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Life is Strange - This is our Universe

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / Mix
Chloe Price Maxine "Max" Caulfield OC (Own Character)
10.02.2022
27.02.2023
22
105.542
5
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Dieses Kapitel
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03.10.2022 5.556
 
Kapitel 15 - Betty sei Dank

Chloe Price

London, UK - Sonntag, 11. Oktober 2015


Ich habe keine Ahnung mehr, wie lange wir damit beschäftigt waren, uns zu küssen und hin und wieder mal Luft zu schnappen, aber definitiv nicht nur ein paar Minuten, denn als ich für einen Moment die Augen offen hatte, lief gerade der Abspann von Shaun of the Dead über den Bildschirm. Den Film werden wir ein anderes Mal erneut schauen müssen, denn heute waren wir eindeutig zu sehr abgelenkt. Wenn ich nicht schon einen höllisch angenehmen Muskelkater in den Wangen gehabt hätte, würde sich mein innerliches Grinsen nach außen sichtbar zeigen. Allmählich merkten wir beide die Müdigkeit, die sich langsam aus dem Hinterhalt anschlich.
„Huch, der Film ist ja schon zu Ende“, schmunzelte Lynn mit kleinen, müden Augen.
„Stimmt, die Zeit verfliegt, wenn man mit schönen Dingen beschäftigt ist“, erwiderte ich und lies dabei meine Hände über ihren Rücken gleiten. „Bist du müde?“, erkundigte ich mich.
Sie antwortete gähnend und machte dabei ein süß verzogenes Gesicht. „Jetzt schon. Bin fix und fertig.“
„Dito. Dann hauen wir uns doch ins Bett“, erwiderte ich und knipste den Fernseher aus.
Lynn kicherte und schnappte sich meine Hand. „OH LALA! Wir gehen ins Bett?“
Diese Frau macht mich wirklich verrückt. Hundemüde aber flirtet trotzdem noch wie ein Weltmeister.
„Darauf kannst du Gift nehmen. Außerdem hattest du schon das außergewöhnliche Privileg, dort liegen zu dürfen“, bemerkte ich, während ich sie über meine Schulter hinweg anschaute und an der Hand ins Schlafzimmer zog.
Dort angekommen zog ich die Vorhänge zu und Lynn ließ sich direkt aufs Bett fallen und beobachtete mich genau und auf meinem Rücken legte sich wieder diese verdammt angenehme Gänsehaut.
„Soll ich dir noch etwas von mir zum Schlafen ausleihen?“, erkundigte ich mich.
Sie schaute an sich hinunter und legte ihre Hände auf die Oberschenkel. „Ich bin mit deinem Outfit hier sehr zufrieden, aber wenn du mir noch etwas für die Nacht leihen würdest, sage ich nicht nein.“
Die schweren Türen meines neuen Kleiderschranks bei Seite geschoben, zog ich ein graues oversized T-Shirt und eine lange schwarze Jogginghose heraus und legte sie vor ihr aufs Bett.
„Ist das nach ihrem Geschmack gnädige Frau?“, zwinkerte ich und deutete auf die Klamotten.
Wenn es nach mir ginge, hätte ich ihr die kürzesten Klamotten gegeben, die ich da hatte, aber mein Verlangen saß noch in der Zelle, versuchte aber durch die Eisenstreben am Bund des schlafenden Wärters nach den Schlüsseln zu greifen.
„Perfekt. Ich verschwinde eben ins Bad und ziehe mich um“, antwortete sie dankend, griff sich die Sachen und ging mit einem verwegenen Grinsen auf den Lippen in Richtung Badezimmer. „Wehe dir du spannst durchs Schlüsselloch“, neckte sie mich.
„Wäre Ihnen das etwa unangenehm?“, antwortete ich und rollte damit übertrieben provokant mit den Augen.
Sie schenkte mir wieder einen ihrer fantastischen Blicke über die Schulter hinweg, bevor sie im Badezimmer verschwand. „Auf jeden Fall wäre es mir unangenehm, wenn eine so attraktive Frau mich heimlich dabei beobachtet, wie ich mir langsam die Klamotten ausziehe und mich bettfertig mache.“
Als die Tür ins Schloss fiel, schrie ein Teil von mir förmlich nach den Schlüsseln für die Zellentür, aber dann wäre es nicht bei heimlichen Blicken durch das Schlüsselloch geblieben, denn einerseits geht es bei meinen Schlössern sowieso nicht und ich wäre sowieso direkt zu ihr gestürmt, aber für den Moment war ich auch einfach zu müde, was den eingesperrten Teil nicht daran hinderte, noch einmal kräftig die Hormonbombe zu zünden. Wichtig war mir aber erst mal ordentlich auszuschlafen, denn das hatten wir beide nach dem langen Tag auch bitternötig. Während Lynn sich fertigmachte, suchte ich mir ein grünes Shirt und auch eine schwarze Jogginghose raus. Im Vergleich zu unseren Outfits zuvor fühle ich mich jetzt richtig verhüllt. Mit meinen Schlafklamotten in der Hand ging ich schnellen Schrittes zur Badezimmertür und klopfte an.
„Zimmerkontrolle“, lachte ich.
„Sie dürfen eintreten“, hallte es durch die geschlossene Tür zurück.
Ich betrat das Badezimmer und Lynn stand schon in ihrem Schlafsachen vor der Kommode, faltete die getragene Kleidung und legte sie dort ab.
„Was verschafft mir die Ehre?“, erkundigte sie sich mit herausgestreckter Zunge.
„Ich wollte dir Gesellschaft leisten und mir die Kauleiste schrubben, wenn du auch eine Zahnbürste brauchst, gebe ich dir gerne eine nagelneue“, antwortete ich und ging auf sie zu.
„Das wäre klasse, denn die habe ich ungeplanterweise leider nicht dabei“, lächelte sie dankend.
Aus dem Spiegelschrank über dem Waschbecken zog ich eine verpackte Zahnbürste hervor, befreite sie aus der Verpackung und reichte sie ihr. Gemeinsam putzen wir uns die Zähne und schauten dabei in unsere übermüdeten, aber tiefentspannten Gesichter. Es war unschwer zu erkennen, dass Lynn sich wohlfühlte und ihre kleine Beichte und somit der Stachel in ihrem Fuß nun endlich raus war, was ihr sichtlich gutgetan hat. Zugegeben hat es auch mir gutgetan, über den ganzen Scheiß aus meiner Vergangenheit zu sprechen, obwohl es mir schwerfällt. Doch bei Lynn fühlte es sich leicht an vertraut und das kenne ich von nur sehr wenigen Personen.

