Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Life is Strange - This is our Universe

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Liebesgeschichte / P18 / Mix
Chloe Price Maxine "Max" Caulfield OC (Own Character)
10.02.2022
27.02.2023
22
105.542
5
Alle Kapitel
28 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
29.09.2022 4.674
 
Kapitel 14 - Sittenwächter

Chloe Price

London, UK - Sonntag, 11. Oktober 2015


Das heftige Unwetter, was draußen durch die Nacht tobte, konnte dem Feuerwerk der Gefühle in meinem Körper nicht die Stirn bieten. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und ich weiß nicht mehr, wie lange wir dort standen und uns küssten, aber mir war es auch egal. Ich wollte diesen Moment einfach nur genießen. Zwischendurch schnappten wir beide nach Luft, immer Stirn an Stirn und schauten uns an, ohne ein Wort zu wechseln. Ihre Augen sendeten wieder diese höllisch anziehenden Blicke, welche sie mir über den Tag verteilt immer mal wieder schenkte und nun in Dauerschleife. Ein Teil von mir war sowas von bereit gewesen, sie ins Schlafzimmer zu ziehen und ihr die Klamotten vom Leib zu reißen, doch dieser intensive, knisternde Moment legte mein Verlangen in Handschellen fast so wie ein Sittenwächter in den 50er-Jahren, doch in diesem Moment war ich nicht in der Lage gewesen, meine Gefühle und Eindrücke vernünftig zu ordnen, geschweige denn einen Grund für meine
Teilzurückhaltung zu suchen. Das wollte ich auch nicht, die Zeit dafür würde noch früh genug kommen.
Ich wollte kein Drama, keine Sorgen, sondern einfach nur genießen und nichts anderes spüren außer Lynn, die sich eng an mich schmiegte. Irgendwann lösten wir uns voneinander und machten es uns auf der Couch bequem. Lynn lehnte sich an meiner Schulter an und ließ ihre zarten Fingerspitzen über meinen Unterarm gleiten. Sofort wurde mein Rücken von einer angenehmen Gänsehaut überzogen. Sie hat wunderschöne Hände, trug an dem Abend einen dunkelblauen Nagellack, aber keine dieser ekelig aufgeklebten Kunstnägeln, die aussehen wie Käsepicker auf einer Geburtstagsparty. Einfach nur eine tolle Farbe auf ihren Nägeln. Genau so soll es sein. Sie bemerkte, wie ich ihre Hände begutachtete, schenkte mir wieder einen dieser besonderen Blicke und unterbrach nach einer gefühlten Ewigkeit die Stille.

