Life is Strange - This is our Universe
von THELOKALWRITER
Kurzbeschreibung
Eine Entscheidung kann alles verändern. Als sich Max am 11. Oktober 2013 für ihre beste Freundin Chloe und gegen die Rettung ihrer Heimatstadt Arcadia Bay entscheidet, beginnt für die beiden jungen Frauen ein neues Abenteuer. Aber der Weg in ein neues Leben ist alles andere als einfach und bringt viele Herausforderungen mit sich. Begleitet Max und Chloe bei ihrer außergewöhnlichen und emotionalen Reise und erlebt selbst, wie stark das Band der Liebe sein kann.
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / Mix
Chloe Price
Maxine "Max" Caulfield
OC (Own Character)
10.02.2022
25.07.2023
24
114.422
5
Alle Kapitel
32 Reviews
32 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
1 Review
14.02.2023
3.187
Kapitel 20 - Zufall oder Schicksal
Max Caulfield
Seattle, WA - Samstag, 14. November 2015
Das Wartezimmer dieser kleinen Praxis wirkte nicht wie ein steriler Abstellraum für Patienten, sondern eher wie ein gemütliches Wohnzimmer. Die Wände waren in einem leicht karminroten Farbton gehalten, dazu eine farblich angepasste und bequeme Polstergarnitur, die von dem warmen Licht der Deckenlampe angestrahlt wurde. Ein kleiner Ständer mit Ratgeber-Magazinen für Haustiere und eine mit Decken ausgepolsterte Liegeecke für Hunde rundeten die Ausstattung des Zimmers ab. Durch das Fenster konnte man auf einen ruhigen Hinterhof schauen, was eine weniger hektische Klangkulisse verspricht als der Blick zum Haupteingang direkt an der viel befahrenen Old Redmond Road. Zum Glück hatte diese Praxis heute Notdienst, somit waren wir nicht auf ein Taxi oder den Bus angewiesen und konnten den knappen Kilometer von der Fundstelle des kleinen Lebewesens bis hierher zu Fuß beschreiten. Jenny saß neben mir auf der Couch und wirkte auf mich sichtlich glücklich über unsere gelungene Rettungsaktion. Ich teilte dieses Gefühl ebenfalls und nie im Leben könnte ich einfach vorbeigehen und ignorieren, dass jemand Hilfe braucht. Allerdings drängte sich auch in dieser Situation der Gedanke dazwischen, dass meine Quote für erfolgreiche Hilfe bisher nicht sehr wirklich positiv zu bewerten war, doch für den Moment wollte ich diese Erinnerungen nicht weiter zulassen. Das kleine orangefarbene Kätzchen schlief mittlerweile eingewickelt in meiner Jacke, man konnte ein dezentes Schnarchen vernehmen, was unweigerlich dazu führte, dass wir beide leise kichern mussten.
Nach wenigen Minuten trat ein kräftiger, älterer Herr mit kurzgeschorenen Haaren und einem vollen grauen Bart in das Sprechzimmer ein. Dabei trug er ein braun kariertes Hemd und ein Stethoskop um den Hals. Vermutlich hatte er sich den Kittel für den Notdienst geschenkt. Er blickte herzlich drein und begrüßte uns freundlich mit ausgestreckter Hand. „Guten Abend zusammen. Hoffentlich mussten Sie nicht zu lange warten. Ich bin Dr. Gregory Miller. Meine Assistentin teilte mir schon mit, dass Sie ein Kätzchen aus einem Kanalschacht befreit haben.“
„Guten Abend, Dr. Miller. Das stimmt. Hier ist der Patient“, antwortete ich und überreichte meine zum Unterschlupf gefaltete Jacke mit dem Kätzchen dem Doktor.
Behutsam warf er einen Blick in die kleine Luke. „Wen haben wir denn da? Du bist aber ein ganz junger Hüpfer. Dann wollen wir mal einen Check-up machen. Folgen Sie mir bitte ins Behandlungszimmer“, erwiderte der Mediziner in einer sehr behutsamen Tonlage.
