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Rose im Winter

von Nana-
Kurzbeschreibung
GeschichteKrimi, Schmerz/Trost / P18 / Mix
09.02.2022
18.09.2023
17
47.161
3
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18.09.2023 4.126
 
- Kapitel 16 -






Am nächsten Morgen wurde ich von federleichten, zärtlichen Küssen geweckt. Grummelnd wollte ich mich wegdrehen, doch ich kam nicht weit, denn eine Hand an meiner Taille hielt mich davon ab. „Ich… will nicht…“, nuschelte ich und ein leises Lachen ertönte. „Aufwachen, kleine Elfe!“, hörte ich jemanden flüstern und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich die Stimme erkannte.



Ich öffnete meine Augen und war glücklich, Paul zu sehen, der sich neben mir etwas aufgerichtet hatte und sanft über meinen Arm streichelte, den ich um seinen Bauch geschlungen hatte. „Guten Morgen…“, sagte er lächelnd und schob seine freie Hand in meine, sodass unsere Finger nun miteinander verschränkt waren und auf seinem Bauch lagen.



„Hast du gut geschlafen?“, wollte er wissen, während ich mich ebenfalls etwas aufrichtete und an das Kissen lehnte. Dabei rutschte meine Hand aus seiner, doch ich schob sie direkt wieder in seine. Zärtlich drückte er sie und küsste mich auf die Stirn. „Ja, so gut wie schon lange nicht mehr!“, erwiderte ich und schmiegte mich in seine Halsbeuge. Sein Geruch… so angenehm. Ich saugte ihn tief in mich ein und schloss die Augen. Er lachte leise und seine Brust vibrierte. „So könnte ich jeden Tag aufwachen, mit dir an meiner Seite, das wäre wunderschön!“, sagte er leise und küsste mich sanft. Er war so lieb, dachte ich, während ich den Kuss erwiderte und mich auf ihn schwang. Inzwischen war ich etwas wacher und schmiegte mich an seine Brust.



Seine Zunge schob sich sanft zwischen meine Lippen und bereitwillig öffnete ich meinen Mund, um ihm entgegen zu kommen. Unsere Zungen spielten zärtlich miteinander, während ich schon kurz darauf spürte, wie sich sein bestes Stück unter mir regte und hart wurde. Ich musste lächeln und bewegte mich provozierend auf ihm, um ihn anzuheizen. Er riss die Augen etwas auf. „Du kleines Luder“, wisperte er mit belegter Stimme und streichelte dann über meine linke Brustwarze, die rechte nahm er sich mit dem Mund vor. Beide richteten sich sofort auf und ein leises Stöhnen entwich mir.



Meine Erregung von der vergangenen Nacht war sofort wieder da. „Nimmst du eigentlich die Pille?“, fragte er zwischen zwei Küssen, während er zärtlich seine Hände an meinen Seiten hinunterwandern ließ. „Ja, schon lange“, hauchte ich und legte meinen Kopf etwas schief, als er sich sanft meinen Hals hinunter küsste und zufrieden nickte.



Paul hob mich an den Hüften hoch und ich ließ mich auf ihm nieder, um ihn in mir aufzunehmen, während er sich in die Kissen sinken ließ. Synchron stöhnten wir beide auf. So gut und um einiges inniger und intensiver ohne Kondom… Sanft bewegte ich mich auf ihm, während er mir mit leichten Stößen entgegenkam. Er richtete sich mit dem Oberkörper wieder auf und küsste mich fordernd. Atemlos bewegte ich mich nun etwas schneller und erwiderte den Kuss gierig. Unser Liebesspiel wurde leidenschaftlicher und in meinem Bauch tobten die Schmetterlinge.



Als Paul uns beide ruckartig umdrehte, ohne unsere Verbindung zu lösen, schrie ich leise überrascht auf und kam unter ihm zum Liegen. Schwer atmend blickte er mich an, seine Augen verdunkelten sich etwas. Er drückte meine Arme vorsichtig nach oben und hielt meine Hände über meinem Kopf fest, sodass ich sie nicht mehr bewegen konnte. „Ich hoffe, ich tu dir nicht weh?“, fragte er besorgt, während er sich über mir abstützte. Ich schüttelte den Kopf und er küsste mich erleichtert. Im gleichen Atemzug fing er wieder an, sich in mir zu bewegen und mein Innerstes war zum Bersten gespannt.