Wir spülten uns den Mund aus, steckten die Zahnbürsten wie von selbst in denselben Becher am Waschbecken und schlurften rüber ins Bett. Genau wie gestern Mittag warfen wir uns aufs Bett und krochen unter die Bettdecke und ohne das ich etwas sagen musste, rollte sich Lynn zu mir und zog meinen Arm um sich. Sie machte es mir wirklich einfach zu relaxen, denn ich habe gerade schon überlegt, ob es nach der ganzen Innigkeit nicht zu viel des Guten wäre, sie jetzt auch in den Arm zu nehmen, unabhängig davon, das ich das unheimlich gerne tue.
Sie schmiegte sich an mich heran und mit geschlossenen Augen flüsterte sie mir zu. „Ich danke dir für den unbeschreiblichen Tag. Hoffentlich wache ich morgen nicht auf und hab das nur geträumt. Hab eine wundervolle Nacht.“
Hey, so was Ähnliches, nur etwas cooler formuliert, wollte ich auch gerade sagen. Verdammt.
„Danke, schlaf du auch gut und nichts zu danken! Der Tag war der absolute Wahnsinn und ich werde morgen definitiv noch hier sein. Keine Sorge“, erwiderte ich leise in der Hoffnung, nicht zu schnulzig zu wirken. Was mir im Fall der Fälle aber sicher nicht schaden würde.
„Perfekt. So soll es sein“, murmelte sie und schlief wenige Augenblicke später ruhig atmend ein.
Auch mir fielen schon die Scheuklappen zu und ohne den Arm von ihr zu nehmen, legte ich mein Kopf ins Kissen, die Nasenspitze dicht an ihrem Nacken und ehe ich noch einen weiteren Gedanken fassen konnte, war ich auch schon eingeschlafen.

