Autumn Sky
von Ascendancy
Kurzbeschreibung
BRIDGERTON NACH STAFFEL 2 "Drei Sätze. Nur drei Sätze und doch hatten sie die Kraft gehabt ihr Herz in Stücke zu reißen. Es wäre einfacher gewesen, wenn sie Colin ob seiner furchtbar grausamen Worte zu hassen gelernt hätte." Während Penelope noch versucht, Colins Worte zu vergessen, begegnet sie Jemandem, der ihr dabei helfen könnte. Doch Colin ist immer noch in der Nähe und das verkompliziert die Angelegenheit. PenxOc/ PenXColin.
GeschichteDrama, Romance / P18 / Het
15.04.2022
04.06.2022
18
49.097
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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18.04.2022
2.607
Es war weit nach Mitternacht, doch in Richard Cavendishs Zimmer brannte noch das Licht zweier Kerzen. Außer dem Kratzen der Feder auf Cecilys teurem Briefpapier war es mucksmäuschenstill im Raum.
Richard legte das Schreibutensil beiseite und ließ das Papier trocknen. Es war der erste Bericht über Marys Fortschritte an seine Mutter gewesen. Der erste von vielen erwarteten, denn seine Mutter musste stets im Bilde über ihr jüngstes Kind sein.
Richard unterdrückte ein Gähnen. Obwohl er müde war, fehlte ihm die innerliche Ruhe, die er gebraucht hätte um in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen. Noch schwirrte ihm der Kopf von den Geschehnissen auf dem Ball der Smythe-Smiths. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster, vor dem die Finsternis der Nacht die Konturen der Häuser und Gehsteige verschluckte.
Er dachte an Miss Featherington und an die Verzweiflung, die in ihrem Gesicht gestanden hatte, als der mittlere der Bridgerton Brüder sie um einen Tanz bat. Wissend, dass sie einen guten Grund bräuchte, ihn abzulehnen ohne einen Skandal oder zumindest garstiges Getuschel heraufzubeschwören, war er also eingeschritten. Junge Damen der feinen Gesellschaft durften den Herren nicht einfach so einen Tanz verweigern.
Es galt als äußerst unschicklich, ja als Affront, sich derart zu verhalten. Eine Tatsache, die ihn seit jeher schon irritiert hatte. Seiner Meinung nach sollte man von niemandem verlangen etwas zu tun, was er nicht freiwillig tun wollte. Aber er wusste auch, dass der ton diese Ansicht nicht teilte, wenn es um die Etikette und das Verhalten junger Damen ging.
So war er also eingeschritten und hatte ihr seine Hilfe auf die ihm einfachste und sicherste Weise angeboten, auch wenn es dazu einer Notlüge bedurft hatte. Zu seiner Erleichterung war sie auf sein Angebot eingegangen.
Während ihres Tanzes war ihm nicht entgangen, dass sie über den Hintergrund seines Verhaltens nachgrübelte und da er kein Mensch war, der eine Frau über seine Absichten im Unklaren ließ, hatte er ihr seine Beweggründe auf ihre Frage seines Motivs im Beisein seiner Schwester auf einem kurzen Spaziergang durch die Gärten erläutert. Wobei er sicher ging, dass tatsächlich kein ungebetener Zuhörer in der Nähe gewesen war.
Penelope war ihm dankbar gewesen, aber in ihren Augen hatte er für einen kurzen Moment den Ausdruck tiefen Schmerzes gesehen. Richard war nicht dumm. Für ihn lag nahe, dass sie seine Rettung zwar zu schätzen gewusst, sich gleichwohl aber erniedrigt gefühlt haben musste. Ihrer Annahme nach hatte er sie aus Mitleid zum Tanz gebeten, nicht um ihrer Person willen.
Richard stieß ein Stöhnen aus. Wenn seine Rettung in der Herabsetzung der Frau endete, die er aus ihrer misslichen Lage hatte befreien wollen, dann konnte ihm dies kein gutes Gewissen bereiten. Er dachte über den weiteren Verlauf des Abends nach, über die Gespräche, die sie zu dritt begonnen hatten, nachdem sie von ihrem kurzen Spaziergang zurückgekehrt waren. Er glaubte, dass es Mary zu verdanken gewesen war, dass Miss Featherington ihre Zurückhaltung weitestgehend abgestreift hatte. Ihre fröhliche, aufgeschlossene Art hatte der jungen Frau die Sicherheit gegeben, ihm zu zeigen, dass sie klug war und eine äußerst gute Beobachtungsgabe besaß.
Wesenszüge, die er schätzte und – wenn er sich nicht schon anders entschieden hätte – bei der Auswahl einer potentiellen Ehefrau durchaus als Hauptkriterien genannt hätte.
Abwesend drehte er an dem Ring seines Großvaters, dachte an das faszinierend rote Haar und die blauen Augen, die so viel Gefühl in sich trugen.
