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Somewhere Only We Know

Kurzbeschreibung
GeschichteHumor, Liebesgeschichte / P12 / Het
26.04.2022
24.07.2022
30
75.012
11
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Dieses Kapitel
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23.06.2022 2.312
 
Als wir den Komplex mit dem Fahrstuhl verließen, wartete bereits ein Wagen vor der Tür. So richtig ausmachen, ob es ein Taxi war, konnte ich nicht, aber Valen ging zielstrebig darauf zu und hielt mir die Tür auf um einzusteigen.
Ich kletterte in das Auto und wartete, dass Valen sich neben mir niederließ. Der vordere Bereich des Fahrers war mit einer durchsichtigen Scheibe getrennt und versprühte den Duft von etwas Privatsphäre.
In der mir wahrscheinlich nie verständlichen Sprache redete er mit dem Fahrer, der freudig nickte und aus dem Grinsen nicht mehr rauskam.
„Wohin fahren wir?“, fragte ich als die beiden ihr Gespräch beendet hatten und der Fahrer den Motor startete.
„Erstmal zeige ich dir die Stadt. Wir fahren ein bisschen rum… “, antwortete er und sah mich erwartungsvoll an. „Oder ist das zu wenig?“, schob er direkt die nächste Frage nach.
Ich schüttelte lachend den Kopf.
„Ne, ich denke, das ist genau richtig“, antwortete ich wahrheitsgemäß und ließ mich tiefer in den Sitz sinken.

Neben viel mir nicht bekannter Musik, lief plötzlich ein Song im Radio, den ich bestens kannte. Und irgendwie untermalte es die Situation perfekt.
„For you, for me, crush into me…“

Die Häuser, die Straßen, die Bushaltestellen - ich konnte gar nicht so viel gucken, wie ich wollte. Der Verkehr war meiner Meinung nach okay und so konnten wir, ohne viel im Stau zu stehen, durch die Stadt fahren. Erneut faszinierten mich die Straßenschilder, die so ähnlich zu denen zu Hause waren. Die Parkstreifen erschienen mir zwar viel zu schmal, aber irgendwie parkten die Autos teilweise einfach dort, wo sie grade stehen wollten und ließen die Straßen trotzdem nicht in Chaos versinken.
An einigen Orten erzählte Valen ein paar Dinge. Wir fuhren an seinem absoluten Lieblingsrestaurant vorbei, vor dem tatsächlich eine riesige Schlange war, obwohl der Laden noch nicht mal geöffnet hatte.
Er erklärte mir das System mit den Bus und Bahntickets und wie die Leute hier umzogen, als wir an einem kleinen offenen Sprinter vorbeifuhren. Er redete über Kautionen bei Mietwohnungen, kleine Cafés und deren Spezialitäten. Ich hörte einfach nur zu, genoss die private Stadtführung in vollen Zügen und bemerkte nicht, wie die Zeit verging.

Kurz bevor Valen zum nächsten Satz ansetzten, wollte, meldete sich mein Magen mit einem unschönen, lauten Knurren zu Wort. Ich erschrak und hielt automatisch meine Hände vor den Magen.
Lachend sprach er mit dem Fahrer, welcher kurzerhand schwungvoll die Spur wechselte.
„Ich könnte auch etwas zu Essen vertragen“, stimmte er dem Magenknurren zu und kurze Zeit später hielten wir, in zweiter Reihe, vor einem kleinen unscheinbaren Laden.
Ich schaute aus dem Fenster und versuchte zu erkennen, was es geben sollte, verrenkte mir aber eher den Hals als dass ich etwas sehen konnte.

Valen drückte dem Fahrer einige Scheine in die Hand, welche den Motor ausstellte und ausstieg. Ich sah ihm zu und plötzlich stand er an meiner Tür, um sie zu öffnen.
„Geh mit“, sagte Valen und nickte Richtung Café. „Er bestellt für uns, aber vielleicht willst du mitgehen und schauen, ob dir noch etwas gefällt“, sagte er und zog sich die Maske etwas höher ins Gesicht.
„Und du?“, fragte ich, während ich den Sicherheitsgurt löste.
„Ich warte hier. Geh schon. Irgendwer muss das Auto ja wegfahren, wenn jemand nicht durch die Straße passt“, erklärte er grinsend.
Etwas verwirrt schaute ich ihn an und stieg aus dem Auto aus. Auf dem Weg ins Café fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen.
Er meinte zwar, dass er viel draußen herumlaufen würde, aber Gefahr laufen, irgendwo gesehen zu werden, war wahrscheinlich auch nicht sein Ziel des heutigen Tages.
Kurz fühlte ich mich schlecht, doch das Gefühl wurde von einer wahnsinnig bunten Vitrine abgelöst.