„Was schaust du dir an?“, flüsterte Lynn und schmiegte ihre Wange an meine Schulter.
Ich schnappte mir ihre Hand und hob sie ein Stück empor. „Deine wunderschönen Hände.“
„Sagte die mit den schönen Händen und danke dir für das Kompliment, du kannst wirklich lieb sein, wenn du willst“, bemerkte sie dankend mit einem leicht provokanten Unterton.  
„Danke für die Blumen, aber gewöhne dich nicht daran. Ich bin selten nett“, grinste ich frech zurück.
„Ich freue mich drauf, dich wieder frech zu erleben. Als ich dich vorhin überfallen hatte, gefiel mir das schon sehr gut“, antwortete sie zufrieden und knabberte kurz an ihrer Unterlippe.
Kannst du bitte damit aufhören? Das macht mich noch mehr an.
„Lass dich überraschen. Ich finde es aber gut, dass du keine Kunstnägel oder ähnlichen Quatsch trägst. Das wäre dir sowieso nicht gerecht.“
„Auch wenn es durchaus ein paar Menschen da draußen gibt, denen das gut steht, gehöre ich definitiv nicht dazu. Ich stehe absolut nicht auf diesen ganzen Fake-Beauty-Kram. Wimpern, künstliche Nägel oder Frauen, die sich ihre eigenen Augenbrauen abrasieren, nur um sich neue aufzumalen. Das sieht doch einfach scheiße aus“, erklärte sie mit einem angewiderten Blick und fasste sich dabei an die Stirn.
Sie kann eindeutig Gedanken lesen, denn mich kotzt das auch an und sie hat recht: Es sieht scheiße aus.
„Definitiv! Ich habe nichts dagegen, sich herzurichten, aber auszusehen, als wäre man gerade aus einer Lackiererei gekommen, geht gar nicht", antwortete ich belustigt über meinen eigenen Spruch.
„Allerdings. Natürlich schminke ich mich gerne oder ziehe auch oft schöne Klamotten an, aber ich will nicht aussehen wie eine Puppe, daher halte ich es dezent. Außerdem habe ich es nicht nötig“, erklärte sie selbstsicher und schmunzelte über ihre leicht eingebildete Aussage.
„Nötig hast du es wirklich nicht und ich stehe total auf deinen Stil. Meine Auswahl an Klamotten ist da etwas anders“, erwiderte ich und zeigte an mir herunter.
„Und? Er ist verdammt cool und außerdem stehen dir auch andere Sachen perfekt. Ich denke nur zu gern an den Mottoabend im Blackbird zurück. Dein Mafiaoutfit. Verdammt heiß und ich könnte mich dir auch gut in einem schwarzen Abendkleid vorstellen“, fügte sie lächelnd hinzu.
Ich in einem Kleid? Dafür musst du mir aber ein gutes Gegenangebot machen, Süße
„Mal sehen, ob du mich mal in einem Kleid siehst. Kannst ja mal versuchen mich zu überreden, vielleicht hast du gute Argumente dafür. Unabhängig davon mag ich meinen Stil. Aber ich wage es auch mal etwas Neues auszuprobieren, schadet nicht.“
Lynn blickte erneut zu mir und ließ ihre Hand über meine Haare gleiten. „Egal, welchen Stil du gerade pflegst. Wichtig ist das du dir und deinen Prinzipien treu bleibst, klar neue Dinge sollte man immer ausprobieren, doch dabei musst du dich wohlfühlen, außerdem siehst du immer verdammt gut aus, egal was du gerade anhast“, erklärte sie mit einem verschmitzten Lächeln. „oder auch wenn nicht“, fügte sie flüsterleise mit funkelnden Augen hinzu.
Sie macht mich echt wahnsinnig mit ihren direkt indirekten Flirts. Dabei ist das sonst mein Job. Das werde ich auf jeden Fall überbieten können. Pass nur auf.
„Wir werden sehen. Aber nur, wenn du mir eine Auswahl deiner besten Klamotten präsentierst und ich exklusive zuschauen darf, wie du sie durchprobierst“, funkelte ich fordernd zurück.
„Deal. Wann?“, erwiderte sie unmittelbar darauf.
„Nach unserem Shopping Trip am Samstag?”, schlug ich vor.
Wieder ließ sie ihre Finger durch meine Haare gleiten. „Ob ich das so lange abwarten kann, dir meine Kleidersammlung zu zeigen? Wer weiß. Aber ich werde es überleben. Gerade so“, flüsterte sie grinsend und voller Vorfreude.

Auch wenn mein Verlangen sie auf der Stelle mit Haut und Haaren zu fressen immer stärker wurde, hatte ich das Gefühl etwas packte mich am Kragen und hielt mich nach wie vor zurück. Es war schon eine lange Zeit her, dass ich so ein Hin und Her verspürte. Normalerweise lasse ich eine Chance nicht anbrennen, wenn mir jemand gefällt. Nein, ich bin keine Schlampe. Mich kotzen diese Stereotypen der Gesellschaft richtig an, nur weil man ein aktives Datingleben führt, ist man gleich leicht zu haben. Seit Arcadia Day habe ich nur drei kurzzeitige Dates gehabt und bei einem davon gab es nicht mehr als eine nette Unterhaltung, Kaffee und Donuts. Ich kannte den Unterschied zwischen einer innigen Beziehung und lockeren Bettgeschichten aus eigener Erfahrung, doch für den Moment steckte diese Gedanken zurück in die Schublade, denn damit wird sich später noch genug beschäftigt.
Die Zeit verging und es muss schon nach zwei Uhr in der Nacht gewesen sein und wir unterhielten uns über die verschiedensten Dinge, ohne unseren leidenschaftlichen und ausgedehnten Kuss während des Tanzes anzusprechen, als wäre dieser in einer ganz anderen Zeitebene passiert. Einerseits ersparte es mir überschwänglich über Gefühle zu sprechen, andererseits war ich schon etwas nervös und neugierig, wie Lynn über das Geschehene dachte.
Ich überreichte ihr das Redezepter, denn ich war neugierig, mehr von ihr zu erfahren und ihr zuzuhören und sie dabei zu beobachten ist einfach verdammt entspannend. Bis auf ein paar dezent zärtliche Berührungen und einige Blicke war die Stimmung zwischen uns angenehm, aber auf einmal distanzierter als vorher. Das verunsicherte mich schon etwas. Hatte ich etwas verbockt? Andererseits hat sie es doch deutlich eingefordert und ebenso genossen wie ich. Hoffte ich jedenfalls. Vielleicht zerbrach ich mir auch zu sehr den Kopf darüber, aber merkwürdig war dieser rasante Stimmungswechsel allemal. Meine Skepsis wurde unmittelbar darauf bestärkt, als Lynn wie von der Tarantel gestochen aufstand, in Richtung Flur verschwand und hektisch nach ihrer Jacke griff. Ich hing mich an ihre Fersen, um den Grund für diese plötzlich auftretende Aufbruchstimmung in Erfahrung zu bringen.