Direkt gegenüber des gemütlichen Wartezimmers und einem kleinen Empfangsbereich lag das Behandlungszimmer. Es war ebenso einladend eingerichtet wie der Rest der Praxis. In der Mitte des Raumes stand eine schwarze, mit Leder überzogene Krankenliege und daneben ein großer Rollwagen mit unzähligen Schubladen gefüllt mit den verschiedensten Utensilien. Die Regale im Raum waren ordentlich und ebenfalls mit medizinischem Equipment gefüllt. Bei dem Anblick überkam mich der Wunsch, dass auch Arztpraxen für uns Menschen so gemütlich sein sollten. Mit Sicherheit hätten dann weniger Leute Angst vor einem Gang zum Arzt, wobei ich natürlich zugeben muss das es durchaus schon gemütliche Räumlichkeiten gibt. Leider nur viel zu sehr selten.
Behutsam legte der Doktor meine Jacke auf die Liege und zückte aus einem Glas mit der Aufschrift „unter 1 Jahr“ auf seinem Schreibtisch einen kleinen Snack in Form eines Mini-Donuts und bot es dem Kätzchen an, welches sich langsam und mit verschlafenen Augen an dem Snack bediente. Während dessen konnte Doktor Miller vorsichtig mit der Untersuchung beginnen und hörte mit seinem Stethoskop den Herzschlag ab, tastete vorsichtig den zarten Körper ab und schaute sich die Zähne, Augen und Ohren genau an.
„Wie sieht es aus, Doktor?“, erkundige sich Jenny neugierig, was ich ihr stillschweigend, aber mit einem minder weniger neugierigem und zugleich besorgten Blick gleichtat.
„Also, wir haben hier auf jeden Fall einen kleinen Kater und es geht ihm auf den ersten Blick sehr gut. Er ist ein wenig unterkühlt und hat sich die linke Vorderpfote etwas wundgescheuert. Vermutlich als er in den Schacht gerutscht ist. Nichts, was wir mit einer warmen Decke, Desinfektion und etwas Wundsalbe nicht beheben könnten. Ansonsten geht es ihm sehr gut“, diagnostizierte der Tierarzt erfreut und kraulte dem kleinen Kater mit dem Zeigefinger behutsam über den Kopf.
„Das freut mich, zu hören. Können wir noch irgendetwas tun? Leider haben wir keinen Anhaltspunkt woher er kommt oder ob er zu jemanden gehört“, erklärte ich erleichtert und um Rat bittend.
„Ich vermute stark, dass es sich um einen ausgesetzten Kater handelt, weil er nicht gechippt ist oder ein Halsband trägt. Er ist noch sehr jung. Vermutlich weniger als 12 Wochen, daher ist es unwahrscheinlich, dass die Mutter ihn verstoßen hat.“
Nachdenklich kratzten wir uns über die Stirn. „Haben Sie einen Rat für uns, was wir tun könnten?“, harkte Jenny nach.
„Ich würde Ihnen anbieten, den Kleinen erst einmal mit den notwendigen Impfungen zu versorgen, eine kleine Blutprobe zu nehmen, um mögliche Erkrankungen auszuschließen und ihn 48 Stunden in unserer Katzenpension über uns etwas aufzupäppeln. Wir geben in der örtlichen Vermisstenstelle für Haustiere eine Nachricht heraus. Vielleicht meldet sich jemand. Ansonsten lassen Sie doch gerne Ihre Kontaktdaten bei uns, damit wir anrufen können, wenn sich etwas ergibt“, antwortete er zuvorkommend.
„Das wäre fantastisch. Ich übernehme auch die Kosten für die notwendige Erstversorgung. Es soll ihm gutgehen, wenn er schon ausgesetzt wurde oder was auch immer geschehen ist“, erklärte ich entschlossen und streichelte behutsam über den zarten Körper es kleinen orangefarbenen Tigers.
„Das ist wahrlich zuvorkommend. Die wenigsten kümmern sich um die kleinen Streuner, was mich sehr traurig stimmt. Ich kümmere mich um alles Weitere und kontaktiere Sie, sobald es Neuigkeiten gibt. Gerne können Sie bei meiner Assistentin ihre Daten hinterlassen“, lächelte der graubärtige Arzt.
„In Ordnung. Dann warten wir auf Ihren Anruf. Vielen Dank für die spontane Hilfe“, bedankte ich mich und Jenny und ich streichelten den kleinen Kater zum Abschied, der sich mit einem für seine Körpergröße beachtlichem Schnurren bedankte.