Die Nacht war bis auf das Unwetter, das durch die Stadt tobte, extrem ruhig. Ich habe geschlafen wie ein Stein und habe nicht einmal etwas geträumt, wobei das wohl bedeutet, dass ich mega entspannt gewesen bin. Viele Wissenschaftler kamen nach unzähligen Studien zu dem Ergebnis, dass Träume einen starken Bezug zum Alltag haben. In ihnen verarbeiten wir scheinbar, was uns im Wachzustand alles beschäftigt. Wir geben unseren Gefühlen einen Raum und ordnen sie in die richtigen Bahnen, erzeugen neue Informationen und kombinieren diese zu einem für uns stimmigen Gesamtbild. Andererseits träumen wir aber auch oftmals Dinge, die wir noch nie erlebt haben oder total abgefucktes und verrücktes Zeug.
Vielleicht sollte ich nicht so viel in der Wissenschaft herumstochern, denn nur weil ich in der Forschung arbeite, brauch ich nicht jedes Phänomen entsprechend erklären. Bleiben wir einfach bei dem Ergebnis, das ich der kleinen Gruppe von negativen Gedanken in meinem Kopf gehörig in den Arsch getreten habe und sie sich nun erst einmal die Wunden lecken mussten. Draußen war es schon hell. Ich streckte den freien Arm nach meinem Handy aus und erkundigte mich nach der Uhrzeit. Es war Viertel nach 10 am Morgen. Erstaunlich früh, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass wir erst vor sechs Stunden ins Bett gegangen sind. Ich für meinen Teil fühlte mich sehr ausgeruht, doch Lynn schlief noch tief und fest. Kurz überlegte ich aufzustehen, doch ich wollte sie ungern wecken, außerdem fühlte es sich toll an, neben ihr aufzuwachen, also legte ich mich wieder hin und relaxte einfach ein wenig schaden tut es mit Sicherheit nicht. Ich vergrub meine Nase in ihren Haaren und streichelte ihre rechte Flanke, während ihr Rücken sich an meinen Oberkörper schmiegte. Langsam rührte sich etwas und mit einem ausgiebigen Strecken verabschiedete sich Lynn aus dem Schlaf. Als sie sich zu mir umdrehte, blickte ich in ein entspanntes, glückliches und wunderschönes Gesicht. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, das ein Mensch am Morgen genauso wunderbar aussehen kann wie am Abend zuvor. Kein verschmiertes Gesicht, das einem Pandabären Konkurrenz machte oder gefühlt zwei Kilo Schminke, die im Kopfkissen verteilt sind.
Sie streckte ihren Arm nach hinten und glitt mit ihren Fingern durch meine Haare und lächelte mich an. „Guten Morgen Chloe, hast du gut geschlafen?“
„Morgen Lynn. Fantastisch wie ein Stein und du?“, erkundigte ich mich und ließ meinen Daumen über ihr Kinn fahren.
„Ebenso. Auch wenn ich mit dem Schlaf wenig Probleme hab, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, so verdammt gut geschlafen zu haben.“
Du Glückliche. Seit Arcadia weggeblasen wurde, ist meine Schlafqualität eine echte Wundertüte. Mal ist alles gut, mal drehe ich total am Kabel. In solchen Fällen muss ich wirklich mit einer Tüte aushelfen. Aber dank ihr hatte ich den besten Schlaf seit langer Zeit.
„Perfekt, und ich bin noch hier. Also hast du gestern nicht nur geträumt“, flüsterte ich und zwinkerte ihr zu.
„Das hatte ich auch gehofft, denn sonst wäre ich sehr traurig gewesen“, entgegnete sie mit strahlenden Augen und zog mich für einen guten Morgen Kuss an sich heran.
Das ist wahrlich besser als jede Zigarette und Kaffee Kombination am Morgen.
„Möchtest du Frühstücken?“, erkundigte ich mich, dabei sind meine Skills als Gastgeber im Gegensatz zu denen von Ryan, Vanessa oder Max noch ausbaufähig.
„Das klingt super“, bestätigte sie nickend.
„Dann werde ich mich anziehen und eben zur Bäckerei beim Saintsburys laufen. Ich Depp habe gestern vergessen, Lebensmittel einzukaufen“, erklärte ich amüsiert und zuckte mit den Schultern.
Lynn hopste aus dem Bett und schnappte sich ihre Sachen, die sie anhatte, als sie zu mir gekommen war. „Quatsch. Ich werde uns was zum Essen besorgen und du machst uns etwas Warmes zum Trinken. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich deine kleine Hausbar und das Abendessen mit verputzt habe. Von dem wunderschönen Tag mal abgesehen.“
Sie ist viel zu nett, um mit mir zu verkehren. Machst du das eigentlich mit Absicht Price? So zweideutig zu formulieren?
„Sicher? Dann pass auf dich auf. Weißt du, wo das Saintsburys ist?“, erkundigte ich mich.
„Auf jeden Fall. Klar bin doch hier aufgewachsen. 158a Cromwell Road richtig?“, schmunzelte sie und stand mit hochgezogener Kapuze ihrer Regenjacke in den Startlöchern.
„Richtig. Dann bis gleich und danke“, entgegnete ich.
Sie kam noch einmal zu mir gestiefelt. „Spar dir deinen Dank für andere Dinge auf“, antwortete sie und gab mir einen schnellen Kuss, ehe sie durch die Eingangstür verschwand.

Der Regen war nach wie vor heftig und die Straßen verwandelten sich mittlerweile in kleine Flüsse. Wenigstens hat der Wind etwas nachgelassen und der Donner hatte sich für eine kurze Pause zurückgezogen, ansonsten hätte ich sie mit Sicherheit nicht rausgelassen. Jedenfalls nicht zu Fuß. Mit meinem Handy in der Hand ging ich in die Küche und setzte eine Kanne Kaffee und einen Teekessel auf, den hatte der Vorbesitzer hier gelassen und mit einer kleinen Anleitung aus dem Internet konnte ich ihn problemlos bedienen. Während der Kaffee brühte und sich der Kessel erwärmte, checkte ich die aktuellen Nachrichten und natürlich den Wetterbericht. Laut BBC News soll das heftige Unwetter "Betty" am Abend zurückkommen und es wird dringend geraten, das Haus nur im Notfall zu verlassen. Die Feuerwehrkräfte und Stadtwerke hatten bereits Maßnahmen eingeleitet, um die Wassermassen von den Straßen abzuführen, damit diese nicht zu stark überflutet werden und womöglich die Undergroundstationen lahmlegen. Für die kommende Woche war die Prognose unverändert und erst in der Nacht auf Freitag sollte das Unwetter aufhören und weiter nach Norden ziehen.
Also durften wir uns die Woche noch über das stürmische Wetter freuen, aber wie ich bereits sagte, macht mir kein Wetter wirklich etwas aus, mir war nur wichtig, das unsere Verabredung am kommenden Samstag im Trockenen stattfindet, denn einen Einkaufsbummel mit derartiger Wetterbegleitung stellte ich mir nicht besonders prickelnd vor.

