Autumn Sky
von Ascendancy
Kurzbeschreibung
BRIDGERTON NACH STAFFEL 2 "Drei Sätze. Nur drei Sätze und doch hatten sie die Kraft gehabt ihr Herz in Stücke zu reißen. Es wäre einfacher gewesen, wenn sie Colin ob seiner furchtbar grausamen Worte zu hassen gelernt hätte." Während Penelope noch versucht, Colins Worte zu vergessen, begegnet sie Jemandem, der ihr dabei helfen könnte. Doch Colin ist immer noch in der Nähe und das verkompliziert die Angelegenheit. PenxOc/ PenXColin.
GeschichteDrama, Romance / P18 / Het
15.04.2022
04.06.2022
18
49.097
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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21.04.2022
2.746
Liebe Leser, ich danke für über 300 Aufrufe und hoffe, dass ihr weiterhin Spaß an der Geschichte habt. Lasst mich wissen, wenn euch etwas nicht gefällt.
Ich wünsche viel Spaß mit Kapitel 8.
Am Abend war ein heftiges Gewitter aufgezogen. Blitze ließen die bereits in Dunkelheit getauchte Landschaft sekundenlang taghell erscheinen, gefolgt von krachenden Donnerschlägen, die manch Mensch oder Tier in Angst und Schrecken versetzten.
Für Colin hingegen hätte das Unwetter vor seinem Fenster bedeutungsloser nicht sein können. Der Sturm, der in seinem Inneren tobte, war nichts im Vergleich zu der Naturgewalt, die sich vor dem Haus ausließ.
Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
Noch immer hallten Eloises Worte in seinem Verstand nach und noch immer weigerte sich ein Teil davon, sie als die Wahrheit zu akzeptieren. Doch jener Teil schwand, baute immer mehr seiner Existenzberechtigung ab, je mehr er über diese furchtbare Offenbarung nachdachte.
Penelope war Lady Whistledown.
Wut, Verzweiflung und Enttäuschung vermischten sich mit dem niederschmetternden Gefühl, verraten worden zu sein.
Er hatte ihr vertraut. Hatte sie für eine der wenigen Personen gehalten, die ihm immer loyal geblieben waren, ihm immer das Gefühl gegeben hatten, dass er irgendwann seine Bestimmung im Leben finden würde. Und sie? Sie hatte sein Vertrauen missbraucht, hatte einen Skandal nach dem anderen über seine Familie hereinbrechen lassen und so viele andere Menschen bloßgestellt. Sie zum Gespött des ton gemacht. Einschließlich ihrer eigenen Familie. Nicht mal vor ihrer Mutter oder ihren Schwestern hatte sie Halt gemacht. Wie viel Zerstörungswut, wie viel Missgunst musste in dieser Person leben, dass sie glaubte, eine Rechtfertigung zu haben, ihre Mitmenschen derart zu degradieren?
Verachtung wallte in ihm auf. Eben noch hatte er sie schützen wollen, jetzt konnte sie seiner Meinung nach direkt in ihr Elend laufen. Ja, er wünschte es ihr sogar. Damit sie zumindest einmal erfuhr, wie schrecklich es war, wenn die erhoffte Zukunft sich in Luft auflöste.
Er würde einen Teufel tun und sie aufhalten. Penelope hatte seine Hilfe nicht verdient, hatte seine Freundschaft nicht verdient. Wie konnte er einer Frau wohlgesonnen sein, die anderen ihr Glück so sehr neidete, dass sie Wege suchte es unwiderruflich zu zerstören?
Sprichst du von Marinas und deinem Glück? Denkst du nicht, dass du Penelope dankbar sein solltest, dass sie offenbart hat, dass Miss Thompson dich bloß als Notlösung für ihre prekäre Lage gewählt hat? Glaubst du allen Ernstes, du wärest glücklich geworden an der Seite einer Frau, die einen anderen liebt und dir ein Kind unterschiebt, das nicht dein eigen Fleisch und Blut ist? Mach dich doch nicht lächerlich.
Er hob die Hände an die Ohren und presste sie fest an. Er wollte diese Gedanken nicht haben. Er wollte nicht nach Argumenten suchen, die Penelopes Taten rechtfertigten. Er war zu wütend dafür und nicht bereit, diesen Zorn fahren zu lassen. Er war unglaublich verletzt.
Eloise… Penelope hatte ihre beste Freundin zum Gespött der Leute gemacht. Seine Schwester, die niemandem mehr vertraut hatte als ihr.
Sie hat sie geschützt. Eloise hat dir gegenüber eben noch erwähnt, dass die Königin ihr gedroht habe, sie würde dafür sorgen, dass die Bridgertons ihr blaues Wunder erlebten, wenn sie sich nicht endlich als Lady Whistledown zu erkennen gäbe. Indem Penelope Eloise Beziehung zu dem Verlagsarbeiter enthüllte, sorgte sie dafür, dass die Königin Eloise als Täterin ausschloss. Und seither ist keine weitere Kolumne entschieden. Warum wohl? Weil Eloise zu diffamieren ihr so weh getan hat, dass sie nicht länger weitermachen konnte.