Richard stand von seinem Stuhl auf und rieb sich nachdenklich das Kinn.
Seine Schwester war von Lord Fitzgerald in die Oper eingeladen worden. Großtante Cecily hatte darauf beharrt, dass Mary das Angebot annahm. Was bedeutete, dass er in der Nähe sein musste. Er schnaubte. Es erschien ihm wahnwitzig, Miss Featherington als seine eigene Begleitung in Betracht zu ziehen, wenn er an seine eigenen Prinzipien dachte. War es schicklich eine Dame einzuladen, wenn man ohnehin keine Zukunftspläne verfolgte, die auf eine Heirat ausgerichtet waren? Stieß man besagte Dame damit nicht vor den Kopf? Nutzte ihr Zutrauen aus?
Er stieß die Luft aus, von der er nicht mal bemerkt hatte, dass er sie angehalten hatte. Wenn er ehrlich zu ihr war, würde sie dann dennoch mitkommen? Ruinierte er sie nicht, wenn der ton annahm, er würde ihr den Hof machen, nur um dann ohne Wiedersehen heim zu kehren? Richard knackte mit den Fingerknöcheln. Er hatte am Abend genug Kommentare über sie aufgeschnappt, um zu wissen, dass ihr ein wenig Aufmerksamkeit gut täte. In Anbetracht aller Risiken jedoch schien es, als müsste er ihr genau diese verweigern.
In ihm begann es zu brodeln. Was war dies für eine Welt, in der eine simple Einladung über die gesellschaftliche Zukunft einer anderen Person entschied? Richard begann rastlos auf und ab zu gehen, bis ihm schließlich eine Idee kam.
*
Eloise knirschte mit den Zähnen. Von irgendwoher hatte Mama aufgeschnappt, dass die ihr bis dato völlig unbekannte Mary Cavendish wohl drauf und dran war ihren Platz an Penelopes Seite einzunehmen. In den vergangenen Tagen war sie von dieser Fremden mehrmals zum Tee eingeladen worden und jetzt – so hieß es – war eine Einladung in die Oper gefolgt. In die Oper! Sie hätte gerne laut aufgelacht, doch das Geräusch blieb ihr in der Kehle stecken wie ein Kloß.
Deine Eifersucht ist deplatziert., meldete sich eine Stimme in ihrem Kopf.
Du hast selbst gesagt, dass du keinen Wert mehr auf ihre Präsenz in deinem Leben legst. Du kannst nicht verlangen, dass sie sich nicht anderen Menschen zuwendet.
Eloise schüttelte ärgerlich ihr Haupt. Penelope hatte es nicht verdient, sich eine andere Freundin zu wählen. Nicht nach allem, was sie angerichtet hatte. Lady Whistledown. Lady Whistledown, die sie angeblich nur hatte schützen wollen, weil die Königin ihr und ihrer Familie gedroht hatte vor dem Hintergrund der falschen Annahme sie selbst wäre die Verfasserin dieses verfluchten Klatschblattes gewesen.
Für einen Moment spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, Mary Cavendish einen Brief zukommen zu lassen, in dem sie das naive Ding über die Teufelin unterrichtete, die sie mit offenen Armen in ihrem Haus Willkommen hieß. Doch dann verwarf sie den Gedanken. Hätte sie ihn in die Tat umgesetzt, wäre sie nicht besser gewesen, als Penelope, der das Leben anderer vollkommen egal war.
Ihre letzten Worte kamen ihr unerwünscht in den Sinn und wieder fühlte Eloise Wut in sich aufkommen. Sich vorwerfen lassen zu müssen, dass sie eifersüchtig gewesen wäre auf Penelopes Erfolg, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie wollte sie nicht mehr wiedersehen, nicht mehr mit ihr sprechen.
Sie lachte freudlos auf, dachte an die vielen Briefe, die sie ungeöffnet in den Kamin geworfen und in Flammen hatte aufgehen sehen. Nicht einmal an ihre letzte Bitte hatte sich das fade Mauerblümchen gehalten.
Und doch fehlt es dir, nicht wahr?
Sie ignorierte den Gedanken. Sollte Penelope doch eine weitere Freundin zum Narren halten und ihre Freundschaft ausnutzen. Sie würde einen Teufel tun und auf ihr Niveau herabsteigen. Sie war der bessere Mensch, wenn sie keine Rache übte.
„Geht es dir nicht gut?“
Ihr Mienenspiel musste Bände gesprochen haben, ansonsten hätte ihr stets ahnungsloser Bruder die Frage nicht an sie gerichtet.
„Nein, nein. Ich habe nur gerade an den nächsten Ball gedacht. Dieses Mal werde ich wohl nicht entkommen können!“
Colin lachte und ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. Verstohlen blickte er zur Tür, aber von seiner Mutter fehlte weiterhin jede Spur.
„Du hast nur so getan als ob, nicht wahr?“
Eloise hob die Brauen.