Während sich unsere Heißgetränke fast wie von selbst zubereiteten, deckte ich den kleinen Esstisch in der Küche mit Tassen, Tellern, ein paar Servietten, Zucker und Besteck ein. Im Kühlschrank war leider nur etwas Marmelade und Milch zu finden, es war definitiv an der Zeit einkaufen zu gehen. Aus dem Obstkorb in der Küche schnappte ich mir zwei Äpfel und schnitt sie in kleine Stücke, gab sie in eine Schüssel und stellte sie ebenfalls auf den Tisch.
Es war zwar kein 4-Gänge-Menü, aber immerhin etwas. Wirklich schade, dass wir nicht auf meinem Balkon frühstücken konnten, das war einer der wenigen Punkte, wo mich das Unwetter so richtig abfuckte. Aber vielleicht in der nächsten Woche, sofern Lynn noch möchte und nach unserem Einkaufsbummel mit hierher möchte. Wäre das dann eigentlich uns erstes richtiges "Date"?
Allmächtiger oder woran du auch immer glaubst: WARUM MACHST DU DIR SO VIELE GEDANKEN?
Die Gedanken mit einem Kopfschütteln in das Archiv verbannend, genehmigte ich mir eine schnelle Zigarette am Fenster, lüftete durch, putzte mir die Zähne und richtete mich ein wenig her. Nur wenige Minuten später klingelte es an meiner Tür und ich öffnete Lynn über den Türsummer. Begeistert und mit einem verschmitzten Lächeln flitzte sie zu mir und küsste mich, als hätten wir uns Jahre nicht gesehen.
„Ich bin schnell wie der Blitz und die Ausbeute kann sich sehen lassen“, quiekte sie begeistert und hing ihre Jacke an die Garderobe.
„Was hast du den so abgestaubt?“, erkundigte ich mich neugierig und versuchte ein Blick in die Tüte zu erhaschen.
Sie hob die Hand und wedelte mahnend mit dem Zeigefinger. „Nur Geduld. Komm in die Küche, dann zeig ich es dir.“
Warum zum Teufel sorgte diese besondere Art von ihr ständig für ein Kribbeln in meinem ganzen Körper? Ich hatte stellenweise das Gefühl, wie ein unbeholfener Teenager während seiner ersten Verabredung zu wirken. Andererseits war dies auch nur ein Gefühl, denn auf Lynn wirkte ich ganz so, wie ich die meiste Zeit über bin: Selbstbewusst, immerhin hat sie mir das mehr als nur einmal schon gesagt.
Lynn fing an, die große Papiertüte vom Saintsburys auszupacken. „Also dann fangen wir mal mit der Warenpräsentation an.“
Sie packte den Inhalt der Tüte Stück für Stück und langsam aus. Das sorgte tatsächlich für etwas Spannung. Ich hätte definitiv alles einfach ausgeschüttet.
Du bist ja auch ein Trampel, Price.
Nach und nach füllte sich meine Küchenablage mit den unterschiedlichsten Sachen, darunter Orangensaft, Obst, Aufschnitt, Butter, Brötchen und Bagels, einen Beutel mit gemischten Süßigkeiten, Kartoffelchips und einer Packung mit der Aufschrift Real Lancashire Eccles Cakes.
Sie hat jetzt nicht ernsthaft eingekauft oder?