Als er mit seiner freien Hand an meinem Körper hinunterwanderte und zusätzlich zu seinen Stößen einen Finger in mich einführte, war es um mich geschehen. Mein Körper spannte sich an und Hitze sammelte sich in meinem Unterleib. Wimmernd bog ich meinen Rücken durch, während ich das Gefühl hatte, auf heftige Weise zu explodieren. Mein Innerstes zog sich um Pauls Glied zusammen und er brach stöhnend auf mir zusammen, während er sich heiß in mir ergoss.



Bald darauf löste er sich von mir und streichelte mir zärtlich über das erhitzte Gesicht. „Ich denke, wir haben beide eine Dusche nötig!“, sagte er leise lachend und erhob sich aus dem Bett. Ich musste kichern und nickte. „Außerdem ist Anna bereits wach, ich habe sie vorhin in der Küche herumwuseln gehört“, erklärte er. Oh, ob sie uns gehört hatte? Das wäre mir sehr unangenehm…



„Für den kurzen Weg ins Bad kannst du ein Hemd und Hose von mir haben“, bot Paul mir an und hielt mir dann tatsächlich ein schwarzes Hemd und eine schwarze Boxershorts von ihm hin. Dankbar nahm ich die Sachen und zog sie mir über, nachdem ich ebenfalls aufgestanden war. Pauls Blick wanderte über meinen Körper und ihm schien zu gefallen, was er sah. „Egal, was du trägst, du siehst immer wunderschön aus!“, sagte er leise und küsste mich erneut.



Als ich jedoch sah, dass er schon wieder eine Erektion bekam, entfernte ich mich grinsend von ihm. „Ich gehe besser alleine duschen, sonst kommen wir gar nicht mehr voneinander los!“, entschied ich und er musste ebenfalls grinsen. Nachdem er mir noch schnell erklärt hatte, wo sich das Bad befand, verließ ich mit seinem 2in1 Shampoo, einer Haarbürste und einem flauschigen großen Handtuch bewaffnet sein Zimmer. Es war ein geräumiges, großes Bad mit einer Eckbadewanne. Sie hatte an der Wandseite drei Düsen, was auf eine Badewanne mit Whirlpool schließen ließ. Die Dusche war ebenerdig und besaß sogar ein integriertes Radio und extra Beleuchtung. Nicht schlecht, fand ich.



Mit tropfenden Haaren verließ ich die Dusche eine Weile später und während ich nach Pauls Bürste griff, blieb mein Blick am Spiegel hängen. Ich sah glücklich aus, mit rosigen Wangen. Und so fühlte ich mich auch. Glücklich, verliebt, beschwingt… Leise summend rubbelte ich meine Haare weitgehend trocken und entwirrte sie mit der Bürste. Anschließend putzte ich noch schnell meine Zähne und schlüpfte dann wieder in Pauls Kleidung, die angenehm nach ihm roch.



Als ich gerade das Bad verließ und mich wieder in Richtung Flur drehte, nachdem ich die Tür geschlossen hatte, prallte ich gegen jemanden, der wohl gerade in die Küche wollte, denn aus der Richtung roch es nach Kaffee. Von dort hörte ich Pauls und Georges Stimmen, die sich gerade unterhielten.



Es war eine mir unbekannte Person. Der Mann war noch viel muskulöser als Paul oder George und seine Arme waren übersät mit Tattoos, selbst am Hals war er tätowiert, was vermutlich unter dem T-Shirt ebenfalls so war. Sein Haar war dunkelblond und am Hinterkopf zu einem Dutt geschlungen, seine Augen, mit denen er mich gerade ungeniert musterte, waren graublau. Er jagte mir etwas Angst ein und ich trat unbewusst einen Schritt zurück, hatte dann aber leider die Wand im Rücken.



„Ihr habt Besuch? Habt ihr ja gar nicht erwähnt! Schlecht sieht sie aber nicht aus, die Kleine!“, rief er über die Schulter und starrte mich immer noch an, von oben bis unten, bis er schließlich an meiner Oberweite hängen blieb. Ich bemerkte, dass ich das Hemd nicht komplett zugeknöpft hatte und so war der Ansatz meiner Brüste zu sehen. Schnell hielt ich den Stoff mit beiden Händen zusammen und sah ihn nun böse an. „Es würde mich sehr freuen, wenn du den Blick von meinem Dekolleté nehmen würdest“, forderte ich angespannt.