„Nein. Ich will davon nichts hören.“
Er wusste, er sprach mit einem Teil seines Gewissens. Einem deutlich fehlgeleiteten Teil. Colin nahm an, dass es an seiner Beziehung zu Penelope legen musste, dass sein Unterbewusstsein immer noch Wege suchte, sie zu verteidigen. Sie war jahrelang seine Freundin gewesen. Ein Band, das nicht einfach so schnell zerbrach. Aber dafür würde er schon noch sorgen. Er würde sein Unterbewusstsein dazu zwingen, Vernunft walten zu lassen.
„Ich werde mich nicht darauf einlassen, diese Perspektive einzunehmen.“, rief er laut aus, darauf bedacht sogleich mit seiner Agenda zu beginnen. Es war ihm egal ob ihn jemand hörte oder nicht. Er hatte das Gefühl nur zu sich selbst durchdringen zu können, wenn er aussprach was ihm als richtig erschien.
Du vergisst, dass sie sich selbst ebenso oft herabgewürdigt hat. Du sprichst davon, wie sie das Leben anderer zerstört hat, ohne Mitleid zu empfinden. Doch sie machte vor sich selbst nicht Halt. Und du weißt ganz genau, dass das nicht bloß passierte, weil sie keine Spur legen wollte, die den ton dazu veranlasst hätte sie ins Visier zu nehmen. Die Art und Weise, wie sie über sich sprach ist die Art und Weise wie der ton sich den Mund jahrelang über sie zerriss. Jede einzelne Saison. Einschließlich dir. Oder hast du vergessen, wie du gelacht und vor anderen Gentlemen bezeugt hast, dass du sie für so unattraktiv hältst, dass du nicht im Traum um sie werben würdest?
„Das rechtfertigt nichts von dem, was sie getan hat!“
Was hat sie denn getan? Einer unmoralischen Gesellschaft, inklusive dir, den Spiegel vorgehalten? Etwas erschaffen, dass du nicht mal ansatzweise erreicht hast: Eine Kolumne mit einer immens treuen Leserschaft, die das Verschwinden derselbigen zutiefst bedauert hat, wohlgemerkt. Ist da neben all der Wut etwa auch Neid im Spiel? Neid, auf das dicke, unscheinbare Mädchen, das mehr aus ihrem Leben mit weitaus weniger Mitteln gemacht hat, als sie dir zur Verfügung stünden? Sieh dich an. Du gehst reisen. Mehr hast du nicht vorzuweisen.
Er schüttelte den Kopf. Es reichte ihm. Es reichte ihm voll und ganz. Er würde hinausgehen und seinen Zorn in Alkohol ertränken. Und dann würde er darauf warten, dass Penelope zurückkehrte, um ihr endgültig die Freundschaft zu kündigen. Verräter, für die nur ihr eigenes sadistisches Vergnügen im Vordergrund stand, hatten in seinem Umfeld nichts zu suchen.
*
„Jedenfalls war er der Meinung, dass Papas Tintenfass ausgekippt auf dessen Schreibtisch eine viel hübschere Ansicht war, als in seinem zugeschraubten Zustand.“
Richard vergrub das Gesicht in den Händen, linste jedoch zwischen den Fingerspalten zu seiner Schwester herüber, die mit geradezu diebischer Freude einige Kindheitsverfehlungen ihres Bruders zum Besten gab.
„Du lässt mich wirken wie ein sprichwörtliches Balg, Mary.“, stöhnte er.
„Nun, ich kann nicht behaupten, dass ich mit dir nicht die größten Schwierigkeiten hatte, mein Lieber!“
„Mutter! Was soll unser Gast denken?“
Besagter Gast konnte schon seit einiger Zeit nicht mehr aufhören zu lachen. Penelope hatte in ihrem Leben schon das ein oder andere Dinner bei Mitgliedern des Londoner ton über sich ergehen lassen müssen. Immer war es eine steife, langweilige Angelegenheit gewesen, bei der ihr Hauptaugenmerk darauf gelegen hatte, ja nichts zu tun oder zu sagen, das ihr in irgendeiner Form zum Nachteil gereicht hätte.
Es war fast schon unwirklich an einem Tisch zu sitzen, bei dem unterhaltsame Anekdoten ausgetauscht wurden, anstelle von Belanglosigkeiten, die mit der Etikette konform waren. Ähnliches kannte sie eigentlich nur von den Bridgertons.
Vor ihrem inneren Auge tauchte schlagartig ein Bild von Eloise auf, wie sie spitze Bemerkungen zwischen zwei Bissen eines Kekses fallen ließ. Penelope ließ den Stich in ihrem Herzen über sich ergehen, versuchte jedoch Eloises Antlitz schnell wieder zu verdrängen.
Sie war nicht hier, um alten Zeiten hinterher zu trauern.
Penelope ließ den Blick über die fröhlichen Gesichter wandern, sah die Heiterkeit in den Augen der Anwesenden. Bis auf Lady Elizabeths Gatten und den ältesten Sohn nebst dessen Familie, waren alle Cavendishs anwesend. Der Herr des Hauses war schon am Morgen zu einem Familienfreund aufgebrochen, der Hilfe bei der Verbesserung des Verwaltungsplanes seines Landbesitzes brauchte. Alfred Cavendish hatte sich entschuldigen lassen, da Sohn und Gemahlin mit Fieber im Bett lagen und er auf beide ein Auge haben wollte.
„Also wirklich! Miss Featherington muss glauben, mir säße der Schalk im Nacken.“, echauffierte Richard sich gespielt, nahm die Hände vom Gesicht und zwinkerte Penelope verstohlen zu.