„Hast du etwa den ganzen Laden leergekauft?“, erkundigte ich mich überrascht.
Sie schürzte die Lippen. „Es ist Sonntag und im Supermarkt war wegen des Unwetters nicht viel los, also hab ich die Chance genutzt. Außerdem wollte ich mich damit auch bei dir bedanken.“
„Wofür bedanken?“
Sie stupste mir mit ihrem Finger auf die Nasenspitze. „Dafür, dass du mich eingeladen, deine Getränke, dein Essen und am wichtigsten deine Zeit mit mir geteilt hast.“
„Aber dafür musst du dich doch nicht bedanken, wenn, dann habe ich zu danken“, antwortete ich, wobei mir kurz darauf auffiel, dass es keinen Sinn machte, dass ich mich bedankte, aber sie sollte es nicht?
„Das macht keinen Sinn. Ich habe es gerne getan und einigen wir uns darauf, dass wir beide dankbar sind, okay?“, schlug sie schmunzelnd vor.
„Damit kann ich leben. Trotzdem danke fürs Einkaufen gehen generell“, grinste ich und küsste sie auf die Schläfe.
Wir deckten den Tisch mit der schmackhaften Beute ein und ich holte den Tee und Kaffee, stellte ihn auf den Tisch und als ich die Kochplatten ausschaltete und zurück zum Tisch kommen wollte, stand Lynn mit den Armen hinter dem Rücken verschränkt vor mir.
„Eine Kleinigkeit habe ich aber noch vergessen?“, schmunzelte sie zuckersüß und ihre Augen funkelten wieder mit dieser besonderen Magie.
Meine Augen strotzten vor Neugier und blieben wie hypnotisiert an den ihren hängen.
„Ich habe das gesehen und musste sofort an dich und unseren Tag denken, daher konnte ich nicht daran vorbeigehen“, berichtete sie leise und zog eine längliche Schachtel hervor und gab sie mir.
Ich öffnete sie direkt und dort drin war eine Flasche mit Kirschlikör und einer wundervollen Verzierung. Auf dem Flaschendeckel steckten zwei Schnapsgläser mit einer kleinen Kirschblüte als Symbol. Also hat der Moment beim Likör für sie auch etwas Einzigartiges hervorgerufen. Diese Geste berührte mich innerlich sehr, und nachdem ich die Flasche genau inspizierte, stellte ich sie zu meiner kleinen, noch leeren Hausbar und gab der Flasche einen Ehrenplatz genau in der Mitte.
„Das ist sehr lieb von dir. Der Ehrenplatz ist ihr auf jeden Fall sicher. Vielen Dank“, entgegnete ich ihr dankend und etwas überfordert. Geschenke und ich sind auch noch nicht so miteinander warm geworden.
Sie erwiderte es mit einem zutiefst glücklichen Lächeln.
„Wie kann ich mich dafür revanchieren?“, erkundigte ich mich und deutete auf die Flasche im Schrank.
Sie tippte mit dem schlanken Zeigefinger auf ihre Lippen und ich wusste genau, was sie wollte, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, ging ich auf sie zu und legte meine Lippen auf ihre und küsste sie voller Dankbarkeit und Hingabe.
Wenn ich meine Gefühle schon nicht ordentlich aussprechen kann, jedenfalls noch nicht, dann wollte ich es ihr wenigstens so zeigen. Sie legte die Arme um meinen Körper und aus dem dankbaren Kuss wurde ein intensives Zeugnis unserer gegenseitigen Sympathie.
Nach einigen Minuten unterbrachen wir sanft unseren Kuss und setzten uns an den Tisch, um über das reich gedeckte Frühstück herzufallen. Die Bagels waren ein Traum und auf Lynns ausdrückliche Empfehlung hin habe ich mich über die Eccles Cakes hergemacht. Dieses luftige Gebäck aus Butterteig mit Rosinen gefüllt, schmeckt einfach geil und ich kannte bisher nichts Vergleichbares aus den Staaten. Während des gemeinsamen Frühstücks sprachen wir über ihre Zeit am Imperial College und das sie nur wenige Wochen vor Beginn meines Praktikums als Laborassistentin eingestellt wurde, zudem fragte sie mich über Seattle und das generelle Schulsystem in Amerika aus, dabei bemerkten wir einige Parallelen, aber auch interessante Unterschiede, bei denen ich nicht sicher war, welches Land es besser macht.
Dabei schwärmte sie davon, gerne mal nach Amerika zu reisen und automatisch wollte ich die Person sein, die sie auf dieser Reise begleitet.
„Die Staaten würden dir sicher gefallen. Es gibt schon coole Sachen dort und die beschissenen Orte, die so ziemlich jedes Land hat, kann man umgehen.“
„Ich habe meinen Urlaub für das kommende Jahr noch nicht eingereicht, vielleicht sollte ich mal zwei Wochen für einen Besuch über den Großen Teich blocken“, schmunzelte sie und kratzte sich dabei nachdenklich am Kinn.
„Auf jeden Fall. Ich bin sicher, du wirst es nicht bereuen“, spornte ich sie an.
Ihr Blick suchte wieder den meinen und strotzte vor Entschlossenheit. „Kommst du mit?“
Hiermit habe ich eindeutig und endgültig meinen Beweis: Sie kann Gedanken lesen, gerade noch denke ich daran, wie cool das wäre, mit ihr gemeinsam nach Hause zu fliegen und jetzt spricht sie mich drauf an? Das kann kein Zufall sein.
„Meinst du das ernst?“, antworte ich überrascht und erwiderte ihren Blick.
Sie nickte zustimmend. „Natürlich! Du kennst dich dort aus und ich kenne niemanden, mit dem ich so eine Reise lieber unternehmen würde als mit dir.“
„Klingt gut, dann werde ich Mark bei Zeiten mal auf meinen Urlaubsanspruch ansprechen müssen. Sofern sie mich im kommenden Jahr übernehmen“, erklärte ich lachend.
„Das werden sie, sonst gibt es persönlich Ärger mit mir und das wollen die Sesselwärmer in der Personalabteilung nicht, glaub mir“, knurrte Lynn mit zusammengekniffenen Augen.
Auch wenn ich mich schwer beeindrucken lasse, hatte ich keinen Anlass dazu Lynn in diesem Moment nicht ernst zu nehmen. Denn sie wirkte wirklich fest entschlossen.
„In diesem Fall kann ja nichts mehr schief gehen.“
Sie rieb sich zufrieden die Hände. „Ausgezeichnet. Dann haben wir einen Plan.“

Diese Entschlossenheit und Lebensfreude übertrumpfte stellenweise meine um Längen, und obwohl wir uns in vielen Punkten massiv unterscheiden, sind wir im Kern dann doch ziemlich ähnlich. Jeder von uns hat seine Last zu tragen, aber versucht trotzdem das Beste für sein Leben rauszuholen. Dieser Umstand bestärkte mich umso mehr darin, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe nach London zugehen, denn sonst hätte ich Lynn niemals kennengelernt, geschweige denn die anderen coolen Socken von Austin mal abgesehen der Typ ist für mich noch immer auf der Roten Liste und steht unter strengster Beobachtung, allerdings mit dem Vermerk sehr guter Sänger und Gitarrist.