Paul kam gefolgt von George aus der Küche und blickte fragend zwischen uns hin und her. Schnell hatte er die Situation erfasst und stellte sich vor mich, um mich zu verbergen. „Hey, Mike, hör auf, meine Freundin so anzustarren, in Chicago läuft genügend Freiwild herum, also Finger weg!“, sagte er grimmig und zog mich besitzergreifend in seine Arme.



Dankbar schmiegte ich mich an ihn. Dieser Mike hob entschuldigend seine Hände. „Sorry, Paul, das wusste ich ja nicht. Entspann dich. Aber ich muss schon sagen, hübsches Mädchen, nicht schlecht.“ Ich zog eine Augenbraue hoch. Was war das denn für ein schleimiger Kerl? Er hielt mir eine Hand hin. „Tut mir leid. Ich bin Mike, ein Kollege von Paul und George“, erklärte er. Argwöhnisch betrachtete ich seine Hand und hatte dann kurzerhand eine Idee, wie ich ihm einen kleinen Denkzettel verpassen konnte. Bei dem Gedanken daran musste ich innerlich grinsen.



„Hallo, Mike. Ich an deiner Stelle würde nun auf die Knie gehen und mich richtig entschuldigen, immerhin bin ich in der Lage, dich verhaften zu lassen wegen sexueller Belästigung!“ Seine Gesichtszüge entgleisten ihm und er blickte hilflos zu Paul, der ihn aber weiterhin grimmig musterte. „Was, wie?“ „Mein Vater ist rein zufällig dein Chef und was wird er wohl machen, wenn er erfährt, dass einer seiner Angestellten seine Tochter belästigt?“



„W-was?! Warum sagt ihr das nicht gleich, verdammt?“, sagte Mike nun etwas angesäuert und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Mikes Gesichtsausdruck war Gold wert. Ich versuchte, nicht zu lachen, doch als Paul und George in lautes Gelächter ausbrachen, konnte auch ich nicht mehr an mir halten und ich lachte ebenfalls laut. Paul knöpfte mir das Hemd etwas zu, als wir uns etwas beruhigt hatten. Bei der Aufregung hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich es losgelassen hatte.



„So so, du bist also die Tochter vom Chief. Für deinen Versuch, mich reinzulegen, werde ich mir wohl noch etwas überlegen müssen!“, sagte Mike und sah mich gespielt drohend an. Doch ich hatte keine Angst mehr vor ihm. Herausfordernd erwiderte ich seinen Blick und hielt stand, bis er schließlich wegsah. Sein Blick wanderte über uns beide und seine Mimik entspannte sich etwas. „Dein Mädchen hat Feuer! Aber es freut mich, dass du wieder nach vorne schaust, du hast lang genug gelitten“, sagte er und klopfte Paul auf die Schulter. Der nickte und blickte mich sanft an.



George und Mike gingen in die Küche und ließen uns zurück. Ich legte meine Arme um Pauls Hals und sah ihm innig in die Augen. „Ich bin also deine Freundin?“, fragte ich leise. Bei dem Gedanken daran, was er vor wenigen Minuten noch gesagt hatte, wurde mir warm ums Herz. „Vorausgesetzt, du möchtest das…?“, fragte er. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm zusammen zu sein. Neben ihm aufwachen, von ihm geliebt zu werden, ihn zu küssen… Sanft küsste ich ihn zur Antwort und er erwiderte es liebevoll.



„Ich gehe mal schnell duschen“, sagte er kurz darauf an meinen Lippen und löste sich von mir. Ich folgte ihm in sein Zimmer. Während er sich frische Kleidung aus dem Schrank holte und im Bad verschwand, hatte ich die Gelegenheit, mich umzusehen, nachdem ich mir schnell meine Kleidung vom Vortag angezogen hatte. Allzu viele Sachen befanden sich hier nicht, doch das konnte ich nachvollziehen, immerhin wohnte er ja nur vorübergehend hier.



