Life is Strange - This is our Universe
von THELOKALWRITER
Kurzbeschreibung
Eine Entscheidung kann alles verändern. Als sich Max am 11. Oktober 2013 für ihre beste Freundin Chloe und gegen die Rettung ihrer Heimatstadt Arcadia Bay entscheidet, beginnt für die beiden jungen Frauen ein neues Abenteuer. Aber der Weg in ein neues Leben ist alles andere als einfach und bringt viele Herausforderungen mit sich. Begleitet Max und Chloe bei ihrer außergewöhnlichen und emotionalen Reise und erlebt selbst, wie stark das Band der Liebe sein kann.
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / Mix
Chloe Price
Maxine "Max" Caulfield
OC (Own Character)
10.02.2022
27.02.2023
22
105.428
5
Alle Kapitel
28 Reviews
28 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
1 Review
05.02.2023
4.796
Kapitel 19 - Die wahren Everyday Heroes
Max Caulfield
Seattle, WA - Samstag, 14. November 2015
Eine lange und anstrengende Schicht neigt sich dem Ende zu. Nachdem für Rita die Frühschicht beendet war, herrschte im Café wieder Hochbetrieb, wie beinahe jeden Tag. Mit dem Laden hat unser Chef einfach einen Ort geschaffen, an dem sich die Menschen gerne treffen und ihren Kaffee trinken, Meetings abzuhalten, ihre Dates auszuführen oder auch mal einen Familienstreit schlichten. Oder zu beginnen. Das gemütliche Ambiente und den Flair, den Guiseppe aus seiner Heimat hineingebracht hat, befördern das Café aus meiner Sicht zu einem der Orte, die man kennen und besuchen sollte, wenn man in Seattle lebt oder auf Urlaub hier ist. An diesem Tag schlossen wir das Café etwa drei Stunden früher, da im Bezirk um den Stadtpark herum die Stromversorgung der Wohnblöcke über Nacht gewartet werden sollen und es dabei zu vereinzelten Ausfällen kommen kann. Warum auch immer das an einem Samstagabend gemacht wurde, ist und bleibt mir ein Rätsel. Jedenfalls war es unserem Chef zu heikel sporadisch ohne Strom zu arbeiten und hat daher die Öffnungszeiten entsprechend angepasst.
Nachdem der letzte Gast gegangen ist und Owen mit Giuseppe die Bestellung für den kommenden Montag durchging, fing ich derweil an, die Tische abzuwischen und Stühle hochzustellen. Anschließend kümmerte ich mich um den Kassenabschluss, die Bar und reinigte die Espresso- und Kaffeemaschinen. Unser Chef legt viel Wert darauf, dass die sündhaft teuren und fabelhaften Automaten auf Hochglanz poliert sind, das Mahlwerk täglich gereinigt wird und das schöne Retro-Design in seiner Gänze erstrahlt. Sein Lebenswerk bedeutet im unendlich viel und dabei möchte ich ihn natürlich so gut es geht unter die Arme greifen, außerdem kann ich zumindest auf die Art etwas Gutes tun.
Es war ungewohnt die Woche ohne Jenny zu arbeiten und einerseits vermisste ich sie. Allerdings konnte ich durch ihre Abwesenheit wieder die schützende Distanz hervorholen und sie so womöglich wieder auf den Status einer reinen Arbeitskollegin befördern. So zumindest der Plan meines stark selbst zweifelnden Charakters.
Hörte ich aber tief in mir auf die Alte Max, muss ich zugeben, dass mir jede SMS von ihr ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Ihre Nachrichten sind sehr aufmunternd, humorvoll und mit einer gesunden Portion Witz geschrieben. Und zu keiner Zeit aufdringlich. Sie hat einfach ein Händchen dafür, mit Menschen umzugehen, was es umso schwieriger machte, handfeste Gründe zu finden, die Kurve zu kratzen.
Als ich meine Arbeiten beendete, schnappte ich mir schon einmal meine Umhängetasche, meine Jacke und setzte mich an die Bar, wo ich auf den Chef und Owen wartete, damit wir das Café gemeinsam in Richtung Feierabend verlassen konnten. Mit meinem Handy vertrieb ich mir etwas die Zeit und checkte meine Busverbindung und öffnete noch einmal den Messenger, um noch einmal die letzte Nachricht von Jenny zu lesen, die mir zeitgleich Herzklopfen aber auch Angst bereitete.
Jenny: Hey Max. Zum Glück ist Freitag, auch wenn das Studienfach unfassbar spannend ist, zieht sich der Vorlesungstag heute wie Kaugummi. Ich freue mich auf jeden Fall, wenn ich wieder zu Hause bin. Hoffentlich geht es dir gut und du arbeitest nicht wieder zu viel. Denk daran, dass ich alles mitkriege. Pass auf dich auf und hab einen schönen Abend. Jenny. PS: Ich vermisse dich.