„Auf jeden Fall. Das wird hella genial“, zwinkerte ich ihr zu.
„Darf ich dich was fragen?“, erkundigte sie sich und schenkte uns Kaffee nach.
Entspannt lehnte ich mich in den Stuhl zurück. „Klar schieß los.“
„Was hat es mit dem hella auf sich? Das habe ich mich schon die ganze Zeit gefragt", fragte Lynn neugierig.
„Wieso? Klingt es etwa doof?“, erkundigte ich mich mit gerunzelter Stirn.
Price du Flasche, dein Gehirn etwa schon weg gekifft? Sie will vielleicht nur wissen, woher der Slang kommt!  
„Nein keineswegs, es klingt richtig cool. War nur neugierig, woher der Spruch kommt“, erwiderte sie leicht verunsichert, aber trotzdem lächelnd.
„Das habe ich damals von Rachel übernommen. Sie hat das öfters gesagt und sie hatte den Slang aus ihrer Heimat Kalifornien. Es ist witzig, das ich sie damals genauso fragte wie du mich jetzt. Jedenfalls habe ich es dann automatisch in meinen Sprachgebrauch übernommen und das schon seit über fünf Jahren“, erzählte ich und erwiderte ihr Lächeln.
„Aus Kalifornien also okay darauf wäre ich nicht gekommen. Jetzt bin im Bilde.“

Für unser Frühstück haben wir uns ausgiebig Zeit gelassen und am Ende saßen wir satt und zufrieden auf unseren Stühlen. Wir hatten keinen Plan, was wir heute machen sollten, denn das Wetter offenbarte sich als wahrer Spielverderber, außerdem wusste ich nicht, ob sie noch bei mir bleiben will oder nach Hause muss. Dies galt es herauszufinden, wenn es nach mir ginge, könnte sie gerne bei mir bleiben.

„Wie sieht dein Plan bei diesem "grandiosen" Wetter für heute aus?“, erkundigte ich mich und nippte an meiner Kaffeetasse.
„Heute Abend gehe ich mit meinem Papa, Mama und Großmutter essen, das ist eine Art Tradition geworden, seitdem mein Großvater verstorben ist, dass wir einmal im Monat im Shepards Fischlokal was essen gehen. Aber bis dahin würde ich gerne bei dir bleiben, wenn ich darf“, antwortete Lynn mit Hoffnung auf eine positive Antwort.
Natürlich darfst du! Dumme Frage
„Für diese doofe Frage sollte ich dir gehörig in den Hintern treten. Klar darfst du bleiben“, erwiderte ich grinsend über den Tassenrand hinweg.
„Ich warte schon drauf“, raunte sie provokant. „Vielleicht nehme ich dich beim nächsten Abendessen mit, wenn meine Familie nichts dagegen hat. Du würdest dich super mit Ihnen verstehen, besonders mit meinem Paps“, ergänzte Lynn lächelnd und schnappte sich ein Stück Apfel.
Ihr Ernst? Sie will mich ihrer Familie vorstellen? Das kann heiter werden. Andererseits bin ich doch eine coole Socke und wenn ich selbst mit Spießer-Staatsanwalt Amber zurecht bin, dann wohl mit Sicherheit, auch mit Lynns Familie, die wohl um Welten entspannter drauf sein wird, darauf wette ich.
„Klar, solange du keine Angst hast, dass deine Eltern einen Schock von deiner Arbeitskollegin bekommen“, antwortete ich mit Betonung auf Arbeitskollegin.
Ihr Blick wurde finster und feurig zugleich. „Einen Schock bekommen sie schon nicht und wenn, dann im Positivem und mit Sicherheit bist du am Tisch nicht meine Arbeitskollegin.
Irgendwie würde es mich schon reizen, das Thema weiter auszurollen, aber andererseits möchte ich die restliche Zeit mit ihr nicht mit zusätzlicher Gefühlsduselei versalzen.  
„In Ordnung, dann ruf mich an, wenn es so weit sein sollte. Tut mir übrigens leid mit deinem Großvater, wann ist er den gestorben, wenn ich fragen darf?“, erkundigte ich mich fürsorglich.
Ihre Gesichtszüge transformierten sich von streng zurück zu sanft. „Das werde ich. Das ist schon lange her. Ich war gerade vier Jahre alt und knapp ein Jahr bei meinen Eltern, als er gestorben ist, daher habe ich nur ein paar verschwommene Erinnerungen an ihn. Meine Familie redet immer in den höchsten Tönen von ihm, er oft kein einfacher Mensch, aber immer für seine Liebsten da und darauf kommt es doch an oder nicht?“
Ich beantwortete ihre Frage umgehend mit einem deutlichen Nicken. „Absolut. Außerdem was bringt es dir, wenn du die absolute Vorzeigefamilie nach außen hin hast, aber hinter geschlossener Tür ist alles nur im Arsch. Mein Dad war wie dein Großvater. Hatte auch seine mürrischen Momente aber war ein wundervoller und ehrlicher Mensch.“
Bei dem Gedanken an ihn wurde mir warm ums Herz, denn er war ein wirklich guter Mensch, hat alles für uns getan und wir waren glücklich zusammen, bis dieser verfluchte Bastard von LKW Fahrer mir meinen Dad genommen hat. Natürlich planen die wenigsten Menschen aktiv jemanden umzubringen, doch bei meinen Liebsten kann ich einfach nur objektiv bleiben. Um meine Wut darüber nicht überhandnehmen zu lassen, schüttelte ich kurz den Kopf und wandte mich wieder Lynn zu, die mich besorgt anschaute.