Ein paar Fotos hingen auf einer Pinnwand über dem Schreibtisch und ich trat etwas näher, um sie zu betrachten. Ich erkannte unter anderem Jack und Pauls Mutter, sie waren auf mehreren Bildern gemeinsam mit ihrem Sohn zu sehen. Meine Augen glitten über das nächste Bild und ich stockte. Auf dieser Aufnahme war Paul zu sehen, schlaksig, wie ich ihn von früher in Erinnerung hatte, als wir noch Kinder gewesen waren. Sein linker Fuß stand auf einem Fußball, neben ihm befand sich ein kleines rothaariges Mädchen, das sich gerade bückte, um an den Ball zu gelangen.



Ich trat näher. War ich das etwa? Denn der Garten, in dem wir standen, war eindeutig der von Dad. Ich betrachtete mich und schätzte mich auf etwa sechs Jahre, also war Paul zu dem Zeitpunkt 12 oder 13 Jahre alt gewesen. Lächelnd nahm ich mir vor, Dad irgendwann mal danach zu fragen und begutachtete dann die restlichen Fotos, die hauptsächlich Paul mit Freunden zeigten. Auf einem davon entdeckte ich ihn mit Anna und einer rothaarigen Schönheit. War das Lucy? Unwillkürlich musterte ich sie näher. Sie war sehr hübsch und ich konnte nun nachvollziehen, warum ihn mein Anblick anfangs immer mal wieder aus der Bahn geworfen hatte. Sie sah mir wirklich etwas ähnlich, verrückt.



Ich sah mich weiter um und entdeckte eine Polizeiuniform, die sauber und gebügelt seitlich am Kleiderschrank hing. Vorsichtig, um sie nicht zu zerknittern, strich ich über den dunkelblauen Stoff, während ich vor meinem inneren Auge Paul in dieser Uniform sah. In meiner Vorstellung sah er sehr gut darin aus. Durch Dad hatte ich in meiner Kindheit schon sehr viel Filme gesehen, die mit Militär oder Polizei zu tun hatten, egal ob ‚Top Gun‘ oder die ‚Police Academy‘-Reihe, und ich hatte Männer in Uniform schon immer toll gefunden. Sie strahlten Stärke aus, Loyalität, Mut, Respekt. Eigenschaften, die ich auch an Paul kennen und lieben gelernt hatte.



Neben dem Kleiderschrank befand sich ein Bücherregal, in dem ich zu meiner großen Freude einige Titel entdeckte, die ich selber schon verschlungen hatte, unter anderem ein paar Bücher über Sherlock Holmes, daneben alte Klassiker wie Bram Stokers Dracula, aber auch relativ neue Sachen wie ein paar DVDs von Detektiv Conan, die eine Etage weiter unten standen. Als Kind hatte ich diesen Anime regelmäßig im Fernsehen geschaut und es geliebt, mit Conan beziehungsweise Shinichi mitzurätseln.



In dem Moment öffnete sich die Wohnungstür und ich hörte, wie Anna mit Shila hereinkam. Wahrscheinlich waren beide ihre morgendliche Gassirunde gelaufen. Shila kam durch Pauls offene Tür hinein und begrüßte mich schwanzwedelnd. Schnell kniete ich mich hin, um sie gebührend zu begrüßen, wenn sie mir schon so viel Vertrauen entgegenbrachte. „Hallo, du Hübsche!“ Anna erschien im Türrahmen und musterte uns beide lächelnd, während sie demonstrativ eine Tüte von einem Bäcker hochhielt. „Guten Morgen, Mayla! Brötchen oder Pancakes?“



„Pancakes klingen nicht schlecht!“, nahm ich das Angebot dankend an und folgte ihr dann in die Küche, in der George und Mike an einem runden, mittelgroßen beladenen Tisch saßen, den wahrscheinlich Anna vor der Gassirunde schon gedeckt hatte. Mike erhob sich und begrüßte erst Shila kurz, dann umarmte er Anna. „Guten Morgen, Mike! Du bist ja schon da?“, stellte sie fragend fest und musste grinsen. Mike stieg drauf ein und grinste breit. „Ja, ich war heute mal früher wach und es hat sich gelohnt, immerhin hab ich dadurch einen heißen Anblick genießen dürfen!“



Ich verdrehte die Augen, während Anna fragend in die Runde blickte. „Habe ich etwas verpasst?“ „Mike und Mayla sind vorhin zusammengestoßen, als sie mit Pauls Klamotten aus dem Bad kam, in Hemd und Boxershorts. Da sind ihm natürlich gleich seine Augen rausgefallen, du kennst ihn doch!“, erklärte George und verdrehte ebenfalls seine Augen, bevor er den Rest erzählte und Anna in Gelächter ausbrach. „Nicht schlecht, Mayla! Gefällt mir“, lachte sie und zwinkerte mir zu.