„Wo willst du denn auf einmal hin?“, erkundigte ich mich verwirrt.
Als hätte sie ihr Selbstvertrauen verloren, nestelte sie nervös an ihrer Jacke herum, die sie dabei auch noch schief zuknöpfte. „Es ist spät geworden und ich muss jetzt nach Hause.“
„Ähm hast du mal nach draußen geguckt? Außerdem ist es mir egal, wie spät es ist. Was ist denn los?“, antwortete ich besorgt aber direkt.
„Ja. Ja. Natürlich. Ich rufe mir ein Taxi und fahre dann nach Hause. Außerdem möchte ich dich nicht zu sehr nerven. Du hast schon den ganzen Tag mit mir verbringen müssen“, rechtfertigte sie sich, ohne mir dabei in die Augen zu schauen.
Was zum Teufel schiebt sie denn jetzt für einen Trip? Vor nicht einmal einer Stunde hat sie mit mir aufs Heftigste geflirtet und rumgemacht und nun ein kompletter Stimmungskiller und ihr Selbstvertrauen ist auch flöten gegangen? Was geht den hier ab? Verschweigt sie mir etwas? Vielleicht doch eine heimliche Beziehung, die zu Hause und ich bin nur der Spaß für zwischendurch?
„Der Gin muss wohl schlecht gewesen sein, denn du laberst gerade so einen Unsinn. Denkst du ernsthaft, ich würde dir Hinweise und Anspielungen geben, dass du vorbeikommen sollst, wenn ich das nicht wollen würde?“, erwiderte ich sichtlich streng.
Nach wie vor klebte ihr Blick auf dem Fußboden fest. „Wegen seines hohen Alkoholgehalts kann Gin nicht schlecht werden. Maximal das Aroma verlieren.“
So, so. Die Kleine will nach unserem geilen Tag einfach stiften gehen, aber schafft es noch neunmalklug daher zu kommen?
„Das weiß ich selber du Quatschkopf. Willst mich hier ernsthaft stehen lassen, aber schaffst es trotzdem noch, den Besserwisser raushängen zu lassen? Und würdigst mich noch nicht einmal eines Blickes“, fügte ich mit verschränkten Armen und schiefem Blick hinzu.
Eine unangenehme, fast traurige Stimmung erfüllte den Flur meines Apartments. Die Lynn von heute Mittag hätte mir mit ihrer Schlagfertigkeit umgehend kontra geboten, aber davon war gerade nichts zu sehen. Ich machte einen langsamen Schritt auf sie zu, hob ihren Kopf am Kinn empor und schaute in glasig verschreckte Augen.
Heult sie gleich ernsthaft los? Dabei war das noch mein Einsteigerprogramm! Fuck Price sei nicht immer so ein Arschloch. Du kannst auch mal liebevoll sein. Das wird dir nicht im Hintern stecken bleiben.
„Was ist los mit dir. Raus mit der Sprache“, forderte ich in einer deutlich ruhigeren Tonlage.
Lynn holte tief Luft und brauchte ein paar Augenblicke, um sich zu fangen.
„Ich habe dir doch erzählt, dass meine Schulzeit sehr harmonisch und frei von Mobbing war. Erinnerst du dich?“
Ich antwortete ihr mit einem Nicken und beobachtete sie dabei aufmerksam.
„Ich habe dich angelogen, denn das war nicht die ganze Wahrheit. Ich habe die Schule wechseln müssen und erst danach habe ich diesen tollen Freundeskreis und die schöne Zeit erleben dürfen“, erklärte sie sichtlich beschämt.
„Schon okay. Erzähl mir, was passiert ist, bevor du auf die neue Schule kamst“, beruhigte ich sie und legte meine Hand an ihre linke Wange.
Sie schmiegte ihr Gesicht in meine Hand und schloss kurz die Augen, bevor sie weiter sprach. „Ich war damals 13 und schwärmte für einen etwas älteren Jungen. Er war 15. Er gehörte zu einer beliebten Gruppe und es dauerte etwas, bis wir uns annäherten. Er war sehr fürsorglich, zeigte Interesse und gab mir das Gefühl, begehrt zu sein. Aber das war alles nur eine Fassade. Ein perfides Spiel.“
Ich zog sie sanft zu mir und wir setzten uns auf den Boden. „Was hat der Pickel sprießende Schnösel getan?“
„Er hat mir zugehört, er hat mich reden lassen und mich dabei nur angeschaut. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Nachdem wir uns dann das erste Mal küssten, ist er kurz darauf gegangen und sich nicht mehr gemeldet. Er hat fiese Dinge über mich gesagt und was ich ihm anvertraut hatte, rumerzählt, nur um in seiner Clique der große Macker zu bleiben, weil ich das adoptierte Mädchen aus einfachen Verhältnissen bin“, berichtete sie mit gebrochener Stimme.
Scheiße. Ich glaube der Grund, warum sie gerade abhauen wollte ist mir nun bekannt.
„So ein verdammter Dreckskerl. Ich hasse solche Menschen. Weder was in der Hose noch im Schädel, können sich noch mit einem trockenen Bagel rasieren, aber Hauptsache mit den Gefühlen anderer spielen, nur weil sie glauben, sie dürften das aufgrund von Geld, Macht und Einfluss", knurrte ich wütend und ballte meine freie Hand so fest zur Faust, das die Knöchel schon weiß wurden.
Solche Pisser kenne ich aus meiner Zeit an der Blackhell nur zu gut.
„Nach diesem Vorfall und den Mobbingattacken bin ich jedenfalls nicht mehr in die Schule gegangen und mein Papa hat den Grund dafür herausgefunden und den Typen ordentlich zur Sau gemacht. Anschließend haben meine Eltern und ich eine neue Schule gefunden und dann wurde alles gut. Aber diese Erfahrung hat sich eingebrannt und…“, sie schloss die Augen und schmiegte ihre Wange wieder fest gegen meine Hand.
„Und deswegen hat dich das gerade getriggert, als ich dich habe reden lassen und dabei beobachtet habe. Deswegen wolltest du abhauen, du hattest Angst, das erneut zu erleben“, stellte ich fest und beendete so ihren Satz.
Lynn nickte zaghaft und öffnete ihre Augen. „Richtig. Es tut mir so leid. Auf keinen Fall will ich dir das Gefühl geben, das du genauso bist wie er oder diese Art von Menschen, denn das bist du nicht. Mich packte einfach die Angst und daher wollte ich wie fremdgesteuert gehen, aus Angst, so was noch einmal zu erleben. Aber ich arbeite daran. Versprochen. Ich hoffe damit jetzt nichts zerstört zu haben.“
Ich legte meine zweite Hand an ihre andere Wange und schaute ihr in die Augen. „Schon vergessen. Ich kenne das Gefühl sehr gut, wenn Erlebnisse dich einholen und kräftig in den Arsch treten. Du schaffst das und wenn du Hilfe brauchst, jemanden, der dich mit dummen Sprüchen motiviert, dann weißt, wo du mich findest.“