„Alles in Ordnung, Chloe?“, fragte sie besorgt und legte ihre Hand auf meine.
„Sicher, nur ein böser Gedanke aus der Vergangenheit. Nicht der Rede wert“, erwiderte ich und verschränkte meine Finger in ihren.
„Ich hätte deinen Dad gerne kennengelernt, aber ich bin absolut sicher, das er ein toller Kerl war, und er hat eine umwerfende Tochter großgezogen.“
„Das wäre schön gewesen und bitte nicht so viel Lob meiner Person betreffend, sonst laufe ich noch rot an und das hasse ich beinahe so sehr wie Emojis“, grinste ich.
Sie streckte mir die Zunge raus und warf ihren Kopf in den Nacken. „Tja, dein Pech. Gewöhn dich dran.“
Du solltest wirklich damit aufhören, sonst gewöhne ich mich wirklich noch daran und ob das gut ist, wage ich zu bezweifeln.

Wir tranken gemeinsam unseren Kaffee aus und räumten die Überreste des Büffets in den Kühlschrank und machten klar Schiff. Anschließend beschlossen wir es uns auf der Couch bequem zu machen und noch einen Film zu schauen und dieses Mal waren wir versucht darin auch etwas vom Film mitzubekommen, wobei mich die Ablenkung heute Nacht beim Film in keinerlei Hinsicht störte. Bei dem Gedanken daran fing ich direkt an zu grinsen. Nach einer ausführlichen Sichtung der Netflixmediathek entschieden wir uns für den ersten Teil der Taken Reihe, denn Lynn kannte die Filme noch nicht. Die Reihe ist wirklich cool, wobei mir Teil eins persönlich am besten gefallen hat. Während wir gespannt auf den Fernseher starrten, lagen wir Arm in Arm entspannt auf der Couch und genossen erneut die Zweisamkeit, die schon bald sein Ende finden würde. Nachdem der Film zu Ende war, klatschte Lynn begeistert, denn ihr hat der Film sichtlich gefallen, das merkte ich auch daran, das sie sich vor Spannung immer wieder mal in mein Knie gekrallt hatte. Wir redeten noch eine Weile über den Film generell und ich versprach ihr die anderen Teile mit ihr gemeinsam zu schauen.

Es wurde immer später und irgendwann nach fünf Uhr am Abend und dem per Telefon bestellten Taxi ging Lynn langsam in den Flur, um sich ihre Schuhe und Jacke anzuziehen. Ich folge ihr und unterdrückte dieses Gefühl von Wehmut, das dieses geniale Wochenende in wenigen Augenblicken sein Ende finden würde.
„Hast du alles?“, erkundigte ich mich in der Hoffnung normal zu wirken.
„Ich denke schon, aber selbst wenn nicht, wird es bei dir sicher nicht verloren gehen“, kicherte sie.
„Stimmt. Ist dein Taxi schon auf dem Weg?“
Sie nickte. „Ja, der Fahrer sagte mir, dass er hupt, sobald er vor der Tür steht.“
„Meldest du dich, wenn du zu Hause bist, bevor ihr zum Essen fahrt?“, forderte ich mit einem Hauch Besorgnis.
Price, fahr dich mal runter, du klingst wie eine Mutter, die ihr Kind ins Sommercamp schickt.
„Natürlich. Du bist einfach zu süß“, erwiderte sie schmunzelnd.
Jetzt hast du den Salat, sie hält dich für einen Softie. Glückwunsch.
„Ich würde mich eher als Süß-Sauer bezeichnen. Mit Fokus auf Sauer“, lachte ich und versuchte so meine komischen Gedanken, die sich von meinem Arschtritt gestern scheinbar erholt hatten, wieder zurück auf die Strafbank zu schicken.
Lachend über meinen Spruch wuschelte sie mir durchs Haar. „Ich kann mit beidem leben.“
Wieder fanden wir uns in einem Gefecht aus blauen und grauen Augen wieder, wurden aber jäh vom lautstarken Hupen des Taxis, das gegen den laut plätschernden Regen ankämpfen musste, unterbrochen.
„Mein Taxi ist da“, bemerkte Lynn mit traurigen Blick.
„Leider“, flüsterte ich und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.
Sie neigte den Kopf und küsste meinen Handknöchel. „Ich würde auch gerne bei dir bleiben, aber wir sehen uns morgen in der Uni.“
Mit einem seichten Lächeln nickte ich zustimmend.
„Ich danke dir jedenfalls von Herzen für den wundervollen Tag und freue mich schon wie verrückt auf Samstag“, lächelte sie voller Vorfreude und mit strahlenden Augen.
„Der Tag war super und braucht auf jeden Fall dringend eine Fortsetzung“, forderte ich und zog sie an mich heran.
„Worauf du dich verlassen kannst“, hauchte sie und wir küssten uns voller Hingabe.
Als das Taxi erneut ein lautes Hupen sendete, lösten wir uns und ich verabschiedete Lynn. Sie verließ mein Apartment, warf mir einen Luftkuss zu und haute noch einen letzten Satz raus, eher sie die Treppen hinunter ging. „Ich mag dich sehr, Chloe Price.“