Obwohl Jenny ein Fernstudium absolvierte, um vor Ort zu sein, sobald die Polizeiakademie von Seattle ihr den lang ersehnten Platz anbietet, hatte sie pro Studienjahr eine Woche Anwesenheitspflicht. Sie war nun zum zweiten Mal dort und muss nach eigener Aussage nur noch ein einziges Mal für die Präsentation und Verteidigung ihrer Bachelorarbeit an die Universität von Portland. Glücklicherweise liegt sie nur etwa eine Stunde mit dem Flugzeug oder drei Stunden Autofahrt entfernt von Seattle.
Jedenfalls hatte ich auf ihre letzte Nachricht noch nicht geantwortet. Vermutlich lag das an ihrem PS und der Mischung aus verschiedensten Gefühlen, die in mir brodelten. Darüber hinaus machte ich mir zu viel Gedanken darüber, was ich entsprechend antworten sollte und blockierte mich somit mal wieder selbst. Natürlich vermisste ich sie auch, denn wie ich bereits feststellen musste, hat sie sich bis vor meine Burg vorgearbeitet und bereits angefangen, die Mauern einzureißen. Noch hielten sie, aber wie lange konnte ich nicht vorhersehen. Ganz zum Missfallen meiner dunklen Seite, die bereits an einem Workaround tüftelte, um die Abwehr zu verstärken. Doch die kleine Gruppe von Rebellen unter der Führung meines alten Ichs sorgte mit ihrer Demonstration für Verzögerung bei den Baumaßnahmen.
Bevor ich mich vollends in meinem Gedankenchaos verirrte, kam Giuseppe aus dem Lager nach vorne zur Bar.
„Mi scusi Max. Ich hoffe, du hast nicht zu lange warten müssen und mal wieder ist der Laden blitzeblank. Aber von dir habe ich auch nichts anderes erwartet“, schmunzelte Guiseppe mit seinem typisch italienischen Charme, während sich seinen schweren Wollmantel und Schal überzog.
Ich bemühte mich um einen bescheidenen und dankbareren Blick. „Ich versuche nur mein Bestes zu geben.“
„Das tust du. Jeden Tag glaub mir. Trotzdem müssen wir Dienstag mal über deine Stunden sprechen. Sag mir einfach, wie viele Stunden du ausbezahlt haben willst und wie viele du in Freizeit abfeiern möchtest“, erwiderte er in einem warmherzigen Tonfall.
Dienstag? Vielleicht hat er sich aber auch nur versprochen.
„Ich werde mir dazu Gedanken machen. Versprochen“, beschwichtige ich ihn, obwohl mir der Gedanke an Freizeit schon seit langem Bauchschmerzen verursachte.
„Perfetto. Bisher war Jenny immer die mit den meisten Stunden, doch dann kamst du und hast sie weit überholt. Somit liegst du in Führung. Doch du weißt, dass ich euch beiden dafür auch gerne die Löffel langziehen würde“, grinste er mahnend. Genau diese Art macht ihn so unglaublich sympathisch und ich bin dankbar so einen Chef zu haben.
Ich konnte mir mein Lächeln nicht verkneifen und stimmte ihm mit einer erhobenen Siegesfaust zu.
Nach wenigen Minuten kam auch Owen und mit seinen Sachen unter dem Arm aus dem Lager. Vor der Tür wechselten wir noch ein paar Worte.
„Ich übernehme dann Morgen die Frühschicht und Rita und dein Bruder am Abend, richtig?“, erkundige Owen sich bei Giuseppe.
Was? Ich dachte, morgen gehört mir die Frühschicht?
„Si. Vor Ladenschluss komme ich auch noch einmal ins Café. Bis dahin sollte das Familientreffen beendet sein“, antwortete Giuseppe bestätigend und überreichte Owen den Schlüssel für die Haupttür.
„Alles klar, dann bis morgen Abend, Chef. Schönes Restwochenende Max. Wir sehen uns am Dienstag“, verabschiedete er sich lächelnd von uns, was mich im Anschluss dazu brachte Giuseppe nach dem Grund für die Änderungen am Arbeitsplan zu fragen und was es mit dem Dienstag auf sich hat.