„Nicht doch, Richard. Du hast dich zu einem wohlerzogenen, jungen Gentleman gemausert. Findest du nicht auch, Mary?“
„Sehr wohlerzogen.“, pflichtete Mary ihrer Mutter bei.
Lady Elizabeth wandte sich an Penelope.
„Sie können ruhig offen sprechen, Miss Featherington. Wir sind unter uns und an einem Abend wie diesem sind wir nicht an die Anforderungen gebunden, die der ton einem auferlegen würde.“
Penelope nickte und dankte für das Angebot. Mehr hatte sie nicht darauf zu erwidern, denn noch war sie zu befangen. Es war ihr erster Tag hier und sie konnte die Worte ihrer Mutter immer noch deutlich hören. Sie wollte sich nicht blamieren. Nicht vor einer Dame, die sie, eine ihr gänzlich Fremde, so freundlich aufgenommen hatte.
„Lassen Sie sich Zeit, wenn Sie sich noch nicht trauen. Wir zwingen Sie zu nichts. Nur sollen Sie sich auch nicht ausgeschlossen fühlen.“
Lady Cavendish hatte ihre Beklommenheit also bemerkt und prompt richtig interpretiert. Penelope schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
„Apropos ton!“, meldete sich Richard zu Wort.
„Du hast mir doch von Rose Grey erzählt, Mutter. Die Dame, die dir das Leben auf deinem Debüt so schwer gemacht hat.“
Lady Cavendish rümpfte die Nase.
„Fürchterliche Frau. Wieso erwähnst du gerade sie?“, fragte sie enerviert.
Penelope horchte auf, gespannt, wer sich hinter Rose Grey heute verbarg.
„Ich hatte das Unglück ihre Tochter kennenzulernen. Cressida Cowper. Der Apfel scheint nicht weit vom Stamm gefallen zu sein.“, antwortete Richard und nahm einen Schluck Wein.
Penelope verzog das Gesicht. Ja, wer Cressida Cowper kennenlernte, der konnte wirklich von Unglück reden. Vor allem wenn man 25 Pfund über dem Idealgewicht einer jungen Dame lag, welches Cressida immer dann lauthals zu zitieren pflegte, wenn sie in der Nähe war.
„Das wundert mich nicht und wie mir scheint, sieht Miss Featherington das ähnlich.“
Wieder einmal war Penelope von Lady Cavendishs scharfer Beobachtungsgabe überrascht.
„Ich möchte nicht lügen...“, begann sie vorsichtig, „aber wenn ich es höflich ausdrücke, muss ich sagen, dass Cressida und ich keine freundschaftlichen Gefühle füreinander hegen.“
Lady Cavendish gluckste.
„In anderen Worten: Sie finden sie genauso unerträglich wie ich ihre Mutter einst fand.“, stellte sie fest.
„Lady Whistledown hatte eine passende Bemerkung für sie.“, schaltete Mary sich aufgeregt ein.
„Lady Whistledown hatte stets für alles und jeden eine passende Bemerkung.“, erweiterte Lady Cavendish die Aussage amüsiert, während Lady Whistledown sich urplötzlich wünschte, in ihrem Stuhl versinken zu können, bis niemand sie mehr wahrnahm. Wie konnte es sein, dass ihr Alter Ego selbst hier, weit weg von London, ein Thema war? Sie hatte die Vergangenheit hinter sich lassen wollen, nachdem was sie zwischen Eloise und ihr angerichtet hatte, aber es schien als ob sie ihr nicht entkommen könnte. Als würde Lady Whistledown ihr wie ein besonders hartnäckiger Geist folgen.
„Man kann über sie sagen, was man will. Aber ich für meinen Teil bewundere sie für ihre ungeschönten Worte. Der ton hat sich als genauso oberflächlich, rücksichtslos und hinterlistig entpuppt, wie sie es beschrieb. Wer auch immer dahintersteckte, diese Frau hat den Mut bewiesen, Dinge auszusprechen, die manch einer vielleicht nur dachte. Im vollen Bewusstsein, was passieren würde, wenn man sie entlarvte.“
Penelope sah ihn überrumpelt an. Dass er voll des Lobes für Lady Whistledown war, war unerwartet gekommen. Sie wusste, dass sie sich keine Freunde mit ihrer Kolumne gemacht hatte. Eloise war da wohl das beste Beispiel. Zu hören, dass es tatsächlich Menschen gab, die sie als mutig bezeichneten, war… surreal. Ein warmes, angenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Herzen aus. Jemand, der ihr wichtig war, wusste ihre Arbeit zu schätzen und sah darin nicht nur ein schreckliches Klatschblatt, dessen einzige Intention es war, sich auf groteske Art und Weise über den ton lustig zu machen.
„Sie sehen überrascht aus, Miss Featherington.“, merkte Richard an. Penelope sah sich gezwungen zu antworten, wenn sie nicht für Argwohn sorgen wollte.
„Ich hätte gedacht, dass man Lady Whistledown eher mit Verärgerung begegnen würde, statt mit Lob.“, sagte sie deshalb rasch.
„Verärgerung über jemanden, der der Gesellschaft endlich einmal den Spiegel vorhält? Nicht im Mindesten.“, entgegnete Richard kopfschüttelnd.
„Aber sie hat sehr viele Menschen verletzt.“ Penelope gelang es nur mit Müh und Not, die in ihr aufsteigende Scham aus ihrer Stimme herauszuhalten.
„Das mag sein. Aber damit hat sie zum Teil sehr viel größere Skandale verhindert. Colin Bridgerton, beispielsweise, wäre zum Gespött der Leute geworden, wenn nach der Eheschließung mit dieser Miss Thompson ein Kind auf die Welt gekommen wäre, dass rein rechnerisch nicht seines sein konnte. Zumal es fragwürdig ist ob er viel Freude an einer Ehe gehabt hätte, die Miss Thompson aus dem einfachen Grund einen Geldgeber für sie und ihr Kind an sich zu ketten, eingegangen wäre. Lady Whistledown hat dem Mann eine glücklose Existenz erspart. Ebenso wie seiner Schwester. Hätte sie diesen Verlagsburschen weiterhin getroffen und sich gar von ihm schwängern lassen, wie es ja nun oft genug passiert, wenn Liebe über den Verstand triumphiert… Es reicht zu sagen, dass ihr Ruf komplett ruiniert gewesen wäre in den Augen der Gesellschaft. Die Verfasserin hat beide vor Schlimmerem bewahrt. Ich für meinen Teil hätte lieber eine Lady Whistledown zur Freundin, als jemanden, der mich sehenden Auges in mein Unglück rennen lässt.“
Obwohl Penelope große Probleme hatte ihre Bewunderung ob seiner Worte zu verbergen, fragte sie sich wie er reagiert hätte, wenn er in einer ihrer Kolumnen aufgetaucht wäre. Man hatte gut reden, wenn man selber nie im Mittelpunkt von Lady Whistledowns Aufmerksamkeit gestanden hatte.
Allerdings, was hätte Penelope schon schlechtes über ihn sagen können? Es fiel ihr nichts ein.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann erklang Lady Cavendishs Stimme.
„Es ist schade, dass sie das Schreiben offenbar an den Nagel gehängt hat. Ich habe mich immer sehr unterhalten gefühlt.“, seufzte die ältere Dame wehmütig.
Penelope sah auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände und verlor sich in ihren eigenen Gedanken über das, was einst ihr Lebenselixier gewesen war.
Es war der richtige Zeitpunkt. Ich musste sie für Eloise opfern… Auch wenn es meine Freundschaft zu ihr nicht hat retten können.
Etwas war vorgefallen. Ihr jüngster Sohn und ihre älteste noch daheim lebende Tochter strahlten eine derart schlechte Laune aus, dass Lady Violet Bridgerton kurz davor stand, ihre Nachsicht fallen zu lassen, um beide dazu zu zwingen, sich ihr gegenüber zu erklären. Noch riss sie sich jedoch am Riemen, gab ihren Kindern Zeit, von sich aus das Gespräch mit ihr zu suchen. Es schien kein Streit zwischen den Geschwistern selbst zu herrschen, aber die Ähnlichkeit ihres Verhaltens legte nahe, dass ein und der selbe Grund der Auslöser dafür gewesen sein musste.
„Du hast mir noch nicht Bescheid gegeben, bezüglich Penelope. Hat sie dir eine Antwort auf deine Einladung gegeben?“
Colin, der gerade mit verbitterter Miene ohne wirkliches Interesse in einem von Benedicts Kunstbüchern geblättert hatte, erstarrte so urplötzlich, dass Violet für einen Moment fürchtete, er erleide einen Anfall. Die Muskeln in seinem Hals traten hervor, auf seiner Stirn begann eine Ader zu pochen und sein Blick war so rasend, dass es richtiggehend furchteinflößend war.
Dann sanken seine Schultern wieder und der wilde Ausdruck in seinen Augen verschwand.
„Sie wird nicht kommen. Sie ist zurzeit nicht daheim. Aber das spielt ohnehin keine Rolle mehr. Ich werde meine Freundschaft mit ihr beenden. Es gibt… unüberbrückbare Differenzen zwischen uns.“, quetschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Violet runzelte die Stirn. Ähnliche Worte hatte Eloise einst an sie gerichtet, als sie darauf hingewiesen hatte, dass ihr Penelopes Abwesenheit in ihrem Leben aufgefallen war.
„Willst du darüber reden?“, fragte sie, in der Hoffnung, dass zumindest Colin ihr nicht so zugeknöpft und vage antworten würde, wie es Eloise getan hatte.
Sie wurde enttäuscht.
„Es gibt nichts zu besprechen. Es sind Banalitäten, aber sie reichen aus, dass ich mich von ihr distanzieren möchte.“
Banalitäten, die einen dazu führten, den Kontakt abzubrechen, waren keine. Das wusste Colin so gut wie sie. Warum machte er ihr etwas vor?
Spürend, dass er mehr nicht preisgeben würde, ließ sie dennoch von ihm ab.
Violet tat so, als widmete sie sich ihrer eigenen Lektüre, begann jedoch in Wahrheit einen Plan zu schmieden.
Wenn keines ihrer Kinder bereit war, ihr die Gründe für dieses Zerwürfnis zu nennen, musste sie wohl Penelope bitten, ehrlich zu ihr zu sein. Zwar konnte sie nicht voraussetzen, dass Penelope sich ihr nicht ebenfalls verschloss, aber sie schätzte das Mädchen als jemanden ein, der nach Frieden strebte und versuchte, Probleme zu lösen, statt sie vor sich her zu schieben. Eine Veranlagung, die Eloise und Colin anscheinend abgingen. Sie vermutete, dass sich unter anderem verletzter Stolz dahinter verbarg, der ihnen jetzt entsprechend im Weg stand.