Mike grummelte in seinen Bart. „Ja ja, macht euch nur alle über mich lustig…“ „Ach hör auf, du bist selber schuld!“, konterte Paul, der in dem Moment hereinkam und mich sofort in seine Arme zog, um seine Besitzansprüche zu markieren. Gerührt lächelte ich ihn an und zog ihn dann zum Tisch, denn Anna hatte uns bereits mit einer Handbewegung eingeladen, Platz zu nehmen. Gemächlich frühstückten wir gemeinsam und ließen es uns schmecken.



Eine Weile später, nachdem wir uns über alltägliches unterhalten und fertig mit dem sehr leckeren Frühstück waren, wollte Anna uns alle aus dem Raum scheuchen, doch ich ließ es mir nicht nehmen, ihr beim Aufräumen zu helfen, immerhin hatte sie einiges aufgetischt und ich wollte mich für die Gastfreundschaft bedanken. Doch sie schaffte es, die drei Männer zu verjagen. „Geht ins Wohnzimmer, macht eure Arbeit, ermittelt irgendetwas, wir beide räumen jetzt auf!“



Während sie spülte, ich übernahm das Abtrocknen, nutzte ich die Gelegenheit, sie etwas näher kennen zu lernen. „Wie habt ihr euch denn eigentlich kennengelernt, du, Mike, Paul und George? Durch die Arbeit?“ Sie schaute auf. „Nein, nein, ich kenne die Jungs schon seit der Schule, wir waren alle im gleichen Jahrgang. Aber die Freundschaft entstand erst, als George und ich zusammengekommen sind, über mich sind dann Lucy und Paul ein Paar geworden, sie war meine beste Freundin…“



Sie hielt kurz inne und musterte mich. „Paul hat Recht, du siehst ihr wirklich erstaunlich ähnlich. Wir fünf waren wie eine eingeschworene Gemeinschaft, selbst als wir dann berufstätig waren, wir haben selten getrennt Dinge unternommen, abgesehen von Mikes Frauen-Eskapaden, er ist ein Frauenheld, wie er im Buche steht. Naja… bis zu Lucys Unfall… seitdem waren wir nur noch zu dritt, Paul hat sich vollkommen zurückgezogen, wie er dir vielleicht erzählt hat.“ „Es tut mir so leid, was passiert ist. Ihr habt eine sehr gute Freundin verloren“, sagte ich leise und Anna nickte. Sie schluckte kurz und lächelte dann aber.



„Es war hart, Paul so leiden zu sehen, er hat einiges durchgemacht. Umso glücklicher bin ich, dass er wieder nach vorne schauen kann, du scheinst ihm gut zu tun, er wirkt auf jeden Fall sehr verliebt“, stellte sie fest und ich wurde rot. „Und du auch, wie es scheint, das freut mich, Mayla. Für euch beide. Ich weiß zwar nicht viel, aber ich habe am Rande mitgekommen, dass auch du es in letzter Zeit nicht einfach hattest. Bitte mach Paul keine Vorwürfe, dass er mir ein bisschen von dir erzählt hat. Er hat in den letzten Wochen meinen Rat gebraucht, weil er aufgrund seiner Gefühle für dich ziemlich durch den Wind war.“



Ich musste schlucken, als ich an meine Mum dachte. Sie fehlte mir immer noch so verdammt sehr und doch spürte ich, dass ich allmählich begann, mit dem Schmerz klar zu kommen. Ich atmete tief durch und wandte mich wieder Anna zu, während ich eine Tasse abtrocknete. So sympathisch sie mir auch war, ich wollte im Moment nicht mit ihr darüber sprechen, dafür kannte ich sie zu wenig.



„Was machst du eigentlich beruflich? Bist du auch Polizistin?“, lenkte ich von dem vorherigen Thema ab. Sie sah mir kurz in die Augen, schien dann aber zu akzeptieren, dass ich nicht darüber reden wollte und stieg dann in das neue Thema mit ein, wofür ich ihr dankbar war.



