
„Wir lassen und schön Zeit damit und wenn wir Glück haben, hat das Kriminallabor danach schon die ersten Spuren ausgewertet und Du wirst entlastet!“
„Und wenn nicht?“ fragte Malgorzatta und konnte den bangen Ton in ihrer Stimme nicht ganz verbergen.
Marty warf ihr einen langen Blick zu bevor er wieder auf die Straße sah.
„Malin … ganz ernst! Ist es zu befürchten … kann es Anzeichen geben … dass … dass Du nicht unschuldig bist?“
Malgorzatta atmete tief aus.
„Nein.“ antwortete sie, einfach und ruhig.
Sie konnte ihm die Frage nicht `mal übel nehmen.
Es war kein persönliches Interesse. Es war sein Job. Und darüber hinaus wollte er ihr helfen.
„Hab'  ich auch nicht erwartet!“ Marty grinste zu ihr herüber.
Malgorzatta merkte erst jetzt, wie nervös er gewesen war, nach ihrer Schuld zu fragen.
„Dann müssen wir die weitere Spurenuntersuchung abwarten.“ fuhr er jetzt fort.
„Wir dürfen Dich nicht länger als vierundzwanzig Stunden ohne Anklage festhalten, weißt Du, ja? Ich glaube allerdings nicht, dass es so weit kommen wird! So … „
Er lenkte den Wagen auf den Parkplatz des großen länglichen Polizeigebäudes. Parkte an einer Mauer. Schaltete den Motor aus und zog den Schlüssel ab.
„Malin, ich steige zuerst aus! Du bleibst im Wagen, bis ich Dir die Tür öffne, erst dann steigst Du aus! Okay?“
„Ja.“ Malgorzatta nickte ihm gehorsam zu.
Sie stieg erst aus als Marty ihr die Tür geöffnet hatte.
Sie blieb ganz dicht, ruhig am Wagen stehen während Marty die Tür schloss und dann die Zentralverriegelung aktivierte.
„Komm!“ meinte er dann, berührte sie leicht am Arm während er eine auffordernde Kopfbewegung Richtung des kleinen Einganges hier vom Parkplatz machte.
Malgorzatta ging ruhig, langsam in die angegebene Richtung.
Marty öffnete ihr die Tür und ließ sie in das Gebäude vorangehen.
„Hinten links sind die Fahrstühle!“ meinte er zu ihr.
Eine Kabine brachte sie hinauf in den zweiten Stock.
Hier standen Bürotüren offen. Leute liefen über den Flur.
Marty grüßte manche von ihnen.
Führte sie dabei zu einem Verhörraum, der tatsächlich so aussah wie man sie aus dem Fernsehen kannte.
Kahl. Fensterlos. Ein Tisch, zwei Stühle, jeweils einer vor einer Längsseite des Tisches. Nur der obligatorische Zwei-Wege-Spiegel fehlte.
Dafür gab es zwei kleine Kameras in entgegen gesetzten Ecken des Raumes oben an der Decke.
„Setz' Dich!“
Marty tippte an die Lehne des rechten Stuhles bevor er um den Tisch herum ging. Zum linken Stuhl.
„Möchtest Du etwas Trinken? Oder hast Du Hunger?“
„Ein Tee wäre schön.“
Malgorzatta setzte sich langsam auf den Stuhl. Ließ ihre Handtasche zu Boden gleiten.
„Ich … ich hab' etwas Kopfschmerzen. Ich würde gerne eine Tablette nehmen!“
Marty sah sie aufmerksam an.
„Soll ich einen Arzt holen?“
Malgorzatta schenkte ihm ein kleines Lächeln.
„Nein, danke! Geht schon! Ich hab` Kopfschmerztabletten! Ich würde sie … nur gerne nehmen!“
„Hast Du das öfter?“ erkundigte sich Marty mitfühlend.
„Manchmal.“ wich Malgorzatta ihm aus.
Marty nickte und wandte sich zur Tür.
„Okay! Bleib` hier! Ich seh` `mal, was ich finde!“
„Danke.“
Während Marty hinaus ging und die Tür hinter sich schloss, griff Malgorzatta zu ihrer Handtasche und nahm zwei Kopfschmerztabletten heraus.
Sie legte den Blister auf den Tisch.
Stellte die Tasche wieder auf den Boden. Ließ ihren Blick langsam durch den Raum wandern.
Sie war noch nie verhaftet worden. Die „andere Seite“ des Gesetztes war ihr vertrauter, auch wenn sie noch nie jemanden verhaftet, noch nie jemanden verhört hatte. Sie war immer eher mit kleinen unauffälligen Aufgaben betraut worden.
Bis auf ihre Kopfschmerzen fühlte sie sich ganz gut.
Einigermaßen ruhig.
Sie hatte es schon fast geschafft.
Sobald Marty ihre Aussage aufgenommen hatte, konnte sie bestimmt gehen. Dann würde G sie abholen!
Bestimmt konnten sie einen ungestörten Abend miteinander verbringen, in einem neuen Hotel! Alles würde gut werden!
Marty kam nach ein paar Minuten zurück.
Er hatte zwei Becher in den Händen, die er auf dem Tisch abstellte; ihr denjenigen zuschob, aus dem das Teeetikett baumelte.
Er legte zwei Stäbchen mit Zucker dazu, ein Holzstäbchen zum Umrühren, eine Serviette und einen Keksriegel.
Den anderen Becher, der nach Kaffee roch, schob er auf die andere Seite des Tisches, ebenso wie die dünne Aktenmappe, die er sich unter den Arm geklemmt hatte.
„Danke Marty!“ meinte Malgorzatta.
Sie umfasste den Pappbecher prüfend. Er war heiß.
Als ließ sie den Inhalt der beiden Zuckerstäbchen erst einmal in den Tee gleiten. Rührte mit dem Holzstäbchen um. Zupfte ein bisschen angespannt am Etikett des Teebeutels.
Marty hatte sich ihr gegenüber gesetzt.
Hielt eine Hand an seinen Kaffeebecher.
„Willst Du erst Deine Tablette nehmen?“
„Der Tee ist noch zu heiß, danke.“
Malgorzatta sah Marty über den Tisch offen, freundlich an. Wie um ihm zu signalisieren, dass sie bereit war. Dass sie es hinter sich bringen wollte!
„Was möchtest Du wissen?“
„Erzähl` mir einfach, was passiert ist!“ erwiderte Marty und sah sie an.
Malgorzatta nickte.
„Ich war in der Stadt. Ein bisschen bummeln. Mein Smartphone war bei mir, hat sich bestimmt in den verschiedenen Funkzellen in der Stadt eingeloggt! Als ich ins Hotel zurück kam, lag der Mann in unserem Bett. Ich habe ihn vorher noch nie gesehen!“
Marty lachte.
„Da merkt man gleich, dass Du Ahnung hast! Jeder in diesem Raum sollte seine Informationen so präzise angeben und unser Job wäre um einige leichter!“
Er schlug den Aktenorder vor sich auf dem Tisch auf.
Ein einzelnes Blatt lag darin. Zur Hälfte beschrieben.
„Ist Dir vorher irgendetwas Verdächtiges aufgefallen?“ erkundigte er sich bei ihr.
„Eventuell schon ein paar Tage vorher? Jemand, der Dich verfolgt oder beobachtet hat? Haben Dich Fremde angesprochen in den letzten Tagen?“
Malgorzatta schüttelte den Kopf.
„Nein. Es war alles … ganz normal!“
„Warum ward ihr in diesem Hotel?“ fragte Marty weiter.
„Du bist gemeldet Baker Street Nummer sechshunderteinunddreißig. Und Callen hat ein Haus. Ist vermutlich das in der Baker Street? Warum ward ihr im Hotel? Macht ihr … das manchmal?“
Malgorzatta öffnete den Mund um ihm zu antworten. Machte ihn dann wieder zu.
Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie befremdlich das auf andere wirken musste! Sie hatte sich ein bisschen in diesem unsteten Leben mit G eingerichtet. Das konnte sie, weil sie ihn unendlich liebte! Auf andere wirkte das sicher merkwürdig. Damit konnte sie leben! Doch hier wurde ihrer beider Privatleben ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt! Vor die Augen von Gs Arbeitskollegen, vor Leute, mit denen er tagtäglich zu tun hatte!
„Ja … ehm, das ist das Haus. G hat so lange in Hotels gelebt. Das Haus … ist ihm … noch etwas … fremd!“
Marty nickte. Ging darüber hinweg als wäre es normal. Das rechnete sie ihm hoch an.
„Malin, Du bist … „
Er hatte das Geschriebene auf dem Blatt kurz überflogen, blies jetzt kurz die Wangen auf und stieß die Luft wieder hinaus.
„ … puh, Du bist acht Jahre älter als Callen! Meine Güte, das sieht man Dir wirklich nicht an! Ich hoffe, Kensalina … „
Er brach ab, räusperte sich.
„Danke Marty!“ meinte Malgorzatta leise, geschmeichelt.
„Das ist nett von Dir!“
Sie begann, den Keksriegel auszupacken. Brach ein Stück davon ab und aß es.
„Also, was mich wundert … „ fuhr Marty jetzt fort.
„Das hier ist Deine Akte! Gerade `mal diese halbe Seite! Es gibt keine Angaben zu Deinen Schulbesuchen, Deine Arbeit, Du hast vor zwei Jahren in Washington Deinen Führerschein bekommen! Das hier sieht ganz so aus … als wäre es Dein zweites Leben!“
Malgorzatta nippte vorsichtig an ihrem Tee. Pustete darüber. Bedächtig.
„Ja. Das ist mein zweites Leben.“
Marty nickte langsam.
„Kann es sein … dass jemand aus Deinem ersten Leben damit zu tun hat? Dass Dir jemand etwas anhängen will?“
Malgorzatta dachte nach.
„Als Eric verschwunden war … als ich weg war … und schließlich G, hatte das mit meinem ersten Leben zu tun! Mein Ex-Mann steckte dahinter! Ihr habt meinen Ex-Schwager verhaftet weil er hier in Amerika die Sache durchgeführt hat, obwohl er ausgewiesen worden war … „
Sie konnte nicht weitersprechen. Es war zu persönlich.
Doch Marty nickte langsam. Schließlich war er dabei gewesen.
Langsam drückte sie die beiden Tabletten aus der Verpackung und schluckte sie mit dem Tee herunter.
Auch das war ihr unangenehm.
Sie brach noch ein Stückchen von dem Keksriegel ab. Aß ihn. Spülte mit einem Schluck Tee hinterher.
Erkannte ihr Vermeidungsverhalten weil sie nicht reden wollte.
„Ich weiß es nicht, Marty! Efremil hatte eine sehr große Familie mit einem sehr intensiven Zusammenhalt! Ich kann mir schon vorstellen, dass sie mir etwas anhängen möchten! Um sich zu rächen! Allerdings denken sie, ich wäre tot!“
Marty nickte. Er stand auf.
„Malin, bitte warte! Ich muss mir Deine vollständige Akte besorgen! Das ist zu komplex! Du kannst warten hier? Ist das okay für Dich?“
Malgorzatta nickte.
„Ja Marty! Danke!“
„Okay.“
Er verließ den Raum. Die dünne Aktenmappe nahm er mit.
Malgorzatta warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war kurz vor sechs. An seltenen – ganz normalen Tagen- hatte sie jetzt Feierabend mit G! Sie würden irgendwo eine Kleinigkeit essen. Oder sie lagen in irgendeinem Hotelzimmer aneinander gekuschelt auf dem Bett und G verfolgte die Nachrichten.
Sie vermisste das jetzt unendlich.
Sie wollte zu G.
Langsam trank sie ihren Tee aus.
Es dauerte lange bis Marty zurück kam.
Diesmal hatte er einen zweiten Aktenordner in der Hand, der ungleich dicker war als der Erste.
„Wie geht es Dir?“ fragte er während er wieder ihr gegenüber Platz nahm.
„Ganz gut!“ log sie ihn an.
Marty nickte langsam.
„Hör``mal, Malin! Es gibt da ein Problem!“ begann er nach einem verlegenen Räuspern.
„Eine erste Spurensicherung in eurem Hotelzimmer hat keine fremden Spuren ergeben! Nur Fingerabdrücke von Callen und Dir! Die Tür wurde nicht aufgebrochen! Bis zum Abschluss aller anderen Untersuchungen … morgen … müssen wir Dich über Nacht hier behalten!“
Malgorzatta spürte Tränen aufsteigen.
Tränen der Hilflosigkeit. Tränen der Angst. Das hier geriet außer Kontrolle! Sie bekam Angst, dass sie ihr altes Leben mit G nicht zurückbekommen würde!
„Marty … okay, bitte … laß` mich mit G telefonieren!“
Sie schluckte angestrengt an ihren Tränen, gegen die Enge in ihrem Hals.
Marty räusperte sich erneut.
Stupste verlegen seine Nase.
„Malin, es tut mit leid … wirklich, aber das ist keine so gute Idee! Es könnte sich auf Callen auswirken, auf seine Karriere. Der Kontakt zu einem Bundesagenten könnte Dir zu Deinem Nachteil ausgelegt werden falls … wenn … wenn … Du belastet wirst!“
Malgorzatta spürte die Tränen wieder hochsteigen. Sekundenlang bekam sie einen Anflug von Panik.
Wie hatte sich alles so schnell ändern können?
Was, wenn alles nicht gut lief? Was, wenn ein Justizirrtum geschah?
Was, wenn sie G nie wiedersah?
„Marty, bitte, kannst Du G für mich anrufen?“
Was, wenn er glaubte, dass sie es getan hatte? Dass sie ihn betrogen hatte? Wenn er sie verließ?
„Kannst Du ihm bitte sagen ... es ist alles in Ordnung?“
Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht zurückhalten.
„Später, Malin!“ erwiderte Marty ernst.
„Wir müssen erst … ein paar Sachen besprechen!“
Malgorzatta presste die Lippen fest zusammen.
Würgte wieder an ihren Tränen. Sie konnte einen kleinen Aufschluchzer nicht unterdrücken.
Verlegen kramte sie nach ihrem Taschentuch und putzte sich die Nase.
„Du weißt selbst, nur weil keine fremden Spuren vorhanden waren, heißt das nicht, dass Du jetzt verdächtig bist!“ fuhr Marty sanft fort.
„Es ist nur … Du warst am Tatort … Du darfst vierundzwanzig Stunden hier behalten werden falls sich Anhaltspunkte ergeben! Ich denke, dass sich nichts ergeben wird! Oder?“
Marty sah sie aufmerksam an.
„Nein.“ antwortete Malgorzatta nochmal. Nur diesmal etwas ärgerlich.
„Schau, Malin, ich arbeite mit Callen!“ meinte Marty jetzt ruhig, verständnisvoll.
„Ich weiß … dass es nicht immer einfach ist mit ihm! Er hatte … eine schwere Kindheit … das wirkt sich auch auf ihn als Erwachsenen aus! Er ist ein sehr guter Team-Leiter, wirklich ein hervorragender Agent … aber sicher ist es … privat … schwierig mit ihm … ?“
Malgorzatta verspürte in Sekunden den Wandel von hilflos zu wütend.
„Hörst Du bitte auf so über G zu reden!“
Sie funkelte ihn über den Tisch hinweg an.
Zu ihrem Erstaunen lachte Marty auf.
„Tut mir leid, Malin …“
Er stupste wieder seine Nase.
„ … es geht mich nichts an und ich will es natürlich auch gar nicht wissen! Callen ist ein absolut hervorragender Agent! Keine Frage! Er ist hoch angesehen im Team! Ich würde ihm mein Leben anvertrauen .. na ja, tue ich ja auch! Ich wollte Dich nur … etwas ablenken!“
Malgorzatta schüttelte leicht den Kopf.
„Mach` das bitte nicht, Marty! Ich bin … wirklich nicht gut drauf!“
Marty warf ihr einen langen Blick zu.
„Ich weiß!“ gab er ernst zurück.
„Deswegen lass` es uns schnell hinter uns bringen!“
Er schlug die dicke Akte auf und überflog die erste Seite.
„Du wurdest am dreißigsten September neunzehnhundertzweiundsechzig in Chicago geboren als Malgorzatta Oldfield. Hm … wie kommst Du zu Deinem ungewöhnlichen Vornamen?“
Malgorzatta spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Das, was sie immer befürchtet hatte, war eingetreten!
Marty wusste durch diesen einen Satz mehr von ihr als sie ihm je verraten hätte!
Es war nicht so, dass sie ihm nicht vertraute. Aber sie war sehr wählerisch mit dem, was sie anderen Leuten erzählte!

Als eine Beamtin sie zur Nacht in eine Zelle brachte, wusste Marty mehr aus ihrem Leben als G.
Malgorzatta fühlte sich entblößt. Administrativ vergewaltigt.
Sie hatte Marty gebeten, alles vertraulich zu behandeln. Es niemandem aus dem Team zu erzählen. Er hatte es ihr versprochen. Sie glaubte ihm das. Trotzdem fühlte sie sich elend.
Marty hatte auf ihre Bitte hin G angerufen. Hatte ihm von ihr ausgerichtet, es wäre alles in Ordnung! Er hatte nicht erlaubt, dass sie mit ihm sprach! G ließ ihr ausrichten, sie würden sich morgen sehen. Es wäre alles gut!
Malgorzatta glaubte ihm das nicht.
Sie musste seine Stimme hören um sich überzeugen zu lassen.
Jetzt wusste sie nicht `mal, wo G die Nacht verbringen würde.
Die Beamtin brachte ihr Abendessen, stellte es auf dem kleinen Metalltisch links an der Wand ab.
„Gute Nacht, Ma`m!“ wünschte sie ihr dann bevor sie hinaus ging.
„Danke! Gute Nacht!“ erwiderte Malgorzatta.
Sie trank nur einen kleinen Schluck von dem Hagebutten-Tee.
Dann ging sie zu der Liege an der rechten Wandseite.
Sie empfand ihre Kopfschmerzen als schrecklich.
Konnte kaum noch den Kopf bewegen. Ihr Nacken, beide Schultern waren verspannt, sie verspürte den Schmerz bis hinter die Augen.
Sie hatte oft Kopfschmerzen wenn sie sich Sorgen um G machte. Doch so schlimm war es nicht `mal gewesen als er nach Prag verschwunden war. Oder als er nach Rumänien musste.
Langsam legte sie sich auf die Liege. Breitete vorsichtig die einfache Wolldecke über sich.
Die Beamtin hatte das Licht gedämmt. Es war angenehm.
Ihre Armbanduhr zeigte zwanzig vor neun.
Sie musste -längstenfalls – nur noch die Zeit bis 17.00 Uhr überstehen. Dann waren die 24 Stunden vorbei.
Marty hatte beim Abschied gesagt, er würde sich gleich morgen früh wieder nach ihr sehen. Sie musste nur die Zeit bis dahin herumkriegen.
Es erschien ihr sehr unwahrscheinlich, dass sie noch länger würde hierbleiben müssen. Schließlich gab es keine Beweise! Sie hatte nichts getan! Es konnte keine Beweise geben!
Es machte ihr nichts aus in diesem kleinen Raum eingesperrt zu sein. Ihr fehlte nur G! Das war es, was ihr wirklich zusetzte!
Und dass Marty ihr Innerstes nach außen gekehrt hatte!
Sie schloss die Augen.
Zog sich an einen der wenigen Orte zurück, die sie Marty hatte verschweigen können: ihre Erinnerung!
Bewusst erinnerte sie sich daran, wie sie G das allererste Mal begegnet war:
In Kiew. In der tschechischen Botschaft. Es war der 16. Dezember gewesen. Efremil hatte einen kleinen vorweihnachtlichen Empfang in der Botschaft gegeben. Für einige wichtige Leute, Geschäftspartner und einflussreiche Bekannte.
Sie hatte neben ihm in dem kleinen Vorraum der Botschaft gestanden und Hände zur Begrüßung geschüttelt. Viele Hände.
Dann war ihr der Mann im Smoking aufgefallen, noch vier Reihen von ihrem Begrüßungshändeschütteln entfernt. Eigentlich trugen hier alle Männer Smoking.
Aber keiner sah so lässig darin aus.
Für einen Moment nur hatte sie ihre Aufmerksamkeit von dem Zeitungsbesitzer abgewandt, mit dem Efremil gerade sprach. Er war ohnehin ohne Frau hier, sie brauchte also nicht heucheln.
Sie reckte den Kopf ein wenig in die Richtung des Mannes, den sie eben gesehen hatte. Sie war gespannt, wer er war.
In diesem Moment hatte er einen kleinen Schritt nach rechts gemacht, aus der Reihe, direkt in ihr Blickfeld.
Ihre Augen trafen sich.
Seine Pupillen waren von so einem strahlenden Blau, dass sie über diese Distanz von ungefähr vier, fünf Metern geradezu leuchteten. Er war unrasiert. Seine Haut wies eine samtige Bräune auf. Er sah sie an. Ungeniert. Für lange Sekunden, bis der Zeitungsverleger hinein ging und den Platz vor ihnen frei gab für die nächsten Gäste zur Begrüßung.
Malgorzatta spürte direkt ihre Aufregung.
Mit einem Mal fror sie selbst in ihrem dicken Samtkleid. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie versuchte angestrengt, sich die Sitzordnung ins Gedächtnis zu rufen. Die Namen parat zu haben.
Dann war er vor sie getreten.
Hatte – entgegen der Etikette – erst sie und dann Efremil begrüßt.
Deswegen hatte Efremils Sekretär sich bei der Vorstellung verhaspelt und sie hatte zuerst gar nicht mitbekommen, wie der Mann hieß, der sie von oben bis unten angesehen hatte während er zur Begrüßung ihre Hand hielt, warm und fest.
Dann hatte er ihr ein Kompliment über ihr Kleid gemacht.
Errötend hatte sie sich bedankt.
Jason Tedrow war sein Name.
Er hatte bei Tisch viel zu weit weg von ihr gesessen.
Erst nachdem die Tafel aufgehoben worden war, bei der zwanglosen Gesellschaft im Smaragd-Salon, als Kaffee, Wein, Liköre, Whiskey und Champagner gereicht wurden, als die Herren teure Zigarren rauchten und über Geschäfte sprachen, und die Damen Einkaufsadressen austauschten, konnte sie ihre verhasste Gastgeberinnen-Rolle nutzen um ein bisschen Small-Talk zu machen.
Es war sonst nicht so ihr Ding.
Doch jetzt konnte sie vielleicht damit Jason Tedrow ein wenig näher kommen.
Sie spürte seine Blicke, die ihr folgten, seit sie durch den Raum ging, `mal hier, `mal dort stehen blieb.
Das machte sie bloß noch nervöser.
Doch sie wollte nicht einfach mit ihm reden, sie musste mit ihm reden, es war wie ein Zwang, seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte!
Die Gelegenheit war gekommen als Tedrow am Glasschrank stand und offensichtlich Efremils Büchersammlung des letzten Zaren betrachtete.
Behutsam trat sie an ihn heran.
Er stand allein.
Ihr Herz schlug bis zum Hals. Ihre Hände waren eiskalt.
„Mister Tedrow! Sie haben kein Getränk! Darf ich Ihnen etwas bringen?“
Tedrow wandte sich langsam zu ihr um.
Sie spürte sofort, dass er es genoss.
Und sie ahnte, dass er sie in den Glasscheiben hatte kommen sehen.
„Nein, danke! Sehr nett von Ihnen, Mrs. Vendulova!“
Tedrow lächelte ihr zu.
Er war sehr ruhig.
Seine Pupillen leuchteten unwahrscheinlich blau, selbst hier im gedämpften Licht des Salons. Er machte eine sehr gute Figur in dem tadellosen Smoking mit dem weißen Hemd.
„Ich ziehe Ihren Anblick in diesem wunderschönen Kleid jederzeit einem Drink vor!“
Malgorzatta musste lächeln.
Spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen.
„Danke, Mister Tedrow! Sie haben mich vorhin schon ein erstes Mal verlegen gemacht mit Ihrem Kompliment!“
„Nun … „
Tedrow hatte eine hinreißende Art, die Lippen ein wenig zu schürzen.
Fast wie ein klitzekleiner Schmollmund, aber eher als Ausdruck seines Nachdenkens.
„ … vielleicht erlauben Sie es mir später noch ein drittes Mal!“
Jetzt musste sie lachen.
„Ich glaube, wenn Sie das noch `mal so charmant machen, kann ich nicht `Nein` sagen!“
Tedrow lächelte.
Der Blick seiner schönen blauen Augen rutschte neben sie, wo jetzt Efremil auftauchte. Sie spürte seinen Arm mit einem Mal wie besitzergreifend um ihre Schultern.
„Oblibený … „
Er hatte sie ewig nicht mehr mit einem Kosewort bedacht.
„ … Frau Smetaja hat eine Frage an Dich! Sie entschuldigen … Mister Tedrow!“
Er nickte Tedrow kurz zu. Malgorzatta hörte an seiner Stimme, dass er ihn nicht mochte.
„Aber natürlich, Herr Botschafter!“ gab Tedrow galant zurück.
„Mrs. Vendulova, ich freue mich auf das dritte Mal!“
Malgorzatta musste grinsen.
Sie wusste augenblicklich, warum Efremil Tedrow nicht leiden konnte. Er war nicht eifersüchtig. Er war besitzergreifend!
„Danke schön.“ erwiderte sie und schenkte ihm ein Lächeln.
Efremil schob sie fort.
Und dann war Tedrow verschwunden.
Der Attaché, mit dem er gekommen war, saß noch mit einem General bei einem Kognak zusammen.
Malgorzatta stahl sich aus dem Raum.
Im Flur hörte sie oben, im ersten Stock, eine Tür klappen.
Verwundert, weil sich dort ihre Privaträume befanden, ging sie nach oben.
Auf dem Treppenabsatz sah sie Tedrow die Stufen hinab kommen.
Erstaunt sah sie ihn an.
Sie vermochte das nicht einzuordnen!
Tedrow sah nicht aus wie ein billiger Einbrecher, der auf Geld und Schmuck aus war!
„Mister Tedrow … „
Mehr brachte sie nicht heraus.
Tedrow kam gelassen weiter die Stufen hinab und blieb vor ihr stehen.
Er lächelte sie ruhig an. Souverän.
„Seit ich vorhin gesehen habe, wie Ihr Mann Sie weggezogen hat und ich in den Genuss gekommen bin, Ihr Kleid von hinten zu sehen, finde ich es noch viel schöner!“
Er stand so nah bei ihr dass sie fast die Wärme seines Körpers spüren konnte. Definitiv zu nah.
Hier im gedämpften Licht des Flures wirkte seine Bräune etwas dunkler. Das Weiß seiner Augen war ganz klar, rein.
Er hatte ungewöhnlich lange Wimpern für einen Mann. Und eine kleine runde Narbe etwas rechts auf seiner Glabella.
„Danke … Sie haben es tatsächlich ein drittes Mal geschafft!“ gab sie ihm zurück.
Dieses Mal fühlte sie sich nicht ganz so verlegen.
Sie fühlte sich von ihm angezogen!
„Ich hoffe, der Abend gefällt Ihnen genau so gut! Konnten Sie einige …
Geschäftskontakte knüpfen?“
Sie sah zu ihm auf.
Spürte ihre Wangen wieder glühen.
Nur zu gerne hätte sie ihn berührt.
Über den makellosen schwarzen Stoff seiner Anzugjacke gestrichen, auf der sich nicht das kleinste Stäubchen befand!
„Nein … mir gefällt eigentlich Ihr Kleid am Besten!“ gab Tedrow einfach zurück.
Malgorzatta musste beinahe lachen.
Unten klappte eine Tür.
Einer der Gäste, auf dem Weg zu einem der Badezimmer auf der anderen Seite des Hauses, kam unten durch den Flur und sah zu ihnen hoch. Er sah viel zu lange hin bevor er schließlich hinter der Badezimmertür verschwand.
Tedrow räusperte sich leicht.
Malgorzatta spürte, wie er sie leicht am Arm berührte.
„Wir gehen am Besten wieder `runter, oder?“ meinte er halblaut.