Violet fasste einen Entschluss. Sie würde versuchen, Eloise und Penelopes Freundschaft zu kitten. Ebenso wie die ihres Sohnes mit der jungen Dame. Gerade was ihn betraf, war es wichtig, dass sie sich wieder verstanden. Sehr wichtig.
Ich wünsche viel Spaß mit Kapitel 8.
Am Abend war ein heftiges Gewitter aufgezogen. Blitze ließen die bereits in Dunkelheit getauchte Landschaft sekundenlang taghell erscheinen, gefolgt von krachenden Donnerschlägen, die manch Mensch oder Tier in Angst und Schrecken versetzten.
Für Colin hingegen hätte das Unwetter vor seinem Fenster bedeutungsloser nicht sein können. Der Sturm, der in seinem Inneren tobte, war nichts im Vergleich zu der Naturgewalt, die sich vor dem Haus ausließ.
Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
Noch immer hallten Eloises Worte in seinem Verstand nach und noch immer weigerte sich ein Teil davon, sie als die Wahrheit zu akzeptieren. Doch jener Teil schwand, baute immer mehr seiner Existenzberechtigung ab, je mehr er über diese furchtbare Offenbarung nachdachte.
Penelope war Lady Whistledown.
Wut, Verzweiflung und Enttäuschung vermischten sich mit dem niederschmetternden Gefühl, verraten worden zu sein.
Er hatte ihr vertraut. Hatte sie für eine der wenigen Personen gehalten, die ihm immer loyal geblieben waren, ihm immer das Gefühl gegeben hatten, dass er irgendwann seine Bestimmung im Leben finden würde. Und sie? Sie hatte sein Vertrauen missbraucht, hatte einen Skandal nach dem anderen über seine Familie hereinbrechen lassen und so viele andere Menschen bloßgestellt. Sie zum Gespött des ton gemacht. Einschließlich ihrer eigenen Familie. Nicht mal vor ihrer Mutter oder ihren Schwestern hatte sie Halt gemacht. Wie viel Zerstörungswut, wie viel Missgunst musste in dieser Person leben, dass sie glaubte, eine Rechtfertigung zu haben, ihre Mitmenschen derart zu degradieren?
Verachtung wallte in ihm auf. Eben noch hatte er sie schützen wollen, jetzt konnte sie seiner Meinung nach direkt in ihr Elend laufen. Ja, er wünschte es ihr sogar. Damit sie zumindest einmal erfuhr, wie schrecklich es war, wenn die erhoffte Zukunft sich in Luft auflöste.
Er würde einen Teufel tun und sie aufhalten. Penelope hatte seine Hilfe nicht verdient, hatte seine Freundschaft nicht verdient. Wie konnte er einer Frau wohlgesonnen sein, die anderen ihr Glück so sehr neidete, dass sie Wege suchte es unwiderruflich zu zerstören?
Sprichst du von Marinas und deinem Glück? Denkst du nicht, dass du Penelope dankbar sein solltest, dass sie offenbart hat, dass Miss Thompson dich bloß als Notlösung für ihre prekäre Lage gewählt hat? Glaubst du allen Ernstes, du wärest glücklich geworden an der Seite einer Frau, die einen anderen liebt und dir ein Kind unterschiebt, das nicht dein eigen Fleisch und Blut ist? Mach dich doch nicht lächerlich.
Er hob die Hände an die Ohren und presste sie fest an. Er wollte diese Gedanken nicht haben. Er wollte nicht nach Argumenten suchen, die Penelopes Taten rechtfertigten. Er war zu wütend dafür und nicht bereit, diesen Zorn fahren zu lassen. Er war unglaublich verletzt.
Eloise… Penelope hatte ihre beste Freundin zum Gespött der Leute gemacht. Seine Schwester, die niemandem mehr vertraut hatte als ihr.
Sie hat sie geschützt. Eloise hat dir gegenüber eben noch erwähnt, dass die Königin ihr gedroht habe, sie würde dafür sorgen, dass die Bridgertons ihr blaues Wunder erlebten, wenn sie sich nicht endlich als Lady Whistledown zu erkennen gäbe. Indem Penelope Eloise Beziehung zu dem Verlagsarbeiter enthüllte, sorgte sie dafür, dass die Königin Eloise als Täterin ausschloss. Und seither ist keine weitere Kolumne entschieden. Warum wohl? Weil Eloise zu diffamieren ihr so weh getan hat, dass sie nicht länger weitermachen konnte.
„Nein. Ich will davon nichts hören.“
Er wusste, er sprach mit einem Teil seines Gewissens. Einem deutlich fehlgeleiteten Teil. Colin nahm an, dass es an seiner Beziehung zu Penelope legen musste, dass sein Unterbewusstsein immer noch Wege suchte, sie zu verteidigen. Sie war jahrelang seine Freundin gewesen. Ein Band, das nicht einfach so schnell zerbrach. Aber dafür würde er schon noch sorgen. Er würde sein Unterbewusstsein dazu zwingen, Vernunft walten zu lassen.