Ich konnte sehen, wie die Angst und Anspannung aus ihren Augen verschwand und auch diese distanzierte Stimmung, die ich vor ihrem beinahe Aufbruch verspürte, verpuffte ebenfalls. Solche Erfahrungen können dir gehörig in die Suppe spucken und davon habe ich schon einige machen müssen. Jedenfalls war ich froh darüber, dass Lynn mir davon erzählt hat, denn kurzzeitig hatte ich wirklich Angst, dass ich nur ein netter Zeitvertreib war und sie nun genug von mir hatte. Das ließ ich mir aber nicht anmerken. Jeder hat seine wunden Punkte. Meiner war eindeutig: Gefühle über ein gewisses Level hinaus zu zeigen ist absolut nicht mein Ding. Nicht ohne Grund steht das noch auf meiner Liste von Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Wobei mit dem Rauchen aufzuhören noch weit vorher drankommt. Vom gelegentlichen Joint mal abgesehen. Der steht nicht auf der Liste.
Nach einigen Momenten, indem wir stillschweigend Blicke austauschten, ergriff ich das Wort.
„Also wolltest du nicht wirklich gehen, richtig?“
Hastig schüttelte sie den Kopf. „Natürlich nicht. Ich vertraue dir, egal was meine Angst in dem Moment auslöste. Der ganze Tag war einfach wundervoll. Intensiv, magisch und mit vielen neuen Erfahrungen gefüllt. Das möchte ich nicht kaputtmachen. Ich würde es aber verstehen, wenn du..“, erneut brach kurz ihre Stimme, doch sie fing sich schnell wieder. „wenn du mich nicht mehr bei dir haben möchtest.“
„Quatsch keinen Unsinn. Außerdem glaubst du ernsthaft, ich hätte dich um diese Zeit nach Hause gehen lassen? Bei dem Wetter? Selbst wenn du dich mit Händen und Füßen gewehrt hättest, hätte ich dich eher persönlich nach Hause getragen, als dich alleine gehen zu lassen“, antwortete ich entschlossen.
Dafür, dass du wenig auf Gefühlsduseleien gibst, machst du dir aber ganz schön Sorgen um die Kleine, Price.
Lynn rückte ein Stück näher zu mir. „Du kannst wirklich süß sein. Mir gefällt diese besondere Chloe Mischung.“
„Solange dir die Kombination schmeckt“, erwiderte ich leise und vergrubt meine Finger in ihren schwarzen Haaren.
„Worauf du dich verlassen kannst“, flüsterte sie und zog mich an den Trägern meines Tanktop zu sich, um mir einen innigen Kuss auf die Lippen zu drücken.
Endlich! Auch wenn es vielleicht zwei Stunden her ist, fühlt es sich an wie eine Ewigkeit, seitdem wir uns geküsst haben.
Ich erwiderte ihren Kuss und zog ihr die schief zugeknöpfte Jacke aus. „Außerdem hast du deine Jacke kreuz und quer zugeknöpft. So geht man nicht raus.“
Sie kniff mir leicht in die Seite. „Kleiner Frechdachs. Aber du hast wohl recht“, kicherte sie. „Darf ich denn bei dir bleiben, Chloe?“, flüsterte sie gegen meine Lippen.
„Ich wäre mehr als nur wütend, wenn du nicht bleiben würdest.“
„Auch wenn ich gerne sehen würde, wie du wütend wirst, bangt es mir schon vor deinen angedrohten Konsequenzen wegen unserer Konversation per SMS. Ich freue mich jedenfalls, dass ich hierbleiben darf, es gibt echt nichts, was ich gerade mehr möchte“, schmunzelte sie und drückte ihre Stirn gegen meine.
„Willst du schon schlafen oder wollen wir uns noch einen Drink genehmigen?“
„Ich bin noch hellwach, also ist doch klar, wofür ich stimme“, entgegnete Lynn entschlossen.

