Lord of the Lost auf dem MPS
von Persiphone
Kurzbeschreibung
(Der Autor hat keine Kurzbeschreibung zu dieser Geschichte verfasst.)
OneshotHumor / P12 / Gen
Chris "The Lord" Harms
Class Grenayde
Gared Dirge
Niklas 'Nik' Kahl
OC (Own Character)
Pi Stoffers
16.04.2022
16.04.2022
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3.811
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16.04.2022
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Es war Mitte August, die MPS Saison war im vollen Gange und dieses Wochenende waren sie in Hamburg. Mariko hielt ihr Gesicht der Sonne entgegen und sog den typischen MPS – Geruch nach Grillfleisch, La´ngos, Kräutern und den Menschen hier ein. „Mariko! Kommst du bitte! Du bist zum arbeiten und nicht für Tagträumereien hier!“ wurde sie von einem Hünen, welcher hinter der Zapfanlage stand, gerufen. „Bin schon auf dem Weg Markus!“ rief sie zurück und beeilte sich, wieder an den Tresen zurückzukommen und die durstigen Gäste zu bedienen. Markus war der Chef an diesem Getränkestand und man machte ihn besser nicht wütend, denn er konnte sehr unangenehm werden. Scheiß egal, ob da Männlein oder Weiblein vor ihm stand….
An ihrer Ecke vom Tresen standen 5 Männer in überwiegend schwarzen Klamotten. Bei näherer Betrachtung waren es Merchandise – Sachen von einer Band, die sie hier noch nie gehört hatte und sie machte diesen Job schon seit 5 Jahren. „Lord of the Lost… Wer mag das wohl sein? Muss ich später mal googlen.“ dachte sie und trat zu den Herren. „Hi! Was darf ich euch an Getränken bringen?“ fragte sie höflich und steht´s darauf bedacht, eine unzweideutige Wortwahl zu treffen. In den Jahren hier hatte sie gelernt, dass es besser war. Vor allem bei Betrunkenen, aber diese 5 sahen noch ziemlich nüchtern aus. „Hi! Was habt ihr hier denn so Gutes?“ fragte einer mit kurzen, leicht gewellten Haaren. „Zu faul die Karte hinter mir zu lesen, was?“ dachte sie angenervt, blieb aber ganz „Profi“ und zählte die verschiedenen Getränke auf. „Hm.. Dann nehme ich ein Guinnes und ihr?“ fragte er in die Runde und alle nickten, bis auf einen. „Für mich bitte ein Wasser.“ bestellte genau dieser und Mariko nickte, ehe sie die Bestellung an Markus weiter gab und selbst das Wasser holte. Der war wohl der Fahrer von diesem Haufen. „Maaaan Chris! Du bist langweilig! Die Wette mit deiner Frau hast du doch schon lange gewonnen, da kannst du mit uns auch mal wieder was trinken!“ beschwerte sich der mit den kurzen Haaren. „Vergiss es Pi! Wenn ich in dem Jahr Abstinenz etwas gelernt habe, dann das ihr alle im besoffenen Zustand anstrengend seid und ich nicht dazu gehören will! Außerdem muss doch einer auf euch aufpassen!“ erwiderte dieser Chris und zwinkerte seinem Gesprächspartner namens Pi belustigt zu. „Na ganz toll! Der Aufpasser vom Dienst oder was?“ grummelte der Angesprochene und nahm eins der Gläser mit Guinnes in die Hand, welche Mariko eben vor ihm und den Anderen hingestellt hatte. Das Wasser hatte sie schon vorher an seinen neuen „Besitzer“ übergeben.
Sie hätte gerne noch weiter zugehört, aber Markus warf ihr warnende Blicke zu und sie wandte sich schnell anderen Kunden zu.
Ein paar Stunden später, es dämmerte langsam, hatte sie endlich Feierabend und konnte nun selbst über das Gelände laufen.Summend schlenderte sie an den verschiedenen Ständen vorbei, grüßte die Standbetreiber und schaute hier und da, ob sie etwas Neues für ihre Sammlung an MPS – Sachen fand. An einem Stand mit Kleidung und auch Taschen blieb sie länger stehen und schaute sich diese eingehend an. Sie brauchte mal wieder eine Neue und hier gab es wirklich Schöne. „Kann ich Euch helfen, schöne Maid?“ wurde sie von der Marktfrau angesprochen und zuckte leicht zusammen. Sie hatte sie gar nicht kommen hören.
„Ja, ich suche eine neue Umhängetasche, da meine Alte bald nicht mehr zu flicken ist.“ antwortete sie und sah sich die Frau genauer an. Eigentlich kannte sie alle Standbetreiber und –betreiberinnen, doch diese Dame war ihr absolut unbekannt. Sie musste neu dabei sein. „Ich würde Euch diese Tasche aus schwarzem Leder empfehlen. Sie ist sehr robust und passt vorzüglich zu Eurem ebenholzfarbenem Haar.“ meinte die Marktfrau nach kurzem Überlegen und zog mit sicherem Griff eine wunderschöne schwarze Ledertasche mit aufwendigem Blumenmuster aus dem Gewirr an Handtaschen.
Sie sah sehr teuer aus und lag garantiert außerhalb von ihrem Budget. „Ich möchte nicht unhöflich sein, die Tasche ist wunderschön, aber habt ihr nicht etwas anderes? Wenn ich mir die Verarbeitung und das aufwendige Muster anschaue, dann ist diese Tasche leider außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten.“ sagte Mariko und etwas Wehmut schwang in ihrer Stimme mit.
Für den Kauf einer neuen Tasche hatte sie maximal 35 Euro eingeplant, mehr konnte sie sich nicht leisten. Eine Tasche wie diese kostete locker das Doppelte oder sogar das Dreifache ihres Budgets. Das konnte sie in etwa abschätzen, da ihr über die Jahre, die sie nun hier war, einige Händler die wichtigsten Sachen über so etwas beigebracht hatten. „Oh seid ihr Euch da sicher? Diese Tasche ist ein Sonderangebot zu meinem Einstand hier auf dem Markt und kostet nur 35 Euro.“ antwortete die Frau und Mariko horchte auf. Wie bitte? Eine Tasche von dieser Qualität sollte nur 35 Euro kosten? Ihr Gesicht musste wohl ein einziges Fragezeichen sein, denn die Dame lachte kurz auf und nickte dann. „Es ist wahr.“ sagte sie nun mit einem Lächeln und drückte der völlig überrumpelten Mariko die Tasche in die Hand.
Nach dem diese bezahlt hatte, schlenderte sie weiter über den Markt, lauschte den fernen Klängen von Versengold, die gerade einen Auftritt hatten und konnte ihr Glück bezüglich der schönen Tasche immer noch nicht fassen. Sanft lächelnd strich sie über ihre neue Errungenschaft und wie von selbst wanderte ihre Hand zu dem Anhänger an ihrem Hals, den ihr die Marktfrau mitgegeben hatte. Es wäre ein Geschenk zu den Taschen und würde dieses Wochenende jeder bekommen, der eine dort kaufte hatte sie gesagt, als Mariko zum Protest ansetzen wollte, da ihr der Anhänger an dem Lederband zu wertvoll als Geschenk erschien. Zumal sie ja schon ein richtiges Schnäppchen mit der Tasche geschossen hatte. Doch die Frau hatte nur den Kopf geschüttelt, ihr den Anhänger in die Tasche gelegt, das Geld in die Kasse getan und sich dem nächsten Kunden zugewandt, der eine Geldbörse kaufen wollte.
Mariko hatte sich dann verabschiedet und war weitergegangen. Dabei hatte sie den Anhänger, ein Amulett aus vielen verschnörkelten Linie mit einem tiefroten Stein in der Mitte, aus der Tasche gezogen und sich um den Hals gehängt. Es gefiel ihr sehr und rief ein Gefühl der Ruhe in ihr hervor.
„Wenn das nicht die hübsche Schankmaid von vor ein paar Stunden ist.“ hörte sie plötzlich hinter ihr eine Stimme und erschrak. Doch als sie sich umdrehte, waren da nur die 5 Männer von der Theke und sie lächelte schüchtern. „Hi!“ piepste sie und schaute unsicher umher. „Nanu? Plötzlich schüchtern geworden oder wie? Keine Sorge, wir beißen nicht!“ sagte Jener, den sie Chris genannt hatten. Zumindest, wenn sie sich richtig erinnerte. „Ach… Ich…“ fing sie an und verstummte gleich wieder. Wenn sie hinter dem Tresen stand, dann konnte sie locker mit den Leuten reden. Die wollten ja eh nur saufen und da musste man keinen besonders intelligenten Eindruck machen. War denen eh egal. Aber wenn sie nach Feierabend unterwegs war und von Leuten angesprochen wurde, die sie nicht kannte, dann war ihr Gehirn wie leergefegt und sie wusste nie, was sie sagen sollte aus Angst, sich lächerlich zu machen. „Vielleicht hat sie uns jetzt doch erkannt und einen Fankomplex oder so etwas.“ meinte ein anderer mit Zopf leicht herablassend, was in ihr für Empörung sorgte! „Nein, ich weiß nicht wer Ihr seid, tut mir leid! Oder seid Ihr der neue Papst? Dann verzeiht bitte meine Unwissenheit, eure Heiligkeit!“ sagte sie ironisch und verbeugte sich tief vor Klaas, wie sie später feststellen sollte. Im Moment war dieser so perplex über ihre Reaktion, dass er wohl sehr komisch aussehen musste, denn seine Freunde fingen herzhaft an zu lachen, während Mariko ihre Verbeugung beendete. „Schlagfertig junge Dame!“ sagte dieser Chris und stellte anschließend seine Freunde vor. „Unser Papst hier heißt Klaas, der mit den kurzen Haaren ist Pi, der rechts neben mir mit den langen Haaren ist Nik und links neben Pi steht Gerrit. Und mit wem haben wir das Vergnügen?“ Fragend sah er sie an. „Ich heiße Mariko Sternmaurer.“ erwiderte sie. „Schön dich kennenzulernen Mariko Sternmaurer. Wie lange arbeitest du schon auf dem MPS?“ fragte nun Pi. „Seit 5 Jahren. Ich bin damals durch eine Freundin dazu gekommen und geblieben.“ erzählte sie und dabei setzten sich alle wie auf ein lautloses Stichwort in Bewegung. „Und was bringt euch hierher? In den letzten 5 Jahren habe ich euch hier noch nie gesehen und am Getränkestand bekomme ich Einiges mit.“ Mittlerweile kamen sie in die Nähe eines der Feuer und Mariko merkte erst jetzt, dass ihr langsam kalt wurde. Sie zog den Umhang dichter um sich und steuerte die Feuerstelle an. „Ist dir kalt?“ fragte Nik und sie nickte leicht. „Geht gleich wieder. Ich muss mich nur kurz am Feuer etwas aufwärmen.“ erwiderte sie und hielt die Hände in Richtung der Flammen. „Es ist schon ziemlich abgekühlt. Gut, dass wir auf der Bühne in Bewegung sind.“ überlegte Klaas und Mariko horchte auf. Bühne? Waren das Crewmitglieder? Aber warum hatte sie noch nie was von Lord of the Lost auf einem MPS gehört? Komische Sache das Ganze!
„Ach man Klaas! Jetzt hast du uns verraten! Bis gerade hatte Mariko keine Ahnung, wer wir sind!“ stöhnte Chris auf und verdrehte die Augen. „Sorry! Hab nach dem Fanansturm heute Nachmittag ganz vergessen, dass es hier auch Menschen gibt, die uns nicht kennen.“ meinte der Bassist und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Fanansturm? Was zum Henker… Wollt ihr mich verarschen! Wer seid ihr wirklich?!“ fragte sie mit in die Hüften gestemmten Händen und funkelte jeden von ihnen böse an. „Nein, wollen wir nicht! Wir alle sind zusammen mit unserer Crew die Band Lord of the Lost. Eigentlich spielen wir nicht auf diesen Märkten, aber eine befreundete Band hat bei uns angefragt, ob wir nicht einspringen könnten, da dem Veranstalter eine andere Band kurzfristig ausgefallen ist. Der Sänger hat sich das eine Bein und mehrere Rippen gebrochen, da kann er natürlich nicht auftreten.“ erklärte ihr Chris und Mariko nickte. Sie hatte selber mal eine angeknackste Rippe und da tat schon normales Atmen weh. Damit zu singen wäre unmöglich!
„Kannst du uns unser kleines Versteckspiel verzeihen? Es war für uns so angenehm, mal mit jemandem zu reden, der uns nicht kennt und keine festen Erwartungen an uns hat.“ meldete sich nun Pi zu Wort und setzte seinen besten Bettelblick auf. Mariko tat nun, als müsse sie angestrengt nachdenken und schwieg eine Weile, was die anwesenden Herren nun langsam etwas nervös werden ließ. Waren sie mit der Nummer etwa zu weit gegangen? Doch dann erlöste ihr Lachen sie alle von ihrer Besorgnis. „Du hast uns absichtlich hingehalten…“ schlussfolgerte der Sänger und Mariko nickte breit grinsend. „Ja, das hattet ihr euch verdient, auch wenn ich eure Beweggründe ein bisschen verstehen kann, mag ich es einfach nicht, wenn ich in irgendeiner Form angeschwindelt werde. Und das habt ihr mit dem Verschweigen getan. Nun aber Schwamm drüber.“ meinte sie und wandte sich wieder mehr dem Feuer zu. Es war doch empfindlich kühl geworden!
„Du hast Recht. Es tut uns leid!“ meldete sich Gerrit nach kurzem Schweigen zu Wort und seine Freunde nickten zustimmend. „Wie schon gesagt, es ist damit abgehakt.“ wiegelte sie ab und rieb ihre Hände aneinander. Irgendwie wollten die nicht richtig warm werden… Plötzlich spürte sie weichen Fleecestoff auf ihrer Haut und sah irritiert auf, genau in Pi´s Augen, welche sie mitfühlend musterten. „Damit die Kälte etwas vergeht.“ meinte er nur und lächelte leicht. „Danke! Aber jetzt wird dir doch kalt.“ antwortete sie und wollte ihm die Bandjacke zurückgeben, doch er hielt sie an Ort und Stelle auf ihren Schultern und den Umhang liegend fest. „Schon gut! Wir müssen jetzt eh los und uns Aufwärmen. In 60 Minuten steigt unser Konzert. Da wird uns wieder sehr warm werden.“ sagte er lächelnd und ließ ihre Schultern los. „Wie du meinst. Danke nochmal und viel Spaß bei eurem Konzert!“ gab sie nach und lächelte ebenfalls. „Kommst du nicht dorthin?“ fragte Chris schon fast empört und zog eine Augenbraue hoch. „Ich… Ich weiß nicht… Ich kenne eure Musik nicht…“ stotterte sie hilflos. „Dann wird es Zeit, dass du sie kennenlernst!“ meinte Gerrit enthusiastisch, schnappte sich die Hand der völlig überrumpelten Frau und zog sie mit in Richtung der Festivalbühne. Die 4 Anderen verkniffen sich mühsam ein Lachen. Wenn der Allrounder einmal „Blut geleckt hatte“, dann war keiner mehr vor ihm sicher. Das würde Mariko nun auch lernen müssen…
Kurz vor der Festivalbühne schlüpften alle durch einen Bauzaun, der neben der besagten Bühne ein abgegrenztes Areal umschloss und erst dort ließ Gerrit die mittlerweile hilflos um sich blickende Frau los. „Wie zur Hölle bin ich da nun wieder rein geraten?!“ dachte sie sich und suchte verzweifelt nach einem Ausgang. Doch überall da, wo man raus konnte, stand einer von der Sicherheitsfirma und sie wusste nicht, ob sie sich mit ihrem Mitarbeiterausweis hier aufhalten durfte. Das hatte sie die ganzen Jahre über noch nie ausprobiert. Warum auch? Sie sah die Musiker oft genug, wenn sie an der Schenke vorbei kamen, an der sie arbeitete und danach war sie meist zu kaputt, um noch großartig etwas zu machen. Ihre Feierabende sahen meist so aus, dass sie an einem der großen Feuer saß, den letzten Klängen mancher Konzerte lauschte und sich irgendwann auf den Heimweg machte. Manchmal schaute sie noch am Beerenweinstand vorbei und guckte nach neuen Sorten, doch meist blieb sie bei ihrer gewohnten. Sich jetzt hier im Künstlerbereich zu befinden, war doch mehr als befremdlich für sie!
„Mariko! Verschlägt es dich nach all den Jahren auch endlich mal her zu uns?“ erklang plötzlich die Stimme von Timo und sie drehte sich ertappt in seine Richtung. „Hi Timo! Was machst du denn hier? Ich denke, du trittst nicht mehr auf?“ fragte sie leicht irritiert und erwiderte die Umarmung des wesentlich größeren Mannes vor ihr. „Das tue ich auch nicht mehr, aber hin und wieder gucke ich mal nach, dass der verrückte Haufen dort auch ordentlich arbeitet.“ sagte der Hüne nun mit einem schelmischen Grinsen und entließ sie aus der Umarmung. „Na, das kann ja was werden…“ meinte Mariko trocken und hörte ein empörtes „Ey!“ hinter sich. Als sie sich umdrehte, stand dort Alea alies Jörg und sah sie vorwurfsvoll an. „Wir haben bis jetzt immer gute Konzerte abgeliefert! Also bitte!“ echauffierte er sich und sie verdrehte nur die Augen. „Wenn ich daran denke, was mir Lara erzählt hat, wie viel Alkohol sie zu euch gebracht hat, kann ich mir das heute nicht mehr vorstellen!“ sagte sie kopfschüttelnd und bemerkte im nächsten Moment, wie sie hochgehoben und durch die Luft gewirbelt wurde, sodass ihr ein spitzer Schrei entfuhr.
Sie drehte ihren Kopf so gut sie konnte, um den Übeltäter zu erkennen und es war Pi, welcher sich hierfür leise angeschlichen hatte. „Uahhh!!! Pi! Was soll das?! Lass mich runter!!!“ schrie sie und der Gitarrist lachte. „Das nennt sich „Amtshilfe“!“ gluckste er, ließ sie aber wieder herunter. „Erst schleppt ihr mich hierher und nun das! Du spinnst wohl!“ giftete sie ihn an, nur um damit zu verbergen, dass ihre Beine leicht zitterten. Sie hatte nun einmal Höhenangst und soooo klein war Pi nun auch nicht. „Entschuldige! Frieden?“ Mit fragendem Gesichtsausdruck hielt er ihr seine Hand hin. Sie legte kurz den Kopf schief schlug schließlich nickend ein.
„Ach das verschafft uns die Ehre deines Besuchs. Da müssen erst Lord of the Lost auf dem Festival einspringen, ehe du dich hier mal blicken lässt.“ sinnierte Jan und Mariko wurde rot. „Apropos! Müsst ihr nicht gleich auf die Bühne?“ fragte Frank und Chris entwich ein Fluchen, als er auf sein Smartphone sah. Sie waren spät dran und die Crew würde nicht begeistert sein, dass sie alles komplett hatten alleine aufbauen müssen. Sonst halfen sie als Band immer mit, doch jetzt mussten sie sich schnell noch einspielen und einsingen, ehe es rauf auf die Bretter der Welt ging. „Sorry Mariko! Wir müssen uns noch vorbereiten und dann auf die Bühne! Mach es dir daneben einfach bequem. Jörg wird dir zeigen, wo du dich hinsetzen kannst.“ rief er der jungen Frau zu und scheuchte seine Bandmitglieder in Richtung der Bühne, wo sie sich hinter fertig machen konnten. „Das nennt sich dann mal abgestellt.“ murrte sie und spürte im gleichen Moment einen warmen Arm auf ihrer Schulter. Das konnte sie sogar surch den ganzen Stoff spüren.
„Mach dir nichts draus. Stress im Musikerleben. Davon leben sie! Komm, ich bring dich zu einem Platz neben der Bühne.“ hörte sie Jörg sagen und er schob sie sanft in die besagte Richtung. „Das wäre kein Leben für mich! Wie haltet ihr das nur alle aus? Keine wirklich geregelten Tagesabläufe, der Biorhythmus geht bei den vielen Wechseln von Nachtarbeit und „normaler“ Arbeit auch schnell verloren und kein richtig geregeltes Einkommen. Wenn Konzerte ausfallen müssen steht ihr doch auf dem Schlauch! Vor allem, wenn Karten zurück gegeben werden. Wie kann man so leben?!“ fragte sie geradeheraus und Jörg zuckte mit den Schultern. „Wir alle leben für die Musik und wollen, wenn möglich, nichts anderes machen. Aber klar ist das eine unsichere Sache. Deswegen hat auch jeder von uns immer die Möglichkeit, einen anderen Job zu machen. Jan gibt zum Beispiel nebenher Schlagzeugunterricht, Elsi hat eine Werkstatt für Dudelsäcke und ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann.“ ging er auf ihre Frage so gut er konnte ein. „Okay, das ist eine Erklärung. Vielleicht bin ich auch einfach überkritisch. Im Rampenlicht zu stehen und die Sau raus zu lassen, ist so gar nicht meins. Ich würde immer darüber nachdenken, was die Anderen vor der Bühne über mich denken… Nee… Eine grausige Vorstellung!“ Mariko schüttelte sich bei dem Gedanken und hinter ihr ertönte ein dunkles Lachen. „Doch noch schüchtern, was?“ hörte sie Chris sagen und drehte sich so, dass sie alle sehen konnte.
Der Anblick verschlug ihr erst einmal die Sprache! Alle hatten weiß geschminkte Gesichter, auf denen mit dunkler Farbe Linien und Muster gezeichnet waren. Die Arme und Hälse waren ebenfalls dunkel geschminkt, bei Klaas sogar der gesamte Oberkörper. Absolut kein Vergleich zu vorher!
„Na ihr Clowns! Auch schon fertig?“ zog Jörg die befreundeten Musiker auf und erntete herausgestreckte Zungen als Antwort. „Mariko hat es scheinbar die Sprache verschlagen.“ meinte Pi grinsend und schob sich an ihr vorbei auf die Bühne, was bei dem Publikum Freudenschreie auslöste. Nacheinander betraten alle die Bretter die die Welt bedeuten und bevor Chris als Letzter diese enterte, drückte er kurz ihre Schulter. „Bis später!“ hörte sie ihn nur sagen und weg war er, bereit der Menge zusammen mit seinen Freunden richtig einzuheizen.
Mariko saß gespannt auf ihrem Platz und lauschte der Musik. „Die ist total anders, als das, was ich sonst höre, aber sie gefällt mir.“ dachte sie sich und als plötzlich ruhigere Töne angeschlagen wurden, lehnte sie sich an die Wand aus Stagecases hinter sich und schloss dabei ihre Augen. Bei diesem Lied kam die Stimme des Sängers noch besser zur Geltung, als ohnehin schon und sie ließ sich davon tragen. Als das Lied endete, öffnete sie wieder langsam die Augen und blickte in das grinsende Gesicht des Sängers von Saltatio Mortis. „Na? Wieder aus deiner Traumwelt zurück? Die Stimme von Chris kann einen schon einlullen.“ meinte er und fing sich eine Kopfnuss von Nasa, der Lichttechnikerin, ein.
„Hey! Was sollte das?!“ empörte er sich und die Angesprochene verdrehte nur die Augen. „Du warst etwas frech und das wird gleich bestraft!“ antwortete sie ihm und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Technik vor ihr zu. „Frech? Ist klar!“ brummte Jörg und wandte sich wieder Mariko zu, welche die Szene belustigt verfolgt hatte. „Ich muss wieder zu den Anderen, da wir bald in Richtung Heimat los wollen. Lass dich nochmal drücken!“ sagte er zu ihr und zog sie in eine feste Umarmung. Mariko erwiderte die Umarmung und wünschte ihm und den Anderen eine gute Heimreise. Der Sänger versprach, es auszurichten und verschwand winkend im Backstagebereich.
Eine Stunde später war das Konzert vorüber und nach einer artigen Verbeugung liefen die Musiker in Richtung Mariko, um sich zu erkundigen, wie es ihr gefallen hatte und gleich danach etwas frisch zu machen, ehe sie zu den Fans rausgingen. Gerrit kam als Erster zu ihr und sah sie mit strahlenden Augen an. „Und? Wie hat es dir gefallen? Waren wir gut? Sag schon,sag schon!“ forderte er mit sich leicht überschlagender Stimme und sie musste ein Lachen unterdrücken. „Es ist zwar nicht die Musik, die ich gewohnt bin, aber sie hat mir gefallen und ja, ihr wart gut.“ antwortete sie breit grinsend und dem Keyboarder entfuhr ein „Yes“. Die 4 anderen waren mittlerweile auch da und grinsten sich einen. Chris und Pi gaben sich sogar ein High Five, was Mariko leicht den Kopf schütteln ließ. Die hatten doch echt nicht mehr alle Latten am Zaun, aber nett waren sie!
„Kommst du noch zu unserem Merchstand? Wir machen uns jetzt frisch und könnten dort vielleicht noch etwas quatschen? Ich glaube nicht, dass noch sehr viele Fans da sind.“ fragte Klaas und sah sie bittend an, doch Mariko musste ihn enttäuschen. „Es tut mir leid Leute, aber ich muss jetzt los. Es ist schon spät und da ich morgen frei habe, möchte ich gern zu Hause schlafen und der Weg ist weit. Ich fahre ungefähr 3 Stunden.“ sagte sie bedauernd und rutschte von der Kiste herunter. „Schaffst du das denn noch?“ fragte Pi besorgt und sie nickte. „Ja, es ist nicht das erste Mal, dass ich so lange nach einem MPS fahre. Zwischendurch gibt’s ne Kaffeepause und dann geht das. Zuhause falle ich dann aber buchstäblich ins Bett.“ erwiderte sie lächelnd und zuckte leicht die Schultern. „Okay… Aber dann lass uns Nummern tauschen. Du bist so ein netter Mensch, da wäre es schade, wenn der Kontakt abbrechen würde!“ meinte er bestimmt und seine Freunde nickten bekräftigend. Also wurden fleißig Nummern getauscht und Mariko verabschiedete sich schließlich mit einem Winken und dem Versprechen, allen Bescheid zu geben, wenn sie Zuhause war, in Richtung des Parkplatzes, wo ihr Auto stand.
Die Heimfahrt war anstrengender als gedacht und dauerte dementsprechend länger, weil sie häufiger Kaffee- und Pinkelpausen einlegen musste. Bei der 4. Rast bekam sie eine besorgte Nachricht von Chris, ob auch alles in Ordnung sei und wann sie daheim wäre. Sie beruhigte ihn und erklärte kurz, warum sie mehr Zeit brauchte, ehe sie weiter fuhr.
Endlich Zuhause angekommen, warf sie ihre Tasche mit den Klamotten in die nächste Ecke, fischte ihr Smartphone aus der neuen Handtasche und schrieb allen, dass sie nun wohl behalten Daheim angekommen war. Anschließend ging sie ins Bad, um sich fürs Bett fertig zu machen und in der Zeit hatte ihr Chris im Namen aller Bandmitglieder eine erleichterte Nachricht geschrieben, da sie nun wohlbehalten Zuhause war, und wünschte eine gute Nacht. Schmunzelnd sah sie auf den Wecker, der 5 Uhr Morgens anzeigte, von wegen gute Nacht. Sie bedankte sich aber artig und wünschte ihnen dasselbe. Danach legte sie ihr Smartphone weg, kroch unter die Decke und ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, was man doch für nette, wenn auch chaotische Leute auf dem MPS kennenlernen konnte...
An ihrer Ecke vom Tresen standen 5 Männer in überwiegend schwarzen Klamotten. Bei näherer Betrachtung waren es Merchandise – Sachen von einer Band, die sie hier noch nie gehört hatte und sie machte diesen Job schon seit 5 Jahren. „Lord of the Lost… Wer mag das wohl sein? Muss ich später mal googlen.“ dachte sie und trat zu den Herren. „Hi! Was darf ich euch an Getränken bringen?“ fragte sie höflich und steht´s darauf bedacht, eine unzweideutige Wortwahl zu treffen. In den Jahren hier hatte sie gelernt, dass es besser war. Vor allem bei Betrunkenen, aber diese 5 sahen noch ziemlich nüchtern aus. „Hi! Was habt ihr hier denn so Gutes?“ fragte einer mit kurzen, leicht gewellten Haaren. „Zu faul die Karte hinter mir zu lesen, was?“ dachte sie angenervt, blieb aber ganz „Profi“ und zählte die verschiedenen Getränke auf. „Hm.. Dann nehme ich ein Guinnes und ihr?“ fragte er in die Runde und alle nickten, bis auf einen. „Für mich bitte ein Wasser.“ bestellte genau dieser und Mariko nickte, ehe sie die Bestellung an Markus weiter gab und selbst das Wasser holte. Der war wohl der Fahrer von diesem Haufen. „Maaaan Chris! Du bist langweilig! Die Wette mit deiner Frau hast du doch schon lange gewonnen, da kannst du mit uns auch mal wieder was trinken!“ beschwerte sich der mit den kurzen Haaren. „Vergiss es Pi! Wenn ich in dem Jahr Abstinenz etwas gelernt habe, dann das ihr alle im besoffenen Zustand anstrengend seid und ich nicht dazu gehören will! Außerdem muss doch einer auf euch aufpassen!“ erwiderte dieser Chris und zwinkerte seinem Gesprächspartner namens Pi belustigt zu. „Na ganz toll! Der Aufpasser vom Dienst oder was?“ grummelte der Angesprochene und nahm eins der Gläser mit Guinnes in die Hand, welche Mariko eben vor ihm und den Anderen hingestellt hatte. Das Wasser hatte sie schon vorher an seinen neuen „Besitzer“ übergeben.
Sie hätte gerne noch weiter zugehört, aber Markus warf ihr warnende Blicke zu und sie wandte sich schnell anderen Kunden zu.
Ein paar Stunden später, es dämmerte langsam, hatte sie endlich Feierabend und konnte nun selbst über das Gelände laufen.Summend schlenderte sie an den verschiedenen Ständen vorbei, grüßte die Standbetreiber und schaute hier und da, ob sie etwas Neues für ihre Sammlung an MPS – Sachen fand. An einem Stand mit Kleidung und auch Taschen blieb sie länger stehen und schaute sich diese eingehend an. Sie brauchte mal wieder eine Neue und hier gab es wirklich Schöne. „Kann ich Euch helfen, schöne Maid?“ wurde sie von der Marktfrau angesprochen und zuckte leicht zusammen. Sie hatte sie gar nicht kommen hören.
„Ja, ich suche eine neue Umhängetasche, da meine Alte bald nicht mehr zu flicken ist.“ antwortete sie und sah sich die Frau genauer an. Eigentlich kannte sie alle Standbetreiber und –betreiberinnen, doch diese Dame war ihr absolut unbekannt. Sie musste neu dabei sein. „Ich würde Euch diese Tasche aus schwarzem Leder empfehlen. Sie ist sehr robust und passt vorzüglich zu Eurem ebenholzfarbenem Haar.“ meinte die Marktfrau nach kurzem Überlegen und zog mit sicherem Griff eine wunderschöne schwarze Ledertasche mit aufwendigem Blumenmuster aus dem Gewirr an Handtaschen.
Sie sah sehr teuer aus und lag garantiert außerhalb von ihrem Budget. „Ich möchte nicht unhöflich sein, die Tasche ist wunderschön, aber habt ihr nicht etwas anderes? Wenn ich mir die Verarbeitung und das aufwendige Muster anschaue, dann ist diese Tasche leider außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten.“ sagte Mariko und etwas Wehmut schwang in ihrer Stimme mit.
Für den Kauf einer neuen Tasche hatte sie maximal 35 Euro eingeplant, mehr konnte sie sich nicht leisten. Eine Tasche wie diese kostete locker das Doppelte oder sogar das Dreifache ihres Budgets. Das konnte sie in etwa abschätzen, da ihr über die Jahre, die sie nun hier war, einige Händler die wichtigsten Sachen über so etwas beigebracht hatten. „Oh seid ihr Euch da sicher? Diese Tasche ist ein Sonderangebot zu meinem Einstand hier auf dem Markt und kostet nur 35 Euro.“ antwortete die Frau und Mariko horchte auf. Wie bitte? Eine Tasche von dieser Qualität sollte nur 35 Euro kosten? Ihr Gesicht musste wohl ein einziges Fragezeichen sein, denn die Dame lachte kurz auf und nickte dann. „Es ist wahr.“ sagte sie nun mit einem Lächeln und drückte der völlig überrumpelten Mariko die Tasche in die Hand.
Nach dem diese bezahlt hatte, schlenderte sie weiter über den Markt, lauschte den fernen Klängen von Versengold, die gerade einen Auftritt hatten und konnte ihr Glück bezüglich der schönen Tasche immer noch nicht fassen. Sanft lächelnd strich sie über ihre neue Errungenschaft und wie von selbst wanderte ihre Hand zu dem Anhänger an ihrem Hals, den ihr die Marktfrau mitgegeben hatte. Es wäre ein Geschenk zu den Taschen und würde dieses Wochenende jeder bekommen, der eine dort kaufte hatte sie gesagt, als Mariko zum Protest ansetzen wollte, da ihr der Anhänger an dem Lederband zu wertvoll als Geschenk erschien. Zumal sie ja schon ein richtiges Schnäppchen mit der Tasche geschossen hatte. Doch die Frau hatte nur den Kopf geschüttelt, ihr den Anhänger in die Tasche gelegt, das Geld in die Kasse getan und sich dem nächsten Kunden zugewandt, der eine Geldbörse kaufen wollte.
Mariko hatte sich dann verabschiedet und war weitergegangen. Dabei hatte sie den Anhänger, ein Amulett aus vielen verschnörkelten Linie mit einem tiefroten Stein in der Mitte, aus der Tasche gezogen und sich um den Hals gehängt. Es gefiel ihr sehr und rief ein Gefühl der Ruhe in ihr hervor.
„Wenn das nicht die hübsche Schankmaid von vor ein paar Stunden ist.“ hörte sie plötzlich hinter ihr eine Stimme und erschrak. Doch als sie sich umdrehte, waren da nur die 5 Männer von der Theke und sie lächelte schüchtern. „Hi!“ piepste sie und schaute unsicher umher. „Nanu? Plötzlich schüchtern geworden oder wie? Keine Sorge, wir beißen nicht!“ sagte Jener, den sie Chris genannt hatten. Zumindest, wenn sie sich richtig erinnerte. „Ach… Ich…“ fing sie an und verstummte gleich wieder. Wenn sie hinter dem Tresen stand, dann konnte sie locker mit den Leuten reden. Die wollten ja eh nur saufen und da musste man keinen besonders intelligenten Eindruck machen. War denen eh egal. Aber wenn sie nach Feierabend unterwegs war und von Leuten angesprochen wurde, die sie nicht kannte, dann war ihr Gehirn wie leergefegt und sie wusste nie, was sie sagen sollte aus Angst, sich lächerlich zu machen. „Vielleicht hat sie uns jetzt doch erkannt und einen Fankomplex oder so etwas.“ meinte ein anderer mit Zopf leicht herablassend, was in ihr für Empörung sorgte! „Nein, ich weiß nicht wer Ihr seid, tut mir leid! Oder seid Ihr der neue Papst? Dann verzeiht bitte meine Unwissenheit, eure Heiligkeit!“ sagte sie ironisch und verbeugte sich tief vor Klaas, wie sie später feststellen sollte. Im Moment war dieser so perplex über ihre Reaktion, dass er wohl sehr komisch aussehen musste, denn seine Freunde fingen herzhaft an zu lachen, während Mariko ihre Verbeugung beendete. „Schlagfertig junge Dame!“ sagte dieser Chris und stellte anschließend seine Freunde vor. „Unser Papst hier heißt Klaas, der mit den kurzen Haaren ist Pi, der rechts neben mir mit den langen Haaren ist Nik und links neben Pi steht Gerrit. Und mit wem haben wir das Vergnügen?“ Fragend sah er sie an. „Ich heiße Mariko Sternmaurer.“ erwiderte sie. „Schön dich kennenzulernen Mariko Sternmaurer. Wie lange arbeitest du schon auf dem MPS?“ fragte nun Pi. „Seit 5 Jahren. Ich bin damals durch eine Freundin dazu gekommen und geblieben.“ erzählte sie und dabei setzten sich alle wie auf ein lautloses Stichwort in Bewegung. „Und was bringt euch hierher? In den letzten 5 Jahren habe ich euch hier noch nie gesehen und am Getränkestand bekomme ich Einiges mit.“ Mittlerweile kamen sie in die Nähe eines der Feuer und Mariko merkte erst jetzt, dass ihr langsam kalt wurde. Sie zog den Umhang dichter um sich und steuerte die Feuerstelle an. „Ist dir kalt?“ fragte Nik und sie nickte leicht. „Geht gleich wieder. Ich muss mich nur kurz am Feuer etwas aufwärmen.“ erwiderte sie und hielt die Hände in Richtung der Flammen. „Es ist schon ziemlich abgekühlt. Gut, dass wir auf der Bühne in Bewegung sind.“ überlegte Klaas und Mariko horchte auf. Bühne? Waren das Crewmitglieder? Aber warum hatte sie noch nie was von Lord of the Lost auf einem MPS gehört? Komische Sache das Ganze!
„Ach man Klaas! Jetzt hast du uns verraten! Bis gerade hatte Mariko keine Ahnung, wer wir sind!“ stöhnte Chris auf und verdrehte die Augen. „Sorry! Hab nach dem Fanansturm heute Nachmittag ganz vergessen, dass es hier auch Menschen gibt, die uns nicht kennen.“ meinte der Bassist und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Fanansturm? Was zum Henker… Wollt ihr mich verarschen! Wer seid ihr wirklich?!“ fragte sie mit in die Hüften gestemmten Händen und funkelte jeden von ihnen böse an. „Nein, wollen wir nicht! Wir alle sind zusammen mit unserer Crew die Band Lord of the Lost. Eigentlich spielen wir nicht auf diesen Märkten, aber eine befreundete Band hat bei uns angefragt, ob wir nicht einspringen könnten, da dem Veranstalter eine andere Band kurzfristig ausgefallen ist. Der Sänger hat sich das eine Bein und mehrere Rippen gebrochen, da kann er natürlich nicht auftreten.“ erklärte ihr Chris und Mariko nickte. Sie hatte selber mal eine angeknackste Rippe und da tat schon normales Atmen weh. Damit zu singen wäre unmöglich!
„Kannst du uns unser kleines Versteckspiel verzeihen? Es war für uns so angenehm, mal mit jemandem zu reden, der uns nicht kennt und keine festen Erwartungen an uns hat.“ meldete sich nun Pi zu Wort und setzte seinen besten Bettelblick auf. Mariko tat nun, als müsse sie angestrengt nachdenken und schwieg eine Weile, was die anwesenden Herren nun langsam etwas nervös werden ließ. Waren sie mit der Nummer etwa zu weit gegangen? Doch dann erlöste ihr Lachen sie alle von ihrer Besorgnis. „Du hast uns absichtlich hingehalten…“ schlussfolgerte der Sänger und Mariko nickte breit grinsend. „Ja, das hattet ihr euch verdient, auch wenn ich eure Beweggründe ein bisschen verstehen kann, mag ich es einfach nicht, wenn ich in irgendeiner Form angeschwindelt werde. Und das habt ihr mit dem Verschweigen getan. Nun aber Schwamm drüber.“ meinte sie und wandte sich wieder mehr dem Feuer zu. Es war doch empfindlich kühl geworden!
„Du hast Recht. Es tut uns leid!“ meldete sich Gerrit nach kurzem Schweigen zu Wort und seine Freunde nickten zustimmend. „Wie schon gesagt, es ist damit abgehakt.“ wiegelte sie ab und rieb ihre Hände aneinander. Irgendwie wollten die nicht richtig warm werden… Plötzlich spürte sie weichen Fleecestoff auf ihrer Haut und sah irritiert auf, genau in Pi´s Augen, welche sie mitfühlend musterten. „Damit die Kälte etwas vergeht.“ meinte er nur und lächelte leicht. „Danke! Aber jetzt wird dir doch kalt.“ antwortete sie und wollte ihm die Bandjacke zurückgeben, doch er hielt sie an Ort und Stelle auf ihren Schultern und den Umhang liegend fest. „Schon gut! Wir müssen jetzt eh los und uns Aufwärmen. In 60 Minuten steigt unser Konzert. Da wird uns wieder sehr warm werden.“ sagte er lächelnd und ließ ihre Schultern los. „Wie du meinst. Danke nochmal und viel Spaß bei eurem Konzert!“ gab sie nach und lächelte ebenfalls. „Kommst du nicht dorthin?“ fragte Chris schon fast empört und zog eine Augenbraue hoch. „Ich… Ich weiß nicht… Ich kenne eure Musik nicht…“ stotterte sie hilflos. „Dann wird es Zeit, dass du sie kennenlernst!“ meinte Gerrit enthusiastisch, schnappte sich die Hand der völlig überrumpelten Frau und zog sie mit in Richtung der Festivalbühne. Die 4 Anderen verkniffen sich mühsam ein Lachen. Wenn der Allrounder einmal „Blut geleckt hatte“, dann war keiner mehr vor ihm sicher. Das würde Mariko nun auch lernen müssen…
Kurz vor der Festivalbühne schlüpften alle durch einen Bauzaun, der neben der besagten Bühne ein abgegrenztes Areal umschloss und erst dort ließ Gerrit die mittlerweile hilflos um sich blickende Frau los. „Wie zur Hölle bin ich da nun wieder rein geraten?!“ dachte sie sich und suchte verzweifelt nach einem Ausgang. Doch überall da, wo man raus konnte, stand einer von der Sicherheitsfirma und sie wusste nicht, ob sie sich mit ihrem Mitarbeiterausweis hier aufhalten durfte. Das hatte sie die ganzen Jahre über noch nie ausprobiert. Warum auch? Sie sah die Musiker oft genug, wenn sie an der Schenke vorbei kamen, an der sie arbeitete und danach war sie meist zu kaputt, um noch großartig etwas zu machen. Ihre Feierabende sahen meist so aus, dass sie an einem der großen Feuer saß, den letzten Klängen mancher Konzerte lauschte und sich irgendwann auf den Heimweg machte. Manchmal schaute sie noch am Beerenweinstand vorbei und guckte nach neuen Sorten, doch meist blieb sie bei ihrer gewohnten. Sich jetzt hier im Künstlerbereich zu befinden, war doch mehr als befremdlich für sie!
„Mariko! Verschlägt es dich nach all den Jahren auch endlich mal her zu uns?“ erklang plötzlich die Stimme von Timo und sie drehte sich ertappt in seine Richtung. „Hi Timo! Was machst du denn hier? Ich denke, du trittst nicht mehr auf?“ fragte sie leicht irritiert und erwiderte die Umarmung des wesentlich größeren Mannes vor ihr. „Das tue ich auch nicht mehr, aber hin und wieder gucke ich mal nach, dass der verrückte Haufen dort auch ordentlich arbeitet.“ sagte der Hüne nun mit einem schelmischen Grinsen und entließ sie aus der Umarmung. „Na, das kann ja was werden…“ meinte Mariko trocken und hörte ein empörtes „Ey!“ hinter sich. Als sie sich umdrehte, stand dort Alea alies Jörg und sah sie vorwurfsvoll an. „Wir haben bis jetzt immer gute Konzerte abgeliefert! Also bitte!“ echauffierte er sich und sie verdrehte nur die Augen. „Wenn ich daran denke, was mir Lara erzählt hat, wie viel Alkohol sie zu euch gebracht hat, kann ich mir das heute nicht mehr vorstellen!“ sagte sie kopfschüttelnd und bemerkte im nächsten Moment, wie sie hochgehoben und durch die Luft gewirbelt wurde, sodass ihr ein spitzer Schrei entfuhr.
Sie drehte ihren Kopf so gut sie konnte, um den Übeltäter zu erkennen und es war Pi, welcher sich hierfür leise angeschlichen hatte. „Uahhh!!! Pi! Was soll das?! Lass mich runter!!!“ schrie sie und der Gitarrist lachte. „Das nennt sich „Amtshilfe“!“ gluckste er, ließ sie aber wieder herunter. „Erst schleppt ihr mich hierher und nun das! Du spinnst wohl!“ giftete sie ihn an, nur um damit zu verbergen, dass ihre Beine leicht zitterten. Sie hatte nun einmal Höhenangst und soooo klein war Pi nun auch nicht. „Entschuldige! Frieden?“ Mit fragendem Gesichtsausdruck hielt er ihr seine Hand hin. Sie legte kurz den Kopf schief schlug schließlich nickend ein.
„Ach das verschafft uns die Ehre deines Besuchs. Da müssen erst Lord of the Lost auf dem Festival einspringen, ehe du dich hier mal blicken lässt.“ sinnierte Jan und Mariko wurde rot. „Apropos! Müsst ihr nicht gleich auf die Bühne?“ fragte Frank und Chris entwich ein Fluchen, als er auf sein Smartphone sah. Sie waren spät dran und die Crew würde nicht begeistert sein, dass sie alles komplett hatten alleine aufbauen müssen. Sonst halfen sie als Band immer mit, doch jetzt mussten sie sich schnell noch einspielen und einsingen, ehe es rauf auf die Bretter der Welt ging. „Sorry Mariko! Wir müssen uns noch vorbereiten und dann auf die Bühne! Mach es dir daneben einfach bequem. Jörg wird dir zeigen, wo du dich hinsetzen kannst.“ rief er der jungen Frau zu und scheuchte seine Bandmitglieder in Richtung der Bühne, wo sie sich hinter fertig machen konnten. „Das nennt sich dann mal abgestellt.“ murrte sie und spürte im gleichen Moment einen warmen Arm auf ihrer Schulter. Das konnte sie sogar surch den ganzen Stoff spüren.
„Mach dir nichts draus. Stress im Musikerleben. Davon leben sie! Komm, ich bring dich zu einem Platz neben der Bühne.“ hörte sie Jörg sagen und er schob sie sanft in die besagte Richtung. „Das wäre kein Leben für mich! Wie haltet ihr das nur alle aus? Keine wirklich geregelten Tagesabläufe, der Biorhythmus geht bei den vielen Wechseln von Nachtarbeit und „normaler“ Arbeit auch schnell verloren und kein richtig geregeltes Einkommen. Wenn Konzerte ausfallen müssen steht ihr doch auf dem Schlauch! Vor allem, wenn Karten zurück gegeben werden. Wie kann man so leben?!“ fragte sie geradeheraus und Jörg zuckte mit den Schultern. „Wir alle leben für die Musik und wollen, wenn möglich, nichts anderes machen. Aber klar ist das eine unsichere Sache. Deswegen hat auch jeder von uns immer die Möglichkeit, einen anderen Job zu machen. Jan gibt zum Beispiel nebenher Schlagzeugunterricht, Elsi hat eine Werkstatt für Dudelsäcke und ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann.“ ging er auf ihre Frage so gut er konnte ein. „Okay, das ist eine Erklärung. Vielleicht bin ich auch einfach überkritisch. Im Rampenlicht zu stehen und die Sau raus zu lassen, ist so gar nicht meins. Ich würde immer darüber nachdenken, was die Anderen vor der Bühne über mich denken… Nee… Eine grausige Vorstellung!“ Mariko schüttelte sich bei dem Gedanken und hinter ihr ertönte ein dunkles Lachen. „Doch noch schüchtern, was?“ hörte sie Chris sagen und drehte sich so, dass sie alle sehen konnte.
Der Anblick verschlug ihr erst einmal die Sprache! Alle hatten weiß geschminkte Gesichter, auf denen mit dunkler Farbe Linien und Muster gezeichnet waren. Die Arme und Hälse waren ebenfalls dunkel geschminkt, bei Klaas sogar der gesamte Oberkörper. Absolut kein Vergleich zu vorher!
„Na ihr Clowns! Auch schon fertig?“ zog Jörg die befreundeten Musiker auf und erntete herausgestreckte Zungen als Antwort. „Mariko hat es scheinbar die Sprache verschlagen.“ meinte Pi grinsend und schob sich an ihr vorbei auf die Bühne, was bei dem Publikum Freudenschreie auslöste. Nacheinander betraten alle die Bretter die die Welt bedeuten und bevor Chris als Letzter diese enterte, drückte er kurz ihre Schulter. „Bis später!“ hörte sie ihn nur sagen und weg war er, bereit der Menge zusammen mit seinen Freunden richtig einzuheizen.
Mariko saß gespannt auf ihrem Platz und lauschte der Musik. „Die ist total anders, als das, was ich sonst höre, aber sie gefällt mir.“ dachte sie sich und als plötzlich ruhigere Töne angeschlagen wurden, lehnte sie sich an die Wand aus Stagecases hinter sich und schloss dabei ihre Augen. Bei diesem Lied kam die Stimme des Sängers noch besser zur Geltung, als ohnehin schon und sie ließ sich davon tragen. Als das Lied endete, öffnete sie wieder langsam die Augen und blickte in das grinsende Gesicht des Sängers von Saltatio Mortis. „Na? Wieder aus deiner Traumwelt zurück? Die Stimme von Chris kann einen schon einlullen.“ meinte er und fing sich eine Kopfnuss von Nasa, der Lichttechnikerin, ein.
„Hey! Was sollte das?!“ empörte er sich und die Angesprochene verdrehte nur die Augen. „Du warst etwas frech und das wird gleich bestraft!“ antwortete sie ihm und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Technik vor ihr zu. „Frech? Ist klar!“ brummte Jörg und wandte sich wieder Mariko zu, welche die Szene belustigt verfolgt hatte. „Ich muss wieder zu den Anderen, da wir bald in Richtung Heimat los wollen. Lass dich nochmal drücken!“ sagte er zu ihr und zog sie in eine feste Umarmung. Mariko erwiderte die Umarmung und wünschte ihm und den Anderen eine gute Heimreise. Der Sänger versprach, es auszurichten und verschwand winkend im Backstagebereich.
Eine Stunde später war das Konzert vorüber und nach einer artigen Verbeugung liefen die Musiker in Richtung Mariko, um sich zu erkundigen, wie es ihr gefallen hatte und gleich danach etwas frisch zu machen, ehe sie zu den Fans rausgingen. Gerrit kam als Erster zu ihr und sah sie mit strahlenden Augen an. „Und? Wie hat es dir gefallen? Waren wir gut? Sag schon,sag schon!“ forderte er mit sich leicht überschlagender Stimme und sie musste ein Lachen unterdrücken. „Es ist zwar nicht die Musik, die ich gewohnt bin, aber sie hat mir gefallen und ja, ihr wart gut.“ antwortete sie breit grinsend und dem Keyboarder entfuhr ein „Yes“. Die 4 anderen waren mittlerweile auch da und grinsten sich einen. Chris und Pi gaben sich sogar ein High Five, was Mariko leicht den Kopf schütteln ließ. Die hatten doch echt nicht mehr alle Latten am Zaun, aber nett waren sie!
„Kommst du noch zu unserem Merchstand? Wir machen uns jetzt frisch und könnten dort vielleicht noch etwas quatschen? Ich glaube nicht, dass noch sehr viele Fans da sind.“ fragte Klaas und sah sie bittend an, doch Mariko musste ihn enttäuschen. „Es tut mir leid Leute, aber ich muss jetzt los. Es ist schon spät und da ich morgen frei habe, möchte ich gern zu Hause schlafen und der Weg ist weit. Ich fahre ungefähr 3 Stunden.“ sagte sie bedauernd und rutschte von der Kiste herunter. „Schaffst du das denn noch?“ fragte Pi besorgt und sie nickte. „Ja, es ist nicht das erste Mal, dass ich so lange nach einem MPS fahre. Zwischendurch gibt’s ne Kaffeepause und dann geht das. Zuhause falle ich dann aber buchstäblich ins Bett.“ erwiderte sie lächelnd und zuckte leicht die Schultern. „Okay… Aber dann lass uns Nummern tauschen. Du bist so ein netter Mensch, da wäre es schade, wenn der Kontakt abbrechen würde!“ meinte er bestimmt und seine Freunde nickten bekräftigend. Also wurden fleißig Nummern getauscht und Mariko verabschiedete sich schließlich mit einem Winken und dem Versprechen, allen Bescheid zu geben, wenn sie Zuhause war, in Richtung des Parkplatzes, wo ihr Auto stand.
Die Heimfahrt war anstrengender als gedacht und dauerte dementsprechend länger, weil sie häufiger Kaffee- und Pinkelpausen einlegen musste. Bei der 4. Rast bekam sie eine besorgte Nachricht von Chris, ob auch alles in Ordnung sei und wann sie daheim wäre. Sie beruhigte ihn und erklärte kurz, warum sie mehr Zeit brauchte, ehe sie weiter fuhr.
Endlich Zuhause angekommen, warf sie ihre Tasche mit den Klamotten in die nächste Ecke, fischte ihr Smartphone aus der neuen Handtasche und schrieb allen, dass sie nun wohl behalten Daheim angekommen war. Anschließend ging sie ins Bad, um sich fürs Bett fertig zu machen und in der Zeit hatte ihr Chris im Namen aller Bandmitglieder eine erleichterte Nachricht geschrieben, da sie nun wohlbehalten Zuhause war, und wünschte eine gute Nacht. Schmunzelnd sah sie auf den Wecker, der 5 Uhr Morgens anzeigte, von wegen gute Nacht. Sie bedankte sich aber artig und wünschte ihnen dasselbe. Danach legte sie ihr Smartphone weg, kroch unter die Decke und ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, was man doch für nette, wenn auch chaotische Leute auf dem MPS kennenlernen konnte...