Seine Stimme klang das erste Mal besorgt …

Malgorzatta hatte am nächste Tag, nachdem sie die ganze Nacht gegrübelt hatte, nach einem Anruf, der ihr eigentlich nicht erlaubt war, den sie sich aber nicht hatte verkneifen können, herausgefunden, dass er eigentlich G Callen hieß und Agent beim NCIS war ...

Malgorzatta schreckte hoch.
Sie musste tatsächlich weggedöst sein. Jetzt waren sofort ihre Kopfschmerzen wieder da. Schlimmer als zuvor! Ihr war so übel, dass sie das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen!
Zum Glück brannte eine kleine Notbeleuchtung über der Tür.
Augenblicklich waren ihre Gedanken bei G.
Rein vom Gefühl her war es mitten in der Nacht.
G würde nicht schlafen. Das wusste sie. Wahrscheinlich würde er in irgendeinem Hotelzimmer sitzen. Sie hoffte, dass Sam ihn mit nach Hause genommen hatte. Das G es zugelassen hatte und sich nun dort unter Aufsicht befand.
Ganz langsam setzte sie sich auf. Rutschte vorsichtig von der Liege.
Ihr war kalt. Sie hatte das Gefühl, dass die Wirbelsäule in ihrem Nacken durch zwei Stahlstangen ersetzt worden waren, unbeweglich, solide und überaus schmerzhaft.
Ihr war so elend, dass sie sich auf Knien und Händen auf den Boden hinab ließ und hinüber zu der Edelstahltoilette kroch.
Sie konnte nicht laufen. Jeder Schritt ging über ihren Nacken. Sie konnte ihren Kopf kaum bewegen. Der Schmerz ging bis hinter ihre Augen, es fühlte sich an, als würden sie jeden Moment hinauspoppen.
Ihr Magen schien das Angebot dankbar anzunehmen als sie sich über die kalte metallene Toilettenschüssel beugte.
Sie musste würgen.
In diesem Moment ging die Lampe unter der Decke an.
Das helle Neonlicht schien ihr regelrecht in die Augen zu schneiden, blendete sie.
Malgorzatta stöhnte auf.
Ließ sich gegen die Wand sinken, legte schützend einen Arm über ihre Augen.
So eben hörte sie, wie ein Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde.
Ein Riegel zurückgeschoben wurde.
Die Tür öffnete sich.
„Ma`m, benötigen Sie Hilfe? Ist alles in Ordnung?“ erkundigte sich eine Frauenstimme.
Malgorzatta wagte nicht, den Arm herunter zu nehmen.
„Ich habe ziemliche Kopfschmerzen.“
„Benötigen Sie einen Arzt, Ma`m?“
„Ja. Bitte!“ Malgorzatta sah keine andere Möglichkeit.
„Joe, wir brauchen einen Arzt hier!“ rief die Frau.
„Ma`m!“
Malgorzatta hörte sie den Raum betreten.
Langsam, ein paar Schritte.
„Ma`m, legen Sie sich bitte zurück auf die Liege!“
Malgorzatta stöhnte leise.
Sie stemmte sich mühsam auf die Füße.
„Können Sie wohl bitte das Licht ausmachen?“ flüsterte sie angestrengt.
Die Beamtin schien zu zögern.
„Joe, machst Du in der Einundfünfzig das Licht aus!“ rief sie dann.
Malgorzatta hörte an dem leisen Klicken, wie es nur einen Moment später verlöschte. Sie spürte die unvollkommene Dunkelheit. Langsam nahm sie den Arm herunter.
„Danke.“
„Kommen Sie!“
Die Beamtin beugte sich zu ihr hinab und umfasste leicht ihren Arm, half ihr auf. Führte sie die wenigen Schritte zur Liege.
„Hatten Sie das schon `mal?“
„So schlimm noch nie!“ gab Malgorzatta leise zurück.
Sie ließ sich langsam auf die Liege sinken. Sie konnte nicht sitzen. Konnte das Gewicht ihren Kopfes auf ihrem Nacken nicht ertragen.
„Ich hole Ihnen noch eine Decke!“ meinte die Polizeibeamtin.
„Danke.“ flüsterte Malgorzatta noch mal. Sie schloss erschöpft die Augen.
Hörte, wie die Beamtin den Raum verließ. Die Tür schloss. Abschloss.
Es war 3.20 Uhr verriet ihr ein angestrengter Blick auf ihre Armbanduhr.
Sie war froh, dass G sie so nicht sah. Aber bei ihm wäre es eh nicht so weit gekommen! Sie konnte es mittlerweile nicht mehr gut haben, von ihm getrennt zu sein! Rumänien hatte nicht nur G traumatisiert!
Gefühlt verging für sie nur wenig Zeit bis der Arzt kam.
Die Polizeibeamtin hatte ihr noch eine etwas dickere Decke gebracht. Malgorzatta hatte sich dankbar darunter gekuschelt. Und fror trotzdem!
Jetzt führte die Polizistin einen Mann mit einem Arztkoffer herein.
„Ich bin Doktor Harmham.“ stellte er sich ihr vor.
„Mizz Callen … was sind Ihre Beschwerden?“
Malgorzatta genoss für einen kleinen Moment den Nachklang seiner Anrede. Für einen Herzschlag lang schien sie sie mit G zu verbinden.
„Zervikalmigräne.“ antwortete sie dem Arzt präzise, knapp, rasch. Sie blinzelte zu ihm hoch.
Das Licht war wieder eingeschaltet worden.
Sie zwang sich, es zu ertragen, weil ihre Schmerzen sicher bald vorbei sein würden!
„Haben Sie öfter darunter zu leiden?“ erkundigte sich Dr. Harmham.
„Ab und zu, aber es war noch nie so schlimm!“ gab Malgorzatta angestrengt zurück.
„Können Sie sich für einen Moment hinsetzen?“ fragte der Arzt.
Malgorzatta mühte sich auf der Liege hoch. Spürte Dr. Harmhams Hand an ihrer Schulter als er sie sacht stützte.
Dann tastete er behutsam ihren Nacken ab. Bewegte ihren Kopf vorsichtig. Malgorzatta zwang sich, es auszuhalten.
„Ich gebe Ihnen eine Spritze gegen die Schmerzen!“ meinte Dr. Harmham dann und half ihr, sich wieder hinzulegen.
„Machen Sie Ihren rechten Arm frei! Gibt es Medikamente, die Sie nicht vertragen, Mizz Callen?“
„Tramal.“ antwortete Malgorzatta. Angestrengt zog sie ihren rechten Ärmel hoch. Machte schon `mal eine Faust.
In wenigen Minuten würde sie sich bestimmt schon besser fühlen.
Sie spürte, wie der Arzt einen breiten Stauschlauch um ihren Oberarm legte und stramm zog. Dann sprühte er ihre Ellenbeuge großzügig mit einer kühlen Flüssigkeit ein.
Während er es antrocknen ließ nahm er eine Einmalspritze aus ihrer sterilen Verpackung und befüllte sie mit dem Inhalt einer kleinen Glasampulle. Dann setzte er eine Kanüle auf die Spritze.
„Sie sind für die nächsten sechs Stunden vernehmungsunfähig!“ meinte er während er auf ihre Ellenbeuge klopfte um eine Vene hervor zu locken.
„Der Behörde wird eine entsprechende Bescheinigung von mir ausgestellt! Sollten Ihre Beschwerden dann noch bestehen werde ich Sie in ein Krankenhaus einweisen! Es gibt jetzt den Pieks … „
Malgorzatta hatte absolut keine Angst vor Spritzen.
Die Kopfschmerzen waren ohnehin schlimmer.
Der Gedanke an ein Krankenhaus, an Ruhe, und vielleicht auch G, der sie eventuell besuchen durfte, hatte sogar etwas Tröstliches.
Der Einstich war erträglich.
Sie seufzte erleichtert.
Doktor Harmham löste den Stauschlauch um ihren Arm.
Malgorzatta spürte, wie das Medikament in ihre Vene floss. Wärme breitete sich von der Stelle aus. Über ihren Arm. Über ihre rechte Körperhälfte und weiter an ihre linke Körperhälfte, bis unter ihre Schädeldecke.
Wärme und Leichtigkeit hüllten sie ein. Ließen die Umgebung ein angenehmes Stückchen weit wegrutschen. Mit einem Mal fühlte sie sich schläfrig.
Sie schloss einfach die Augen.
Spürte entfernt, wie der Arzt die Nadel aus ihrem Arm zog. Etwas Weiches auf die Einstichstelle drückte, dann offenbar ein Pflaster darüber klebte.
„Merken Sie schon etwas, Mizz Callen?“ kam Doktor Harmhams Stimme von ganz weit weg.
„Mhmh … besser!“ antwortete Malgorzatta mühsam. Ihre Lippen, ihre Stimmbänder wollten ihr nicht wirklich gehorchen.
So eben spürte sie noch die warmen Finger des Arztes an ihrem Gesicht, wie er ihr rechtes Augenlid ein wenig hinauf zog.
Das helle Licht in der Zelle war nur noch verschwommen.
Als der Arzt ihr Augenlid wieder los ließ, als es wieder dunkel wurde, rutschte ihr Bewusstsein gänzlich weg.

Als sie die Augen ganz übergangslos aufschlug sah sie im ersten Moment eine verschwommene Gestalt neben ihrer Liege sitzen.
`G` schoss es ihr sofort durch den Kopf. Doch sie wusste instinktiv, dass er es nicht war!
Die Körpersilhouette, seine Haltung stimmten nicht. Seine Haare waren zu hell. Zu lang.
Er war Marty.
Sie hörte, wie er sich räusperte.
Als sie blinzelte konnte sie ein bisschen deutlicher erkennen, wie er sich zu ihr vorbeugte.
„Malin?“
„Wie geht es G?“
Malgorzatta rappelte sich etwas hoch.
Sah zu Marty.
Ihre Kopfschmerzen waren besser. Nicht weg, aber erträglicher.
Sie fühlte sich müde, benommen. Daneben.
„Ganz gut!“
Marty hörte sich abgelenkt an. Als beantworte er ihre Frage nur so nebenbei.
„Wie geht es Dir, Malin? Der Beamte der Nachtschicht hat gesagt, dass sie einen Arzt gerufen haben!“
Jetzt sah Malgorzatta Nate neben der offen stehenden Tür.
Er war ihr zuerst nicht aufgefallen.
Als ihre Blicke sich trafen lächelte er ihr zu und nickte leicht.
„Guten Morgen, Malin!“
„Guten Morgen!“ erwiderte Malgorzatta rasch.
Sie hatte sofort das Gefühl, sich zurückziehen zu müssen. Sie wollte Nate nicht die geringste Angriffsfläche bieten. Doch eine Frage musste sie noch stellen.
„Wo ist G?“
Sie sah Marty an.
Er verzog widerwillig das Gesicht.
„Im Auto. Unten … auf dem Parkplatz! Er hat die Nacht da verbracht! Malin … „
Malgorzatta musste schlucken.
G war ihr näher gewesen als sie gedacht hatte.
Entschlossen schlug sie die Decken beiseite. Das Aufstehen gelang ihr schon nicht mehr so bestimmt. Ihr war schwindelig.
Nate machte zwei Schritte in den Raum.
„Malin, Hetty schickt mich!“ meinte er dabei.
„Sie macht sich wirklich Sorgen um Dich! Wie geht es Dir?“
„Ganz gut! Können wir das jetzt bitte hinter uns bringen!“ gab sie barsch zurück.
Sie wollte hier `raus. Sie wollte nichts mehr als zu G!
Jetzt stand Marty von seinem Stuhl auf.
„Malin, wir sind hier um Dich mitzunehmen!“ meinte er dabei.
„Der Fall ist an uns übergeben worden … also an den NCIS … und deswegen möchten wir, dass Du mit uns kommst! Ich habe Dir … „
Er machte eine kleine Handbewegung zum Tisch.
Ein Pappbecher stand dort, neben einer Papiertüte.
„ … Frühstück mitgebracht.“
Malgorzatta fiel ein Stein vom Herzen.
Sofort fühlte sie sich erleichtert.
Sie kannte die Leute vom Team des NCIS hier.
G, Sam, Hetty, Kensi, Marty, Nell, Eric, Nate.
Sie vermutete, dass ihr alle wohlgesonnen waren. Sie würden ihr helfen, würden den Fall klären. Die erste Hürde war geschafft!
„Danke Marty!“
Malgorzatta ging hinüber zum Tisch. Sie fühlte sich wackelig. Bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen. Dass ihr das nicht gelang, merkte sie an Martys besorgtem Blick.
„Wo soll ich hin?“
„Wir bringen Dich zur Bootshütte!“ gab Marty zurück.
Malgorzatta deutete ein Nicken an. Mehr ging nicht.
Diese Absicht war in Ordnung für sie.
Langsam nahm sie die Kappe von dem Pappbecher. Es war ein Milchkaffee. Sie war dankbar dafür. Normal trank sie ihn gerne schwarz. Doch so hätte sie ihn jetzt nicht untergebracht. Ihr Magen fühlte sich an als wäre er jederzeit für eine Rebellion bereit. Ganz vorsichtig trank sie ein kleines Schlückchen.
„Wie sieht es aus für mich, Marty?“ fragte sie dann und wandte sich zu ihm um, sah ihn an.
Marty senkte für einen Moment den Blick.
„Im Moment werden sämtliche Erkenntnisse, Deine Daten, die Spuren, alles was das LAPD hatte, dem NCIS übermittelt!“ antwortete er ihr dann sanft. Ehrlich.
„Sobald alles da ist, werden Nell und Eric sich darum kümmern!“
„Danke.“ meinte Malgorzatta leise.
Sie fühlte sich ruhiger. Sie vertraute den Beiden. Absolut. Sie vertraute dem ganzen Team.
„Dann lass` uns los, bitte, ja? Ich möchte hier `raus!“
Sie nahm den Kaffee, die Tüte.
„Wo ist meine Handtasche?“
Marty lachte kurz. Es klang anerkennend.
„Du bekommst Deine Sachen draußen!“
Einfach aus dem Raum, in dem sie so lange eingesperrt war, herauszuspazieren, war die nächste kleine Erleichterung, die Malgorzatta verspürte. Nun fühlte sie sich optimistischer. Sie kannte die Bootshütte. Die vertraute Umgebung würde ihr guttun. Dort brauchte sie sich nicht mit fremden Sachen beschäftigen.