Wir standen vom Boden auf, ich hing die Jacke zurück an die Garderobe und wieder im Wohnzimmer mixte ich jedem von uns einen neuen Drink. Auch wenn ich nach außen gelassen und ruhig wirkte, war ich innerlich dermaßen dankbar, dass Lynn nicht gegangen ist. Mit ihr fühlt es sich so unbeschwert und aufregend an wie schon lange nicht mehr. Natürlich haben sich die Dinge trotz des Vorfalls in Arcadia Bay für mich zum Guten gewendet und ich konnte mich glücklich darüber schätzen, doch Lynn war einfach ein besonderer Teil davon. Ich konnte nur noch nicht genau einordnen, welche Rolle sie in dem ganzen Puzzle spielte.
Von Anfang an fühlte ich aber eine Verbindung zu ihr, wie damals bei Rachel. Pure Chemie. Nettes Wortspiel, wenn man darüber nachdenkt, in welchem Fachbereich wir arbeiten. Wir kippten den Drink hinunter und spülten damit auch diesen kurzen, aber intensiven Ausreißer von gerade eben tief in den Abgrund. Unsere Zweisamkeit fühlte sich nun auch wieder so an, wie es sein sollte, unbeschwert und wundervoll. Die Kombination aus harmonischer Zweisamkeit, guter Musik, perfekt gemischten Drinks und dem Unwetter draußen hatte etwas ganz Besonderes und in diesem Moment gab es nichts, was mir fehlte. Gar nichts.