„Ich werde mich nicht darauf einlassen, diese Perspektive einzunehmen.“, rief er laut aus, darauf bedacht sogleich mit seiner Agenda zu beginnen. Es war ihm egal ob ihn jemand hörte oder nicht. Er hatte das Gefühl nur zu sich selbst durchdringen zu können, wenn er aussprach was ihm als richtig erschien.
Du vergisst, dass sie sich selbst ebenso oft herabgewürdigt hat. Du sprichst davon, wie sie das Leben anderer zerstört hat, ohne Mitleid zu empfinden. Doch sie machte vor sich selbst nicht Halt. Und du weißt ganz genau, dass das nicht bloß passierte, weil sie keine Spur legen wollte, die den ton dazu veranlasst hätte sie ins Visier zu nehmen. Die Art und Weise, wie sie über sich sprach ist die Art und Weise wie der ton sich den Mund jahrelang über sie zerriss. Jede einzelne Saison. Einschließlich dir. Oder hast du vergessen, wie du gelacht und vor anderen Gentlemen bezeugt hast, dass du sie für so unattraktiv hältst, dass du nicht im Traum um sie werben würdest?
„Das rechtfertigt nichts von dem, was sie getan hat!“
Was hat sie denn getan? Einer unmoralischen Gesellschaft, inklusive dir, den Spiegel vorgehalten? Etwas erschaffen, dass du nicht mal ansatzweise erreicht hast: Eine Kolumne mit einer immens treuen Leserschaft, die das Verschwinden derselbigen zutiefst bedauert hat, wohlgemerkt. Ist da neben all der Wut etwa auch Neid im Spiel? Neid, auf das dicke, unscheinbare Mädchen, das mehr aus ihrem Leben mit weitaus weniger Mitteln gemacht hat, als sie dir zur Verfügung stünden? Sieh dich an. Du gehst reisen. Mehr hast du nicht vorzuweisen.
Er schüttelte den Kopf. Es reichte ihm. Es reichte ihm voll und ganz. Er würde hinausgehen und seinen Zorn in Alkohol ertränken. Und dann würde er darauf warten, dass Penelope zurückkehrte, um ihr endgültig die Freundschaft zu kündigen. Verräter, für die nur ihr eigenes sadistisches Vergnügen im Vordergrund stand, hatten in seinem Umfeld nichts zu suchen.
*
„Jedenfalls war er der Meinung, dass Papas Tintenfass ausgekippt auf dessen Schreibtisch eine viel hübschere Ansicht war, als in seinem zugeschraubten Zustand.“
Richard vergrub das Gesicht in den Händen, linste jedoch zwischen den Fingerspalten zu seiner Schwester herüber, die mit geradezu diebischer Freude einige Kindheitsverfehlungen ihres Bruders zum Besten gab.
„Du lässt mich wirken wie ein sprichwörtliches Balg, Mary.“, stöhnte er.
„Nun, ich kann nicht behaupten, dass ich mit dir nicht die größten Schwierigkeiten hatte, mein Lieber!“
„Mutter! Was soll unser Gast denken?“
Besagter Gast konnte schon seit einiger Zeit nicht mehr aufhören zu lachen. Penelope hatte in ihrem Leben schon das ein oder andere Dinner bei Mitgliedern des Londoner ton über sich ergehen lassen müssen. Immer war es eine steife, langweilige Angelegenheit gewesen, bei der ihr Hauptaugenmerk darauf gelegen hatte, ja nichts zu tun oder zu sagen, das ihr in irgendeiner Form zum Nachteil gereicht hätte.
Es war fast schon unwirklich an einem Tisch zu sitzen, bei dem unterhaltsame Anekdoten ausgetauscht wurden, anstelle von Belanglosigkeiten, die mit der Etikette konform waren. Ähnliches kannte sie eigentlich nur von den Bridgertons.
Vor ihrem inneren Auge tauchte schlagartig ein Bild von Eloise auf, wie sie spitze Bemerkungen zwischen zwei Bissen eines Kekses fallen ließ. Penelope ließ den Stich in ihrem Herzen über sich ergehen, versuchte jedoch Eloises Antlitz schnell wieder zu verdrängen.
Sie war nicht hier, um alten Zeiten hinterher zu trauern.
Penelope ließ den Blick über die fröhlichen Gesichter wandern, sah die Heiterkeit in den Augen der Anwesenden. Bis auf Lady Elizabeths Gatten und den ältesten Sohn nebst dessen Familie, waren alle Cavendishs anwesend. Der Herr des Hauses war schon am Morgen zu einem Familienfreund aufgebrochen, der Hilfe bei der Verbesserung des Verwaltungsplanes seines Landbesitzes brauchte. Alfred Cavendish hatte sich entschuldigen lassen, da Sohn und Gemahlin mit Fieber im Bett lagen und er auf beide ein Auge haben wollte.
„Also wirklich! Miss Featherington muss glauben, mir säße der Schalk im Nacken.“, echauffierte Richard sich gespielt, nahm die Hände vom Gesicht und zwinkerte Penelope verstohlen zu.
„Nicht doch, Richard. Du hast dich zu einem wohlerzogenen, jungen Gentleman gemausert. Findest du nicht auch, Mary?“
„Sehr wohlerzogen.“, pflichtete Mary ihrer Mutter bei.
Lady Elizabeth wandte sich an Penelope.