„Warum hast du mich morgen von der Schicht abgezogen?“
Streng blickend verschränkte er die Arme vor der Brust und mit seiner vor Pomade schimmernden, perfekt liegenden Frisur kam wieder dieses Mafiaboss-Gefühl auf. „Wie bereits gesagt hast du die meisten Stunden von allen Mitarbeitern und hast die Woche mal wieder durchgearbeitet. Wofür ich dir natürlich dankbar bin, gerade weil Jenny fehlte. Da du schon deinen freien Tag am Donnerstag einfach ignoriert hast, wirst du morgen und Montag zu Hause bleiben. Das ist eine Anweisung und das nicht nur von mir, Capisce?“, auch wenn mich sein Auftreten häufiger zum Schmunzeln bringt, so wollte ich ihm ungern widersprechen.
Aber wer den noch meine freien Tage angeordnet? Sein Bruder, der hin und wieder für ihn die Stunden auswertet, wenn Chef persönlich keine Zeit hat?
„In Ordnung. Dann sehen wir uns also erst am Dienstag, richtig?“, antwortete ich ein wenig widerwillig.
Giuseppe nickte und kramte in seiner Manteltasche. „Korrekt. Aber hier habe ich noch etwas für dich“, er überreichte mir einen nagelneu wirkenden Schlüssel mit einem kleinen Schlüsselanhänger, welches das Logo des Roccostrada zierte. „Es wirkt bestimmt etwas merkwürdig, aber neben meiner Familie vertraue ich dir und Jenny am meisten und daher möchte ich, dass du einen Generalschlüssel vom Café bekommst. Es ist ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung deiner unermüdlichen Arbeit, denn du bist schon quasi so etwas wie meine Stellvertretung geworden, so wie Jenny auch, obgleich wir nie offiziell darüber gesprochen haben. Aber damit eins klar ist, der Schlüssel ist auch eine Willensprobe. Du sollst jetzt nicht ständig im Café hocken und auf einmal spät abends noch Bestellungen oder ähnliches machen. Verstanden?“
Da soll mich doch der Teufel holen. Hat mir Giuseppe gerade echt einen Generalschlüssel für sein Café gegeben? Abgesehen von ihm hat nur Jenny einen. Die anderen bekommen immer nur die Schlüssel für die Vordertür, obwohl sie deutlich länger dort sind als ich. Ich muss zugeben, diese Geste fühlte sich verdammt gut an.
„WOWSER!! Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer vielen Dank für das Vertrauen. Ich werde mich bemühen, den Schlüssel nicht für Sonderarbeiten zu missbrauchen. Sollte es aber mal passieren, dann schick mich aber bitte nicht gleich zum Schlafen zu den Fischen, okay?“, schmunzelte ich und umklammerte den Schlüssel mit beiden Händen.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte mein Chef mich an und konnte sich ein herzliches Lachen nicht verkneifen. „Keine Sorge. Solange du nicht übertreibst.
„Versprochen“, nickte ich.
„Sehr gut. Dann wünsche ich dir einen schönen Feierabend und ich hoffe du hast heute noch etwas vor“, verabschiedete sich mein Chef mit einem Air Kiss auf meinen Wangen. Sehr traditionell und es steht ihm als Gentlemen der alten Schule sehr gut zu Gesicht.
„Ich denke nicht. Mein Bus kommt gleich und dann werde ich zu Hause bisschen den Haushalt schmeißen“, antwortete ich und erwiderte die Verabschiedung.
„Ich denke, dein Abend besteht aus mehr als nur Haushalt. Es ist Samstag. Es gibt viel zu erleben“, zwinkerte er, als würde er in meine Zukunft blicken können und verabschiedete sich in Richtung seines roten Alfa Romeo 156er, welchen er ganz demonstrativ vor dem Roccostrada geparkt hat.
Das war typisch mein Chef. Sobald die ersten Gäste draußen saßen und unter den Bäumen der Allee ihren Kaffee genießen, kam unweigerlich auch die Bewunderung seines Gefährts hinzu. Er ist einfach durch und durch Italiener. Wobei ich verstehen kann, dass er seinen Wagen liebt, denn wie das Café auch ist er sehr stilvoll und passt zu ihm. Vielleicht bekomme ich irgendwann mal die Chance, ihn zu fahren.
Nachdem ich meine Jacke bis zum Hals hochgezogen hatte, schnappte ich mir noch einmal mein Handy und beschloss Jenny endlich auf ihre letzte SMS zu antworten, bevor es mit dem Bus nach Hause ging. Jedoch suchte ich nach wie vor die richtigen Worte und murmelte verschiedene Antwortmöglichkeiten vor mich hin, als mich plötzlich eine Stimme hinter mir erklang.
