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Erinnerungen an bessere Zeiten

Kurzbeschreibung
GeschichteFamilie, Tragödie / P12 / Gen
10.01.2022
17.01.2022
4
2.302
 
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10.01.2022 581
 
Allein schritt Alleria Windläufer den bekannten Weg zu ihrer alten Heimat hinauf, diesmal ohne ihre Schwestern. Es schockte sie immer noch was mit Sylvanas geschehen war. Natürlich, Vereesa hatte ihr auf der Vindikaar schon darüber erzählt. Doch sie hatte es nicht wirklich glauben können. Sie hatte nicht glauben können, das ihre einst freundliche, aufrichtige Schwester sich in so ein… Monster verwandelt hatte. Alleria blinzelte eine Träne weg und ging weiter. Dieser Ort weckte Erinnerungen. Erinnerungen an längst vergangene Zeit. Verlorene Zeit, denn es würde nie wieder so werden wie damals. Es tat weh. Es tat so weh. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einfach nachhause zu gehen, drängte ihn aber schnell wieder zurück in die hinterste Ecke ihres Verstandes. Nachhause. Ja, das war einmal ihr zuhause gewesen. Hier hatte sie mit ihren jüngeren Geschwistern gespielt, Sylvanas gezeigt wie man einen Bogen hält, Vereesa Blumenkronen geflochten und Lirath Geschichten vorgelesen. Lirath. Alleria vermisste ihren jüngeren Bruder. Etwas von ihm, diesen unvergleichlichen Humor und das lebhafte Lachen sah sie jeden Tag in Arator. Die Elfe wusste, dass sie nie darüber hinwegkommen könnte. Das letzte Mal, als sie sich mit Turalyon darüber unterhalten hatte, hatte sie gesagt sie sei darüber hinweg. Das war eine glatte Lüge gewesen. Alleria wollte ihn nicht anlügen, doch sie konnte ihm auch nicht die Wahrheit sagen, da sie sein Mitleid nicht wollte. Nicht in dieser Angelegenheit. Sie wandte ihre Aufmersamkeit wieder dem Weg zu. Die Schaukel, auf der sie so oft gesessen hatte, während ihr Vater sie anschubste, schwang quietschend im kalten Wind hin und her.

Die kleine Alleria lachte schallend, als ihr Vater Sylvos sie anschubste. Sie mochte das Gefühl, in die Luft geschwungen zu werden, für einen Moment komplett schwerelos und frei zu sein, aber dann doch wieder in die sicheren Arme ihres Vaters zurückzukommen. „Höher Papa höher! Ich will bis zur Sonne!“, rief sie lachend. „Tut mir leid, Lady Sonne, aber ich denke, da wäre es ein bisschen zu heiß für dich.“, erwiderte Sylvos mit einem belustigtem Schnauben. Schmollend schob Alleria die Unterlippe vor, dann wurde aber der Drang zu groß und sie kicherte leise vor sich hin. Natürlich war es auf der Sonne zu heiß. Trotzdem wollte sie dorthin. Sie wollte ganz Azeroth erkunden, bis zum letzten Tal, und vielleicht sogar noch mehr. Damals konnte sie nicht wissen, dass ihr Wunsch in ein paar Jahrhunderten ihn Erfüllung gehen würde, wenn auch nicht gerade so, wie sie es sich vorstellte. Ihr Fuß streifte eines der Blätter des Baumes, und kitzelte ihre Sohle. Die Sonne schickte gerade ihre letzten goldenen Strahlen über die Baumwipfel, und enttäuscht erkannte Alleria, dass ihr Vater sie nicht mehr anschubste und sie auspendelte. Als sie schließlich herunterstieg und ihre nackten Füße das weiche Gras berührten, sah Sylvos ihre enttäuschte Miene und sagte aufmunternd: „Komm, wir gehen rein, bevor deine Mutter alle Kekse von Tante Alice allein verspeist hat.“ Normalerweise aß Alleria nicht sehr viele Süßigkeiten, aber die Kekse von Tante Alice waren nunmal wirklich lecker. Schnell folgte sie ihrem Vater hinein und wurde vom kühlen Stein der Windläuferspitze empfangen.

Bei dieser Erinnerung zuckte Alleria zusammen, und sie konnte nur mühsam ein gequältes Schluchzen unterdrücken. Wie wundervoll und einfach ihr Leben damals gewesen war. Wie perfekt. Sie erreichte die große Tür zum Turm. Kurz ließ sie ihre Hand auf dem kühlen, nun verwittertem Metall der Klinke ruhen, und ihre Stirn sank gegen das halb gesplitterte Holz. Dann drückte sie die Klinke hinunter und machte den lange gefürchteten Schritt ins innere ihres Elternhauses.
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