Doch erst einmal hielt sie Ausschau nach Gs Wagen nachdem sie offiziell entlassen worden war, ihre Jacke, ihre Tasche wiederbekommen hatte. Als sie das Gebäude durch den Haupteingang verließen sah sie sich nach allen Seiten um. Der Parkplatz lag neben dem Gebäude. Er war von den Stufen her, von der Straßenseite nicht einzusehen.
Malgorzatta fror.
Marty schaltete im Wagen die Heizung für sie an.
„Danke.“ meinte sie leise zu ihm.
Sie wusste, dass sie krank werden würde wenn das alles hier vorüber war! Es war immer so, dass ihr Immunsystem schlapp machte wenn eine Aufregung, eine anstrengende Zeit vorüber war.
Auf dem Weg zum Hafen, während sie hinten im Auto saß, versuchte sie immer wieder, einen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Herauszufinden, ob G ihnen folgte. Ob er wusste, wohin man sie brachte!
Sie konnte seinen Jaguar nicht entdecken!
Marty führte sie im Bootshaus direkt in den Verhörraum. Dort wies er auf die rechte Seite des Tisches, auf den Stuhl dort.
„Setz` Dich, Malin! Möchtest Du etwas? Kann ich Dir etwas bringen?“ fragte er zuvorkommend.
„Ein Tee wäre schön! Danke Marty!“ gab Malgorzatta zurück und ging langsam zu dem Stuhl, setzte sich.
Marty schloss die Tür hinter sich nachdem er hinaus gegangen war.
Es war sehr ruhig hier im Raum. Sonnenstrahlen fielen in Streifen durch die Lamellenjalousien der Fenster hinter ihr. Man konnte sie regelrecht riechen auf dem Holz, auf das sie fielen.
Malgorzatta spürte das ganz leichte Schaukeln des Bootes auf dem Wasser. Irgendwo klang eine Schiffsglocke. Regelmäßig.
Mit dem Fokus auf ihren Platz gerichtet befand sich eine Überwachungskamera rechts oben in der Ecke an der Decke des Raumes. Sie war aktiv, zeigte die kleine rote Lampe.
Malgorzatta bemühte sich, ruhig zu bleiben. Nicht hinzusehen.
Es dauerte lange bis Marty wiederkam.
Er stellte eine Tasse Tee vor ihr auf dem Tisch ab. Hatte einen dünnen Aktenordner in der Hand.
„Danke schön.“ meinte Malgorzatta und legte ihre kalten Hände um die Tasse.
Marty setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber und legte die Akte auf den Tisch.
Schlug sie auf. Sah sie dann über den Tisch hinweg an.
„Wir haben weitere Untersuchungsergebnisse.“ meinte er dann zu ihr.
„Das Überwachungsvideo des Hotels zeigte nichts Auffälliges. Der Mann ist erstickt worden. An seinen Lippen, in seinem Mund und in seiner Nase waren Fasern des Kopfkissens von der rechten Seite des Bettes. Es gibt keine Hinweise auf fremde Personen, auch nicht im Badezimmer … „
Marty schwieg.
Malgorzatta nahm einen kleinen Schluck von den heißen Tee.
Er tat gut.
„Die Identität des Mannes konnte noch nicht geklärt werden.“ fuhr Marty fort.
„Bei seinen Sachen war kein Telefon, waren keine Ausweispapiere. Seine Kleidung ist amerikanisch. Eric und Nell suchen gerade nach den Überwachungskameras der dem Hotel angrenzenden Gebäude und Straßen. Sie konzentrieren sich im Moment auf den Hintereingang des Motels. Die Spurensicherung hat in der Zwischenzeit … das Bettlaken untersucht. Es finden sich zwei verschiedene Körperflüssigkeiten darauf. Vaginalsekret von Dir und … Samenflüssigkeit von … Callen … „
Malgorzatta sah, dass Marty weitersprach. Aber sie konnte ihn nicht mehr hören.
Vor blankem Entsetzen.
Es war das, was G, was sie immer am Meisten geschützt hatten: ihr Privatleben! Jetzt stand es öffentlich ausgebreitet in den Akten, für alle lesbar!
Sie spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Ihr Gesicht.
Tränen schossen ihr in die Augen.
Sie hielt sie diesmal nicht zurück.
Sie konnte nicht.
Langsam schob sie ihre Hände vor ihr Gesicht.
Es war zu viel jetzt! Sie wollte das nicht mehr! Sie konnte das nicht mehr!
So ließ sie ihren Tränen einfach freien Lauf. Hielt auch ihre Schluchzer nicht zurück! Sie konnte jetzt einfach nicht mehr weiter machen!
Durch ihre Finger, tränenblind, erkannte sie so eben, dass Marty sie stumm ansah. Dann klappte er die Akte zu, griff danach, während er aufstand. Er ging hinaus.
Ließ die Tür offen stehen.
Dann hörte sie Schritte. Es war nicht Marty.
Es war G.
Sie konnte ihn nicht ansehen.
Er kam sehr ruhig, langsam zum Tisch, nahm den nun freien Stuhl und stellte ihn neben den ihren. Dann setzte er sich, beugte sich zu ihr vor und zog sie in seine Arme.
„Komm, Mali … alles ist gut!“
Sie spürte seine Stimme zittern, mehr, als dass sie es wirklich hörte. Sie konnte merken, wie schlecht er dran war.
„G … G … es tut mir so leid … das ist so furchtbar … sie wühlen in Deinen Sachen … ich hab' das nicht gewollt!“
Mit einem Mal fühlte sie sich am Boden. Sie würde nie wieder hochkommen! Es gab keinen Beweis ihrer Unschuld! Und sie durfte G nicht mit hinabziehen!
„ … es hat keinen Zweck! Die ganze Untersuchung ist nicht gut für Dich! Es … es ist besser, ich mache das alleine … wenn wir uns trennen … „
Schluchzend wand sie sich aus seiner Umarmung während sie von dem Stuhl rutschte, Richtung der Tür hinaus wollte, weg, um G nicht weiter zu belasten! Das durfte sie ihm nicht auch noch antun!
„Mali … nein!“
G bekam ihr rechtes Handgelenk zu fassen und riss sie zurück.
Malgorzatta spürte einen schneidenden Schmerz in ihrem rechten Schultergelenk.
Sie wollte schreien. Bekam keinen Ton heraus.
Sie konnte bloß G mit großen, tränenüberströmten Augen ansehen und nach Atem ringen während der Schmerz ihren Körper übernahm.
„Mali … um Himmels Willen … nein!“ hörte sie Gs fassungslose Stimme.
Er streckte beide Arme nach ihr aus.
Pures Entsetzen stand auf seinem Gesicht.
„Schon gut, G.“ erwiderte Malgorzatta. Sie konnte bloß flüstern. Der Schmerz ließ ihre Knie zittern.
„Ich muss mich `mal … eben hinsetzen … „
Ihr wurde schwindelig.
„Mali … es tut mir leid! Komm … hier ...“
Wie betäubt spürte sie, wie G sie behutsam zurück zu dem Stuhl führte, sie ganz vorsichtig darauf hinab drückte.
„Eric, wir brauchen sofort einen Arzt hier!“
Malgorzatta spürte ihr Schluchzen abebben. Ihre Tränen rollten nicht mehr.
Der plötzliche durchdringende Schmerz hatte ihr den Kopf zurecht gerückt.
„G … „
Er hatte sie auf den Stuhl gesetzt und ihren rechten Unterarm quer über ihren Oberschenkel gelegt, hielt ihn dort fest, ruhig, während er vor ihrem Stuhl hockte und sie von unten ansah.
Der Blick seiner blauen Augen war groß, erschrocken, verstört. Er sah schlecht aus. Blaß, mit dunkeln Schatten unter seinen geröteten kleinen Augen. Seine Barthärchen waren lang.
„G … „
Sie beugte sich zu ihm vor so gut es ging, streichelte mit der Linken über seine kratzige Wange.
„Es tut mir so leid, G … ich hab` nichts gemacht!“
„Ich weiß!“ flüsterte G, zog ihren Kopf sanft zu sich hinab und küsste sie.
Seine Hand zitterte. Seine Finger waren kalt. Seine Lippen waren kalt. Sie hörte, dass er seine Stimme nicht ganz in der Gewalt hatte. In seinen blauen Augen sah sie ein Glitzern.
„Ich .. ich habe Dich nicht betrogen, G! Ich liebe Dich!“
„Ich weiß!“ erwiderte G nochmal, ebenso emotional.
Malgorzatta spürte seine Finger leicht über seinen Nacken streicheln.
„Wir kriegen das hin, Mali! Alles wird gut! Mach` Dir keine Sorgen, bitte!“
„Ich mache mir jetzt keine Sorgen mehr!“ flüsterte sie ihm zu.
Sie lehnte den Kopf an seinen.
„Ich hab` Dich so vermisst, G! Es war so schlimm, dass ich Dich nicht sehen durfte!“
Sie legte ihren linken Arm um seinen Nacken und hätte beinahe wieder angefangen zu heulen.
„Was hast Du die ganze Zeit gemacht? Ich durfte Dich nicht anrufen … au!“
Sie hatte versucht, sich an ihn zu schmiegen. Wollte ganz nah bei ihm sein.
„Bleib` ganz ruhig sitzen, der Doktor kommt gleich!“ raunte G halblaut, besorgt.
„Es tut mir so leid mit Deinem Arm!“
„Ist schon gut, G, alles in Ordnung mein Schatz!“ flüsterte sie ihm zu.
Als ihre Blicke sich trafen konnte sie trotz der Schmerzen in ihrer Schulter lächeln.
„Ich liebe Dich, G!“
Endlich erschien auch ein ganz kleines Lächeln auf Gs müdem, blassen Gesicht.
„Ich liebe Dich auch, cormoara meu. Ich liebe Dich unendlich. Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt gerade!“
„Tut mir leid, G!“
Malgorzatta streichelte mit den Fingern sanft, zärtlich über seinen Haaransatz.
Je länger sie hier einfach mit G saß, ihn ansah, ihn nah bei sich fühlte, um so besser ging es ihr schon.
„Sie können uns nebenan sehen, oder?“
Sie sah ihn fragend an.
G nickte leicht.
„Ja.“
Er hielt ihren Blick mit den Augen fest.
„Mali, was ist passiert da im Hotel?“
Malgorzatta atmete tief aus.
„Er lag im Bett als ich aus der Stadt zurück kam. Einfach so. Er war tot. Ich kannte ihn nicht!“
G nickte leicht.
„Was machte Deine Schulter?“ erkundigte er sich dann, schuldbewusst, sah sie unablässig an.
„Tut ein bisschen weh!“ antwortete sie ihm lächelnd. Sie konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln, jetzt, wo sie ihn wiederhatte.
„G, muss ich zurück zum LAPD?“
G schüttelte sofort den Kopf.
„Nein! Der Fall liegt jetzt bei uns!“
Er klang sehr bestimmt, rigoros.
„Danke G! Kannst Du mir bitte … „
Sam erschien im Türrahmen.
„G, der Doktor ist hier!“ meinte er ruhig.
„Sehr gut!“
G stand sofort auf.
Sam trat beiseite und gab dem Notarzt die Tür frei. Ein Sanitäter folgte ihm.
„Ma`m! Sir! Mein Name ist Miller. Ma`m, Sie haben Schmerzen?“
Er wandte sich ihr zu.
„Meine Schulter. Rechts.“ antwortete Malgorzatta.
„Das Gelenk.“
„Wie ist das passiert?“
Dr. Miller nahm ihren Oberarm und bewegte ihn vorsichtig im Gelenk.
Es tat weh.
Malgorzatta verzog das Gesicht. Dr. Miller beobachtete das.
„Mein Arm … ich … „
„Ich hab` sie am Handgelenk festgehalten und an ihrem Arm gerissen!“ unterbrach G sie, ziemlich ehrlich. Er klang zerknirscht. Seine Körperhaltung, mit verschränkten Armen vor dem Oberkörper, war verlegen-trotzig.
Malgorzatta rechnete ihm sein Geständnis hoch an.
„Mhmh.“
Dr. Miller tastete durch ihr Shirt ihr Schultergelenk ab, von vorne und vom Rücken her.
„Ich tippe auf eine Zerrung.“ meinte er dann.
„Ma`m, sind Ihre Schmerzen noch so stark wie am Anfang … des Vorfalles … oder hat es sich gebessert?“
„Es ist etwas besser und wenn ich den Arm ganz ruhig halte ist es ziemlich gut!“ gab Malgorzatta zurück.
Dr. Miller nickte.
„Ich gebe Ihnen eine Spritze ins Gelenk, die die Schmerzen für ein paar Stunden betäuben wird und die Reizung schneller abklingen lässt!“ meinte er dann.
„Wenn es nicht besser wird, sollten Sie ein Krankenhaus aufsuchen und es röntgen lassen! Können Sie das Shirt ausziehen?“
G machte einen schnellen Schritt vorwärts um ihr zu helfen.
„Nein.“ meinte Malgorzatta sofort. Sie hatte Angst davor, dass der heftige Schmerz zurück kehrte.
„Schneiden Sie es einfach auf!“
„In Ordnung.“
Dr. Miller nickte sofort und griff zu einer Schere in seinem Notfallkoffer während der Sanitäter bereits eine Spritze vorbereitete.
Der Arzt schnitt ihr Shirt vom Kragen Richtung des Ärmels auf. Dann streifte er ihren BH-Träger hinab und sprühte ihre Schulter ausgiebig mit einem Desinfektionsspray ein.
Malgorzatta ließ G die ganze Zeit nicht aus den Augen.
Er stand noch immer da mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen. Seine Füße zeigten zur Tür. Es war unübersehbar, wie unbehaglich er sich fühlte.
„Sam!“
Es war ungewohnt für sie, zu schreien.
G kannte es auch nicht von ihr und sah sie erstaunt an. Selbst Dr. Miller machte einen verunsicherten Schritt nach hinten.