„Du bist einfach zu niedlich, besonders wenn du dir das Köpfchen zermarterst.“
Ich zuckte kurz zusammen und als ich mich umdrehte, schaute ich in Jennys strahlendes und leicht amüsiertes Gesicht. Sie lehnte an des Cafés, trug einen dunkelblauen karierten Mantel, schwarze Jeans, passende Winterboots und einen Wollschal. „Hey. Hast du mich vielleicht erschreckt. Was machst du denn hier? Wann bist du angekommen?“
Ohne den Blick von mir zu wenden, kam sie langsam auf mich zu. „Mein Flieger ist vor knapp einer Stunde gelandet. Ich war kurz zu Hause, um meine Tasche abzulegen und wollte dich dann überraschen.“
Was dir auch gelungen ist, obwohl ich mich erschreckt habe. Doch mein Herz klopft sicher nicht deswegen so heftig.
„Die Überraschung ist dir gelungen. Mit dir habe ich nicht gerechnet. Es ist schön dich zu sehen“, erwiderte ich leise und leicht beschämt wegen der ausbleibenden SMS.
„Bekomme dann eine Umarmung?“, schmunzelte sie und öffnete die Arme erwartungsvoll.
Wie könnte ich hierzu nein sagen.
Ohne weitere Worte schloss ich Jenny in die Arme und wie immer verflogen für den Moment alle Sorgen, die ich im Kopf hatte. Sie duftete wieder herrlich nach diesem Flieder angehauchten Parfum und ich spürte ihren Atem an meinem Hals, was mir eine gewaltige Gänsehaut verpasste, aber keineswegs die unangenehme Variante. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Dabei war es gerade einmal eine Woche her. Irgendwie vergeht Zeit für mich sowieso etwas anders, denn seitdem ich damals die Fähigkeit entwickelt hatte, die Zeit zurückzudrehen, musste ich mich wieder daran gewöhnen es nicht zu tun. Es hatte etwas von einem kalten Entzug, wobei ich mir nach dem Vorfall in Arcadia Bay geschworen hatte, diese Fähigkeit nicht mehr einzusetzen. Es war schon riskant genug, als ich während dem Spaziergang mit Jenny damals auf der Promenade versehentlich einen kleinen Zeitsprung ausgelöst habe. Zum Glück blieb das ohne Folgen.
Wir lösten uns aus der Umarmung. „Wie war deine Woche?“, erkundigte ich mich.
„Interessant, aber auch irgendwie zäh. Lag aber vielmehr an den verschiedenen Niveaustufen, die in einen Hörsaal zusammengepackt wurden. Daher kamen viele Themen vor, die ich bereits durch hatte. Jedenfalls muss ich erst wieder zum Kolloquium in Portland aufschlagen und kann den Rest meines Studiums hier beenden. Wie war es bei dir?“, erklärte Jenny und strich sanft über meinen linken Oberarm.
Es ist der Wahnsinn, wie ehrgeizig Jenny ihre Ziele verfolgt. Davon sollte ich mir mal mehr als nur eine Scheibe abschneiden.
„Freut mich, zu hören. Hier war alles wie immer. Viel zu tun, aber das ist kein Problem“, antwortete ich und spielte am Verschluss meiner Jacke herum.
„Sonst irgendetwas Außergewöhnliches passiert?“, harkte Jenny nach und legte dabei diesen musternden Blick und ihr verschmitztes Grinsen auf.
Ich hatte den Eindruck, sie wusste schon wieder mehr, noch bevor ich ihr etwas erzählen konnte.
„Nun, es ist schon etwas Interessantes passiert“, erwiderte ich und zeigte Jenny den Schlüssel, welchen mir Giuseppe soeben überreicht hat. „Chef hat mir einen Generalschlüssel vom Café gegeben. Er meinte, neben seiner Familie sind du und ich die, denen er vollends vertraut“, fügte ich hinzu. Nach wie vor überwältigt von seiner Geste.
„Das überrascht mich nicht, Max. Du leistest hervorragende Arbeit und bist stets loyal und vertrauenswürdig. Das weiß ich und das weiß auch unser Chef“, stellte sie mit stolzer Miene fest.
„Hast du denn auch einen Schlüssel?“, fragte ich neugierig nach.
„Jap, aber nicht dabei. Somit sind wir drei die einzigen. Wir sind quasi die Vertretung, wenn der Pate mal nicht zugegen ist“, grinste sie breit.
Wieder huschte mir ein sanftes Kichern heraus. „Das hat er auch gesagt. Also gehören wir wohl auch zur Mafia.“
„Worauf du einen lassen kannst“, erwiderte sie lachend und ließ dabei ihre Hände entspannt in die Seitentaschen ihres Mantels gleiten.
„Und was hast du heute noch so vor?“, erkundigte ich mich vorsichtig in der Hoffnung nicht aufdringlich zu wirken.