„Auch von mir vielen, vielen Dank“, fügte Jenny lächelnd hinzu.
„Nichts zu danken. Dafür bin ich da. Außerdem habe ich nicht mehr lange bis zum Ruhestand, da möchte ich noch so viel Gutes vollbringen wie möglich“, schmunzelte er und verabschiedete uns, bevor er mit der Vorsorgeuntersuchung startete.
Am Empfang hinterließen wir zur Sicherheit beide unsere Handynummern und die Assistenz stellte eine Rechnung über 62,53 Dollar aus. Als Jenny ihre Kreditkarte über den Tresen reichte, legte ich meine Hand auf die Ihre und schob meine Karte der älteren Dame rüber. Als sich unsere Hände berührten, überkam mich wieder dieses wohltuende Gefühl von Geborgenheit und zugleich war es mir eine Freude zum ersten Mal die Zügel in die Hand zu nehmen. Das war bisher ihr Part gewesen, wenn wir etwas unternommen haben. In Jennys Augen konnte ich ein Funkeln, gepaart mit einem herzlichen Lächeln erkennen.
„Untersteh dich. Das mache ich“, flüsterte ich leise und zum ersten Mal seit langem wieder mit entschlossener Stimme.
„Ich werde mich hüten dir zu widersprechen“, erwiderte Jenny und gab sich dabei schüchtern, konnte sich ein verschmitztes Zwinkern aber nicht verkneifen.
Dieses Talent, einem das Gefühl zu vermitteln ernst genommen zu werden und trotzdem mit einem gewissen Humor aufzutreten, gehörte definitiv auch zu ihren vielfältigen Talenten. Zeitgleich machte sie es mir dadurch aber immer schwerer irgendwie Abstand zu gewinnen, denn sie war wie ein Strudel, der dich einnimmt und nur schwer wieder loslässt, was der gesunde Teil in mir auch gar nicht wollte. Doch zu der Debatte gesellten sich leider nach wie vor zwei Parteien, wobei eine davon deutliche Mehrheit präsentierte.
Nachdem die Sprechstundenhilfe meine Kreditkarte eingelesen und mir die Unterlagen übergeben hatte, zog ich meine Jacke zu und wir machten uns gemeinsam auf den Weg nach draußen. Zurück an die frische und kühle Abendluft von Seattle.
„Ich bin froh, dass wir dem Kleinen helfen konnten“, gab ich erleichtert von mir, während ich den Kragen meiner Jacke aufrichtete, um den kühlen Abendwind abzuwehren.
„Auf jeden Fall. Ich liebe Tiere und hätte es niemals übers Herz bringen können, einfach weiterzugehen“, antwortete Jenny lächelnd.
Das habe ich mir vorhin auch gedacht.
„Dito. Man muss schon enorm herzlos sein, um einfach wegzuschauen“, erwiderte ich kopfschüttelnd, wohl wissend, dass es solche Menschen leider zuhauf gibt.
„In der Tat. Bedauerlicherweise gibt es das öfter, als man sich das wünscht. Ich weiß nicht, was in diesen Menschen vorgeht, jedoch glaube ich auch daran, dass nicht alle Menschen, die so ignorant sind, so geboren wurden. Viele werden zu solchen Menschen gemacht.“
Wie wahr, wie wahr. Ich will mir nicht ausmalen, was diese Menschen erlebt haben müssen, um so zu enden. Natürlich trifft das nicht auf alle zu. Es gibt auch viele Personen, die einfach ein ignorantes Dasein fristen. Doch was müsste passieren, dass ich zu so jemanden mutiere? Könnte ich das überhaupt? Oder würde mich meine Menschlichkeit und Lebenseinstellung davor bewahren? Diese Frage ist schwieriger zu beantworten als gedacht, denn immerhin habe ich auch nicht damit gerechnet, mich einerseits so sehr zu verabscheuen wie ich es seit knapp über zwei Jahren „erfolgreich“ tue. Hier scheint mein Mitgefühl mir selbst gegenüber beinahe permanent abwesend zu sein.
Unabhängig davon musste ich mir eingestehen, dass ich gerade echt hungrig war. Die Rettung eines kleinen Katers, gemeinsam mit Jenny und die Begegnung mit miesen Passanten verlangen viel Energie.
„Ich hab Hunger. Steht dein Angebot mit dem asiatischen Imbiss noch?“, erkundigte ich mich frech grinsend bei Jenny und leckte mir hungrig über die Lippen.
Mit einem verblüfften Blick wandte sie sich mir zu. „Mit so einer Begeisterung habe ich jetzt nicht gerechnet. Dir ist aber klar, dass es dort keine Smoothies gibt, oder?“, antwortete sie mit herausgestreckter Zunge.
Wenn sie nicht so liebevoll wäre, könnte ich ihr manchmal wirklich die Ohren langziehen.
„Ich will kein Smoothie. Hatte eher an so etwas wie gebratene Nudeln mit gebackenem Huhn süßsauer gedacht“, gab ich hungrig von mir und begleitete dies mit einem Stupser gegen ihren Oberarm.
„Vorsichtig Caulfield“, mahnte mich eine dunkle Stimme tief in meinem Inneren.
Ich biss mir selbst auf die Zunge und drängte negative Gedanken für den Moment an die Seite.
„Das klingt verdammt gut. Dann mal los“, rief Jenny begeistert und harkte sich, wie schon vorhin bei mir unter.
Gemeinsam schlenderten wir über die Old Redmond Road zurück zur 152nd Straße und passierten dabei eine baumreiche Allee, ähnlich wie in der Straße wo ich wohne und auch beim Roccostrada. Seattle bietet einiger dieser Alleen, was mir sehr gut gefällt. Denn ich liebe die Natur und bin eigentlich gar kein Großstadtmensch. Das habe nach den fünf Jahren in Seattle gemerkt, als ich wieder zurück nach Arcadia Bay kam. Seattle gefällt mir grundsätzlich, jedoch ziehe ich gemütliche Kleinstädte vor und würde mich sicher unwohler fühlen, wenn ich nicht diesen Hauch von Natur in meinem näheren Wohn- und Arbeitsumfeld hätte. Zudem musste ich zugeben, dass mir der Kontakt mit Jenny besser tut als anfänglich gedacht, obgleich die Angst alles zu ruinieren und das Verlangen sie lieber abzustoßen allgegenwärtig war. Dazu kam noch, dass ich Chloe schon vermisste. Sie fehlte mir, auch wenn unser Zusammenleben und der Umgang zueinander gerade in den letzten Wochen vor ihrer Abreise noch einmal mehr abgekühlte. Vielleicht schreibe ich ihr zu Thanksgiving oder Weihnachten. Aktuell wollte ich sie einfach nicht nerven und mit Sicherheit hatte sie schon tolle Freunde gefunden und viel Spaß in ihrem neuen Job.
Beim Imbiss angekommen, stieg uns sofort der köstliche Duft der angebotenen Speisen in die Nase. Das kleine Lokal liegt an einer Straßenecke, an dem die 152nd und 72nd Straße ineinander münden. Vor dem kleinen Gebäude waren zwei Tische und Stühle aufgestellt, an denen man sich setzen konnte, um seine Speisen zu verdrücken. Damit die auswärtig sitzenden Gäste zu dieser Jahreszeit nicht an den Stühlen festfrieren, hat der Betreiber einen kleinen Turm-Heizstrahler aufgestellt und dadurch, dass über den Sitzplätzen ein kleines Vordach mit einem Rot-Goldenen Drachen Motiv gespannt wurde, sammelte sich eine angenehme Wärme.
„Verdammt, riecht das gut. Wollen wir draußen sitzen? Für Wärme haben die Besitzer gesorgt oder magst du lieber hineingehen?“, erkundigte sich Jenny mit einem hungrigen Blick.
„Wir können gerne draußen sitzen. Ich habe nichts dagegen. Was möchtest du haben?“, erwiderte ich und machte mich bereits auf den Weg zum Bestellfenster.
Blitzschnell beantwortete Jenny meine Aktion mit einem beherzten Griff meines Arms und zog mich zurück. „Vergiss es. Jetzt bin ich an der Reihe. Du bist eingeladen. Schon vergessen?“
Ich hob beschwichtigend die Hände in die Höhe. „Verstanden Officer. Bitte verhaften Sie mich nicht gleich“, dabei drückte sich ein sanftes Kichern aus meiner Kehle.
„Setz dich schon mal. Ich komme gleich zu dir.“
Während Jenny unsere Bestellung aufgab, wählte ich einen der Tische aus und setzte mich hin. Die Geräuschkulisse war erstaunlich ruhig. Normalerweise geht in Seattle um die Uhrzeit immer die Post ab und am Samstagabend erst recht. Ich beschwerte mich jedoch nicht, denn die Ruhe sollte man einfach genießen.
Als Jenny mit unserem Essen, verpackt in den typisch asiatischen Imbisskartons an den Tisch kam, lief mir schon das Wasser im Mund zusammen, denn immerhin war es meine erste Mahlzeit des Tages und dazu noch seit einer Ewigkeit vom Asiaten. Sie stellte noch zwei Dosen Limo auf den Tisch und reichte mir ein paar Essstäbchen. Kaum dass unsere Verpackungen geöffnet waren, machten wir uns über das wirklich schmackhafte Essen her. Jenny hat sich für Ente mit Reis entschieden, was ebenfalls fantastisch aussah und zu meiner Überraschung hatte ich für den Moment auch kein schlechtes Gewissen dieses Abendessen zu genießen.
„Verdammt, war das gut, den Imbiss sollten wir uns merken“, beschloss Jenny, die sich locker in den Stuhl sinken ließ.
Nachdem ich meinen letzten Bissen aus der Schachtel vertilgt hatte, tat ich es ihr gleich. „Auf jeden Fall. Ich bin voll bis oben hin. Dein Gericht war auch lecker. Danke, dass ich probieren durfte.“
„Sehr gerne. Deins war aber auch super. Ich denke, das werde ich beim nächsten Mal auch bestellen“, lächelte Jenny, öffnete unsere Limo-Dosen und reichte mir eine davon.
Gemeinsam stoßen wir auf den Abend, das leckere Essen und die gemeinsame und erfolgreiche Rettung der kleinen Fellrakete an.
Irgendwie ein süßer Spitzname für den Kater.
Während wir noch an unseren Limonaden nippten, unterhielten wir uns über die bevorstehenden Kinofilme und neuen Videospiele. Dabei vereinbarten wir auch noch einmal die an Halloween angesprochene Fortsetzung unseres Spieleabends. Ich war natürlich etwas nervös, denn immerhin hatten wir vor dieses Mal bei ihr Zuhause weiterzuspielen und seit jenem Vorfall habe ich kaum jemanden besucht. Zwischen uns lag eine lockere Stimmung und das fühlte sich sehr angenehm an, wie immer wenn wir zusammen sind. Ich höre Jenny unheimlich gerne zu, wenn sie etwas erzählt. Sie hat eine ruhige und zugleich aufblühende Art, was einen automatisch dazu verleitet an ihren Lippen zu hängen. Ich wünschte mir auch so eine spannende und einmalige Persönlichkeit zu besitzen, doch in erster Linie bin ich dankbar dafür überhaupt jemanden wie sie kennen zu dürfen, denn diese Art von Mensch trifft man nicht oft.
Nachdem wir ausgetrunken hatten, machten wir uns bereit zu gehen. „Vielen Dank nochmal für die Einladung. Es hat sehr gut geschmeckt. Wir können gerne mal hier zu Mittag essen, wenn du magst?“, gab ich schüchtern von mir.
Sichtlich erleichtert über die Tatsache, dass sie mich zumindest für den Anfang zu gelegentlich festen Mahlzeiten brachte, erwiderte sie meine Frage. „Gern geschehen und das würde mich echt freuen. Es ist nicht allzu weit vom Café entfernt und bei einer anstrengenden Schicht tut eine Mahlzeit immer gut“, schmunzelte sie zustimmend.
Wir machten uns auf den Weg zurück zum Grass Lawn Park, der nun komplett mit den Laternen am Gehweg ausgeleuchtet wurde. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, wohin wir gingen, vermutlich zurück zum Café, wo sie mich überrascht hatte. Doch ich wollte nicht das er Abend schon jetzt sein Ende findet, denn bisher verliefen meine Abende, gerade an den Wochenenden wo ich nicht arbeiten durfte sehr monoton und durch Jenny habe ich mich wieder daran erinnert gefühlt, wie das ist etwas mit jemanden zu unternehmen. So wie früher auch. Auf der Hälfte der Wegstrecke machte Jenny plötzlich halt und schaute zu mir rüber. „Fast hätte ich es vergessen: Ich habe uns zwei Glückskekse mitgenommen. Mir ist bewusst, dass es vorgefertigte Phrasen sind, aber es gehört einfach dazu und macht doch auch irgendwie Spaß“, sie reichte mir einen der verpackten Kekse.