„Nein, ich studiere derzeit noch Medizin, ich möchte später einmal in der Pathologie arbeiten. Schon als Kind habe ich tote Tiere seziert, das hat mich fasziniert, seit ich denken kann. Klar, das klingt etwas schräg und abschreckend, außerdem hat es nichts mit Menschen zu tun, aber ich möchte einfach dazu beitragen können, kriminelle Machenschaften aufzudecken. Ich hoffe, du ekelst dich jetzt nicht vor mir.“ Ihre Stirn war gerunzelt, während sie mich musterte.



Ich erwiderte ihren besorgten Blick offen und lächelte kurz. „Nein, nein, mach dir keine Sorgen! Ich finde es schön, dass du schon als Kind wusstest, was du später mal machen möchtest, außerdem kannst du so auch deinen Teil zu Georges Arbeit beitragen, die Abteilung von meinem Dad hat ja nicht nur mit Drogendelikten zu tun, sondern auch mit Gewaltverbrechen.“ Sie nickte und nahm den letzten Teller in die Hand, um ihn zu spülen. Als sie damit fertig war, reichte sie ihn mir, trocknete sich die Hände ab und räumte dann schon mal das bereits abgetrocknete Geschirr an seinen Platz.



Bald darauf war die Küche fertig aufgeräumt und ich wollte Anna gerade ins Wohnzimmer folgen, als ich in Pauls Zimmer mein Handy klingeln hörte. Ich symbolisierte Anna, kurz ans Handy zu gehen und dann ebenfalls ins Wohnzimmer zu kommen. Sie nickte lächelnd und schob Shila, die uns gefolgt war, durch die Türe, während ich das Zimmer meines Lieblingspolizisten betrat. Mein Handy war inzwischen verstummt und ich sah schnell nach, wer versucht hatte, mich zu erreichen. Fünf Anrufe und zwei WhatsApp-Nachrichten von Jola, eine von Dad. Als ich auf die Uhr blickte, erschrak ich kurz. Es war schon halb elf und sie machte sich bestimmt Sorgen, warum ich nicht in der Schule aufgetaucht war. Ebenso wie Jason. Mist, die beiden wussten wahrscheinlich noch gar nichts von Jasons Verhaftung… Ich entschied mich, zuerst die WhatsApp-Nachrichten zu lesen.



Dad: Guten Morgen, Liebes. Ich hoffe, es geht dir gut. Deine Schule weiß Bescheid. Habe mich heute Morgen erkundigt, die Bahnstrecke nach Hause ist wieder frei. Sehen wir uns heute Nachmittag? Liam und Ally haben sich für heute eingeladen, ich hoffe, du kommst auch? Sie wollen mir etwas Wichtiges mitteilen, ich bin mal gespannt, worum es geht. Fahre jetzt zur Arbeit. Bis später, mein Schatz, ich hab dich lieb!



Ich tippte ihm eine kurze Antwort.



Hi, Dad, danke dafür! Ja, gerne, heute Nachmittag bin ich dann auch wieder zuhause. Na dann lassen wir uns doch mal überraschen, oder?



Ich musste grinsen, wusste ich doch schon, was die beiden zu erzählen hatten! Dann las ich Jolas Nachrichten.



Jola: Hey, Süße! Wo bist du? Ist alles in Ordnung? Bist du etwa krank? Come on, so viel Alkohol hatten wir gestern auch nicht!



Sei froh, dass du zuhause bist, hier ist die Hölle los! Es geht das Gerücht um, dass Jason gestern Abend verhaftet wurde :O Hast du vielleicht was mitbekommen und bist du deswegen nicht in der Schule? Außerdem wurde Cindy beobachtet, wie sie das Klo vollkotzt, es munkeln nun einige, dass sie schwanger ist. Wenn das der Fall sein sollte, na dann Hallelujah!



Cindy schwanger? Ich runzelte die Stirn. Im Prinzip war es mir scheißegal, doch ein kleiner Gedanke schlich sich in meinen Kopf. Was, wenn es wirklich so war und Jason der Vater? Da konnte das Kind einem wohl nur leid tun… Ach, mir war es egal, von wem das Kind war, sie war selber schuld, wenn sie sich von einem Bett zum nächsten hangelte. Ich tippte auf ‚Antworten‘.



Hey meine Süße! Bitte entschuldige, dass ich mich jetzt erst melde! Gestern Abend ist tatsächlich noch einiges passiert. Es stimmt leider, Jason wurde von einem inkognito ermittelnden Polizisten erwischt, wie er wohl seinen letzten Drogenvorrat in den Müll schmeißen wollte. Soweit ich weiß, hat der Polizist ihm dafür ein Angebot gemacht und Jason ist drauf eingestiegen, anstatt es wirklich zu entsorgen. Tja, den Rest kannst du dir denken! Nun sitzt er in U-Haft, weil sein Stoff wohl von der Mafia stammt, das hat mir Dad verraten. Mehr weiß ich leider auch nicht :/ Das alles war ein bisschen viel für mich, deswegen hab ich mich für heute entschuldigen lassen. Wir sehen uns morgen in der Schule, ich hab dir was zu erzählen! Hab dich lieb, Kuss!



Sie würde bestimmt Augen machen, wenn ich ihr von Paul erzählte. Seine Beteiligung an Jasons Inhaftierung konnte ich ihr nicht erzählen, das würde ihren Argwohn ihm gegenüber vermutlich nur anheizen. Wenn sie allerdings erfuhr, dass wir nun zusammen waren, ließ ihn das hoffentlich in ihrer Gunst steigen. Ich hoffte es sehr. Damit wollte ich mich allerdings erst morgen befassen, daher steckte ich mein Handy zurück in die Tasche und lief ins Wohnzimmer.



Dort saßen George und Anna auf der einen Couch, Paul und Mike auf der anderen. Alle vier starrten auf das Schachbrett auf dem Tisch in der Mitte. George spielte gerade gegen Mike. Paul sah auf und lächelte, als er mich sah. Er deutete auf den freien Platz neben sich. Ich folgte der Aufforderung und schmiegte mich sehnsüchtig an ihn. Sein Arm schlang sich um meine Taille und wir richteten unsere Aufmerksamkeit auf das Schachspiel.



Dad hatte mir einmal erklärt, dass Schach dabei half, den Geist zu stärken und dass er bei seinen Leuten darauf Wert legte, dass sie das Spiel beherrschten, da es auch bei den Ermittlungen half, wenn man jederzeit einen wachen Geist hatte. Ich hingegen hatte es noch nie wirklich verstanden und konnte dem ganzen daher nicht viel abgewinnen. Dennoch machte es Spaß, bei dieser Partie zu beobachten, wie Mike langsam, aber sicher gegen George verlor, der ihn nun grinsend schachmatt setzte. Mike grummelte und wollte eine Revanche.



Er war schon dabei, die Figuren neu anzuordnen, als ein Handy im Raum klingelte. George zog seins hervor und runzelte die Stirn, als er aufs Display sah. „Was will der denn? Wir haben doch heute frei!“ Sein Blick lag kurz auf Mike und Paul, während er den Anruf annahm. Unser aller Aufmerksamkeit lag nun auf George. „Chief Davis? … Ja, natürlich, kein Problem! … Ja, die beiden sind gerade bei mir zuhause… Ja, der auch… Was? Wie? Verdammt! … Ja, wir kommen sofort!“ Mit diesen Worten legte er auf und musterte seine Kollegen eindringlich. „Jungs, wir müssen zum CPD, es gab einen Ausbruch. Der Schütze aus dem Pub!“



Als ich das hörte, zuckte ich zusammen, während die beiden Männer neben mir aufsprangen und mehr von George wissen wollten. „Mehr kann ich euch nicht sagen, die Einzelheiten erfahren wir vor Ort. Allerdings gibt es da noch etwas, was ihr wissen solltet. In der Zelle lag ein Drohbrief.“ Plötzlich lag Georges Blick auf mir und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich konnte deutlich spüren, wie die gute Stimmung von vor wenigen Minuten im Raum radikal kippte. Paul runzelte die Stirn, als er Georges Blick folgte und mich anschaute. „Was stand in dem Drohbrief, nun sag schon!“, forderte er angespannt, während er mich in seine Arme zog. „Es war ein Foto von Mayla am Galgen hängend mit den Worten ‚Halte dich von ihm fern oder du wirst es bereuen!‘.“



Pauls Griff um meine Schultern wurde fester und doch hatte ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren…
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