Sam erschien fast sofort im Türrahmen. Er wirkte ebenfalls irritiert.
„Malin? Was ist?“
Ganz schüchtern machte er einen halben Schritt in den Raum.
Malgorzatta suchte seinen Blick.
„Sam, bitte bring G `raus!“
„Ich bleibe hier!“ widersprach G sofort.
Sam wandte sich ihm verunsichert zu.
„G, bitte nicht während ich eine Spritze kriege!“ verlangte Malgorzatta, sah an Sam vorbei zu ihm.
Er wirkte nicht ganz so heldenhaft im Moment.
Sam schien das auch zu erkennen.
Er legte seine Hand an Gs Schulter und machte Anstalten, ihn aus dem Raum zu schieben.
G ließ es geschehen.
Malgorzatta lächelte dem Arzt zu.
„Kann losgehen!“
Dr. Miller nickte verunsichert.
Der Sanitäter reichte ihm die Spritze.
Der Arzt tastete an ihrem Schultergelenk nach der Stelle, an der die Bänder und Sehnen am Knochen ansetzten.
Er hatte die Kappe der Kanüle bereits abgezogen.
„Das kann jetzt etwas weh tun!“
„Mhmh!“ stimmte Malgorzatta zu und fühlte sich vorbereitet.
Dr. Miller stach die dünne Nadel Richtung des Gelenkes, durch ihre Haut.
Sie spürte es deutlich. Noch deutlicher war der steigende Druck der Flüssigkeit in ihrem Gewebe zu fühlen.
Dann war es vorbei.
Dr. Miller zog die Nadel heraus und drückte für einen Moment einen Tupfer auf die Einstichstelle.
G kam so schnell wieder herein als hätte Sam ihn bisher körperlich am Betreten des Raumes gehindert.
Er blieb zwei Schritte von ihr entfernt stehen und suchte sichtbar nervös ihren Blick. Sein Gesicht war noch blasser als vorhin.
Malgorzatta lächelte ihm souverän zu.
„Ich lasse Ihnen eine Schlinge hier! Gönnen Sie Ihrem Arm ein paar Tage Ruhe!“ meinte er dann während er ein Pflaster über die Einstichstelle klebte.
„Ist sonst alles in Ordnung, Ma`m? Sie wirken sehr erschöpft!“
Malgorzatta lächelte ein bisschen verlegen.
Das war etwas, was sie noch viel weniger vor G ausgebreitet haben wollte!
„Das ist sehr nett von Ihnen, danke. Ich habe die Nacht sehr schlecht geschlafen!“
„Ist es Ihnen Recht wenn ich eben Ihren Blutdruck kontrolliere?
„Ja, natürlich!“ gab Malgorzatta zurück.
„Danke.“
Sie kam da anders nicht mehr heraus.
Dr. Miller kontrollierte an ihrem linken Oberarm.
Der Wert war Hundertneunzig zu Neunzig.
Malgozatta war selbst erschrocken. Für einen langen Moment befürchtete sie, jede Sekunde einen Schlaganfall zu erleiden.
Es war ihr gewiss nicht recht, dass G das mitbekam.
„Hm.“ meinte Dr. Miller.
„Das ist natürlich viel zu hoch!“
Er tastete nach ihrem Puls.
Verzog das Gesicht.
„Hatten Sie Aufregung die letzten … Stunden? Tage?“
„Ja.“ gestand Malgorzatta freimütig.
Dr. Miller nickte.
Er griff in seinen Koffer, nahm ein Gläschen Tabletten heraus und zählte drei von ihnen in ein leeres Röhrchen. Das legte er auf den Tisch.
„Nehmen Sie heute eine zum Schlafen und die nächsten beiden Tage auch!“ riet er ihr.
„Lassen Sie den Wert bitte unbedingt von ihrem Hausarzt kontrollieren, ja?“
Während er sprach griff er zu einer Armschlinge und legte sie ihr quer über die linke Schulter, half ihr, ihren rechten Arm darin zu betten.
Es tat ihr nicht mehr so weh.
„Bitte, denken Sie daran, ein Krankenhaus aufzusuchen wenn es sich nicht bessert!“ meinte Dr. Miller während er seine Sachen zusammen packte.
„Danke.“ meinte Malgorzatta und lächelte.
„Danke, Doktor!“ meinte auch G und geleitete Arzt und Sanitäter zur Tür.
Dann kehrte er sofort zu ihr zurück.
Hockte sich wieder vor ihren Stuhl und sah sie von unten an, legte beide Hände auf ihre Oberschenkel.
„Tut mir leid, dass ich Dich habe `rausschmeißen lassen!“ meinte Malgorzatta rasch, bevor er etwas sagen konnte, streichelte mit der Linken über seine Hand.
„Aber Du warst ganz blass und … und … Du hast es ja nicht so mit Spritzen!“
Gs Lächeln war klein. Für einen Moment senkte er den Kopf.
Als er sie wieder ansah umspielte ein winziges amüsiertes Grinsen seine Mundwinkel.
„Ist schon gut. Wie fühlst Du Dich?“
Seine Stimme klang noch immer besorgt. Seine Hände waren nach wie vor so kalt, dass sie es durch den Stoff ihrer Jeans spürte.
Sie grub die Finger ihrer Linken zwischen die seinen.
„Ganz gut, G. Wirklich!“
Sie fühlte sich wirklich besser.
G nickte leicht. Er stand auf, beugte sich über sie und drückte ihr einen langen Kuss auf die Wange.
„Komm! Ich bring` Dich nach oben! Da kannst Du Dich etwas ausruhen, okay?“
„Gerne.“ stimmte ihm Malgorzatta zu. Sie hatte das Gefühl, dass – wenn sie ein bisschen geschlafen hatte – sie sich noch besser fühlen würde.
G half ihr aufstehen. Malgorzatta nahm ihre Tabletten vom Tisch. Als sie nach der Tasse mit dem Tee greifen wollte legte G sacht seine Hand auf ihre.
„Lass! Ich bring` Dir nachher einen Neuen hoch! Heiss, ja?“
Malgorzatta schenkte ihm ein Lächeln.
„Danke G!“
Sie hätte ihn gerne geküsst. Doch sie war sich der Kamera oben in der Ecke noch bewusst.
„Komm!“ meinte G sanft, legte seinen Arm an ihren Rücken und zog sie behutsam aus dem Raum.
Als sie nach nebenan, in den Hauptraum kamen, waren dort alle versammelt.
Kensi, Marty, Sam und Nate.
Malgorzatta war das peinlich.
Das offensichtlich alle gesehen hatten, was im Verhörraum geschehen war, denn das Bild des Zimmers wurde noch auf die Videoleinwand links vor dem Tisch übertragen.
Sie lächelte unverbindlich in die Runde und vermied jeglichen Augenkontakt.
Nur zu gerne ließ sie sich von G zu der Holztreppe ziehen, die ins obere Stockwerk führte. Aus dem Blickfeld der anderen.
Oben angekommen war das Erste, was G tat, seine Hände an ihre Wangen zu legen und zu küssen.
Malgorzatta legte sich mit ihrer gesunden Seite gegen ihn. Seufzte zufrieden.
Sie ließ ihren linken Arm um seine Seite rutschen.
„Es tut mir so leid mit Deinem Arm!“ raunte G ihr zu.
Malgorzatta lächelte zu ihm auf.
„Alles gut, G! Es tut kaum noch weh! Es ist mir viel wichtiger, dass Du wieder bei mir bist! Ich habe Dich so vermisst! Ich liebe Dich!“
G lachte leise. Es klang etwas verlegen.
Doch er begann, ein bisschen entspannter auszusehen.
„Ich liebe Dich auch, Mali! Ich liebe Dich so sehr … „
Er küsste sie hingebungsvoll. Machte dann eine rasche Kopfbewegung zu dem Bett.
„Leg` Dich hin, ja? Ich hol` Dir einen Tee!“
„Danke, G!“ gab Malgorzatta zurück, strich mit der freien Hand über seinen Rücken.
G nickte leicht.
Er ließ ihre Zärtlichkeit noch für einen Moment geschehen bevor er sie erneut küsste, sich dann abwandte und wieder hinunter ging.
Malgorzatta atmete tief aus. Setzte sich dann auf den Bettrand.
Atmete noch `mal tief auf.
Jetzt, wo sie begann, sich etwas besser zu fühlen, spürte sie auch, wie müde und erschöpft sie war.
Sie freute sich auf ein paar Stunden Ruhe.
Langsam, mühevoll, nahm sie eine Tablette aus dem Röhrchen. Legte alles auf den Nachttisch.
Jetzt, hier in Ruhe, in Sicherheit, in fast gewohnter Umgebung, hatte sie keinen Zweifel mehr daran, dass alles gut ausgehen würde. Dass das Team ihre Unschuld würde beweisen können! Wenn sie sich ein bisschen ausgeruht hatte würde es ihr sicher leichter fallen, das Geschehene mit den anderen noch einmal durchzugehen. Irgendjemand würde sicher einen Hinweis finden, der ihnen dann weiterhalf!
G hatte sie nicht gehen lassen wollen!
Der Gedanke tat ihr unheimlich gut. Sie fühlte sich geborgen, sicher bei ihm. Aber es wurde Zeit, sich jetzt ein bisschen um ihn zu kümmern, denn die ganze Sache machte auch ihm sichtbar zu schaffen!
G kam mit einer Tasse herein. Sie konnte es über dem Gefäß dampfen sehen.
Zudem hatte er ihr ein Shirt von sich mitgebracht. In Taupe.
Malgorzatta zog es einfach über ihr zerschnittenes Shirt, weil sie es nicht ausziehen konnte.
Dann nahm sie ihre Tablette.
G half ihr, sich hinzulegen.
„Legst Du Dich ein bisschen neben mich?“ fragte sie ihn. Es war mehr eine Bitte.
Ihr Zeitgefühl war komplett durcheinander. Es mochte Mittag sein. Wahrscheinlich war G sogar noch im Dienst. Aber bestimmt hatte er die Nacht im Auto auch nicht geschlafen.
G lachte leise.
Er zog bereitwillig seine Schuhe aus und schlüpfte unter die Decke neben sie.
Malgorzatta rutschte vorsichtig zu ihm. Schmiegte sich an ihn. G legte seinen Arm um sie. Berührte mit den Lippen sacht ihre Haare.
Malgorzatta spürte, wie seine unmittelbare Nähe sie noch mehr beruhigte. Ihr gut tat.
Normalerweise legte sie so ihren rechten Arm um seinen Oberkörper. Das ging jetzt nicht! Ihr Arm lag in der Schlinge, unter seinem Shirt, das sie einfach über das ihre gezogen hatte.
„Danke, dass Du mich zurückgehalten hast, G!“
G hatte seinen Arm um ihren Rücken gelegt, drückte sie nun noch etwas an sich. Es tat weh an ihrer Schulter. Sie hielt es aus.
„Ich möchte Dich nie wieder gehen lassen, Mali … ich liebe Dich! Du tust mir gut!“
Malgorzatta überlegte für einen Moment, wie ernst er dieses `Ich möchte Dich nie wieder gehen lassen!` wohl wirklich meinte.
Efremil, ihr Ex-Mann, hatte es todernst gemeint. Aber das war es mehr verletzter Stolz als Liebe gewesen.
Sie konnte sich ohnehin nicht vorstellen, G jemals verlassen zu wollen!
„Ich habe das schrecklich vermisst, so mit Dir, G! Ich habe Dich ganz schrecklich vermisst!“
„Ich konnte nichts machen!“ gab G jetzt zurück.
„Hunter lässt mich außen vor! Ich habe keine Einsicht in die Akten! Die anderen dürfen über die Sache nicht mit mir reden! Und sie meint das … wirklich ernst!“
Malgorzatta musste in bisschen lächeln.
Es gab nicht viel, dass G abschreckte. Manchmal setzte er sich sogar über Hetty hinweg. Bei ihr konnte er offenbar einschätzen, wie viele Schritte hinter der aufgezeigten Grenze er sich doch noch erlauben konnte. Hunter kannte er vermutlich noch nicht gut genug!
„Marty hat gesagt, Du hast die Nacht im Auto auf dem Parkplatz am Polizeirevier verbracht?“
„Ich konnte nicht weg.“ gestand ihr G.
„Es war die einzige Möglichkeit, Dir nahe zu sein. Sam wollte, dass ich bei ihm übernachte, doch … ich konnte das nicht … „
Malgorzatta hörte seine Stimme wackeln.
Sie rappelte sich umständlich an seiner Seite hoch. Beugte sich über ihn und suchte im Halbdunkeln seine Lippen. G schob seine Rechte in ihr Haar und führte sie sanft dahin. Malgorzatta musste lachen. Befreit. Erleichtert.
Es war schön, dass G ebenfalls lachte.
Dennoch spürte sie, wie erschöpft er war.
„Schlaf` ein bisschen!“ flüsterte sie ihm zu.
„Du hörst Dich müde an!“
G drückte ihren Kopf noch ein wenig zu sich hinab und küsste sie zärtlich.
„Du auch. Hast Du Schmerzen?“
„Nein. Ist wirklich besser!“ log sie ihn an. Sie war nicht wirklich schmerzfrei. Aber es war auszuhalten!
Sie küsste ihn.
Streckte sich dann wieder behaglich an seiner Seite aus.
So spürte sie Gs Atemzüge an ihrer Wange. Wie sie ganz ruhig und regelmäßig wurden. Wie G einschlief.
Irgendwann döste auch sie weg .

„G!“
Der Gedanke war schon die ganze Zeit da gewesen bevor sie richtig wach wurde. Hatte in seiner Unklarheit an ihrem Halb-Wachsein genagt! Jetzt plötzlich wurde er deutlich!
„Tut mir leid!“
G hatte geschlafen. Ausnahmsweise. Es kam nicht oft vor, dass sie neben ihm, vor ihm aufwachte.
Jetzt schlug er die Augen auf und sah sie verschlafen, desorientiert an.
„Mali … was ist?“
Er fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. Blinzelte zu ihr hoch.
„Alles … in Ordnung?“
„Ja!“ versicherte sie ihm rasch.
„G, ich hab` die Ambulanz angerufen aber es kam die Polizei!“
G sah sie nicht verstehend an.
„Als der Mann im Bett lag, im Hotel, habe ich einen Krankenwagen angefordert!“ erklärte sie ihm hastig.
„Aber es kamen zuerst zwei Polizisten! Ziemlich schnell sogar! So, als ob sie schon wussten, was los war! Ich habe der Frau in der Zentrale aber gesagt, sie soll einen Krankenwagen schicken! Warum kam die Polizei?“
G sah sie an.
Stemmte sich auf die Ellenbogen hoch.
„Langsam!“ bat er, unterdrückte ein Gähnen. Er wirkte noch immer nicht richtig wach. Seine Augen waren klein.
„Du hast eine Ambulanz angefordert? Und es kam Polizei?  Wo ist Dein Telefon?“
„Die Polizei hat es wohl, ich musste es abgeben! Oder ihr habt es mittlerweile!“
G setzte sich auf und griff dabei zu seinem Smartphone auf dem Nachttisch neben dem Bett.
Er baute eine Telefonverbindung auf.
„Eric? Nimm` Dir Malins Smartphone vor! Sie sagt, sie hat vom Hotel aus eine Ambulanz angefordert, aber es wären Polizisten gekommen! Kontrollier` das, ja! Wir kommen zu euch!“
Er unterbrach die Verbindung. Sah sie an.
Mit einem Mal wirkte er hellwach. G beugte sich zu ihr vor. Legte seine Hand an ihre Wange und küsste sie rasch.
„Wie fühlst Du Dich? Was macht Deine Schulter?“
„Ziemlich gut!“ antwortete Malgorzatta wahrheitsgemäß. Sie war aufgeregt. Endlich hatten sie einen Ansatzpunkt!
Liebevoll streichelte sie über Gs Brust.
„Du hast geschlafen! Tut mir leid, dass ich Dich geweckt habe! Wie geht es Dir, mein Schatz?“
G lächelte
Er legte seine Hand an ihren Nacken, beugte sich zu ihr vor und küsste sie.
„Ich schlafe besser wenn Du bei mir bist!“ flüsterte er ihr zu, lehnte seine Stirn gegen ihre. Sein Ausatmen war tief. Es war ein Seufzen.
Malgorzatta streichelte mit der Linken über seine Wange.
„Ich bin froh, dass ihr euch jetzt darum kümmert, G! Ihr werdet das klären! Ich fühle mich jetzt wirklich wieder besser! Was … haben sie Dir gesagt?“
G schüttelte leicht den Kopf. Er küsste sie erneut, rasch.
„Komm, lass` uns los!“ meinte er bloß.
„Sie warten auf uns!“
Er rutschte aus dem Bett. Zog seine Schuhe an.
Malgorzatta musste sich die Frage, wer auf sie wartete, gar nicht erst verkneifen. Sie hätte G eh nicht mehr erreicht!
Sie musste für einen Moment schlucken als ihr bewusst wurde, dass er flüchtete. Ihr auswich. Er hatte eine Sache mehr, über die er nicht reden wollte! Es hatte ihn traumatisiert! Und das Letzte, was sie jetzt wollte, war, dass etwas zwischen ihnen stand.
G verließ den Schlafraum wortlos, ging hinunter.
Malgorzatta verspürte einen Anflug von Panik.
Sie wollte nicht der Grund seiner Qual sein. Das bedeutete Ablehnung. Das ertrug sie nicht!
Sie stand auf, steckte das Röhrchen mit den Tabletten ein und ging langsam hinunter.
Nur G war unten.
Er trank Kaffee.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es 17.20 Uhr war.
„G, kannst Du bitte `was mit dem Ärmel machen?“
Sie schlackerte absichtlich, während sie zu ihm ging, mit dem freien Ärmel seines Shirts.
Sie brachte G zum Lachen damit. Er stellte seine Tasse auf dem Tisch ab.
„Komm her!“ meinte er zärtlich.
Er griff zu dem leeren Ärmel und machte einen Knoten hinein.
Malgorzatta sah ihn indigniert an.
„Weißt Du … ich hab` meinen Arm ja eigentlich noch … „
G lachte.
Er zog sie zu sich und küsste sie.
Malgorzatta schmeckte noch den Kaffee an seinen Lippen. Sie streichelte über die Vorderseite seines Shirts.
„Es ist schön, Dich wieder bei mir zu haben!“ meinte G leise.
„Vor acht Stunden war mir noch alles andere als zum Lachen zumute … und jetzt bringst Du mich schon wieder dazu!“
Er sah sie an.
Wärme, Zärtlichkeit stand in seinen blauen Augen. Malgorzatta lächelte ihm zu.
„Ich habe eine der schlimmsten Nächte, seit Du angeschossen worden bist, hinter mir!“ meinte sie zu ihm.
„Ich habe gelitten, als Du nach Prag geflogen bist und ich habe keine ruhige Minute gehabt als Du in Rumänien warst! Aber wenn ich Dich dann wiederhabe … dann ist immer einfach alles wieder gut!“
G zog sie an sich. Hielt sie für lange Minuten einfach an sich gedrückt. Malgorzatta genoss es. Schmiegte sich an ihn. Er war warm, kräftig, groß. Seine Umarmung beschützend. Nahm sie immer einfach für eine kurze Zeitspanne aus dieser Welt, weg von allem was sie bedrückte, besorgte. Erinnerte sie immer wieder an das, was sie Beide hatten!
„Lass` uns los!“ meinte G nach einer langen Weile.
Malgorzatta nickte.
„Darf ich einen Schluck von Deinem Kaffee haben?“
„Natürlich.“ G schob ihr die Tasse zu.
Während sie trank zog er den leeren Ärmel des Shirts nach innen.
„Danke G!“
Er nicke kurz.
Zog ihre Jacke von der Stuhllehne und kam damit zu ihr, legte sie ihr um die Schultern.
„Deine anderen Sachen sind bei uns!“ meinte er dabei zu ihr.
„Marty hat Deine Handtasche auch dorthin gebracht!“
„Gott sei Dank!“ entfuhr es Malgorzatta erleichtert.
Sie war – außerhalb des Hauses – nicht gerne ohne ihre Handtasche. Sie liebte ihre lilane Balenciaga, ein Geschenk von G. Und natürlich den Inhalt!
„Möchtest Du noch?“
Sie hielt G fragend die Tasse entgegen.
G trank den Kaffee aus. Stellte die Tasse an der Spüle ab bevor er wieder zu ihr kam.
„Hast Du Hunger?“ fragte er sie als sie das Bootshaus verließen, zum Wagen gingen, der am Eingang zum Hafen stand.
„Noch nicht viel! Mein Magen hat sich noch nicht ganz wieder beruhigt!“  gab sie ihm ehrlich zur Antwort.
G nickte.
Öffnete ihr die Beifahrertür und ließ sie einsteigen. Er schlug die Tür hinter ihr zu. Ging um den Wagen herum und stieg auf der Fahrerseite ein.
Malgorzatta schob gewohnheitsmäßig ihre Linke auf seinen Oberschenkel nachdem sie sich umständlich angeschnallt hatte.
Der Gurt drückte auf ihr verletztes Schultergelenk.
„Marty hat mir erzählt, dass Du am Hotel warst als er mich mitgenommen hat!“ begann sie behutsam.
„Was hast Du dann gemacht?“
G schwieg einen ganzen Straßenzug lang.
„Hetty hat Marty angewiesen, ein Auge auf Dich zu haben!“ antwortete er schließlich.
„Sie hat mir, wie Hunter, verboten, mich mit dem Fall zu beschäftigen! Ich sollte mich `raushalten! Sam wollte mich mitnehmen, zu sich nach Hause! Ich wusste, Du warst im Präsidium. Also … habe ich da gewartet! Bis ihr heute Morgen … gefahren seid! Und bin euch gefolgt!“
Malgorzatta musste schlucken.
„Woher weißt Du, wann wir gefahren sind?“
„Ich bin Special Agent.“ erwiderte ihr G schlicht.
„Ich hab` Deeks Wagen beobachtet! Er kam mit Nate! Und ihr seid mit Nate gefahren! Hast Du … mit ihm gesprochen?“
„Nein.“ antwortete Malgorzatta sofort.
Sie wusste, dass G nicht viel von Nate hielt. In seinem Fall. Sie tat es auch nicht. Und sie glaubte, dass G das auch von ihr erwartete. Was ihn betraf!
Sie streichelte mit der Hand über seinen Oberschenkel.
„Du musst eine furchtbare Nacht gehabt haben, G! Im Auto! Es tut mir so leid!“
G warf ihr einen kurzen Blick zu bevor er wieder auf die Straße sah.
„Hast Du ein bisschen geschlafen dort?
„Ja. Ein bisschen!“
Ohne Einsicht in ihre Akte des LAPD, ohne Gespräche mit den anderen über ihren Fall schien er nichts von dem Zwischenstop des Arztes in der Nach bei ihr zu wissen! Von ihr aus konnte es so bleiben!
G lenkte den Wagen auf die Zufahrt des NCIS-Grundstückes.
Gab den Geheimcode an der kleinen Anlage ein, die das Tor öffnete. Er parkte den Wagen im Carpool und half ihr aussteigen.
Malgorzatta atmete tief aus.
Sie war lieber in fremder Angelegenheit hier als in Gs oder in ihrer.
Und sie war schon ein paar Mal wegen G hier gewesen!
Sie ließ ihn ein paar Schritte vorangehen Richtung des Einganges.
Sein Kopf war etwas gesenkter als sonst. Seine Haare waren am Nacken absolut gerade geschnitten, sie bewunderte diese Fähigkeit bei ihm weil er sich die Haare immer selbst schnitt.
Gs Schultern waren breit in der dunklen Jacke. Sein Gang war ruhig.
Mit einem Blick zurück zu seinem leicht gebräunten Nacken hätte sie ihm jetzt am Liebsten einen Kuss hinein gedrückt. Sie wusste, wie weich seine Haut dort war. Wie sie mit den kleinen Schweißperlen dort schmeckte wenn sie zusammen geschlafen hatten …
„Mali! Kommst Du?“
G sah sich zu ihr um während er die Tür zum Gebäude offen hielt.
„Eh … ja …. danke!“
Sie strich verstohlen über Gs Seite als er sie in den Flur vorangehen ließ.
Langsam folgte sie ihm dann durch den halbdunklen Flur, der in den zentralen Mittelraum führte, wo sich alle vier Gänge hier im Erdgeschoss trafen. Kaum hatten sie diesen Bereich betreten als von rechts ein großes Hallo kam.
„Malin, wie geht es Dir?“
„G! Alles in Ordnung?“
Sam und Marty waren sofort hinter ihren Schreibtischen hoch und kamen zu ihnen.
„Malin!“
Marty berührte sie kurz am Arm.
„Wie geht es Dir? Ist es besser?“
„Danke Marty. Ja.“
Malgorzatta lächelte zu ihm hoch. Sah an ihm vorbei zu Kensi, die demonstrativ an ihrem Schreibtisch stehengeblieben war, und ab und zu zu ihnen herübersah.
Auch Sam sah sie fragend an.
In diesem Moment tauchte eine blasse Gestalt neben ihnen auf.
Eine Frau, blass, mit langen dunklen Haaren und blauen Augen, ein Schneewittchen-Typ. Zierlich, wie Männer ihn gerne beschützten!
„Mrs. Vendulova?“ fragte sie und reichte ihr zurückhaltend die Hand.
„Ich bin Lauren Hunter.“
Ihre dünnen Finger waren kalt.
„Callen.“ verbesserte Malgorzatta freundlich. Wie immer fühlte sie sich stolz wenn sie den Namen nannte. Und sie fühlte, dass auch G stolz war!
„Mister Callen, Ihre Arbeit wartet an Ihrem Schreibtisch auf Sie!“ meinte Lauren Hunter jetzt knapp zu ihm.
Sie wirkte schrecklich unpersönlich. Ihr Blick zu G war ausdruckslos.
„Und auf Sie, Mrs. Vendulova … „ Sie sah sie wieder an.
„ … wartet Mister Getz oben in seinem Büro!“
Malgorzatta nahm sich einen Moment Zeit um nachzuhorchen ob sie sich eventuell verhört hatte.
Dann wandte sie sich G zu.
„Hast Du bitte einen Schluck Wasser für mich?“
„Sicher!“ meinte G, für ein, zwei Herzschläge lang irritiert.
Malgorzatta wandte sich als Erste der kleinen Kaffeeecke zu, dem Sideboard mit der Kaffee- und Teemaschine, dem Geschirr, Besteck, Zucker und Milch.
Sie ließ Hunter einfach stehen. Absichtlich.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die andere noch einen Moment an den  Trennwänden stehen blieb, mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen.
Dann ging sie hinüber in ihre Büroecke und nahm den Hörer vom Telefon.
„Bitte!“
G sah sie an während er ihr eine kleine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank reichte. Er wirkte ein kleines bisschen verblüfft. Aber nicht so, als würde er ihr Handeln missbilligen.
„Danke.“
Sie nahm die kleine Flasche.
„Jetzt verstehe ich noch besser, was Du meinst!“
Gs Lächeln war knapp.
Er war ein bisschen hin- und hergerissen zwischen seiner Arbeit und ihr!
„Komm! Gehen wir hoch und sehen `mal, ob Eric schon `was für uns hat!“ meinte er und berührte sie leicht am Arm.
„Gerne.“
Malgorzatta folgte ihm.
Auf dem Weg zur Treppe sah sie Hunter in ihrer Büroecke stehen. Wieder mit verschränkten Armen. Bei Hetty wirkte das autoritär. Bei Hunter sah es aus, als würde sie sich dahinter verschanzen. Sie folgte ihnen mit ihren Blicken.
Bis ihnen auf der Treppe Nate entgegen kam.
„Ah … Callen … Malin! Geht es euch gut, alles in Ordnung?“
Seine joviale Distanzlosigkeit war in Malgorzattas Augen nichts anderes als der Ausdruck seiner Hilflosigkeit.
„Malin … begleiten Sie mich in mein Büro? Ich möchte mit Ihnen reden!“
Malgorzatta musste grinsen. Hunter hatte ihn geschickt, zweifellos! Um einer Diskussion mit ihr zu entgehen!
„Nate, jetzt nicht, wir müssen zu Eric!“ meinte G einfach und ließ ihn stehen.
„Aber Callen … Hunter, Mizz Hunter hat verfügt … „
„Ich komme danach in Ihr Büro!“ versicherte Malgorzatta ihm heiter im Vorbeigehen, während sie G folgte.
Nate blieb stumm auf der Treppe stehen.
G wandte sich ihr zu als sie den Einsatzraum betraten. Sein Blick war besorgt.
„Willst Du wirklich … ?“
„Ich rede kurz mit ihm, kein Problem!“ antwortete sie ihm leichthin.
„Hallo Nell! Hallo Eric?“
Ihr Blick folgte dem von Eric irritiert, der sich auf die verschlossene Flasche in ihrer Hand richtete.
„Keine Getränke hier oben?“
Es klang nicht wirklich nach einer Anweisung von ihm. Fast eher wie eine unsichere Frage.
G nahm ihr die Flasche aus der Hand und stellte sie kurzerhand draußen auf der Flur auf den Boden vor die Tür.
„Also … was habt ihr?“ meinte er dann auffordernd und rieb sich kurz die Hände.
„Wir haben festgestellt, dass eine Stunde vor dem Auffinden der Person zwei unregistrierte Telefone in der Funkzelle im Bereich des Hotels eingeloggt waren! Eines davon war zwei Tage zuvor am Flughafen eingeloggt. Auf Malins Telefon befindet sich eine Schadsoftware, eine sogenannte Re-Direct-App. Sie kann problemlos mit einer One-way-Bluetooth-Verbindung aufgespielt werden wenn das Gerät nicht ausreichend geschützt ist. So etwas geht schnell wenn man an einer roten Ampel oder so wartet, oder einfach wenn man in der Nähe des Gerätes ist! Ich würde mir vorsichtshalber gleich auch gerne Dein Telefon ansehen, Callen, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass es okay ist! Also … der Anruf wurde an dieses unbekannte unregistrierte Telefon weitergeleitet und wir suchen gerade mit dem LAPD zusammen den Notruf heraus, der die Officer zum Hotel … „
Die Türen wischten auseinander. Eric verstummte sofort.
Lauren Hunter glitt förmlich herein.
Sie schwieg einen Moment und sah von einem zum anderen.
„Mister Callen, Ihr Arbeitsplatz ist nach wie vor unten an Ihrem Schreibtisch!“ meinte sie dann, wieder mit verschränkten Armen.
„Mrs. Vendulova … Mister Getz wartet auf Sie!“
Sie blickte ruhig, selbstbewusst zu ihnen.
Malgorzatta fühlte Gs Blick.
Er machte die wenigen Schritte zu ihr und berührte sie leicht am Arm.
„Komm!“ meinte er zu ihr, wandte sich kurz zu Nell und Eric um.
„Danke!“
„Danke schön!“ meinte auch Malgorzatta rasch zu den Beiden während sie hinaus ging.
„Callen.“ betonte sie dabei kurz in Hunters Richtung.
Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Malgorzatta sah zu G.
Sein Gesichtsausdruck war sehr ernst.
Sie bückte sich rasch nach der Flasche Mineralwasser.
„Kriegen wir Ärger?“ flüsterte sie ihm belustigt zu während G sie sanft den Flur mit hinab zog.
„Du nicht! Ich vielleicht!“ gab er zurück.
„Willst Du wirklich … mit Nate sprechen?“
„Ist schon fast erledigt, G!“ gab sie ihm aufmunternd zurück.
„Ich komm` dann 'runter zu Dir, ja?“
„Bitte!“ erwiderte G. Er klang besorgt.
Malgorzatta lächelte ihm zu, drückte ihren freien Arm leicht gegen seinen und wandte sich dann ab. Sie machte die wenigen Schritte zu Nates Büro.
Die Tür stand einen breiten Spalt auf.
Malgorzatta klopfte.
„Herein!“ hörte sie Nates Stimme.
Als sie die Tür aufschob und eintrat sah Nate von seinem Schreibtisch, hinter dem er saß, hoch.
„Malin!“
Er stand sofort auf und kam zu ihr, wies auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch.
„Bitte, setzen Sie sich! Wie geht es Ihnen?“
Er schloss die Tür während er sprach.
Malgorzatta hasste es, unhöflich zu sein. Aber hier musste sie eindeutig eine Grenze ziehen.
Sie hatte langsam Platz genommen.
„Warum bin ich hier?“
Nate ging zu seinem Schreibtischstuhl.
„Auf meinen Wunsch hin, Malin! Nach Ihrem Zusammenbruch in Haft wollte ich gerne mit Ihnen reden!“
Malgorzatta wartete bis er sich gesetzt hatte. Sie lächelte ihm zu.
„Danke Nate!“
Dann stand sie auf, wandte sich zur Tür, öffnete sie.
„Malin … warten Sie!“
Entgegen ihrer Vermutung kam Nate ihr nicht hinterher.
Das Wort `Zusammenbruch` ging ihr im Kopf herum während sie die Treppe hinab ging. Hatte sie wirklich einen Zusammenbruch gehabt? Es klang nach Schwäche. Das klang nicht nach ihr!
G stand an seinem Schreibtisch.
Sie sah hier von den Stufen aus, dass er sein Fläschchen mit den Aspirin in der Hand hatte. Als er sie sah, kam er zu ihr, traf sie am Fuß der Treppe.
„Du wolltest doch mit Nate reden?“
Er wirkte aufgeregt und besorgt.
„Habe ich doch!“ lächelte sie ihm demonstrativ heiter zu und strich leicht über seine Brust.
„Ich hab` ihm gesagt, dass Dein Bett nicht mehr halbleer ist!“
G grinste gequält.
Malgorzatta sah auf das Fläschchen in seiner Hand.
„Hast Du Kopfschmerzen?“
„Warum hast Du mir nicht gesagt, dass ein Arzt heute Nacht bei Dir war und dass Du ins Krankenhaus solltest?“ fragte G jetzt.
Er klang aufgebracht und besorgt.
Malgorzatta sah ihn an.
Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass Sam von seinem Schreibtisch aus besorgt zu ihnen herübersah.
Auch Kensi und Marty guckten, jedoch weniger offensichtlich.
Malgorzatta atmete tief aus.
„Ich würde das gerne an einem anderen Ort mit Dir alleine besprechen!“ gab sie ihm sehr langsam, sehr ruhig, halblaut zur Antwort und hielt seinem fordernden Blick möglichst unbekümmert stand.
G schwieg sekundenlang.
Dann ließ er sie stehen, ging zu seinem Schreibtisch, packte hastig seine Sachen zusammen und kehrte zu ihr zurück.
„Komm, wir fahren!“ meinte er bloß im Vorbeigehen und war schon in Richtung der Tür davon.
„Malin!“
Sie hatte gerade zwei Schritte in den Flur gemacht als Sam neben ihr auftauchte.
„Alles in Ordnung?“
Er sah von ihr zu G, der in der offenen Tür auf sie wartete, und dann wieder zu ihr.
„Halt Dich da `raus, Sam!“ raunzte G ihn vom Eingang her an.
„Alles in Ordnung, Sam, danke!“ versicherte Malgorzatta ihm optimistisch und streckte beruhigend ihre Hand in seine Richtung aus.
„Ich melde mich nachher bei Dir! Bye!“
Es war ein gutes Zeichen, dass G ihr die Tür offen hielt und sie wollte diese Möglichkeit nicht ungenutzt lassen.
Rasch eilte sie durch den Flur, zur Tür.
„Danke G!“ meinte sie, betont freundlich, als er sie nach draußen vorangehen ließ.
G überholte sie auf dem Weg zum Wagen.
Er öffnete ihr die Beifahrertür und legte seine Taschen in den Kofferraum während sie einstieg.
Malgorzatta zog die Tür hinter sich zu.
Sah zu G, wie er einstieg und die Fahrertür hinter sich zuschlug. Er schob den Schlüssel ins Zündschloss.
Malgorzatta atmete tief aus.
„Es war nichts Dramatisches, G!“ meinte sie dann, betont sanft, betont ruhig.
„Du solltest es extra nicht wissen, Du hast genug um die Ohren. Ich hatte nur Kopfschmerzen. Und ich sollte nur es Krankenhaus wenn es nicht besser wird! Aber mir geht es gut jetzt!“
Es war ein wenig befremdlich für sie, die gleichen Worte zu benutzen, mit denen er sein Wohlergehen immer vorgab.
„Ich meine … Du kennst mich! Du merkst, wenn es mir nicht gut geht, hm?“
Behutsam wandte sie sich ihm zu. Legte ihre Hand sacht auf seinen Oberschenkel.
Sie sah das zornige Funkeln in Gs blauen Augen. Und wie es verschwand.
G atmete tief aus.
Dann beugte er sich zu ihr herüber und legte beide Arme um sie, zog sie fest an sich.
„Mali … Mali … ich habe Angst um Dich … „
Malgorzatta hatte das Gefühl, dass es G eine unheimliche Überwindung kostete, dies auszusprechen. Sie konnte das nicht erklären. Seine erste Liebeserklärung hatte sie überrascht, sie war so schnell gekommen, und doch hatte sie es ihm sofort abgenommen weil sie gespürt hatte, dass er es ehrlich meinte.
Jetzt gestand er ihr seine Fürsorge ein, seine Schwäche … das war selten bei ihm!
Sie legte beide Arme, so gut es ging, um seinen Nacken. Drückte ihn fest an sich.
„Alles gut, G! Hört sich alles schlimmer an als es ist!“ meinte sie halblaut zu ihm, drückte ihre Wange fest an seinen Kopf.
„Du hast schlecht geschlafen, vielleicht hast Du Kopfschmerzen, da wirken manche Sachen aufregender als sie wirklich sind! Eric und Nell sind schon sehr weit mit meinem Telefon gekommen und werden den Rest auch noch herausfinden. Ich habe nichts getan, alles ist gut! Du bist bei mir, alles ist gut! Lass` uns irgendwo hinfahren wo wir uns ausruhen können und ich denke, wir Beide müssen auch `mal etwas richtiges Essen oder?“
G hob den Kopf und sah sie an.
Malgorzatta sah so eben noch das Glitzern in seinen Augen.
Sie lächelte ihm zu und streichelte über seine Wange.
„Ich liebe Dich!“ meinte sie ruhig zu ihm und küsste ihn.
G ließ es für einen Moment geschehen bevor er ihren Kuss erwiderte.
„Versprich` mir, dass wir zu einem Arzt gehen und das nachsehen lassen wenn das hier vorbei ist!“ meinte er zu ihr.
Malgorzatta versuchte ihr Lächeln so umzubiegen, dass es ihre Amüsiertheit darüber nicht verriet, dass das ausgerechnet G forderte, der zu jeder Gesundheitsüberprüfung durch seinen Arbeitgeber fast gezwungen werden musste.
„Versprochen mein Schatz, machen wir!“ flüsterte sie ihm zu, streichelte wieder über seine Wange.
„Alles gut, G! Wirklich! Und bei Dir?“
„Ich hab` etwas Kopfschmerzen.“ gestand er ihr.  
Malgorzatta nickte.
„Hast Du Deine Aspirin mit?“
„Hab` ich hinten in meiner Tasche!“ erwiderte G.
„Willst Du eine nehmen? Ich hab` noch das Mineralwasser in der Tasche!“
„Später. Ich … muss noch `mal eben rein!“ erwiderte G, mit einer kleinen Kopfbewegung Richtung des Gebäudes.
Malgorzatta nickte sofort.
„Alles klar!“
Sie vermutete, dass er noch mal mit Sam sprechen wollte. Sich bei seinem Partner entschuldigen wollte. G konnte knallhart sein. Aber er war auch gerecht!
Sie streichelte rasch über seinen Arm.
G nickte ihr zu und stieg dann aus dem Wagen. Er ging hinüber zu dem Gebäude, Malgorzatta sah ihm nach, wie er darin verschwand.
Sie musste lächeln. Gerührt.
Sie liebte ihn. Sie liebte ihn, wirklich und aufrichtig. Der Gedanke, G zu verlieren, war ihr unerträglich.
Es dauerte nicht lange G wiederkam.
Er stieg direkt auf der Fahrerseite ein und beugte sich zu ihr herüber, drückte ihr einen raschen Kuss auf die Lippen bevor er den Schlüssel in das Zündschloss schob.
„Alles in Ordnung?“ erkundigte sie sich unverbindlich bei ihm.
G schenkte ihr ein kleines Lächeln
„Alles in Ordnung.“ erwiderte er ihr.
„Fahren wir, ja?“
„Willst Du nicht erst eine Tablette nehmen?“ erkundigte sich Malgorzatta und legte ihre Linke wieder an ihren gewohnheitsmäßigen Platz.
„Ist schon okay. Wir schon besser!“ gab G zurück und schnallte sich an, startete den Motor.
„Wo fahren wir hin?“ fragte Malgorzatta als sie das Gelände verlassen hatten.
„Zu Arkady.“ gab G zurück und klang so bestimmt, als wäre dies keine spontane Entscheidung.
„Dort sind wir die nächsten Tage sicher und Du kannst Dich … „
Er strich mit der Hand kurz über ihre.
„ … dort erstmal erholen!“
Malgorzatta sah ihn verwundert an.
„Müssen wir die nächsten Tage sicher sein, G?“
„Wir sollten sicher sein!“ gab G bestimmt zurück.
Malgorzatta kniff die Lippen zusammen.
Sie schwieg, bis sie Arkadys Anwesen erreichten.
Dort parkte G den Jaguar direkt rechts neben der Einfahrt, neben Arkadys Maybach. Dann schaltete er den Motor ab, löste seinen Sicherheitsgurt und stieg aus. Er schlug die Fahrertür zu, ging um den Wagen herum, öffnete ihr die Tür auf der Beifahrerseite.
„Danke G!“
Malgorzatta lächelte ihm zu.
G schlug die Tür zu und machte dann die wenigen Schritte zu ihr, wühlte seine rechte Hand in ihre Haare und beugte sich leicht zu ihr hinab, küsste sie.
Malgorzatta erwiderte seinen Kuss etwas überrascht. So gut es ging mit ihrem Arm in der Schlinge schmiegte sie sich an ihn. Sie merkte, dass es ihm noch immer nicht richtig gut ging. Seine Körperchemie war durcheinander. Seine Bewegungen waren noch nicht wieder so ruhig wie sonst.
„Ich liebe Dich!“ flüsterte sie ihm zu, streichelte mit der Linken über seinen Rücken.
G lächelte kurz. Er senkte den Kopf. Sah sie wieder an.
„Das ist das, auf was ich mich immer verlasse! An das ich immer denke … wenn es `mal schwierig ist … „
„Danke.“ Malgorzatta stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn noch mal. Langsam. Hingebungsvoll. Aus ihrem halb geschlossenen linken Auge sah sie, wie die Haustür geöffnet wurde und Arkady im Türrahmen erschien.
Behutsam löste sie ihre Lippen von Gs. Räusperte sich leicht während sie eine kleine Kopfbewegung Richtung des Hauses machte.
„Arkady ist da! An der Tür!“
G wandte sich gelassen um. Ganz kurz.
„Komm!“ meinte er dann, legte seine Hand sacht an ihren Rücken. Malgorzatta registrierte – angenehm berührt – dass, je näher sie dem Haus kamen, umso besorgter Arkady aussah.
„G!“ rief er, als sie nur noch ein paar Meter entfernt waren.
„Ist alles in Ordnung? Malin! Was ist mit Ihrem Arm?“
Malgorzatta lächelte ihm zu. Sie wollte hier nicht über den Platz schreien,  auch wenn es Privatbesitz war. G wartete ebenfalls bis sie an den Stufen der Treppe waren.
„Arkady, können wir ein paar Tage hier bleiben?“ fragte er ihn dann knapp.
„Natürlich G!“ Arkady gab sofort die Tür frei.
„Ihr kennt euch aus oben! Was ist los? Kann ich etwas für euch tun?“
Malgorzatta konnte auch jetzt genießen dass sie das Haus betraten.
Die pompöse Vorhalle in Schwarz-Weiß mit dem imposanten Lüster und dem glänzenden, makellos sauberen Fußboden aus kleinen quadratischen Kacheln.
Arkady war abwartend am Durchgang zu seinem Arbeitszimmer stehengeblieben. Timur, sein Assistent, stand weiter hinten im Gang, der zu einem anderen Teil des Hauses führte.
„Danke.“ meinte Malgorzatta rasch zu Arkady.
G nickte kurz in seine Richtung.
Schob sie dabei sacht Richtung der Stufen.
„Malin, brauchen Sie einen Arzt?“ fragte Arkady.
Malgorzatta lächelte ihm dankbar zu.
„Das ist sehr nett von Ihnen, Arkady, danke! Es ist alles gut!“
Sie spürte Gs Hand weiter an ihrem Rücken während sie die Stufen hinauf ging. Sie kannte die Gästewohnung noch bestens. Hatte sie in sehr angenehmer Erinnerung weil sie nach Prag dort ein paar sehr ruhige luxuriöse Tage verbracht hatten. Arkady hatte dafür gesorgt, dass es ihnen an Nichts fehlte. Sie fühlte sich immer unendlich beschützt hier. Wie aus ihrem „normalen“ Alltag mit G genommen!
Auch jetzt war die hochwertig eingerichtete Wohnung blitzsauber, einladend und gemütlich.
„Ich geh` eben unsere Sachen holen!“ meinte G zu ihr und drückte ihr einen raschen Kuss auf die Wange. Malgorzatta nickte.
„Danke.“ meinte sie hinter ihm her.
Sie ging in den Wohnraum und schaltete den Fernseher an. Suchte einen Sender mit Nachrichten. G kam zurück und stellte ihre Taschen im Wohnzimmer ab.
„Ich muss noch `mal eben weg!“ meinte er dann zu ihr.
„Kommst Du so lange … alleine klar?“
„Nein G!“ rutschte es Malgorzatta heraus. Es verblüffte sie selbst.
G machte die wenigen Schritte zu ihr. Blieb vor ihr stehen, sah sie an.
„Meinst Du nicht? Brauchst Du Hilfe?“
Er hatte absolut keinen Grund zu gehen. Er musste nicht arbeiten! Sie hatte Angst, dass er einmal mehr einfach verschwand!
„Bitte, bleib` hier, G!“
G sah sie verwundert an. Legte seine Hand an ihre Wange.
„Ich will nur kurz … etwas erledigen!“
Malgorzatta schmiegte ihr Gesicht in seine Handfläche. Strich mit der Linken langsam über seine Seite.
„Muss das sein? Kannst Du nicht hierbleiben? Bitte!“
G krauste ein wenig die Stirn.
Er zog sie an sich.
„Was ist, Mali?“
G schob seine Wange an ihre. Drückte sie fest an sich.
Seine Stimme war ein zärtliches Raunen.
Seine Barthärchen kratzten an ihrer Haut.
„Etwas nicht in Ordnung, cormoara meu?“
Malgorzatta schluckte.
„Ich … ich kann das im Moment nicht besonders gut haben wenn Du von mir weg bist, G! Es war … nicht so toll … bei der Polizei … „
G drückte sie für einen Moment noch etwas fester an sich.
Berührte mit den Lippen nachdrücklich ihre Wange.
„Es tut mir so leid, Liebes … „
Behutsam wiegte er sie für einen langen Moment hin und her.
Malgorzatta genoss es. Normal war sie nicht so zimperlich. Aber G nun schon wieder hergeben zu müssen, aus welchem Grund auch immer, für wie lange auch immer, für wie lange auch immer, schien ihr unerträglich!
Es tat gut hier mit ihm zu stehen, in beschützter Umgebung, und seine Nähe zu spüren, die sie von sämtlichen unerfreulichen Vorkommnissen abzuschirmen schien! Doch sie wollte sich dem nicht hingeben, so verführerisch es auch war, denn G ging es selbst nicht gut!
Sie schluckte energisch, hob den Kopf und lächelte ihm zu.
„G, ich … „
Es klopfte.
„Mister Callen! Hier ist Besuch für Sie!“ war Timurs Stimme zu vernehmen.
„G, ich bin`s!“ hörte sie Sam.
Malgorzatta hätte beinahe gelacht.
Letztens, als sie hier gewesen waren, waren sie ebenfalls ständig gestört worden.
„Verzeih`!“
G küsste sie rasch bevor er sie los ging, zur Tür ging und öffnete.
„G!“
Sam kam herein und nickte ihr kurz zu.
„Malin, tut mir leid, dass ich störe! Wie geht es Deinem Arm?“
Er wirkte auf dem Sprung.
„Ganz gut, Sam, danke.“ gab Malgorzatta zurück.
Sie ahnte was kam. Sam wirkte abgelenkt.
Er wandte sich G zu, der die Tür hinter ihm schloss.
„G, Eric hat Bredica Comescu auf einem der Überwachungsbänder am Flughafen entdeckt. Sie ist zu sehen, wie sie zwei Mobiltelefone kauft! Das war vor zwei Tagen. Ein anderes Überwachungsband zeigt sie mit dem Mann aus dem Hotel in der Stadt. Eric hat ihn als Donald Sermera identifiziert. Hunter hat gesagt, Du sollst mitfahren zu seiner Adresse. Um Bredica zu identifizieren falls sie dort ist!“
G wirkte wie mit einem Schlag alarmiert.
Sein Blick rutschte kurz hinüber zu ihr, dann wieder zu Sam.
„Ich kenne Bredica Comescu nicht!“ gab er zurück.
Seine Stimme klang ganz ungewöhnlich hart, verstockt, trotzig.
„Ich kannte die ganze Familie nicht bevor … „
Er brach ab. Sah zu ihr herüber. Sah Sam wieder an.
„Wartest Du im Wagen? Ich komme gleich `runter!“
Es klang nicht wirklich nach einer Bitte.
Sam nickte. Er suchte ihren Blick.
„Mach`s gut, Mali! Gute Besserung!“
„Danke Sam! Passt auf euch auf!“ gab Malgorzatta zurück.
Sam nickte und schenkte ihr ein kurzes Lächeln bevor er hinausging.
G wandte sich ihr zu.
Malgorzatta wusste schon, was kam.
Damit konnte sie besser umgehen. Hunter hatte G zur Arbeit beordert. Und Sam war bei ihm! Alles war gut! Sie würde hier auf ihn warten. Wie sie immer auf ihn wartete.
„Ist schon gut, G! Du musst arbeiten!“
Sie konnte sogar darüber lächeln.
Gs Gesicht hingegen war todernst. Er wirkte verstört.
„Tut mir wirklich leid, Mali!“
Er küsste sie rasch.
„Aber da muss ich jetzt wirklich hin! Die Comescu Familie … in Rumänien letztes … als wir da waren … „
Ihm fehlten die Worte. Er wollte nicht wirklich darüber sprechen. Malgorzatta legte rasch ihren Zeigefinger auf seine Lippen.
„Ist schon gut, G! Erzähl` es mir nachher, wenn Du wiederkommst, ja? Sei` vorsichtig, bitte, und lass` Sam jetzt nicht warten! Es klang wichtig, hm?“
„Ich liebe Dich, Mali!“ flüsterte G. Es klang ein bisschen erleichtert. Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie fest, entschlossen.
„Du bleibst hier, ja? Bitte Mali! Warte hier auf mich!“
Malgorzatta nickte zustimmend. Ruhig.
„Ja, G! Keine Sorge, ich bleibe hier! Und Du passt auf Dich auf, ja?“
„Okay.“ stimmte G ihr zu. Es klang kurz, uninteressiert; er war mit den Gedanken schon bei dem Fall.
„Bis später!“
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und drückte ihr einen festen Kuss auf die Lippen.
Dann wandte er sich ab, nahm seine Tasche und ging hinaus.

Es war 6.20 Uhr am nächsten Morgen als G wiederkam.
Malgorzatta hatte kaum geschlafen. Sie hatte geruht. War ab und zu eingedöst. Hatte versucht, sich nicht zu viele Gedanken zu machen wenn sie wach wurde und die Betthälfte neben ihr noch immer leer war.
Dann endlich hörte sie die Tür. Geräusche im Wohnraum.
Sofort rappelte sie sich hoch. Horchte. Ihr Herz klopfte überlaut. Die Kühlschranktür klappte. Einen langen Moment später kam G ins Schlafzimmer. Als ihre Blicke sich trafen lächelte er kurz.
„Du bist wach, Mali? Hast Du ein bisschen geschlafen die Nacht? Was macht Dein Arm?“
G wirkte müde.
Seine Bewegungen, mit denen er Schuhe, Hose und Shirt auszog, waren matt und erschöpft.
„Ja. Und mein Arm ist ziemlich gut.“ log sie ihn an und verfolgte mit aufmerksamen Blicken, wie er die wenigen Schritte zum Bett machte und auf die Matratze, unter die Decke rutschte.
Sofort rollte sie sich zu ihm herüber.
„Und? Alles in Ordnung?“ erkundigte sie sich bei ihm während sie ihren linken Arm um ihn rutschen ließ.
Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
G wandte rasch den Kopf und küsste ihn auf die Lippen.
Er seufzte tief.
Malgorzatta sah ihn an.
Es war hell genug vor dem Fenster so dass sie ihn betrachten konnte.
G hatte dunkle Schatten unter den Augen. Seine Barthärchen waren lang. Er wirkte erschöpft.
Malgorzatta beugte sich über ihn und drückte ihm erneut einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
„Alles gut gegangen?“ fragte sie ihn sanft, strich mit den Fingerspitzen liebevoll über seine Wange. Ließ sie weiter über seine Stirn wandern.
G seufzte leise, genießerisch.
Er schloss für einen langen Moment die Augen, genoss es offensichtlich. Malgorzatta spürte seine Hand warm an ihren Nacken rutschen.
Dann öffnete er die Augen und sah sie an. Verzog kurz das Gesicht.
„Bendrica Comescu hat Sermera umgebracht.“ erzählte er ihr dann, ließ seine Hand leicht über ihren Nacken streicheln.
„Sie hat ihn ins Hotel gelockt und dort erstickt. Wir wissen noch nicht, wie sie herausbekommen konnte, wo wir uns aufgehalten haben. Wahrscheinlich über Dein angezapftes Telefon. Sie wollte, dass Du verurteilt wirst um sich an mir zu rächen!“
„Warum?“ fragte Malgorzatta verdutzt, streichelte mit der Hand dabei sanft über seine Wange.
G atmete tief aus.
„Wir sind in Rumänien … gegen ihre Familie vorgegangen. Ist eine schwierige Geschichte. So eine Art … Blutrache. Tut mir leid, dass Du da mit `reingezogen worden bist!“
Er reckte den Kopf ein wenig und küsste sie. Malgorzatta atmete innerlich ein wenig auf. Die Sache schien erledigt. Sie schien gut da herausgekommen zu sein!
Jetzt ging es für sie nur noch darum, G gut da herauszuführen!
Er hatte ihr kaum etwas davon erzählt, was in Rumänien vorgefallen war! Es war bestimmt noch viel mehr passiert!
Aber sie war froh, dass er ihr schon wenigstens etwas mehr erzählt hatte!
„Ist nicht schlimm, G, ist alles in Ordnung!“ raunte sie ihm zu, streichelte mit den Fingerkuppen sacht, vorsichtig über seine Oberlippe, über die langen Barthärchen dort.
„Ich hab` nichts getan, ihr habt es bewiesen! Danke schön und jetzt ist alles wieder gut und wir kümmern uns weiter um unser Haus, ja?“
G sah sie aufmerksam an.
Es kam ihr vor, als müsse er sich dafür etwas anstrengen.
„So einfach, Mali?“
„Ja!“ versicherte sie ihm heiter.
„Vor allen Dingen schläfst Du jetzt aber erstmal, ja?“
G lachte leise. Es klang ein bisschen erleichtert.
Sie konnte spüren, wie er sich etwas zu entspannen begann. Sein kleines Seufzen klang behaglich.
Es hörte sich gut für sie an.
Gut genug, dass er nicht merkte, dass sie nun noch einen Grund mehr hatte, sich Sorgen im ihn zu machen!
 
 
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