Diese Cupcakes waren bunter, kitschiger und süßer als alles, was ich in meiner Backwaren Laufbahn gesehen habe - und meine Backwaren Laufbahn war definitiv beeindruckend. Der Fahrer, dessen Namen ich immer noch nicht kannte und auch nicht danach fragen konnte, stand bereits vorne und redete mit der zierlichen Frau hinter der Theke. Beruhigend sah er mich an und erklärte wohl, dass ich Zeit brauchte, um mich zu entscheiden. Ohne dass er mich verstehen konnte, sagte ich ihm, dass ich mich beeilen würde, doch er schüttelte nur den Kopf und zeigte mit den Händen, dass ich mir Zeit lassen sollte.
Ich schaute erneut die komplette Auslage an und wünschte mir so sehr, diese Sachen auch am Flughafen zu verkaufen. Wie viele Komplimente Alex bekommen würde, wenn er so etwas anbieten würde. Die Leute würden nur für das Gebäck das teure Parken auf sich nehmen.
Ich entschied mich für zwei Cupcakes, die wie kleine Tiere aussahen. Ich weiß nicht genau was es war, aber die Buttercreme war in Form von kleinen Schweinen, Bären oder Katzen geformt und mit kleinen Schokostücken Gesichter darauf dekoriert. Selbst der Anblick ließ mich schlagartig Diabetes haben und nach meinem imaginären Insulin greifen.

Mit drei großen braunen Tüten verließen wir den Laden und ich schlüpfte ins Auto.
„Und?“, fragte Valen während ich die Tüten in der Mitte zwischen uns platzierte.
„Warum ist euer Essen Kunst?“, entgegnete ich und öffnete die Tüte mit den zwei Cupcakes.
„Der ist für dich“, sagte ich und hielt ihm einen keinen Kuchen mit einem kleinen braunen Bären unter die Nase.
„Danke“, sagte er leise und biss mit unvorhersehbarer Schnelligkeit den Kopf ab. Zum Glück hatte ich bereits im Laden ein Foto davon machen können, um es an die Mädchen zu schicken.
Ich schaute mir den kleinen Cupcake mit dem Froschgesicht an und grinste.
Doch bevor ich auch ihm den Kopf abbeißen konnte, übermannte mich das schlechte Gewissen. Vielleicht sollte ich irgendwie etwas für Valen besorgen? Als Geschenk für den Flug, die Reise, die Unterkunft - irgendwie alles. Etwas, dass ich selbst bezahle, schließlich stand ich mindestens schon einen Kleinwagen in seiner Schuld.

Ich öffnete die anderen Papiertüten und fand neben herzhaft belegten Bagels noch Pfannkuchen und niedlich verpackte Obstsalate.
„Wenn das so weiter geht, musst du mir einen zweiten Platz für den Rückflug buchen“, sagte ich spaßeshalber und probierte einen der Pfannkuchen, die viel zu lecker mit Erdnüssen und Honig gefüllt waren.
„Ach, bis dahin dauert es zum Glück noch“, antwortete er und reichte mir eine Servierte. „Darüber kann man sich irgendwann noch Gedanken machen“, fügte er hinzu und schob damit die Gedanken schnell aus meinem Kopf, bevor sie Unruhe stiften konnten.

Nachdem wir gegessen hatten und der Fahrer sich als Jay vorgestellt hatte, startete er den Motor erneut und führte die Tour fort.
Obwohl wir eigentlich nur im Auto saßen, verging die Zeit immer schneller. Neben imposanten Museumsgebäuden und Brücken, gab es zwischendurch immer kleine Parks, die zu einer Pause einluden.

