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End of Desire

von Moerf
Kurzbeschreibung
OneshotRomance, Schmerz/Trost / P16 / MaleSlash
20.02.2022
20.02.2022
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1.673
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Lord Bayon war ein Monster, welches ein Mensch fast bemitleiden könnte. Er wollte sich an das Versprechen halten - ja, wirklich. Aber das geschmacklose Essen, welches er auf den Teller serviert bekam und die langweiligen Tage, die an ihm vorbeizogen, machten ihn wahnsinnig. Er wollte wie damals jagen und das Adrenalin in seinem Blut spüren, als es um Leben oder Tod ging. Deswegen hatte er seinen eigenen Spielplatz, den Goldy Pond, in das er heimlich Kinder verschleppte und sie jagte, um seine Lust zu befriedigen. Allerdings war die Jagd nicht halb so gut wie in den früheren Zeiten, weil die Kinder vor Angst wegrannten und ihm nicht die Stirn boten, obwohl sie sowie so keine Chance hatten.

Er stolzierte, Löcher in die Luft starrend, im Wald umher und folgte mit langsamen Schritten einem kleinen Kind, welches panisch vor ihm floh. Der Nervenkitzel blieb jedoch aus. Es machte ihm keinen Spaß. Er überlegte für einen kurzen Moment das Kind entkommen zu lassen, entschied sich aber dagegen. Denn wenigstens schmeckte das menschliche Fleisch nach etwas und somit hatte er ein appetitliches Abendmahl. Das Kind hatte keine Chance mehr zu fliehen und hielt sich vor Angst die Augen zu.

“Auch nicht das Wahrste, oder?”.

Lord Bayon drehte sich in die Richtung, aus der die nicht fremde Stimme erklang. Er blickte geradezu in das Gesicht von seinem alten Freund Liemovish. Er war mit besagtem Mann - nein, Monster - sehr lange befreundet gewesen, bis sie sich aufgrund von Differenzen getrennt hatten. Lord Bayon kam nicht drum herum unter seiner Maske breit zu lächeln.

“Leo, was führt dich nach so langer Zeit in mein Reich?”.

Liemovish war ein Monster, das als einziger eine fast perfekte menschliche Form besaß. Er gehörte zur stärksten Sorte und ernährte sich nicht einmal von Fleischmenschen. Der Mann - nein, das Monster war ein Rätsel. Ein Rätsel, welches damals Lord Bayons Interesse geweckt hatte. Doch sein Trieb auf eine lustvolle Jagd, hatte sie auseinander gebracht. Letztendlich war Lord Bayons Leidenschaft zum Adrenalin größer als seine Liebe zu Liemovish.

Er versuchte die Tatsache zu verdrängen, dass er etwas für seinen gleichgeschlechtlichen Artgenossen übrig hatte, denn er konnte dessen Lebensstil nicht tolerieren, obwohl es ihn faszinierte. Wie konnte Liemovish ohne den Nervenkitzel einer echten Jagd leben? Es war ihm ein Rätsel.

“Ich war in der Gegend und habe deine Präsens gespürt”, antwortete Liemovish ehrlich und direkt. Das Kind war längst abgehauen und er lehnte sich gegen den Baum, vor dem das Kind vorhin noch verängstigt stand.

“Du hast mir mein Abendessen versaut”, sagte Lord Bayon verärgert.

Es verwunderte Lord Bayon, dass er die Anwesenheit von Liemovish nicht gefühlt hatte. Er selbst galt zu den Stärksten seiner Art, aber Liemovish war in einer ganz anderen Liga. Dennoch hatte er nie seine Macht und Stärke missbraucht. Man könnte fast meinen, er sei ein Freund der Menschen. Aber dem war nicht so. Er ließ sie bloß in Frieden, solange sie ihm nicht zu nahe kamen. Lord Bayon wusste genau, dass in dem ruhigen Liemovish ein wahres Ungeheuer steckte.

Kurz vor dem Versprechen gab es einen Aufstand der Menschen. Liemovish hatte sich auf keine Seite geschlagen und sich enthalten. Er hatte Menschen nie angerührt und hatte dies auch nie vor. Aber die dummen Menschen dachten, dass sie die Monster einschüchtern könnten, wenn sie den mächtigen Liemovish zur Strecke brachten. Wie ein abscheulicher Berserker hatte er die Aufständischen qualvoll sterben lassen. Er hatte sich wahrlich an den schmerzlichen Schreien der Menschen ergötzt.

“Du hast dein Haar wachsen lassen”, merkte Liemovish nach einer kurzen Stille an. Er hatte Lord Bayons langes Haar schon immer gemocht. Er fand, dass es ihm äußerst gut stand.

“Du widerst mich an”, zischte Lord Bayon und drehte sich von seinem alten Kameraden weg, um zurück zu seiner Behausung zu gehen. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass Liemovish ihn an der Hand packen und ihn beim Gehen hindern würde.

“Ich liebe es, wenn du wütend bist” flüsterte Liemovish in sein Ohr. Ja, es gab einen Kick, nach dem er sich sehnte. Eine andere Form von Adrenalin, das er begehrte. Jedoch respektierte er sein Gegenüber. Er respektierte nur Lord Bayon. Die Liebe, die zwischen den beiden existierte, war sogar für Außenstehende ersichtlich. Denn Lord Bayon verlor nie seine Fassung oder ließ mit sich so umgehen, wie von Liemovish.

“Nach all der Zeit”, seufzte Lord Bayon.

“Immer”, sagte Liemovish.

Lord Bayon hatte Liemovish nie an sich rangelassen. Er fragte sich zwar, wie es wohl wäre oder ob Liemovish es wert war, aber schließlich konnte es einfach nicht mit der Jagd vergleichbar sein. Da war er sich sicher. Allerdings könnte er es nach so vielen Jahren vielleicht doch wagen. Er hatte schließlich nichts zu verlieren. Aber die anderen durften auf keinen Fall etwas davon mitkriegen.

“Die Musik spielt noch”, teilte Lord Bayon mit. Liemovish konnte mit dieser Information natürlich nichts anfangen, aber er hatte so eine Ahnung.

“Bayon…”, hauchte Liemovish und legte die Hand auf seine Wange, “lass mich dein Gesicht sehen”. Er brannte darauf das Gesicht seines Geliebten zu sehen. Er ging schon davon aus, dass Lord Bayon seine Maske nicht abnehmen würde. Immerhin war die Maske die Lebensversicherung eines jeden Monsters.

“Ich habe deine Lebensweise nie für gut befunden, Leo. Ich gebe dir eine einzige Chance mich vom Gegenteil zu überzeugen”, drohte Lord Bayon und nahm langsam seine Maske ab. Liemovish tat es ihm gleich. “Nach so vielen Jahren”, wiederholte er, nachdem er nicht fassen konnte, dass er Lord Bayons Schönheit zu Gesicht bekam. Nicht nur ihm ging es so. Auch Lord Bayon war von der Attraktivität seines Freundes überwältigt. Alte Gefühle wurden wiedererweckt und plötzlich stieg auch in ihm eine andere Art der Lust auf.

“Leo…”, sagte er leise und näherte sich dessen Gesicht. Ein kleiner Fehler und es war vorbei. Worauf ließ er sich da bloß ein? So etwas sollte zwischen ihnen niemals passieren! Aber diese aufkommenden Gefühle…Wie lange hatte er sie verdrängt?

Und dann wurde ihm bewusst, dass sein Verlangen zur Jagd daher rührte, dass Liemovish nicht mehr in seinem Leben war. Sie hatten sich immer gegenseitig gejagt und versuchten stets den anderen zu dominieren. Das waren aufregende Zeiten gewesen. Jetzt waren sie erneut an diesem Punkt und Lord Bayon spürte das Kribbeln überall auf seiner Haut.

Sein Objekt der Begierde stand genau vor ihm und er gab ihm seine volle Aufmerksamkeit. Liemovish’ dunkle Augen, die einen Hauch von einem Meeresblau beinhalteten, waren scharf und blickten direkt in seine. Danach dauerte es nicht lange, bis sie übereinander herfielen und ihrer Lust freien Lauf ließen.

Lord Bayon lernte an diesem Tag etwas Neues kennen. Etwas, das er vorher nie gekannt hatte. Ja, er war diesen Schritt gegangen und bereute es keineswegs. Aber er wusste genau, dass er ohne die Jagd nicht leben konnte. So war er nun einmal. Er brauchte das.

“Es ist in Ordnung, Bayon. Ich habe es satt, dich nicht mehr in meinem Leben zu haben”, gestand Liemovish und überraschte ihn. Das bewies Lord Bayon, dass Liemovish nicht zufällig in der Gegend war. Er hatte ihn gezielt gesucht. Liemovish war nie einer, der sich unter seine Artgenossen mischte. Aber auch Monster konnten sich einsam fühlen und er wusste genau, dass er nur ihn in seinem Leben wollte. Und jetzt war er bereit ihn zu akzeptieren?

“Warum jetzt, Leo?”, wollte er wissen.

Liemovish setzte Lord Bayon seine Maske auf, bevor er seine eigene anlegte. Er nahm dessen dürre Hand in seine eigene und ließ sich gegen den Größeren fallen. “Ich kann einfach nicht mehr”, sagte er, “Das einsame Leben hat mich all meine Kraft gekostet”. Seine Ehrlichkeit erstaunte Lord Bayon immer wieder. Dabei hatte Liemovish nicht alles zugegeben, aber das brauchte er wohl nicht. Lord Bayon kannte ihn gut.

Und wenn er es nicht besser wüsste, würde er meinen, dass Liemovish weinte.
Er legte seine Hand auf Liemovish’ Kopf und schenkte ihm Komfort. Niemand würde sie je auseinander bringen. Das würde er niemals zulassen. Sie würden endlich gemeinsam leben - auf gleicher Wellenlänge.

“Willkommen Zuhause”, begrüßte er Liemovish in seinem Leben. Die schönsten zwei Wörter, die Liemovish hören durfte.

Liemovish ließ Lord Bayon und seine Gefolgschaft die Jagd durchführen. Er mischte sich nicht in seine Angelegenheiten ein, solange er nichts damit zu tun haben musste. An seiner Seite zu sein und die andere Art der Befriedigung zu erfahren, erfüllte sein Herz. Beide hatten das, was sie immer wollten.

Doch ihr Glück sollte nicht lange andauern, nachdem Lord Bayons Gefolgschaft ein rothaariges Mädchen zum Goldy Pond verschleppte. Schlagartig hatte sich alles geändert und das Mädchen, das tatsächlich aus Grace Field stammte, hatte mit den anderen einen Aufstand angezettelt. Die Kinder hatten eine Strategie entwickelt und bereits jedes Monster getötet.

Übrig blieb Bayon. Und selbstverständlich ließ er sich diesen Spaß nicht entgehen. Das war immerhin genau das, was er jahrelang begehrt hatte. Eine Jagd um Leben oder Tod. Liemovish hatte die Eindringlinge sofort gespürt, kam aber zu spät, um Lord Bayon zu warnen. Niemals hätte er gedacht, dass mickrige, schwache Menschen, die noch Kinder waren, Lord Bayon besiegen könnten.

Aber da lag er nun. Die Teile der kaputten Maske lagen um ihm herum auf dem Boden. Es war ein perfekter Schuss gewesen, der ihm binnen Sekunden das Leben nahm. Liemovish war auf seine Knie gefallen und zog Lord Bayon auf seinen Schoß. Tränen schossen aus seinen Augen und landeten in Lord Bayons Gesicht.
Emma, Ray und der Alte sahen geschockt zu dem Monster, welches in dem Augenblick einem Kind ähnelte.

Nach all der Zeit, nach all den Jahren, endete es also auf diese Weise. Wieder blieb seine Erfüllung im Herzen aus. Der Gedanke, dass Lord Bayon zufrieden gestorben sein muss, spendete ihm ein wenig Trost. Es war aber nicht fair. Er durfte ihn in dieser verkorksten Welt nicht alleine lassen.

Eine dunkle Leere umhüllte ihn. Die Waffe des Alten war weiterhin auf ihn gerichtet. Liemovish entfernte seine Maske, was die anderen schockte. “Töte mich, wenn du willst”, sagte er.

“D-Du siehst ja aus wie ein Mensch!”, platzte es aus Emma heraus, die diese Erkenntnis laut aussprechen musste.

Liemovish lächelte sanft.



“Ich war früher auch einer”, offenbarte er sein Geheimnis.
 
 
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