„Danke schön. Dann schauen wir mal, was die magischen Kekse für uns bereithalten“, erwiderte ich dezent lächelnd, während wir zeitgleich die Verpackungen öffneten und die Kekse in zwei brachen, um die Zettel zu lesen.
„Lebe mutig, lebe ehrlich, lebe offenherzig.“
Die Botschaft verpasste mir eine Gänsehaut. Beinahe unheimlich, dass ich diese Botschaft gezogen hatte, wo ich gerade noch daran dachte, dass ich den Abend ungern beenden möchte. Vielleicht sollte ich diesen Moment nutzen, etwas von der alten Max zu reaktivieren und offen über meine Gedanken und Empfindungen zu sprechen.
„Was hast du gezogen?“, erkundigte sich Jenny und versuchte neugierig auf den Zettel zu schielen.
„Sag mal, halte ich dich eigentlich von etwas ab oder so?“
Mit hochgezogener Augenbraue musterte mich der angehende Super-Cop. „Nein. Wie kommst du darauf? Ich hätte dich sicher nicht überrascht, wenn ich etwas anderes vorhätte, oder?“
Überrascht? Überfallen trifft es wohl besser.
„Gut, gut. Denn. Ich dachte mir. Vielleicht gehen wir noch zu mir und schauen uns einen Film, oder eine Serie an vielleicht spielen wir auch ein Brettspiel oder ähnliches. Natürlich, nur wenn du willst?“, fragte ich nervös und spielte dabei hektisch mit meinen Fingern und dem Zettel herum.
Unmittelbar darauf legte sich ein strahlendes Lächeln auf ihr wunderschönes Gesicht und eine ihrer Hände legte sich beruhigend auf meine. „Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und ich würde mich freuen, den Abend mit dir zu verbringen. Was kann es denn Besseres geben? Aber unter einer Bedingung“, fügte sie schmunzelnd hinzu.
Unweigerlich zogen sich auch meine Mundwinkel gen Norden, als Jenny meine Einladung annahm. „Bedingung?“
„Ich möchte wissen, was auf deinem Zettel steht. Unerfüllte Neugier bringt mich um“, lachte sie herzlich.
Ich verdrehte etwas provozierend die Augen und drehte ihr den Zettel mit der Botschaft zu, was ihr Lächeln nur weiter begünstige. „So, so. Dann hast du eindeutig den richtigen Keks erwischt.“
„Worauf du einen lassen kannst. Und? Was stand auf deinem Zettel?“, antwortete ich von ihrer Neugier angefixt und der typischen Max Caulfield Neugier in nichts nachsteht.
Ohne den Blick von mir zu wenden, drehte sie mir ihren Zettel zu
„Jemand besonderes wird dir ein Angebot machen. Nimm es an.“
„Scheint so als würden die Hersteller der Kekse wissen, was sie tun, oder?“, flüsterte sie und ihr Blick zog den meinen wie magnetisch an.
„Das glaube ich so langsam auch“, flüsterte ich zurück. Wir verweilten einige Sekunden oder auch Minuten in der Position. „Wollen wir los?“
„Sehr gerne. Ich freue mich sehr auf den Abend“, erwiderte sie weiterhin lächelnd. Dabei schnappte sie sich meinen Arm, harkte sich wieder fest unter und wir gingen gemeinsam durch den Park, den Weg entlang durch den sternenklaren und kühlen Abend von Seattle. Mit vollen Bäuchen, einer guten Tat im Schlepptau und einem mir bisher unbekannten wundervollen Gefühl der Zuneigung. Und obgleich meine dunkle Seite vor Wut kochte und die Hölle gerade mit Lava geflutet wurde, so wollte ich ihre Hand nicht loslassen, denn ich wusste. Mein altes Ich, hoch oben im Kerker der Burg, schaute stolz auf mich hinunter. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Dieser Autor möchte Reviews nur von registrierten Nutzern erhalten. Bitte melde dich an, um einen Review für diese Geschichte zu schreiben.