Mit geschürzten Lippen blickte Jenny zu mir. „Eine gute Frage. Ich hatte gehofft mein „spontaner“ Überfall erlaubt es mir dich zu fragen, ob wir etwas essen gehen. Vielleicht probieren wir mal den neuen asiatischen Imbiss, der in der 152ten Straße aufgemacht hat. Wobei ich auch für Alternativen offen bin, sofern du Lust hast.“
Meinem alten Ich erfreute dieser positive Einfluss, denn das bedeutete regelmäßige feste Mahlzeiten. Zugegeben, war ich wirklich hungrig. Selbst meinen Smoothie hatte ich vergessen zu trinken.
„Klingt gut. Ich habe ewig nicht mehr asiatisch gegessen“, antwortete ich und leckte mir unbewusst hungrig über die Lippen.
„Dann lass uns gehen. Ich lade dich ein. Keine Widerrede“, gab sie entschlossen, ohne die Chance auf ein Widerwort von sich. „Darf ich?“, ergänzte sie und bat um Erlaubnis, sich beim mir einharken zu dürfen.
„Natürlich“, antwortete ich direkt. Auch wenn für mich selbst noch ungewohnt war wieder so viel Nähe zuzulassen.
Gemeinsam spazierten wir über einen mit Laternen beleuchteten Spazierweg durch den Grass Lawn Stadtpark, welcher direkt am Café angrenzte, was die Lage einfach perfekt und idyllisch machte. Während wir zum Imbiss spazierten, blieb Jenny unentwegt bei mir eingeharkt und es fühlte sich verdammt gut an. Ich hatte das Gefühl ihr endlich etwas zurückgeben zu können, obgleich ich mich trotzdem schuldig fühlte und das nicht nur wegen der unbeantworteten SMS.
Die Dämmerung wich langsam der Dunkelheit und am Himmel kündigte sich eine kalte und sternenklare Nacht an. Eine wundervolle Stimmung und die kühle Luft auf meinem Gesicht tat nach einem langen Tag wirklich gut. Als wir den Park verließen und uns vor der Kreuzung zur 152ten Straße an die Fußgängerampel stellten, hörte ich ein leises Wimmern. Erst dachte ich an den Wind, welcher durch die Bäume pfiff, obwohl er dafür zu seicht war. Als das Geräusch erneut ertönte und sich fast wie ein kleines Kind oder Tier anhörte, stupste ich Jenny vorsichtig an. „Hörst du das?“, fragte ich nach und schaute mich um.
„Ja. Klingt wie ein Heulen oder Wimmern“, bestätigte sie und guckte sich suchend nach der Quelle des Geräusches um.
„Ich glaube, es kommt von dort vorne. Am Straßenrand, unter dem Baum, neben der kleinen Mülltonne und dem Kanaldeckel“, deutete ich mit dem Finger in die Richtung.
„Lass und mal nachsehen. Nicht dass jemand Hilfe braucht“,
gemeinsam gingen wir zu der besagten Stelle und das Geräusch wurde immer lauter und kam definitiv aus dieser Ecke. Gemeinsam suchten wir den Bereich ab, ob eine Person verletzt ist und vielleicht Hilfe braucht. Während Jenny den in der Nähe befindlichen Zaun absuchte, schaute ich unter dem Baum und hörte plötzlich ein sanftes und klage volles Miauen, das aus dem nahegelegenen Kanal empor stieg, welcher mit einem aus Deckel aus groben Eisenstreben abgeschlossen war. Mit dem Blitzlicht meines Handys leuchtete ich in die Tiefen und mir funkelnden die Augen eines kleinen orangefarbenen Kätzchens entgegen, das offenkundig um Hilfe schrie.
„JENNY, komm schnell her“, rief ich und winkte sie herbei.
Nur einen Augenblick später war sie da. „Was hast du gefunden?“
„Ich glaube hier wird unsere Hilfe gebraucht“, ich deutete mit dem Licht auf das Kätzchen.
„Oh nein. Das arme Ding. Es kann nur wenige Wochen alt sein. Bestimmt ist es irgendwo ausgebüchst oder schlimmer noch ausgesetzt worden. Weil diese Kanaldeckel so breit sind, ist es sicherlich durchgerutscht. Wir müssen was tun“, erwiderte Jenny zustimmend und ebenso entschlossen wie ich dem kleinen Lebewesen zu helfen.
„Das werden wir. Können wir den Deckel irgendwie anheben? Oder ist das ohne Werkzeug zwecklos?“, erkundigte ich mich und leuchtete um die Kanten des Deckels herum.
„Viele dieser Deckel sind nur aufgesetzt und bleiben allein durch ihr Gewicht fest verankert. Sieht aus, als wäre das hier auch der Fall. Wir könnten versuchen gemeinsam um die mittlere Strebe umzugreifen und den Deckel abzunehmen“, schlug sie vor.