Das hatte mich kalt erwischt und ich hasste es, unvorbereitet zu sein und wie ein Trottel dazustehen, daher war meine automatische Antwort auch selten dämlich gewesen. „Danke, gleichfalls.“ Ein belustigtes Kichern hallte im Flur nach oben und dann war sie weg.
Beschämend über meine halbherzige Antwort ging ich zum Schlafzimmerfenster und versuchte durch den heftigen Regen und die Bäume unter mir einen letzten Blick von Lynn zu erhaschen. Als das Taxi in einer Seitenstraße verschwand, klebte ich wie hypnotisiert mit der Stirn an der kalten Fensterscheibe fest und fühlte mich wie ein Rockstar nach seinem letzten Tourneeauftritt. Es war still geworden im Apartment und auch wenn ich mich sehr gut alleine beschäftigen konnte, war es verdammt ungewohnt, nach diesem Wochenende wieder alleine zu sein. Die Zeit mit ihr war einfach wundervoll und rundete den für mich eh schon perfekten Start in London ab. Natürlich überkamen mich minimalste Zweifel, ob ich das alles verdient hatte und Lynn einen besseren Umgang verdient hätte immerhin bin ich oftmals ein echter Stinkstiefel und habe vielen Menschen, die mir nahe stehen, auf die Füße getreten, obwohl sie es gut mit mir meinten und bei einigen von Ihnen kann ich mich nicht einmal mehr bedanken oder entschuldigen.
Jetzt sei mal kein Waschlappen. Trink dir lieber ein Bier und gut ist.
Genervt rollte ich die Augen. „Halt die Schnauze, nur einmal in deinem Leben“, antwortete ich mir selbst.
Damit mich das Gefühl des Vermissens nicht durchdrehen ließ, ging ich zu meinem Nachttisch und schnappte mir etwas von meinem Spezialvorrat. Bei dem Gedanken, wie ich die kleine Tüte in einer holen Strebe meines Koffers ins Land geschmuggelt habe, musste ich lachen. Natürlich war das etwas mutig eher riskant und ich befürworte eigentlich keinen Drogenschmuggel, jedenfalls nicht im großen Stil. Aber wenn andere Reisende Schnaps und anderes Zeug legal mitführen dürfen, werde ich wohl eine kleine Entspannungskur dabei haben dürfen.

Gerade als ich in der Küche meine Soundbar einschaltete und mir meinen ersten Joint seit dem Umzug drehte, brummte mein Handy auf dem Küchentisch und wie von der Wespe gestochen schnappte ich es mir in der Hoffnung, eine Nachricht von Lynn zu sehen.
Du Pfeife, wie soll das gehen? Sie ist erst vor fünf Minuten abgefahren und du hast gesagt, sie soll sich melden, wenn sie zu Hause ist.
„Habe ich dir nicht gerade gesagt, du sollst die Schnauze halten?“, knurrte ich mir selbst zu und klopfte dabei auf den Tisch.
Ich entsperrte das Handy und sah eine ungelesene Nachricht von Mark in der I.C.M. Messengergruppe.

Mark: Guten Abend ihr Mafiosi, wie ihr sicher alle mitbekommen habt, tobt ein das Unwetter „Betty“ über London und Umgebung. Wegen der angekündigten Warnmeldung der Wetterstationen und der Verschlimmerung der Lage in der kommenden Woche hat die Leitung der Universität beschlossen, die Arbeit und den Studienalltag erst einmal bis einschließlich Mittwoch ins Homeoffice zu verlegen. Den Studenten werden Heimaufgaben per E-Mail zugeschickt. Einen genauen Ablaufplan für die Woche sende ich euch später ebenfalls per Mail. Ich finde, das ist eine wichtige Sache und dient unserer Sicherheit, denn ich will keinen von euch in Gefahr wissen. Außerdem hat es doch sein Gutes, wenn man mal im Schlafanzug arbeiten kann (sofern kein Meeting mit Webcam ansteht) :D.

PS: Unser Pub-Friday findet natürlich statt, sofern die Stadt bis dahin nicht untergegangen ist. Ansonsten machen wir einen Angelausflug.

Liebe Grüße
Mark

Chloe: Guten Abend Chef, alles klar, klingt nach einer guten Sache. Dann freue ich mich auf die kommende Woche und auf den Freitag sowieso.

Ich kann es nur vermuten, aber auf meinem Gesicht musste sich das wohl breiteste Grinsen das je existierte gelegt haben, eines, das selbst dem Grinch gehörig Konkurrenz machte. Mein Dank ging auf jeden Fall an das liebe Unwetter Betty raus, denn mir kam gerade eine geniale Idee, aber zuvor war es an der Zeit, meinen perfekt gedrehten Joint zu genießen, mich dabei entspannt zurückzulehnen und aus dem Küchenfenster die Rückkehr der Blitze, die am Horizont in Richtung Stadt kamen, zu beobachten.
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