„Ich bitte dich. Ich würde nie etwas vortäuschen, um mein eigenes Wohlergehen zu sichern.“, entgegnete sie sarkastisch.
Colin schüttelte amüsiert den Kopf.
„Nun, viel hast du nicht verpasst. Außer dass Penelope mir keinen einzigen Tanz gewährt hat.“, erzählte er beiläufig. Schon wieder Penelope… Sie hatte doch eben erst schon wieder mit ihr abschließen wollen.
Sich innerlich für ihr plötzliches Interesse scheltend, sah sie Colin fragend an.
„Das kann ich mir kaum vorstellen. Ihr habt doch immer getanzt.“
„Nun, es scheint fast so als ob es einen anderen Herrn gibt, der jetzt die Höflichkeitsgefälligkeiten übernimmt.“, erwiderte Colin und zupfte an einer Fluse auf seinem Hemdsaum.
„Hm, wer ist es? Steckt seine Mutter dahinter so wie bei dir?“
Colin zuckte mit den Schultern.
„Richard Cavendish. Seine Mutter habe ich nicht kennen gelernt. Er ist mit seiner Schwester Mary und Lady Neville in London, wohl um dafür zu sorgen, dass die erste Saison für Mary gut verläuft. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Lady Neville ihn dazu gezwungen hat. Jeder weiß, dass sie nicht viel von Portia Featherington hält.“
„Soll das heißen, er tut sich das freiwillig an?“, entfuhr es Eloise garstig spöttelnd.
Colin blinzelte perplex und Eloise biss sich auf die Zunge. Bis jetzt hatte sie vor ihrem Bruder geheim gehalten, dass sie und Penelope getrennte Wege gingen. Nun würde er jedoch sicherlich Fragen stellen wollen.
„So klingst du nie, wenn du über deine Freundin sprichst. Was ist passiert?“
Eloise blickte auf ihre Hände. Es wäre die perfekte Gelegenheit, Penelope einen Löffel ihrer eigenen Medizin zu geben. Colin zu sagen, was vorgefallen war, hätte ihn sicherlich dazu bewogen, Penelope den Rücken zu kehren. Aber… sie war nicht so ein Mensch. Sie war besser… Das durfte sie nicht vergessen.
Sie hob den Kopf und sah Colin fest in die Augen.
„Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit und haben uns geeinigt erstmal getrennte Wege zu gehen. Mehr werde ich dir dazu nicht sagen, versuch also gar nicht erst, etwas aus mir herauszupressen.“, sagte sie bloß.
Sie konnte sehen, dass Colin mit ihrer Antwort nicht zufrieden war, sich aber fürs Erste geschlagen gab.
„Ich hoffe, dass ihr euch wieder vertragt!“, sagte er mit ernster Miene. „Du brauchst Penelope. Sie war dir immer eine gute Freundin. So etwas findet man selten. Jemanden, der immer für einen da ist. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede. So, ich muss mich umziehen für die Oper. Kate und Anthony haben mich überredet, mitzukommen. Wir sehen uns später.“
Und mit diesen Worten stand er auf. Er hatte kaum den Raum verlassen, da brach Eloise in stumme Tränen aus.
*
„Vor sieben Jahren brannte das ursprüngliche Theatre Royal ab, der Bau ist also sehr neu. Dennoch war ich noch nie dort. Es ist wirklich aufregend hier zu sein.“
Richard erinnerte sich, dass er von dem Brand gelesen hatte. Bei dem Versuch das Feuer zu löschen, war die Dachkonstruktion eingestürzt und hatte mehrere Spritzenleute unter Schutt und Asche begraben. Das Feuer war auf weitere 14 Häuser übergesprungen, bis man der Flammen endlich hatte Herr werden können. Der Schaden war immens gewesen. Nicht nur finanziell sondern auch kulturell. Stücke von Hayden und anderen Komponisten, zumeist nicht durch Drucke bereits vervielfältigt, waren vernichtet worden. Ein enormer Verlust.
Sie befanden sich auf dem Weg in Lord Fitzgeralds Loge. Richard, der mit Penelope am Arm die Treppe heraufführte betrachtete den Mann vor ihm mit Argusaugen. Ihm sollte ja keine unschickliche Geste entgehen. Es war sein Glück, dass Cecily Fitzgerald gebeten hatte, ihr die Treppe herauf zu helfen, das hatte seine Möglichkeiten Mary zu nahe zu kommen entschieden geschmälert.
„Haben Sie The Beggar’s Opera schon einmal gesehen, Mister Cavendish?“
„Nein, ich fürchte ich kann nur mit wenig Erfahrung auf dem Gebiet der Opern aufwarten, Miss Featherington. Schauspielhäuser wie dieses glänzen auf dem Lande durch Abwesenheit.“
Penelope gab einen verlegenen Laut von sich.
„Entschuldigt, das hätte ich wohl bedenken sollen… Ich erkenne das ein oder andere Einzelstück, aber da ich bis jetzt nicht die Gelegenheit hatte, dieses Haus zu betreten ist mir ein fundiertes Wissen wohl ebenfalls verwehrt.“
„Nicht doch. Ich kann mir beileibe auch nicht alle Hintergründe der Londoner Gesellschaft merken. Dafür bin ich viel zu selten dort.“
Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und er kam nicht umhin es zu erwidern.
Sie erreichten die Loge und nahmen ihre Plätze ein.
Der Saal unter ihnen füllte sich nach und nach mit weiteren Zuschauern.
Ein kurzer Blick über das Getümmel beim Einlass hatte Richard eine weitere Vermutung über den ton bestätigt: Man ging nicht bloß in die Oper, um Unterhaltung zu genießen, sondern auch um zu sehen und gesehen zu werden.
Während der Vorstellung konnte er sich etwas zurücklehnen, da Großtante Cecily zu seiner Erleichterung nun die Aufgabe des Wachhundes übernommen hatte. Statt also Lord Fitzgerald im Auge zu behalten, betrachtete er verstohlen Penelope. Ihre Faszination für die Mischung aus Schauspiel und Oper aus der Feder John Gays teilte er zwar nicht, dafür aber konnte er sich kaum sattsehen an der Freude, die sie gerade empfand. Die junge Frau blühte auf und das gefiel ihm außerordentlich gut. Wusste sie, wie strahlend sie sein konnte, wenn sie sich nicht in den Schatten der Ecke eines großen, überfüllten Ballsaales drückte? Wusste sie, wie ansteckend ihre Fröhlichkeit sein konnte? Ihm zumindest zauberte es ein Lächeln aufs Gesicht. Er hatte das richtige getan. Daran hegte er keinen Zweifel.
Die Pause brach an und er ließ Penelope in der Obhut seiner Schwester und Großtante Cecilys, um sich ein wenig die Beine zu vertreten.
Richard hatte nur wenige Schritte getan, als eine vertraute Stimme an sein Ohr drang.
„Na, wenn das nicht Richard ist!“
Er drehte sich suchend in die ungefähre Richtung des Sprechers um und erkannte seinen ehemaligen Studienkollegen.
„Jonathan, ich dachte du wärest in Indien.“, entfuhr es ihm überrascht.
Richard trat auf die kleine Gruppe um Jonathan Mowbray zu.
„Da war ich auch. Bis letzten Monat. Mein Bruder heiratet demnächst. Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Gentlemen, falls sie noch nicht die Ehre hatten: Richard Cavendish, Earl Cavendishs jüngster Sohn. Wir haben zusammen in Oxford studiert.“, stellte Jonathan ihn vor.
Richard warf einen Blick in die Runde, aber außer seinem Studienkollegen erkannte er nur einen weiteren Anwesenden. Colin Bridgerton.
„Ich hatte gerade davon gesprochen, dass Hugo tatsächlich vor mir eine Familie gründen wird. Meine Mutter glaubte immer, ich würde der erste sein. Apropos, hast du deine Ansichten endlich mal geändert? Bezüglich einer Ehe?“
Richard wollte gerade darauf antworten, als ein junger Geck mit der Visage eines Wiesels ihm den Moment nahm.
„Ich hörte, Ihr habt mit Miss Featherington getanzt auf dem Ball der Smythe-Smiths.“ Das Wiesel unterbrach sich für ein kurzes, hässliches Lachen.
„Wenn er Ehepläne hat, John, dann strebt er nach Frauen, die ihm ein weiches Kissen bieten.“, fuhr er fort und formte mit seinen Händen die Gestalt einer fetten Frau. Richard atmete tief ein. Kannte dieser Mann denn keinerlei Anstand? Zu seiner Bestürzung hörte er Bridgerton tatsächlich abgehackt glucksen, so als zwänge er sich seine Amüsiertheit nicht zu offensichtlich zu zeigen.
Johnathan blinzelte überrascht.
„Tatsächlich?“, fragte er, als könne er gar nicht glauben, dass Richard Interesse an Miss Featherington haben könnte.
Er knirschte mit den Zähnen und noch bevor er es sich anders hätte überlegen können, gewann sein Unmut die Oberhand.
„Ich frage mich, was das Gewicht einer Dame mit ihren Qualitäten als Ehefrau zu tun hat? Steht euch der Sinn nach einem Zweig, dessen einziges Talent es ist, zu zetern und dazu nicht in der Lage ist, sich mit euch zu unterhalten, weil es ihr an Wissen fehlt? Gelüstet es euch nach einer guten Partie im Bett oder nach einer liebevollen Partnerin, die euch gesunde und unter ihrer Führung wohlbehütete Kinder schenkt? Strebt ihr danach ein modisches Accessoire an eurem Arm zu tragen, das euch anwidert sobald das Alter die Jugend einholt? Ich für meinen Teil sehe in Miss Featherington Qualitäten jenseits ihres Äußeren. Aber diese würde ein jeder von uns wohl bemerken, wenn er nicht bloß das Äußerliche als Kriterium für die Wahl einer Gattin in Betracht zöge. Einen schönen Abend noch, Gentlemen.“
Die offenen Münder und empörten Laute interessierten ihn nicht, als er sich umdrehte und den Weg zurück zur Loge trat. Er wusste, es würde Gerede geben. Aber jetzt, in diesem Augenblick, war sein Zorn zu groß, als dass er sich damit hätte auseinandersetzen wollen.
Richard legte das Schreibutensil beiseite und ließ das Papier trocknen. Es war der erste Bericht über Marys Fortschritte an seine Mutter gewesen. Der erste von vielen erwarteten, denn seine Mutter musste stets im Bilde über ihr jüngstes Kind sein.
Richard unterdrückte ein Gähnen. Obwohl er müde war, fehlte ihm die innerliche Ruhe, die er gebraucht hätte um in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen. Noch schwirrte ihm der Kopf von den Geschehnissen auf dem Ball der Smythe-Smiths. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster, vor dem die Finsternis der Nacht die Konturen der Häuser und Gehsteige verschluckte.
Er dachte an Miss Featherington und an die Verzweiflung, die in ihrem Gesicht gestanden hatte, als der mittlere der Bridgerton Brüder sie um einen Tanz bat. Wissend, dass sie einen guten Grund bräuchte, ihn abzulehnen ohne einen Skandal oder zumindest garstiges Getuschel heraufzubeschwören, war er also eingeschritten. Junge Damen der feinen Gesellschaft durften den Herren nicht einfach so einen Tanz verweigern.
Es galt als äußerst unschicklich, ja als Affront, sich derart zu verhalten. Eine Tatsache, die ihn seit jeher schon irritiert hatte. Seiner Meinung nach sollte man von niemandem verlangen etwas zu tun, was er nicht freiwillig tun wollte. Aber er wusste auch, dass der ton diese Ansicht nicht teilte, wenn es um die Etikette und das Verhalten junger Damen ging.
So war er also eingeschritten und hatte ihr seine Hilfe auf die ihm einfachste und sicherste Weise angeboten, auch wenn es dazu einer Notlüge bedurft hatte. Zu seiner Erleichterung war sie auf sein Angebot eingegangen.
Während ihres Tanzes war ihm nicht entgangen, dass sie über den Hintergrund seines Verhaltens nachgrübelte und da er kein Mensch war, der eine Frau über seine Absichten im Unklaren ließ, hatte er ihr seine Beweggründe auf ihre Frage seines Motivs im Beisein seiner Schwester auf einem kurzen Spaziergang durch die Gärten erläutert. Wobei er sicher ging, dass tatsächlich kein ungebetener Zuhörer in der Nähe gewesen war.
Penelope war ihm dankbar gewesen, aber in ihren Augen hatte er für einen kurzen Moment den Ausdruck tiefen Schmerzes gesehen. Richard war nicht dumm. Für ihn lag nahe, dass sie seine Rettung zwar zu schätzen gewusst, sich gleichwohl aber erniedrigt gefühlt haben musste. Ihrer Annahme nach hatte er sie aus Mitleid zum Tanz gebeten, nicht um ihrer Person willen.
Richard stieß ein Stöhnen aus. Wenn seine Rettung in der Herabsetzung der Frau endete, die er aus ihrer misslichen Lage hatte befreien wollen, dann konnte ihm dies kein gutes Gewissen bereiten. Er dachte über den weiteren Verlauf des Abends nach, über die Gespräche, die sie zu dritt begonnen hatten, nachdem sie von ihrem kurzen Spaziergang zurückgekehrt waren. Er glaubte, dass es Mary zu verdanken gewesen war, dass Miss Featherington ihre Zurückhaltung weitestgehend abgestreift hatte. Ihre fröhliche, aufgeschlossene Art hatte der jungen Frau die Sicherheit gegeben, ihm zu zeigen, dass sie klug war und eine äußerst gute Beobachtungsgabe besaß.
Wesenszüge, die er schätzte und – wenn er sich nicht schon anders entschieden hätte – bei der Auswahl einer potentiellen Ehefrau durchaus als Hauptkriterien genannt hätte.
Abwesend drehte er an dem Ring seines Großvaters, dachte an das faszinierend rote Haar und die blauen Augen, die so viel Gefühl in sich trugen.
Richard stand von seinem Stuhl auf und rieb sich nachdenklich das Kinn.
Seine Schwester war von Lord Fitzgerald in die Oper eingeladen worden. Großtante Cecily hatte darauf beharrt, dass Mary das Angebot annahm. Was bedeutete, dass er in der Nähe sein musste. Er schnaubte. Es erschien ihm wahnwitzig, Miss Featherington als seine eigene Begleitung in Betracht zu ziehen, wenn er an seine eigenen Prinzipien dachte. War es schicklich eine Dame einzuladen, wenn man ohnehin keine Zukunftspläne verfolgte, die auf eine Heirat ausgerichtet waren? Stieß man besagte Dame damit nicht vor den Kopf? Nutzte ihr Zutrauen aus?
Er stieß die Luft aus, von der er nicht mal bemerkt hatte, dass er sie angehalten hatte. Wenn er ehrlich zu ihr war, würde sie dann dennoch mitkommen? Ruinierte er sie nicht, wenn der ton annahm, er würde ihr den Hof machen, nur um dann ohne Wiedersehen heim zu kehren? Richard knackte mit den Fingerknöcheln. Er hatte am Abend genug Kommentare über sie aufgeschnappt, um zu wissen, dass ihr ein wenig Aufmerksamkeit gut täte. In Anbetracht aller Risiken jedoch schien es, als müsste er ihr genau diese verweigern.
In ihm begann es zu brodeln. Was war dies für eine Welt, in der eine simple Einladung über die gesellschaftliche Zukunft einer anderen Person entschied? Richard begann rastlos auf und ab zu gehen, bis ihm schließlich eine Idee kam.
*
Eloise knirschte mit den Zähnen. Von irgendwoher hatte Mama aufgeschnappt, dass die ihr bis dato völlig unbekannte Mary Cavendish wohl drauf und dran war ihren Platz an Penelopes Seite einzunehmen. In den vergangenen Tagen war sie von dieser Fremden mehrmals zum Tee eingeladen worden und jetzt – so hieß es – war eine Einladung in die Oper gefolgt. In die Oper! Sie hätte gerne laut aufgelacht, doch das Geräusch blieb ihr in der Kehle stecken wie ein Kloß.
Deine Eifersucht ist deplatziert., meldete sich eine Stimme in ihrem Kopf.
Du hast selbst gesagt, dass du keinen Wert mehr auf ihre Präsenz in deinem Leben legst. Du kannst nicht verlangen, dass sie sich nicht anderen Menschen zuwendet.
Eloise schüttelte ärgerlich ihr Haupt. Penelope hatte es nicht verdient, sich eine andere Freundin zu wählen. Nicht nach allem, was sie angerichtet hatte. Lady Whistledown. Lady Whistledown, die sie angeblich nur hatte schützen wollen, weil die Königin ihr und ihrer Familie gedroht hatte vor dem Hintergrund der falschen Annahme sie selbst wäre die Verfasserin dieses verfluchten Klatschblattes gewesen.
Für einen Moment spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, Mary Cavendish einen Brief zukommen zu lassen, in dem sie das naive Ding über die Teufelin unterrichtete, die sie mit offenen Armen in ihrem Haus Willkommen hieß. Doch dann verwarf sie den Gedanken. Hätte sie ihn in die Tat umgesetzt, wäre sie nicht besser gewesen, als Penelope, der das Leben anderer vollkommen egal war.
Ihre letzten Worte kamen ihr unerwünscht in den Sinn und wieder fühlte Eloise Wut in sich aufkommen. Sich vorwerfen lassen zu müssen, dass sie eifersüchtig gewesen wäre auf Penelopes Erfolg, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie wollte sie nicht mehr wiedersehen, nicht mehr mit ihr sprechen.
Sie lachte freudlos auf, dachte an die vielen Briefe, die sie ungeöffnet in den Kamin geworfen und in Flammen hatte aufgehen sehen. Nicht einmal an ihre letzte Bitte hatte sich das fade Mauerblümchen gehalten.
Und doch fehlt es dir, nicht wahr?
Sie ignorierte den Gedanken. Sollte Penelope doch eine weitere Freundin zum Narren halten und ihre Freundschaft ausnutzen. Sie würde einen Teufel tun und auf ihr Niveau herabsteigen. Sie war der bessere Mensch, wenn sie keine Rache übte.
„Geht es dir nicht gut?“
Ihr Mienenspiel musste Bände gesprochen haben, ansonsten hätte ihr stets ahnungsloser Bruder die Frage nicht an sie gerichtet.
„Nein, nein. Ich habe nur gerade an den nächsten Ball gedacht. Dieses Mal werde ich wohl nicht entkommen können!“
Colin lachte und ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. Verstohlen blickte er zur Tür, aber von seiner Mutter fehlte weiterhin jede Spur.
„Du hast nur so getan als ob, nicht wahr?“
Eloise hob die Brauen.
„Ich bitte dich. Ich würde nie etwas vortäuschen, um mein eigenes Wohlergehen zu sichern.“, entgegnete sie sarkastisch.
Colin schüttelte amüsiert den Kopf.
„Nun, viel hast du nicht verpasst. Außer dass Penelope mir keinen einzigen Tanz gewährt hat.“, erzählte er beiläufig. Schon wieder Penelope… Sie hatte doch eben erst schon wieder mit ihr abschließen wollen.
Sich innerlich für ihr plötzliches Interesse scheltend, sah sie Colin fragend an.
„Das kann ich mir kaum vorstellen. Ihr habt doch immer getanzt.“
„Nun, es scheint fast so als ob es einen anderen Herrn gibt, der jetzt die Höflichkeitsgefälligkeiten übernimmt.“, erwiderte Colin und zupfte an einer Fluse auf seinem Hemdsaum.
„Hm, wer ist es? Steckt seine Mutter dahinter so wie bei dir?“
Colin zuckte mit den Schultern.
„Richard Cavendish. Seine Mutter habe ich nicht kennen gelernt. Er ist mit seiner Schwester Mary und Lady Neville in London, wohl um dafür zu sorgen, dass die erste Saison für Mary gut verläuft. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Lady Neville ihn dazu gezwungen hat. Jeder weiß, dass sie nicht viel von Portia Featherington hält.“
„Soll das heißen, er tut sich das freiwillig an?“, entfuhr es Eloise garstig spöttelnd.
Colin blinzelte perplex und Eloise biss sich auf die Zunge. Bis jetzt hatte sie vor ihrem Bruder geheim gehalten, dass sie und Penelope getrennte Wege gingen. Nun würde er jedoch sicherlich Fragen stellen wollen.
„So klingst du nie, wenn du über deine Freundin sprichst. Was ist passiert?“
Eloise blickte auf ihre Hände. Es wäre die perfekte Gelegenheit, Penelope einen Löffel ihrer eigenen Medizin zu geben. Colin zu sagen, was vorgefallen war, hätte ihn sicherlich dazu bewogen, Penelope den Rücken zu kehren. Aber… sie war nicht so ein Mensch. Sie war besser… Das durfte sie nicht vergessen.
Sie hob den Kopf und sah Colin fest in die Augen.
„Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit und haben uns geeinigt erstmal getrennte Wege zu gehen. Mehr werde ich dir dazu nicht sagen, versuch also gar nicht erst, etwas aus mir herauszupressen.“, sagte sie bloß.
Sie konnte sehen, dass Colin mit ihrer Antwort nicht zufrieden war, sich aber fürs Erste geschlagen gab.
„Ich hoffe, dass ihr euch wieder vertragt!“, sagte er mit ernster Miene. „Du brauchst Penelope. Sie war dir immer eine gute Freundin. So etwas findet man selten. Jemanden, der immer für einen da ist. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede. So, ich muss mich umziehen für die Oper. Kate und Anthony haben mich überredet, mitzukommen. Wir sehen uns später.“
Und mit diesen Worten stand er auf. Er hatte kaum den Raum verlassen, da brach Eloise in stumme Tränen aus.
*
„Vor sieben Jahren brannte das ursprüngliche Theatre Royal ab, der Bau ist also sehr neu. Dennoch war ich noch nie dort. Es ist wirklich aufregend hier zu sein.“
Richard erinnerte sich, dass er von dem Brand gelesen hatte. Bei dem Versuch das Feuer zu löschen, war die Dachkonstruktion eingestürzt und hatte mehrere Spritzenleute unter Schutt und Asche begraben. Das Feuer war auf weitere 14 Häuser übergesprungen, bis man der Flammen endlich hatte Herr werden können. Der Schaden war immens gewesen. Nicht nur finanziell sondern auch kulturell. Stücke von Hayden und anderen Komponisten, zumeist nicht durch Drucke bereits vervielfältigt, waren vernichtet worden. Ein enormer Verlust.
Sie befanden sich auf dem Weg in Lord Fitzgeralds Loge. Richard, der mit Penelope am Arm die Treppe heraufführte betrachtete den Mann vor ihm mit Argusaugen. Ihm sollte ja keine unschickliche Geste entgehen. Es war sein Glück, dass Cecily Fitzgerald gebeten hatte, ihr die Treppe herauf zu helfen, das hatte seine Möglichkeiten Mary zu nahe zu kommen entschieden geschmälert.
„Haben Sie The Beggar’s Opera schon einmal gesehen, Mister Cavendish?“
„Nein, ich fürchte ich kann nur mit wenig Erfahrung auf dem Gebiet der Opern aufwarten, Miss Featherington. Schauspielhäuser wie dieses glänzen auf dem Lande durch Abwesenheit.“
Penelope gab einen verlegenen Laut von sich.
„Entschuldigt, das hätte ich wohl bedenken sollen… Ich erkenne das ein oder andere Einzelstück, aber da ich bis jetzt nicht die Gelegenheit hatte, dieses Haus zu betreten ist mir ein fundiertes Wissen wohl ebenfalls verwehrt.“
„Nicht doch. Ich kann mir beileibe auch nicht alle Hintergründe der Londoner Gesellschaft merken. Dafür bin ich viel zu selten dort.“
Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und er kam nicht umhin es zu erwidern.
Sie erreichten die Loge und nahmen ihre Plätze ein.
Der Saal unter ihnen füllte sich nach und nach mit weiteren Zuschauern.
Ein kurzer Blick über das Getümmel beim Einlass hatte Richard eine weitere Vermutung über den ton bestätigt: Man ging nicht bloß in die Oper, um Unterhaltung zu genießen, sondern auch um zu sehen und gesehen zu werden.
Während der Vorstellung konnte er sich etwas zurücklehnen, da Großtante Cecily zu seiner Erleichterung nun die Aufgabe des Wachhundes übernommen hatte. Statt also Lord Fitzgerald im Auge zu behalten, betrachtete er verstohlen Penelope. Ihre Faszination für die Mischung aus Schauspiel und Oper aus der Feder John Gays teilte er zwar nicht, dafür aber konnte er sich kaum sattsehen an der Freude, die sie gerade empfand. Die junge Frau blühte auf und das gefiel ihm außerordentlich gut. Wusste sie, wie strahlend sie sein konnte, wenn sie sich nicht in den Schatten der Ecke eines großen, überfüllten Ballsaales drückte? Wusste sie, wie ansteckend ihre Fröhlichkeit sein konnte? Ihm zumindest zauberte es ein Lächeln aufs Gesicht. Er hatte das richtige getan. Daran hegte er keinen Zweifel.
Die Pause brach an und er ließ Penelope in der Obhut seiner Schwester und Großtante Cecilys, um sich ein wenig die Beine zu vertreten.
Richard hatte nur wenige Schritte getan, als eine vertraute Stimme an sein Ohr drang.
„Na, wenn das nicht Richard ist!“
Er drehte sich suchend in die ungefähre Richtung des Sprechers um und erkannte seinen ehemaligen Studienkollegen.
„Jonathan, ich dachte du wärest in Indien.“, entfuhr es ihm überrascht.
Richard trat auf die kleine Gruppe um Jonathan Mowbray zu.
„Da war ich auch. Bis letzten Monat. Mein Bruder heiratet demnächst. Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Gentlemen, falls sie noch nicht die Ehre hatten: Richard Cavendish, Earl Cavendishs jüngster Sohn. Wir haben zusammen in Oxford studiert.“, stellte Jonathan ihn vor.
Richard warf einen Blick in die Runde, aber außer seinem Studienkollegen erkannte er nur einen weiteren Anwesenden. Colin Bridgerton.
„Ich hatte gerade davon gesprochen, dass Hugo tatsächlich vor mir eine Familie gründen wird. Meine Mutter glaubte immer, ich würde der erste sein. Apropos, hast du deine Ansichten endlich mal geändert? Bezüglich einer Ehe?“
Richard wollte gerade darauf antworten, als ein junger Geck mit der Visage eines Wiesels ihm den Moment nahm.
„Ich hörte, Ihr habt mit Miss Featherington getanzt auf dem Ball der Smythe-Smiths.“ Das Wiesel unterbrach sich für ein kurzes, hässliches Lachen.
„Wenn er Ehepläne hat, John, dann strebt er nach Frauen, die ihm ein weiches Kissen bieten.“, fuhr er fort und formte mit seinen Händen die Gestalt einer fetten Frau. Richard atmete tief ein. Kannte dieser Mann denn keinerlei Anstand? Zu seiner Bestürzung hörte er Bridgerton tatsächlich abgehackt glucksen, so als zwänge er sich seine Amüsiertheit nicht zu offensichtlich zu zeigen.
Johnathan blinzelte überrascht.
„Tatsächlich?“, fragte er, als könne er gar nicht glauben, dass Richard Interesse an Miss Featherington haben könnte.
Er knirschte mit den Zähnen und noch bevor er es sich anders hätte überlegen können, gewann sein Unmut die Oberhand.
„Ich frage mich, was das Gewicht einer Dame mit ihren Qualitäten als Ehefrau zu tun hat? Steht euch der Sinn nach einem Zweig, dessen einziges Talent es ist, zu zetern und dazu nicht in der Lage ist, sich mit euch zu unterhalten, weil es ihr an Wissen fehlt? Gelüstet es euch nach einer guten Partie im Bett oder nach einer liebevollen Partnerin, die euch gesunde und unter ihrer Führung wohlbehütete Kinder schenkt? Strebt ihr danach ein modisches Accessoire an eurem Arm zu tragen, das euch anwidert sobald das Alter die Jugend einholt? Ich für meinen Teil sehe in Miss Featherington Qualitäten jenseits ihres Äußeren. Aber diese würde ein jeder von uns wohl bemerken, wenn er nicht bloß das Äußerliche als Kriterium für die Wahl einer Gattin in Betracht zöge. Einen schönen Abend noch, Gentlemen.“
Die offenen Münder und empörten Laute interessierten ihn nicht, als er sich umdrehte und den Weg zurück zur Loge trat. Er wusste, es würde Gerede geben. Aber jetzt, in diesem Augenblick, war sein Zorn zu groß, als dass er sich damit hätte auseinandersetzen wollen.