„Was möchtest du tun? Wollen wir uns einen Film anschauen?“, warf ich in den Raum.
Sie nickte sofort begeistert. „Oh ja! Sehr gute Idee. Worauf hast du Lust?“
Auf dich?
„Ich schaue mir grundsätzlich alles an, meckern kann man dann immer noch. Wobei aktuell schwanke ich zwischen Horror, Thriller, Action und Komödie. Wonach ist dir?“, antwortete ich und kniff mir verdeckt in den Oberschenkel, um meine Gedanken im Zaun zu halten.
„Eine Horrorkomödie wäre doch ein guter Kompromiss. Dabei können wir trotzdem plaudern und Spaß haben“, bemerkte sie feststellend.
Was meinst du mit Spaß haben?
Spaß am Film, du hungriges Biest. Kneif dich mal lieber fester.
„Und, wer als Erstes lacht, muss einen Shot trinken?“, schlug ich vor.
„Lachen beide, dann trinkt jeder einen?“, fügte sie hinzu.
Wir schauten uns beide an und antworteten zeitgleich. „DEAL!“
„Dann hole ich doch ein paar Getränke aus der Küche. Willst du schon mal auf Netflix schauen, was die so anzubieten haben?“
„Aye, Sergeant“, salutierte sie und griff sich die Fernbedienung aus dem kleinen Schubfach des Wohnzimmertisches.
„Wenn schon heißt das jawohl, Sergeant. Wir sind hier nicht bei der Marine“, gab ich gespielt, streng von mir.
„Jawohl, Sergeant Price. Besser?“, funkelte sie.
„Weitermachen!“, grinste ich und spielte kurz mit dem Gedanken, sie als Private zu bezeichnen, aber so gemein war ich nicht. Jedenfalls nicht in diesem Moment.
Mit einer neuen und zugleich letzten Flasche Kirschlikör und zwei neuen Gläsern kam ich zurück zur Couch. Dabei fiel mir auf das ich dringend eine kleine Hausbar einrichten muss und mir noch Cocktail, Bier und Schnapsgläser fehlten. Das musste ich direkt aufschreiben. Schnellen Schrittes ging ich zu meiner neu erworbenen digitalen Schreibtafel am Kühlschrank und notierte die fehlende Einrichtung.
„Alles okay? Was schreibst du auf?“, erkundigte sich Lynn neugierig.
„Mir ist gerade nur eingefallen, was mir bei der Einrichtung noch fehlt.“
Sie beantwortete meine Antwort mit einem Nicken und geschürzten Lippen, als heckte sie etwas aus und zappte durch die Filmauswahl.

„Also ich habe eine kleine Vorauswahl getroffen, mal sehen, was du dazu sagst. Wir hätten Zombieland, Sharknado und Shaun of the Dead“, deutete sie auf den Fernseher.
„Gute Auswahl, auch wenn ich bereits alle kenne, ist es lange her, das ich sie gesehen habe und als neu zugezogene Londonerin wäre es doch eine Ehrensache, dass wir Shaun of the Dead gucken oder nicht?“, zwinkerte ich ihr zu.
„Ausgezeichnete Wahl. Der Film ist einfach ein Klassiker.“
„Und die Gags bringen mich jedes Mal um. Viel Spaß beim Gewinnen“, lachte ich.
„Denkst du mir, geht es anders? Nach dem Film habe ich immer Muskelkater vom Lachen gehabt.“
Ich schenkte uns schon einmal einen Schluck zum Anstoßen ein. Dabei fiel mir auf, dass mein Fernseher heute auch seine Premiere feiert, denn bis auf die Einrichtung der WLAN-Verbindung habe ich ihn noch nicht benutzt. Meinen kleinen Stolz im 55" Format, den ich mir selbst zum Abschluss gegönnt hatte. Zum Glück haben die Typen von der Telefongesellschaft meinen Internetanschluss direkt am Freitag freischalten können, denn die notwendigen Leitungen hat Rosemary bei der Renovierung des Apartments legen lassen. Ansonsten hätte ich wohl ein paar Wochen warten müssen, doch so ging das mit nur wenigen Schritten und daher konnte ich noch am selben Tag das ultraschnelle Internet genießen.