„Sie können ruhig offen sprechen, Miss Featherington. Wir sind unter uns und an einem Abend wie diesem sind wir nicht an die Anforderungen gebunden, die der ton einem auferlegen würde.“
Penelope nickte und dankte für das Angebot. Mehr hatte sie nicht darauf zu erwidern, denn noch war sie zu befangen. Es war ihr erster Tag hier und sie konnte die Worte ihrer Mutter immer noch deutlich hören. Sie wollte sich nicht blamieren. Nicht vor einer Dame, die sie, eine ihr gänzlich Fremde, so freundlich aufgenommen hatte.
„Lassen Sie sich Zeit, wenn Sie sich noch nicht trauen. Wir zwingen Sie zu nichts. Nur sollen Sie sich auch nicht ausgeschlossen fühlen.“
Lady Cavendish hatte ihre Beklommenheit also bemerkt und prompt richtig interpretiert. Penelope schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
„Apropos ton!“, meldete sich Richard zu Wort.
„Du hast mir doch von Rose Grey erzählt, Mutter. Die Dame, die dir das Leben auf deinem Debüt so schwer gemacht hat.“
Lady Cavendish rümpfte die Nase.
„Fürchterliche Frau. Wieso erwähnst du gerade sie?“, fragte sie enerviert.
Penelope horchte auf, gespannt, wer sich hinter Rose Grey heute verbarg.
„Ich hatte das Unglück ihre Tochter kennenzulernen. Cressida Cowper. Der Apfel scheint nicht weit vom Stamm gefallen zu sein.“, antwortete Richard und nahm einen Schluck Wein.
Penelope verzog das Gesicht. Ja, wer Cressida Cowper kennenlernte, der konnte wirklich von Unglück reden. Vor allem wenn man 25 Pfund über dem Idealgewicht einer jungen Dame lag, welches Cressida immer dann lauthals zu zitieren pflegte, wenn sie in der Nähe war.
„Das wundert mich nicht und wie mir scheint, sieht Miss Featherington das ähnlich.“
Wieder einmal war Penelope von Lady Cavendishs scharfer Beobachtungsgabe überrascht.
„Ich möchte nicht lügen...“, begann sie vorsichtig, „aber wenn ich es höflich ausdrücke, muss ich sagen, dass Cressida und ich keine freundschaftlichen Gefühle füreinander hegen.“
Lady Cavendish gluckste.
„In anderen Worten: Sie finden sie genauso unerträglich wie ich ihre Mutter einst fand.“, stellte sie fest.
„Lady Whistledown hatte eine passende Bemerkung für sie.“, schaltete Mary sich aufgeregt ein.
„Lady Whistledown hatte stets für alles und jeden eine passende Bemerkung.“, erweiterte Lady Cavendish die Aussage amüsiert, während Lady Whistledown sich urplötzlich wünschte, in ihrem Stuhl versinken zu können, bis niemand sie mehr wahrnahm. Wie konnte es sein, dass ihr Alter Ego selbst hier, weit weg von London, ein Thema war? Sie hatte die Vergangenheit hinter sich lassen wollen, nachdem was sie zwischen Eloise und ihr angerichtet hatte, aber es schien als ob sie ihr nicht entkommen könnte. Als würde Lady Whistledown ihr wie ein besonders hartnäckiger Geist folgen.
„Man kann über sie sagen, was man will. Aber ich für meinen Teil bewundere sie für ihre ungeschönten Worte. Der ton hat sich als genauso oberflächlich, rücksichtslos und hinterlistig entpuppt, wie sie es beschrieb. Wer auch immer dahintersteckte, diese Frau hat den Mut bewiesen, Dinge auszusprechen, die manch einer vielleicht nur dachte. Im vollen Bewusstsein, was passieren würde, wenn man sie entlarvte.“
Penelope sah ihn überrumpelt an. Dass er voll des Lobes für Lady Whistledown war, war unerwartet gekommen. Sie wusste, dass sie sich keine Freunde mit ihrer Kolumne gemacht hatte. Eloise war da wohl das beste Beispiel. Zu hören, dass es tatsächlich Menschen gab, die sie als mutig bezeichneten, war… surreal. Ein warmes, angenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Herzen aus. Jemand, der ihr wichtig war, wusste ihre Arbeit zu schätzen und sah darin nicht nur ein schreckliches Klatschblatt, dessen einzige Intention es war, sich auf groteske Art und Weise über den ton lustig zu machen.
„Sie sehen überrascht aus, Miss Featherington.“, merkte Richard an. Penelope sah sich gezwungen zu antworten, wenn sie nicht für Argwohn sorgen wollte.
„Ich hätte gedacht, dass man Lady Whistledown eher mit Verärgerung begegnen würde, statt mit Lob.“, sagte sie deshalb rasch.
„Verärgerung über jemanden, der der Gesellschaft endlich einmal den Spiegel vorhält? Nicht im Mindesten.“, entgegnete Richard kopfschüttelnd.
„Aber sie hat sehr viele Menschen verletzt.“ Penelope gelang es nur mit Müh und Not, die in ihr aufsteigende Scham aus ihrer Stimme herauszuhalten.