Ich steckte mein Handy mit dem Licht auf den Deckel gerichtet in die Brusttasche meiner Jacke. „Versuchen wir es. Auf Drei?“
Jenny nickte. „1..2..3..ziehen.“
Gemeinsam versuchten wir den Deckel anzuheben, doch er bewegte sich keinen Millimeter. Das Metall ist einfach zu rutschig und wir bekamen keinen ordentlichen Halt.
„Keine Chance. Das ist zu glatt. Wir müssen etwas anderes probieren. Es ist auch gerade keiner in der Nähe, der mal helfen könnte“, stellte Jenny fest und rieb sich nachdenklich über die Stirn.
„Wir schaffen das schon. Das Problem ist nicht das Gewicht, sondern der Griff. Lass mich mal überlegen“, antwortete ich und schaute mich um, auf der Suche nach einem behelfsmäßigen Werkzeug.
Unterdessen kamen zwei junge Männer, vermutlich in unserem Alter, vielleicht auch etwas älter, vorbei und ließen einen ekelhaften Spruch vom Stapel anstatt uns zu helfen.
„Schau dir das mal an. Die Weiber heutzutage bücken sich schon, ohne dass man nach dem Preis fragen muss“, lachte einer der Typen gehässig zu seinem Kollegen.
Seit froh, dass ich kein Superheld bin, sonst würde es Backpfeifen hageln das euch die Ohrmuscheln glühen. Aber dafür bin ich gegenwärtig und womöglich auch grundsätzlich einfach zu schüchtern.
„Helft lieber anstatt dumme Sprüche zu klopfen“, knurrte ich stattdessen erbost.
Die beiden Männer drehten sich zu uns um. „Wie war das? Will mir so eine kleine Nutte wie du etwa sagen, was ich zu tun habe? Hast du das gehört, Stephen? Der sollte man mal ordentlich zeigen, wo der Hammer hängt.“
Noch bevor ich mich erklären konnte oder die Situation schilderte, erhob sich Jenny und allein dabei strahlte sie schon eine unglaubliche Autorität aus, was mich schon etwas neidisch dreinblicken ließ.
„Pass mal auf, du Flachzange, dass du uns nicht helfen willst, einem kleinen Lebewesen, was dort feststeckt, zu helfen ist das eine Sache. Erwarte ich auch nicht von Menschen wie euch, aber sagst du noch einmal zu meiner Freundin sie sei eine Nutte, dann bückst du dich für die nächsten Wochen, und zwar vor Schmerzen. Haben wir uns verstanden?“, knurrte sie respekteinflößend und selbst der stille Kumpel blieb nun wie angewurzelt stehen und sein dummes Grinsen fiel ihm aus dem Gesicht. Nur der Typ mit der großen Klappe legte noch einen obendrauf.
„Willst du mich verarschen? Denkst du nur, weil du rattenscharf aussiehst, kannst du mir Befehle geben oder mir drohen? Weißt du, wer ich bin? Du kannst mir zu Entschuldigung einen ausgeben und mir dann auf dem Rücksitz meines Sportwagens einen blasen“, erwiderte der Typ auf widerlichste Art und Weise, was beinahe dafür sorgte das mir die Galle hochkam.
„Es ist mir scheißegal, wer oder was du bist. Respekt bekommen Menschen für respektvolles Verhalten und nicht, weil du ein Bonze bist oder weil dein Papi dir einen Sportwagen in deinen verwöhnten Arsch geschoben hat. Also pack dein kleines Rattenschwänzchen ein, nimm deinen Kumpel und mach das du Land gewinnst, sonst vergesse ich meine gute Schule“, drohte sie noch einmal deutlicher und ich bemerkte je wütender Jenny wird, umso ruhiger wird ihre Tonlage.
Der Typ hob ohne Vorwarnung die Hand und bevor ich realisierte, was gerade passiert, wich Jenny aus, verpasste ihm eine Backpfeife, gefolgt von einem Faustschlag in die Magengrube, welche ihn tatsächlich in eine bückende Haltung verfrachtete und griff seinen Arm nach hinten auf den Rücken, sodass eine Bewegung nicht mehr ohne Schmerzen machbar zu sein schien.
„Wer bückt sich jetzt, du dummes Arschloch? Jetzt pack deinen Freund und zieh Leine, sonst breche ich dir deinen beschissenen Arm. Haben wir uns verstanden?“
Der brachte als Antwort nur ein schmerzerfülltes Stöhnen hervor und keuchte vom Faustschlag in die Magengrube.
„Ob wir uns verstanden haben und wenn wir schon dabei sind eine Entschuldigung an meine Freundin wäre genehm?“, forderte Jenny mit sichtlichem Druck auf den Arm.