„Und hier arbeite ich - oft“, sagte Valen plötzlich an wir an einem ebenfalls markanten Gebäude vorbeifuhren.
Ich nickte und beuget mich zu ihm rüber, um mir den grauen Betonklotz genauer anzusehen.
„Bürojob, oder?“, neckte ich ihn, spürte die plötzlich entstandene Nähe.
„Genau, Bürojob mit Tanz und Gesangseinlage“, bestätigte er meine Aussage, sah mir unverblümt direkt in die Augen.
Ein paar Sekunden blieb ich in seinem Gesicht hängen, bis der Gurt anfing, meine Lunge einzudrücken. Ich rückte ab und lockerte den Gurt.
Mit der linken Hand abstützend setzte ich mich grade auf und schaute wieder rüber zu ihm.
Ein unergründliches Lächeln lag auf seinen Lippen, als er plötzlich seine Hand auf meine legte und entspannt wieder aus dem Fenster schaute.
Ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen, als ich auf unsere Hände sah. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus und verlegten schaute ich zu Jay, dessen Augen meine, im Rückspiegel trafen und der ebenfalls verdächtig lächelte.

Jay fuhr noch weitere Touristenspots ab und mein Fotospeicher fing langsam an wegen Überfüllung zu meckern. Ehe ich Bilder löschen konnte, kamen wir wieder am Apartmentkomplex an.

Die Dunkelheit schlich sich langsam an, obwohl erst Nachmittag war. Wir hatten noch eine Ladung merkwürdigen kalten Kaffee besorgt, damit die Müdigkeit mich nicht völlig überrannte. Valen verabschiedete sich von Jay und redete mit ihm, während ich zu dem Park vor seinem Haus sah.

Mit unseren Getränken liefen wir durch den kleinen Park, der sich fast wie ein Garten anfühlte, weil kaum Menschen vertreten waren. Die Luft hatte sich extrem abgekühlt und trotz der vollen Straßen und dem schnellen Leben, war hier die Zeit stehen geblieben. Gegen Abend hatten sich einige Wolken am Himmel versammelt und machten den Eindruck, als warteten sie darauf, endlich auszubrechen. Ob es Schnee oder Regen sein sollte, konnte ich nicht einschätzen. Ein paar Straßenlaternen standen in großen Abständen am Rand des Gehweges und untermalten die Stille.

Der Tag war aufregend und irgendwie anders, als man sich vielleicht einen Städtetrip vorstellte. Die kleine Auszeit kam wie gerufen. Mit den kalt servierten Kaffees setzten wir uns auf eine Bank, die den Blick auf einen kleinen Teich bereithielt. Warum man hier den Kaffee fast immer kalt trank, war mir ein Rätsel, dessen Lösung mir auch erstmal vorenthalten blieb.
„Das ist echt schön hier“, bemerkte ich und zog den Reißverschluss meiner Jacke bis nach ganz oben. Die Kälte kroch mittlerweile durch die Jacke in die Knochen und ich verteufelte das kalte Getränk etwas mehr.
Dass eine so laute Stadt so vielfältig sein konnte, war einfach nicht in meinen Kopf zu kriegen.
„Ja, oder?“, antwortete er und ließ seinen Blick auf dem Teich ruhen. Vorsichtig starrte ich von der Seite rüber und bekam erneut dieses merkwürdige Kribbeln in der Magengegend, was sich bereits heute Mittag angeschlichen hatte.
Musste ich mir jetzt eingestehen, dass sich keine Krabbeltiere in meinem Körper eingenistet hatten? War es jetzt Zeit einen Kammerjäger zu rufen oder war es dafür zu spät? Sollte man so etwas lieber vorbeugend behandeln?
Er bemerkte meinen Seitenblick nicht, war wahrscheinlich zu sehr in seiner eigenen Gedankenwelt versunken.
„Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist, Juna. Ich habe es nicht als selbstverständlich angesehen, ich habe gemerkt was für eine große Überwindung das alles für dich ist“, sagte er und sah weiter auf den Teich, in dem sich das Licht der Laternen spiegelte.
Ich nickte kaum merklich und nippte an meinem Getränk, während ein leichter Wind aufkam und zog die Jacke noch ein Stück enger.
„Willst du ein Stück gehen?“, wechselte er das Thema. „Scheint dir ein bisschen kalt zu sein, oder?“
„Wäre besser“, antwortete ich und stand auf.
Wir liefen den Weg weiter, im Rücken immer das Haus in dem er wohnte und ich grade irgendwie auch.
„Es ist ziemlich schnell sehr kalt geworden“, sagte Valen. „Es würde mich nicht wundern, wenn es bald schneit“
Ich sah hoch und sah weder Sterne noch den Mond, weil der Himmel einfach nur voll von Wolken war.
„Wäre schön, oder nicht?“, fragte ich und blinzelte weiter nach oben als ein riesiger Tropfen auf meine Stirn traf.
„Oh“, sagte ich leise und wischte den Tropfen mit dem Handrücken von meiner Stirn.
Valen lachte leise und schaute ebenfalls nach oben, als plötzlich ein riesiger Wolkenbruch einsetzte.
Ohne zu zögern, griff er nach meiner Hand und zog mich unter den nächstbesten Baum, der noch nicht alle Blätter verloren hatte.

Die Tropfen fielen dick und schwer vom Himmel. Man konnte richtig fühlen, wie sie sich kalt und schwerfällig den Weg durch die Kleidung und die Blätter suchten. Im Halbschatten des Baumes und den zaghaften Lichtern der Laternen standen wir unter dem Baum, welcher sich wie ein Zelt über unseren Köpfen ausbreitete.
Schweigend standen wir nebeneinander, während die Geschwindigkeit der fallenden Tropfen noch eine Stufe zulegte. Trotz des Lichts der Laterne war die Sicht eher beschränkt und ohne große Absicht, trat ich auf Valens Fuß, der merkwürdig nah bei mir stand.
„Sorry“, nuschelte ich und sah ertappt zu Boden.
„Nicht deswegen“, entgegnete er und ich spürte seinen klaren Blick auf meiner rechten Wange.
Zaghaft blickte ich zur Seite und traf direkt seinen Blick.
Es fühlte sich an, als sein ein merkwürdiger Schleier um uns gelegt, ein kleines Tuch, ein durchsichtiger Umhang, der uns abschirmte und plötzlich gab es nichts außer den Baum, den Regen und Valen. Und meine Nervosität. Meine Selbstzweifel, die wie aus dem Nichts den Umhang beiseite schoben, und durch die Nähte meiner Kleidung, in meinen Körper flohen.
Unbehaglich nagte ich meiner Unterlippe und warf erneut einen kleinen Blick rüber, nur um festzustellen, dass er bisher nicht weggesehen hatte.
Im nächsten Moment spürte ich neben einem großen Tropfen noch etwas anderes an meiner Wange. Eine zaghafte Hand, die einen warmen Hauch hinterließ, strich über meine Wange und hinterließ erneutes, unangenehmes Ziehen in der Magengegend.
Verlegen schaute ich nach unten, bis ich allen Mut zusammen nahm und in seine warmen, willkommen heißenden Augen schaute.
Der lauter werdende Regen ließ mich näher an ihn treten, ohne jedoch den Blick von ihm zu lassen. Vielleicht war das jetzt dieser Moment - einer dieser Momente - doch ehe ich über meinen Schatten springen konnte, lief ein Pärchen lachend an uns vorbei, schaute kurz zu uns rüber und setzte den Weg fort.
Der Regenschirm, der über ihnen ausgebreitet war, nahm fast den ganzen Gehweg ein, doch viel mehr blieb mir das sorglose Lachen der beiden im Kopf.
Vielleicht war der Moment nicht jetzt. Das Pärchen ging schnellen Schrittes durch den Park, zu einem anderen Hauseingang in dem Komplex und beachtete uns nicht weiter.
„Ich habe keinen Regenschirm...“, sagte Valen in die Stille hinein und schaute den Beiden hinterher.
„Nicht schlimm, oder?“, fragte ich. „Der Baum hält einiges aus“, ergänzte ich.
Er lachte leise.
„Wenn es einmal regnet, hört es so schnell nicht auf“, erklärte er und ich wartete darauf, dass er pfadfindermäßig einen angeleckten Finger in den Wind hielt.
„Sollen wir rennen?“
„Rennen?“, hinterfragte er mich.
„Ja - zum Hauseingang?!“, fügte ich hinzu.
„Wenn du denkst, dass du vor mir da sein kannst - bitte!“, sagte er schadenfroh und ehe ich mich versah, stand er nicht mehr unter dem Baum, sondern im strömenden Regen.
„Komm schon! Ich bin schon fast zu Hause“, sagte er triumphierend und lief los.
So schnell mich meine Füße trugen, was nicht besonders schnell ist, lief ich ihm hinterher. Ohne ihn einzuholen.
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