„Das mag sein. Aber damit hat sie zum Teil sehr viel größere Skandale verhindert. Colin Bridgerton, beispielsweise, wäre zum Gespött der Leute geworden, wenn nach der Eheschließung mit dieser Miss Thompson ein Kind auf die Welt gekommen wäre, dass rein rechnerisch nicht seines sein konnte. Zumal es fragwürdig ist ob er viel Freude an einer Ehe gehabt hätte, die Miss Thompson aus dem einfachen Grund einen Geldgeber für sie und ihr Kind an sich zu ketten, eingegangen wäre. Lady Whistledown hat dem Mann eine glücklose Existenz erspart. Ebenso wie seiner Schwester. Hätte sie diesen Verlagsburschen weiterhin getroffen und sich gar von ihm schwängern lassen, wie es ja nun oft genug passiert, wenn Liebe über den Verstand triumphiert… Es reicht zu sagen, dass ihr Ruf komplett ruiniert gewesen wäre in den Augen der Gesellschaft. Die Verfasserin hat beide vor Schlimmerem bewahrt. Ich für meinen Teil hätte lieber eine Lady Whistledown zur Freundin, als jemanden, der mich sehenden Auges in mein Unglück rennen lässt.“
Obwohl Penelope große Probleme hatte ihre Bewunderung ob seiner Worte zu verbergen, fragte sie sich wie er reagiert hätte, wenn er in einer ihrer Kolumnen aufgetaucht wäre. Man hatte gut reden, wenn man selber nie im Mittelpunkt von Lady Whistledowns Aufmerksamkeit gestanden hatte.
Allerdings, was hätte Penelope schon schlechtes über ihn sagen können? Es fiel ihr nichts ein.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann erklang Lady Cavendishs Stimme.
„Es ist schade, dass sie das Schreiben offenbar an den Nagel gehängt hat. Ich habe mich immer sehr unterhalten gefühlt.“, seufzte die ältere Dame wehmütig.
Penelope sah auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände und verlor sich in ihren eigenen Gedanken über das, was einst ihr Lebenselixier gewesen war.
Es war der richtige Zeitpunkt. Ich musste sie für Eloise opfern… Auch wenn es meine Freundschaft zu ihr nicht hat retten können.
*
Etwas war vorgefallen. Ihr jüngster Sohn und ihre älteste noch daheim lebende Tochter strahlten eine derart schlechte Laune aus, dass Lady Violet Bridgerton kurz davor stand, ihre Nachsicht fallen zu lassen, um beide dazu zu zwingen, sich ihr gegenüber zu erklären. Noch riss sie sich jedoch am Riemen, gab ihren Kindern Zeit, von sich aus das Gespräch mit ihr zu suchen. Es schien kein Streit zwischen den Geschwistern selbst zu herrschen, aber die Ähnlichkeit ihres Verhaltens legte nahe, dass ein und der selbe Grund der Auslöser dafür gewesen sein musste.
„Du hast mir noch nicht Bescheid gegeben, bezüglich Penelope. Hat sie dir eine Antwort auf deine Einladung gegeben?“
Colin, der gerade mit verbitterter Miene ohne wirkliches Interesse in einem von Benedicts Kunstbüchern geblättert hatte, erstarrte so urplötzlich, dass Violet für einen Moment fürchtete, er erleide einen Anfall. Die Muskeln in seinem Hals traten hervor, auf seiner Stirn begann eine Ader zu pochen und sein Blick war so rasend, dass es richtiggehend furchteinflößend war.
Dann sanken seine Schultern wieder und der wilde Ausdruck in seinen Augen verschwand.
„Sie wird nicht kommen. Sie ist zurzeit nicht daheim. Aber das spielt ohnehin keine Rolle mehr. Ich werde meine Freundschaft mit ihr beenden. Es gibt… unüberbrückbare Differenzen zwischen uns.“, quetschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Violet runzelte die Stirn. Ähnliche Worte hatte Eloise einst an sie gerichtet, als sie darauf hingewiesen hatte, dass ihr Penelopes Abwesenheit in ihrem Leben aufgefallen war.
„Willst du darüber reden?“, fragte sie, in der Hoffnung, dass zumindest Colin ihr nicht so zugeknöpft und vage antworten würde, wie es Eloise getan hatte.
Sie wurde enttäuscht.
„Es gibt nichts zu besprechen. Es sind Banalitäten, aber sie reichen aus, dass ich mich von ihr distanzieren möchte.“
Banalitäten, die einen dazu führten, den Kontakt abzubrechen, waren keine. Das wusste Colin so gut wie sie. Warum machte er ihr etwas vor?
Spürend, dass er mehr nicht preisgeben würde, ließ sie dennoch von ihm ab.
Violet tat so, als widmete sie sich ihrer eigenen Lektüre, begann jedoch in Wahrheit einen Plan zu schmieden.
Wenn keines ihrer Kinder bereit war, ihr die Gründe für dieses Zerwürfnis zu nennen, musste sie wohl Penelope bitten, ehrlich zu ihr zu sein. Zwar konnte sie nicht voraussetzen, dass Penelope sich ihr nicht ebenfalls verschloss, aber sie schätzte das Mädchen als jemanden ein, der nach Frieden strebte und versuchte, Probleme zu lösen, statt sie vor sich her zu schieben. Eine Veranlagung, die Eloise und Colin anscheinend abgingen. Sie vermutete, dass sich unter anderem verletzter Stolz dahinter verbarg, der ihnen jetzt entsprechend im Weg stand.
Violet fasste einen Entschluss. Sie würde versuchen, Eloise und Penelopes Freundschaft zu kitten. Ebenso wie die ihres Sohnes mit der jungen Dame. Gerade was ihn betraf, war es wichtig, dass sie sich wieder verstanden. Sehr wichtig.