„JA, VERDAMMT! ES TUT MIR LEID“, schrie der Typ und ergriff gemeinsam mit seinem Mitläufer Kumpel die Flucht. „Verdammte Irre“, schrie er noch in der Ferne.
Ich stand auf und ging zu Jenny, um ihr behutsam über die Schulter zu streicheln. „Ist alles in Ordnung? Was waren das denn für Typen?“
Jenny lächelte mich an, obwohl ihre Augen zeitgleich etwas düster funkelten. „Ach, irgendwelche Blindgänger. Alles bestens Max.“
„Tut mir leid, wenn ich Ärger gemacht habe“, erwiderte ich mit schuldigem Blick zum Boden gerichtet.
Sie hob meinen Kopf am Kinn empor und schaute mir in die Augen. „Du hast nichts falsch gemacht, sondern deine Meinung gesagt. Alles richtig gemacht. Wenn du erkennst, wie stark du wirklich bist, dann wirst du solche Typen auch zum Frühstück verspeisen“, erklärte sie und obwohl die ganze Situation ziemlich brisant war, verlor ich mich mal wieder für einen Moment in diesen smaragdgrünen Tiefen ihrer Augen.
Einen Kommentar das ich mich bei weitem nicht so gut wehren kann wie sie verkniff ich mir, denn wir hatten noch etwas Wichtiges zu tun.
„Lass uns lieber wieder zu Rettung der kleinen Katze kommen. Ist dir bereits eine Idee gekommen?“, fragte Jenny neugierig.
„Noch nicht, wir brauchen etwa stabiles, idealerweise flexibles, um eine Hebelwirkung zu erzielen“, antwortete ich und schaute mich erneut um, als mein Blick auf den Stoffgürtel, der Jennys Mantel schloss, ruhte. „Das könnte funktionieren“, ergänzte ich und zeigte auf den Gürtel.
Jenny lächelte und zog den Gürtel ohne zu zögern aus ihrem Mantel. „Du bist einfach genial. Ich nenne dich ab jetzt Max Gyver“, lachte sie.
So nannte ich mich auch schon, als ich in der Scheune der Prescotts eine improvisierte Alternative zum Schlüsseldienst zauberte, um die Dunkelkammer zu öffnen. Scheint wohl was Wahres dran zu sein. Ich mag MacGyver. Doch an die Dunkelkammer will ich jetzt nicht denken.
Zaghaft lächelnd nahm ich den Gürtel an mich und wickelte ihn um die äußere Strebe des Deckels. „Kannst du ziehen? Wenn das klappt, dann öffnet sich der Deckel einen Spalt und ich kann reingreifen und das Kätzchen holen.“
„Geht klar. Pass bitte auf“, antwortete sie und nahm bereitwillig den Gürtel und fing an kräftig zu ziehen.
Nach einigen Versuchen öffnete sich dann endlich ein kleiner Spalt. Gerade so breit genug, um mit meinem Arm hineinzukommen, was ich auch direkt tat.
„Ich habe es gleich“, rief ich Jenny zu und schnappte mir das zusammengekauerte Kätzchen und hob es aus dem Kanal, bevor Jenny den Deckel wieder in die Fassung fallen ließ.
Sie steckte den Gürtel ein und gemeinsam begutachteten wir das kleine orangefarbene Kätzchen, das voller Schmutz und zitternd auf meinem Arm kauerte. Ich beschloss meine Jacke auszuziehen und das kleine Wesen wärmend einzupacken, denn es war mittlerweile stockduster und eisig kalt.
Nach einigen Minuten hörte zumindest das Zittern auf.
„Geschafft. Gute Arbeit“, lobte Jenny begeistert und legte von hinten wärmend ihre Arme um mich.
„Das waren wir gemeinsam“, fügte ich hinzu und lächelte ihr zu.
„Wir sind ein tolles Team.“
„Das sind wir“, flüstere ich ihr zu.
„Vielleicht sollten wir schauen, ob in er Nähe ein Tierarzt oder so ist. Nicht des es sich was getan hat“, bemerkte ich mit sorgenvollem Blick auf das Kätzchen.
Jenny griff unverzüglich nach ihrem Handy und schaute nach einer in der Nähe befindlichen Tiernotfall-Praxis. „Ich schaue nach, was ich finden kann.“
Wenige Momente später kam ein im Rollstuhl sitzender Mann, vermutlich in den späten Dreißigern, auf uns zu. „Entschuldigt, wenn ich euch einfach anspreche. Ich habe gerade gesehen, was ihr getan habt und finde es wirklich heldenhaft. Leider konnte ich nicht helfen, wie man sieht, aber kann ich trotzdem etwas tun?“, erklärte der Mann freundlich.
„Kein Problem. Es ist aber lieb, dass sie fragen“, erwiderte Jenny verständnisvoll und herzlich.
„In Ordnung. Dürfte ich vielleicht eine womöglich komische Frage stellen?“, antwortete der Mann an uns beide gerichtet.
„Klar“, antworteten wir, wobei ich schon ein wenig skeptisch war. Womöglich wegen der Aktion von gerade eben mit den zwei ekeligen Passanten.
„Ich arbeite freiberuflich für die Bürger Kolumne der Seattle Times und würde gerne das, was ich gesehen habe als kleinen Artikel der Woche veröffentlichen, mit Foto und ein paar Zeilen Text. Natürlich nur, wenn ich darf. Ich finde, so etwas sollte nicht unerwähnt bleiben“, erklärte der Mann, der sein Fotoapparat schon fest in der Hand hielt.
Wow, ein schönes Stück. Eine Spiegelreflexkamera von Revue Flex aus dem Jahr 2002 mit M-42-Schraubgewinde. Die ist schon fast so antik wie meine Sofortbildkamera.
„Von mir aus sehr gerne“, antwortete Jenny aufgeschlossen und schaute prüfend zu mir rüber.
Obwohl ich generell ein zurückhaltender Mensch bin und das gerade in der aktuellen Verfassung, konnte so vielleicht ein möglicher Besitzer ausfindig gemacht werden. „Natürlich“, antwortete ich höflich.
„Fantastisch. Könntet ihr kurz so verweilen. Du hinter ihr und das Kätzchen eingewickelt auf deinem Arm. Bitte stillhalten“, bat der nette Mann und schoss zwei schnelle Fotos. „Perfekt. Vielen Dank. Darf ich fragen, wie ihr beide heißt?“
„Das ist Max Caulfield und ich bin Jenny Hudson“, entgegnete sie dem Mann, der die Informationen auf in seinem kleinen Notizbuch vermerkte.
„Spitze. Vielen, vielen Dank. Hier ist meine Karte. Schreibt mir die Tage bitte eine E-Mail, dann schicke ich euch den Artikel gerne zu. Habt einen schönen Abend und passt auf das kleine Fellknäuel auf“, der Mann verabschiedete sich dankend in Richtung Innenstadt.
„Da wird wohl bald jemand berühmt“, schmunzelte Jenny und streichelt mir sanft über den Rücken.
„Hoffentlich nicht. Ich lebe gerne unter dem Radar", erwiderte ich zurückhaltend.
„Ich weiß. Das ist einer der vielen Punkte, die dich so sympathisch machen. Du drängst dich nicht in den Vordergrund. Sondern bist authentisch und bist keine Rampensau. Aber manchmal hat jeder etwas Ruhm verdient“, erklärte sie behutsam und kraulte sanft über das Köpfchen des kleinen Kätzchens während sie dabei auf mich blickte.
Wenn ich so darüber nachdenke, verlief bisher jeder Tag mit Jenny besonders. Ob es ein einfacher Spaziergang nach Hause, eine stressige Schicht, Halloween oder die spektakuläre Rettung eines hilflosen Kätzchens waren. Die Gefühle, die dadurch in mir aufkeimten, fühlten sich gut an. Wohltuend und linderten für den Moment die seelischen Sturmböen. Doch die Angst, das alles zu verlieren oder gar zu zerstören stoßen mich immer wieder weg vom nächsten Schritt. Ich möchte die Freundschaft zu Jenny so gerne festigen, doch es ist als würde an mir von zwei Seiten gezogen worden und gegenwärtig hatte ich keinen Plan wie ich diesen Zustand beseitigen könnte und wieder zu meinem alten Ich zurückfinde. Für den Moment war es wichtig, dass Jenny und ich den kleinen Fellfreund zum Tierarzt bringen. Glücklicherweise haben wir über ihr Handy eine Notfallpraxis in der Nähe gefunden, die wir zu Fuß erreichen konnten. Durch die körperliche als auch emotionale Anstrengung unserer Bergung ist mir richtig warm geworden, so etwas ist selten bei mir, denn ich bin eigentlich eine echte Frostbeule und fühle mich im Sommer immer wohler, eher sogar im Herbst. Nicht ohne Grund ist das mein Lieblingsmonat. Jedoch mussten wir unser Abendessen wohl oder übel auf später verschieben, denn für den Moment war unsere Rettungsmission noch nicht beendet, also machten wir uns gemeinsam auf einem kleinen Lebewesen in Not die benötigte Hilfe zu beschaffen.
Dieser Autor möchte Reviews nur von registrierten Nutzern erhalten. Bitte melde dich an, um einen Review für diese Geschichte zu schreiben.