Auf jeden Fall werde ich mir eine eigene Playstation 4 zulegen, die in Seattle hatten wir uns geteilt und auf so einem Prachtstück von Fernseher muss einfach gezockt werden. Ich beschloss die Tage mal die Webseiten der Elektrofachmärkte in der Umgebung abzuklappern und die Augen nach einem Schnäppchen offen zu halten. Mich würde es interessieren, ob Lynn auch Videospiele zockt. Immerhin steht sie auf Filme, Serien und Firewalk, warum nicht auch auf Games? Jeder mag doch Games.
„Spielst du eigentlich auch Videospiele?“, erkundigte ich mich neugierig.
„Klar. Ich spiele zwar selten und bin furchtbar schlecht darin, aber es macht mir schon Spaß und mit der richtigen Unterstützung sowieso“, antwortete sie und klopfte mir sanft auf die Schulter.
Damit war meine Frage wohl beantwortet und die Angebote dürften sich gerne bei mir vorstellen. Wir starteten den Film und Lynn machte es sich an meiner Seite bequem. Ihr Kopf lag in meiner Armbeuge und mein Arm locker um sie gelegt. Das hatte etwas von einem ersten Date im Kino, wenn man vorgibt zu gähnen, nur damit man seinen Arm um den anderen legt. Der absolute Klassiker, aber es funktioniert immer, wobei wir beide schon darüber hinaus waren.

Es dauerte knapp 14 Minuten und mir rutschte der erste Lacher raus, obwohl es nur ein flacher Spruch war, kam er einfach so trocken rüber, einfach mein Humor.
„HA HA! Du musst den ersten Shot trinken“, triumphierte Lynn und zeigte mit dem Finger auf mich.
„Ich sagte doch, bei dem Film werde ich richtig ablosen“, antwortete ich, hob das Glas und kippte den Likör hinunter. Dabei konnte ich im Augenwinkel erkennen, wie Lynn versuchte, sich ein Lächeln zu verkneifen.
„Was gibt es da zu grinsen?“, fügte ich hinzu und musste kräftig ausatmen, denn der Likör war ungewöhnlich kräftig, aber auch lecker.
„Dein Lachen ist einfach ansteckend. Der Fairness halber muss ich jetzt auch einen trinken. Schenk mir einen ein“, forderte sie mich auf.
Dem Wunsch kam ich unverzüglich nach und reichte ihr das Glas. „Möchtest du dich noch vor der eigentlichen Challenge abschießen oder bin ich nüchtern nicht zu ertragen“, provozierte ich absichtlich.
Sie kippte den Likör hinunter und überraschenderweise merkte man ihr die Stärke des Gesöffs nicht an oder sie spielt es gerade runter, weil mein Spruch sichtlich Wirkung erzielte. Sie funkelte mit ihren grauen Augen wie ein Raubtier auf der Jagd.
„Jetzt willst du mich wütend machen, oder? Ich brauche mich dich nicht schön saufen verstanden?“, fragte sie und packte mich am Kinn.
Gott, das ist unheimlich und sexy zugleich.
„Das würde mir nie im Traum einfallen, dich wütend zu machen“, erwiderte ich so was von gespielt kleinlaut, denn ich wollte sie nur zu gerne mal böse erleben.
„Das merke ich mir“, flüsterte sie bedrohlich und wandte sich wieder dem Film zu.
Wir schauten weiter und die die nächsten Lacher und damit Shots mussten nicht lange auf sich warten lassen, aber dieses Mal auf beiden Seiten, denn Lynn konnte sich nicht mehr zurückhalten und das wurde mit jedem Schluck des kräftigen Tropfens verstärkt. Ebenso ihr Bedürfnis nach Nähe, wobei es mir nicht anderes erging. Zum Glück war sie auch nüchtern so drauf, denn sonst hätte ich echt Panik geschoben, das sie nur so an mir klebt, weil sie einen im Kahn hat. Zugegeben war ich auch nicht mehr ganz auf der Spur. Mein Wohlbefinden war zwar vom allerfeinsten, aber einen ordentlichen Schwips hatte ich auf jeden Fall und der war deutlich stärker als vorgestern im Pub.
Wir waren bereits bei der Hälfte des Films außer Atem vor Lachen und unsere Gesichter glänzten schon vor Anstrengung und dem Alkohol, der durch unsere Körper strömte. Das Trinkspiel haben wir irgendwann nicht mehr fortgeführt, sondern einfach so getrunken, Spaß gehabt, gelacht und uns die ganze Zeit innige Blicke zugeworfen. Ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich meine Hand durch ihre wunderschönen rabenschwarzen Haare gleiten ließ und sie tat es mir gleich. Es war einfach eine hella fantastische Stimmung und das hatte nichts mit dem Alkohol zu tun, denn ich hätte genauso viel Spaß gehabt, wenn ich stocknüchtern gewesen wäre, darauf verwette ich meinen Arsch.
Es passte einfach perfekt zum Abend, dass wir meine aktuell noch minimalistische Hausbar köpften. Zugegeben könnte man manchmal denken, dass ich eine Schnapsdrossel bin, aber es gibt auch Phasen, an denen ich lange keinen einzigen Tropfen tanke, aber wenn ich Lust darauf habe, gönne ich mir das, warum auch geizen? Wir sind keine Denkmäler, die für ewig halten, sondern wir müssen Spaß haben und das Leben genießen, keine von uns hat immerhin einen Plan, wann er die Radieschen von unten betrachtet und es ist immerhin nicht so, als würde ich jeden Tag vollgedröhnt und mit dem Kopf im Klo enden.

Nachdem wir unsere Gläser geleert hatten, schnappte sich Lynn die ganze Flasche und schaute mich an. „Schließ mal bitte die Augen.“
Was zum Teufel hat sie jetzt vor? Wenn du mir die Pulle über den Kopf ziehen willst, dann trink sie wenigstens vorher aus, der Stoff war teuer … Schnauze Price und tu, was sie sagt.
„Okay sei froh, dass ich einen in der Lampe habe, sonst würde ich nicht so einfach zustimmen“, grinste ich frech und ließ meine Augenlider hinabsausen.
„Das glaube ich dir aufs Wort“, kicherte sie und ich spürte wie sie etwas näher rückte, denn ich bemerkte ihren Atem an meinem Kinn. „Vertrau mir“, flüsterte sie und ich hörte das gedämpfte Platschen des Likörs in der Flasche.
Es wurde immer wärmer, denn Lynns Körper strahlte eine brutale Hitze aus, wobei ich mit Sicherheit nicht weniger glühte, nicht ohne Grund musste ich heute schon unter der eiskalten Dusche verweilen. Sie ließ eine Hand an meine Hüfte gleiten und die andere wanderte über meinen Hals hinauf zu meinem Nacken und sie zog mich so an sich heran. Ich spürte ihre Lippen auf den meinen. Das Gefühl war der Wahnsinn, umso mehr, weil meine Augen geschlossen waren und die ohnehin schon knisternde Atmosphäre zwischen uns damit ein Level-Up bekam. Doch was dann passierte, schoss den Vogel für diesen Abend komplett ab. Im positiven Sinne möchte ich hinzufügen.
Während sich unsere Lippen berührten, begann sie mich sanft zu küssen und über unseren Kuss gab sie mir etwas vom Kirschlikör, den sie zuvor in den Mund genommen hatte, ab. Ich hatte bis dahin schon so einiges erlebt, aber das war mit Abstand das Heißeste, was ich je getan habe, und dabei hatten wir noch unsere Klamotten an. Die Kombination aus unserem Kuss mit dem fruchtig herben Geschmack des Drinks war unbeschreiblich und ich erwiderte den Kuss sofort, nachdem die Flüssigkeit meine Kehle hinunter sickerte. Eng aneinander geschlungen ließen uns auf die Couch fallen und verschmolzen in einem langen, ausgiebigen und leidenschaftlichen Kuss. Er war dem Kuss während unseres Tanzes um Welten überlegen und der war schon der pure Wahnsinn. Ich blendete alles um mich herum aus und war voll und ganz auf sie fokussiert. Auch wenn tief in meinem inneren Zweifel und Fragen darauf pochten, beachtetet zu werden, mauerte ich den Bereich für den Moment zu und warf noch eine Bombe drauf, ich wollte mich damit in diesem Moment nicht beschäftigen. Außerdem hatte mein Selbstvertrauen in Kombination mit den positiven Gefühlen des heutigen Tages definitiv den High Ground gegenüber dem anderen Scheiß und darauf konzentrierte ich mich, denn es tat mir verdammt gut und gemeinsam mit Lynn fühlte sich mein Neustart hier in London perfekt an.
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast