Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Weil du bei mir bist

von Grusha
Kurzbeschreibung
OneshotDrama, Freundschaft / P16 / Gen
16.04.2022
16.04.2022
1
1.979
3
Alle Kapitel
noch keine Reviews
Dieses Kapitel
noch keine Reviews
 
 
 
16.04.2022 1.979
 
Ein wirklich langer Tag neigt sich dem Ende zu. Nach einer anstrengenden Mission hat Abel nichts anderes mehr im Sinn, als sich den ganzen Schmutz und Dreck vom Körper zu waschen. Seinen selbst ausgesuchten Teamkollegen hat er angedroht sie alle zu töten, wenn sie ihn nicht in Ruhe lassen. Er will sich entspannen und alleine sein, weshalb man ihn in das alte Badehaus geschickt hat, das von niemandem mehr benutzt wird. Mit einem Handtuch um die Hüfte gebunden, reißt er die Tür zur Badehalle auf und traut seinen Augen nicht. Es dauert einen Moment, bis sich seine grauen Augen an die Nebelschwaden des Dampfes gewöhnt haben. Achtlos lässt er das Handtuch fallen, um sogleich in das heiße Wasser zu steigen. Abel stöhnt einmal leise auf und richtet seinen genervten Blick schließlich auf die Person, die neben ihm sitzt. Wie seltsam, dass er sie im ersten Moment gar nicht bemerkt hat. Ein rothaariges junges Mädchen mit blauen Augen und unzähligen Sommersprossen sitzt einfach nur da und starrt die Wand an. Selbst als sich Abel direkt neben sie gesetzt hat, reagierte sie nicht darauf. Der Schwarzhaarige ist überaus genervt von ihr. Hat man ihm nicht versichert, dass er hier alleine sein würde? Wütend über diese dreiste Lüge, starrt er sie einfach nur eine Zeit lang an. „Hey! Was schaust du denn so dumm in der Gegend herum?“ Sie beachtet ihn nicht. Abel kann an seiner Schläfe eine Wutader pochen spüren. „Ignorierst du mich etwa? Dann kann ich dir ja gleich den Hals umdrehen“, knurrt er.

Endlich rührt sie sich und blickt ihm kurz ins Gesicht. Danach schaut sie sich äußerst verwirrt um, bevor sie ihn wieder ansieht. „...Redest...du etwa mit...mir...?“
„Na mit wem denn sonst? Ist doch sonst keiner hier“, stöhnt er genervt. „Oh...“, macht sie es nur leise und sinkt noch etwas tiefer in das Badewasser ein. Ziemlich überrascht von diesem Verhalten, starrt Abel sie nochmals für eine gewisse Zeit an, bevor er angewidert das Gesicht verzieht. „Du bist echt hässlich...“, sagt er.
„...Ich weiß...“, antwortet sie leise. Für einen Moment ist Stille angesagt. So ein Verhalten kennt er überhaupt nicht. „Wie heißt du?“, fragt er.
„Sina“, sagt sie. Wieder kehrt Stille ein. Beide sagen eine Weile nichts. Irgendwann greift sie auf den Beckenrand und holt aus einer mit Eiswürfel gefüllten Schale eine kleine Flasche voller Fruchtmilch heraus. Sina zieht den Deckel ab und will sich das Milchgetränk gerade einverleiben. Doch bevor ihr schmaler Mund die kleine Flasche erreicht, hat Abel ihr diese kommentarlos weggenommen und gibt ihr die ausgetrunkene Flasche wieder zurück. Perplex schaut sie das nun leere Gefäß an und stellt sie ohne ein Wort zu sagen in die Eiswürfelschale zurück. „Was zur Hölle stimmt denn mit dir nicht? Ich hab dir das leckere Zeug einfach geklaut und du sagst nicht einmal was dazu.“ Sina sinkt noch etwas mehr ins heiße Wasser ein. „Schön, wenn es dir geschmeckt hat“, blubbert sie. Abel macht es extrem sauer, dass sie sich nicht von ihm provozieren lässt. Es juckt ihn in den Fingern, sie augenblicklich von innen nach außen hin aufzuschlitzen.

Damit ist der entspannte Abend wohl gelaufen. „Der Klügere gibt nach“, grummelt er und steht auf, um sogleich das Badebecken zu verlassen. Anscheinend hat er wohl einfach Pech gehabt, also versucht er am nächsten Abend erneut sein Glück. Er setzt sich wieder ins heiße Badewasser, als sich seine Augen zu feindseligen Schlitzen ziehen. „Du bist ja schon wieder da...“, knurrt er. Sina antwortet ihm nicht. Es vergeht fast eine Stunde, in denen die beiden nicht miteinander reden. Schließlich greift sie genau wie gestern in die Eiswürfelschale, um die Flasche mit der Fruchtmilch zu öffnen. Ohne ein Wort zu sagen, hält sie ihm die geöffnete Flasche hin. Abel runzelt zuerst die Stirn, bevor er ihr dann doch das Getränk entreißt und in sich hinein schüttet. Danach stellt sie die leere Flasche wieder in die Schale zurück. Der Schwarzhaarige mustert sie einmal von oben bis unten. „Du bist heute noch hässlicher als gestern“, beschimpft er sie. „...Kann schon sein...“, piepst sie leise. Erneut hat sich eine Wutader bei ihm gebildet. Er fängt an sie mit den unterschiedlichsten Kraftausdrücken zu bombardieren, doch Sina reagiert nicht darauf. Erst nach einer weiteren Stunde, sieht sie kurz zu ihm hoch, sagt aber nichts. So geht das die nächsten Tage immer weiter. Abel stiehlt ihr die Fruchtmilch, nennt sie hässlich und beschimpft sie. Und trotzdem ist er jedes mal darüber erstaunt, dass sie nach seinen heftigen Wutausbrüchen lächelt. „...Wieso grinst du immer so dämlich...?“ Sina errötet leicht. „...Es ist schön, dass du mit mir redest. Normal nimmt man mich nie wahr...“ Interessant. Hat er da etwa gerade einen heißen Tipp bekommen?

Abel hat sich vorgenommen sie ab morgen zu ignorieren. Gleich nachdem er ihr die Fruchtmilch gestohlen hat. Wobei man das so gar nicht mehr sagen kann, da sie ihm diese jeden Tag freiwillig überlassen hat. Zugegeben – das fruchtige Milchgetränk ist wirklich köstlich. Auch an diesem Abend freut er sich schon wieder darauf. Doch umso erstaunter ist er, da es heute keine Fruchtmilch gibt. Abel setzt sich wieder schweigend neben sie und kann in einem kleinen Körbchen ein paar Eier sehen, die seit Stunden im warmen Badewasser vor sich her kochen. Bis jetzt hat Sina immer gewartet bis er das Wort ergriffen hat, doch diesmal greift sie kommentarlos zu einer Schale, um darin eines der Eier aufzuschlagen. Wortlos hält sie es ihm hin. Abel nimmt es entgegen und schaut es sich an. Es riecht gut und hat die perfekte Konsistenz, um gegessen zu werden. Nicht zu hart und nicht zu weich. „Was ist das?“
„...Ein Onsen-Ei...“ Egal woher sie das hat, er will es essen. Und es schmeckt einfach köstlich. „Noch eines“, fordert er und hält ihr die Schale hin. Am Ende hat er alle fünf Eier aufgegessen und für sie ist keines mehr übrig. Diese zarte Köstlichkeit hat ihm so die Sprache verschlagen, dass er ganz vergessen hat sie zu beschimpfen. Auch in den nächsten Tagen wird Abel mit verschiedenen Köstlichkeiten verwöhnt. Oder viel mehr gesagt, er reißt sie einfach an sich. Das einzige was ihm wirklich nicht geschmeckt hat ist dieser fürchterliche Reiswein, der ihm doch etwas zu Kopf steigt. „Sag mal, Kleine wie alt bist du eigentlich?“
„...Fünfzehn...“, piepst sie leise. Abel kräuselt seine Augenbrauen. Wie hat sie es bitte geschafft in dem Alter an Alkohol zu kommen? Geschweige denn wo ihre Familie abgeblieben ist. „Aha...“, antwortet er nur desinteressiert.

Sina zieht sich wieder in ihren Schildkrötenpanzer zurück. Beide schweigen sich für die nächsten zwanzig Minuten an. „Und wo ist deine Familie abgeblieben?“ Zum ersten mal wendet sie ihren Blick ab. Sie antwortet ihm nicht. „Ach, verstehe...die haben wohl allesamt ins Gras gebissen, was?“ Abel lacht einmal höhnisch. Doch auch mit dieser Aktion schafft er es nicht ihr auch nur eine Träne zu entlocken. Mit ihrer folgenden Reaktion, hat er allerdings nicht gerechnet. „...Darf ich mich an dich kuscheln?“ Abel glaubt sich verhört zu haben. „Was...? Sag das nochmal...“
„...Darf ich mich an dich kuscheln?“ Augenblicklich schießt er aus dem Wasser hoch. „Willst du mich verarschen? Bleib bloß weg von mir, du potthässliches Entenküken!“ Sina versinkt bis zur Nasenspitze im Wasser und blubbert vor sich her. Für ihn ist der Abend gelaufen, weshalb er für heute aus dem Badehaus verschwindet. Abel ist so wütend darüber, dass er am selben Tag noch Amok laufen geht. Für ein paar Tage hat sich der Schwarzhaarige nicht blicken lassen, weshalb Sina alleine baden muss. Doch am fünften Tag, taucht er plötzlich wieder auf und setzt sich schweigend zu ihr. „Du bist ja immer noch hier, hässliches Entlein...“ Obwohl er sie gerade wieder beschimpft hat, lächelt sie darüber. Wortlos reicht sie ihm eine Fruchtmilch und ein Onsen-Ei. „Und du bist noch genauso nervig...“, sagt er und reißt ihr beides aus den Händen. So geht das ganze noch einige Wochen weiter. Sina schenkt ihm jeden Tag ihre Fruchtmilch und ihre Eier, während sie jedes mal leer ausgeht. Selbst als Abel ihr gegenüber einmal handgreiflich geworden ist, hat sie es kommentarlos hingenommen. Die meiste Zeit über haben sie sich ohnehin nur angeschwiegen. Egal wie schlecht er mit Sina umgegangen ist, sie hat ihm jeden Abend ihre Fruchtmilch und ihr Onsen-Ei gegeben.

...Ein Monat später...

Abel besucht auch an diesem Abend wieder das Badehaus. Schweigend setzt er sich zu ihr und mustert sie für einen Moment. In seinem ganzen Leben hat er noch nie einen Menschen getroffen, der keine Angst vor ihm hat. Darum hat er begonnen über ihre seltsame Bitte nachzudenken und hat sich entschieden ihr diesen lächerlichen Gefallen einfach zu tun. Abel legt einen Arm um sie, damit sie sich an ihn kuscheln kann. Sina versteift sich kurz, da sie mit dieser Geste nicht gerechnet hat. Und diesmal ist er es, der ihr eine Flasche mit Fruchtmilch schenkt. „Ich habe es selbst gemacht. Keine Ahnung ob das Zeug schmeckt.“ Völlig überwältigt nimmt sie sein schönes Geschenk mit beiden Händen entgegen. „...Danke...es ist bestimmt die beste Fruchtmilch auf der Welt...“ Sina lächelt. Sie schließt die Augen und lehnt ihren Kopf nun an seine Schulter, um sich an ihn zu kuscheln. „Übertreibe es bloß nicht, hässliches Entlein....“

...Der nächste Abend bricht an...
Abel ist auf dem Weg ins Badehaus und reißt energisch die Tür auf. Dicke, neblige Dampfschwaden kommen ihm entgegen, doch scheint heute etwas anders zu sein. Sina...ist nicht da. Wie ungewöhnlich. Ständig ist sie ihm auf die Nerven gegangen und nun ist sie nicht mehr da. „Soll mir nur Recht sein...“ Abel lässt das Handtuch fallen und steigt sogleich ins heiße Badewasser hinein. Die ganze Zeit über hat er sich gewünscht alleine baden zu können. Doch schon bald fällt ihm auf, dass es seltsam still geworden ist. Es gibt keine Fruchtmilch und keine Onsen-Eier mehr für ihn. Abel geht stark davon aus, dass die hässliche Nervensäge einfach keine Zeit gefunden hat um heute zu baden. Doch auch in den nächsten Tagen bleibt sie verschwunden. Am siebten Abend reicht es ihm. Abel verlässt wütend das Badehaus, um schnurstracks zu Dr. Bright zu stampfen. Er packt den Wissenschaftler wütend am Kittel und zieht ihn zu sich auf Augenhöhe hoch. „Wo ist sie, Bright? Wo ist die Kleine aus dem Badehaus abgeblieben?“ Dr. Bright zappelt zuerst hilflos in seinem Griff umher. „Jetzt beruhige dich doch erstmal. Welche Kleine meinst du bitte?“
„Sina! Die kleine Rothaarige mit den Sommersprossen im Gesicht.“ Dr. Bright runzelt die Stirn. „...Sina...? Meinst du Sina Tilman?“
„Keine Ahnung, wie die hässliche Ente heißt, wo ist sie Bright?“ Der Wissenschaftler schluckt einmal. „Lass mich bitte runter, ich möchte dir etwas zeigen.“ Nur widerwillig lässt Abel ihn los. Kurz darauf wird er von dem Doc zu einem kleinen Friedhof geführt. „Du sagst also sie hatte rote Haare, blaue Augen und viele Sommersprossen. Sah sie etwa so aus?“ Dr. Bright deutet auf einen Grabstein, auf dem ein Foto des Mädchens abgebildet ist.

Der Schwarzhaarige traut seinen Augen nicht. „Aber das kann doch nicht sein...sie hat jeden Abend mit mir gebadet und hat mir Fruchtmilch und diese komischen Eier gegeben...“ Er starrt auf den Grabstein herab. „...Abel...Sina ist seit zehn Jahren tot. Sie ist damals in diesem Badehaus ertrunken. Wegen ihrem Aussehen war sie immer ein sehr stilles und einsames Mädchen gewesen. Irgendwann hat sie mir einmal erzählt, dass sie sich nichts sehnlicheres als einen Freund gewünscht hat.“ Abel kann gerade nichts sagen, sondern geht einfach. Am darauffolgenden Abend hat er sich dazu entschieden das Badehaus ein allerletztes mal zu besuchen. Im heißen Wasser sitzend hängt er gerade seinen eigenen Gedanken nach, als plötzlich eine Flasche mit Fruchtmilch zu ihm geschwommen kommt. Verwirrt darüber sieht er sich um, doch niemand ist hier. Erst nachdem er die Fruchtmilch leer getrunken hat, bemerkt er die Nachricht, die auf der Flasche zu lesen ist. Ungewollt laufen ihm ein paar Tränen über die Wangen. '...Danke...dass du immer mit mir geredet hast...'

Ende...
Review schreiben
 
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast