Ein Kind von Besinnlichkeit
von Fhaiye
Kurzbeschreibung
- Zwei Jahre nach den Ereignissen aus Kein Kind von Traurigkeit - Lena und Chris feiern ihr erstes Weihnachtsfest als richtige Familie. Doch wieder wird Chris von Unsicherheiten geplagt. Sind sie begründet oder verrennt er sich in etwas? (weihnachtlicher OS)
OneshotFamilie / P12 / Gen
Chris "The Lord" Harms
OC (Own Character)
26.12.2021
26.12.2021
1
2.910
3
26.12.2021
2.910
- Zwei Jahre nach den Ereignissen aus Kein Kind von Traurigkeit -
„Meinst du, es ist tatsächlich eine gute Idee?“
Die Frage hing einige Minuten unbeantwortet, fast schwerelos, in der Luft, ehe ein leises Lachen zu vernehmen war und die unangenehme Situation noch ein klein wenig beschämender machte.
Chris runzelte die Stirn, war überhaupt nicht überzeugt von dem, was er da eigentlich tun sollte. Und er hatte schon viele „Schandtaten“ ohne groß darüber nachzudenken in die Tat umgesetzt.
Aber nun…
Kritisch prüfte er erneut sein Spiegelbild.
„Du bekommst doch nicht etwa kalte Füße, oder?“
Wieder ertönte leises Gelächter, welches Chris beinahe in den Wahnsinn trieb. Er kehrte dem Spiegel den Rücken zu und sah nun endlich die Person an, mit der er gerade sprach.
Lena.
Seine Lena.
Viel Zeit war vergangen, in der er nicht hätte glücklicher sein können. Und nun, nun stand er da wie damals zu ihren Anfangszeiten. Zweifelnd, kritisch und von einer Menge Unsicherheiten geplagt.
Und sie, die Schwarzhaarige, die ihm mehr als alles andere auf der Welt bedeutete, lachte ihn aus.
Oder was wollte sie ihm mit diesem Gelächter zu verstehen geben?
Chris grummelte missmutig vor sich hin.
„Sag bloß, du bekommst es tatsächlich mit der Angst zu tun? Ich dachte, das wäre ein Ding der Unmöglichkeit, du ach so großer Lord!“
Lenas Lachen wurde noch breiter, sie schien sich köstlich zu amüsieren.
Chris schnaubte.
„Es geht mir überhaupt nicht um Angst. Ganz im Gegenteil. Findest du nicht eher, dass die Rolle jemand anders übernehmen sollte?“
Chris sah an sich herab und wusste genau, dass er nichts lieber tun würde als genau das.
Doch wäre das tatsächlich eine gute Idee?
„Klaas hatte sich angeboten und ich finde, er hat im letzten Video eine perfekte Weihnachtsmannfigur abgegeben.“
Chris hätte am liebsten noch weiter ausformuliert, warum Klaas die bessere Besetzung gewesen wäre, doch bei Lenas Anblick schwieg er.
Die Miene der Schwarzhaarigen war unergründlich, zeigte eine Mischung aus Dutzenden Gefühlen, doch Chris wusste genau, was in ihr vorging.
Erstens hatte Klaas eher eine nicht ganz jugendfreie Version des Heiligen Mannes gespielt und zudem war dies ihr Weihnachten, das erste richtige Fest der Liebe als Familie.
Das Erste, dass ihre Kleine wirklich miterleben würde.
Familie.
Chris konnte noch immer nicht fassen, trotz all der vergangenen Zeit, dass er nun endlich sein Glück gefunden hatte.
Nostalgisch schwelgte er in Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, in denen nicht immer alles rosig gewesen war.
Sein Blick ging hinüber zu Lena, wurde liebevoller.
Und er wusste, dass er ihr keinen Wunsch abschlagen konnte.
Trotz seiner Unsicher- und Unzufriedenheit.
Doch nun war es auch an ihr zu seufzen.
Grübelnd rieb sie sich die Stirn, blickte an Chris auf und ab, verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere.
„Prinzipiell würde ich dir ja recht geben, dass Klaas perfekt wäre um den Weihnachtsmann zu mimen, aber…“
Sie schüttelte den Kopf, ließ ihren Satz unbeendet im Raum hängen.
Chris hingegen war erstaunt, dass sie wieder einmal derselben Meinung waren.
Lena kam näher an Chris heran, legte ihre Hände auf seine Brust, die gut eingepackt im rot-weißen Kostüm steckte.
„Ich schätze, du musst da jetzt durch. Wir haben abgemacht, dass wir zu dritt bleiben und an Heiligabend nicht mal deine Eltern zu Besuch kommen sollen, damit mal ein wenig Ruhe einkehrt. Es langt doch, dass wir keine ruhige Minute mehr haben, weil jeder die Kleine mal sehen will. Das geht seit der Geburt so... und die ist schon ein Weilchen her.“
Stillschweigend gab Chris Lena recht, zog sie näher an sich und gab ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel.
Bis diesmal er einen Lachanfall bekam.
Er spürte, wie Lena sich aus seiner Umarmung zu schälen versuchte.
„Gerade noch so griesgrämig und jetzt so gut drauf? Du machst mir Angst…“
Ihre Blicke trafen sich. Lena zog eine Schnute, sah aber recht interessiert aus.
Chris setzte an, wollte ihr den Grund für seinen Lachflash mitteilen, doch es ging nicht. Mehrfach probierte er zu sprechen, doch es wollte und wollte nicht funktionieren!
„Okay, du hast echt einen an der Waffel und das macht mir wirklich Angst. Ich habe dich schon lange nicht mehr so gesehen.“
Doch Lena grinste.
Und Chris fing sich wieder.
„Weißt du, was witzig wäre? Wenn zu unserer Familie nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind käme. Dann würdest du nämlich jetzt hier in einem kleinen, weißen Kleidchen mit Engelsflügeln auf dem Rücken, einer blonden Perücke und einem Papp-Heiligenschein besprüht mit goldenem Lackspray auf dem Kopf stehen, weil du Verkleidungen ja so gerne magst.“
Lena öffnete schon den Mund, verschränkte die Arme vor der Brust, doch Chris kam ihr zuvor.
„Aber nein, Glück gehabt, bei uns existiert nur der Weihnachtsmann.“
Mit jedem Wort wurde das Funkeln in Lenas Augen deutlicher für Chris sichtbar, sie ging auf seine Neckerei ein.
Er sah, dass sie die Hand erhob, er duckte sich bereits ob des Schlages, der ihn sicherlich gleich ereilen würde.
Doch ehe Lenas Hand hinunter sausen und ihn treffen konnte, ertönte ein Wimmern aus dem Nachbarzimmer.
Reflexartig drehte sich die Schwarzhaarige um, lief los, rief mit sanfter Stimme sogleich in Richtung der Geräuschquelle.
„Mama ist gleich da.“
Chris war auf der Stelle stehengeblieben, sah ihr hinterher, erfreute sich an ihr und der Tochter.
Lenas Grinsen wurde breiter, als sie sich erneut zu ihm umdrehte.
„Diese Diskussion führen wir später weiter, der Herr. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, aber jetzt kümmere ich mich erstmal um die Kleine.“
Sein Grinsen verblasste nicht, ganz im Gegenteil. Er hätte wahrlich nicht glücklicher sein können.
Obwohl es im Kinderzimmer hoch herging.
Er hörte, dass Lena alle Mühe hatte Lucia zu beruhigen – Ja, Lucia. Lena hatte Gefallen an seinem Namensvorschlag gefunden.
Die Kleine schrie und schrie, wollte ganz offensichtlich nicht mehr liegenbleiben, um ihr Mittagsschläfchen zu halten.
Chris atmete tief ein und aus, wusste sich dennoch glücklich zu schätzen.
Noch immer grinsend schälte er sich aus dem Kostüm und begab sich dann zu seiner kleinen Familie ins Kinderzimmer.
Vielleicht bekam der Papa Entspannung in das Chaos!
—————————
Stunden waren vergangen. Stunden, in denen sich Chris und Lena zum Horst gemacht hatten.
Sie hatten ihr gesamtes Repertoire ausgeschöpft und nun endlich schien die Kleine kurzweilig erschöpft und zufrieden zu sein.
Mittlerweile war es dunkel geworden, obwohl es noch nicht spät war an diesem Heiligabend.
Das Wohnzimmer lag im Schein des heimeligen Adventskranzes und der warm leuchtenden Lichterketten, die die Fenster und den kleinen Weihnachtsbaum schmückten.
Chris, Lena und Lucia lagen auf dem Sofa, Pizzageruch wehte aus der Küche, die ein Stockwerk höher lag, zu ihnen herunter.
Auf dem Sofa waren sie umringt von Spielzeug, das nun unbedeutend zu sein schien.
Lucia lag an Chris‘ Brust gepresst, ganz eng an ihm, sodass er ihren Herzschlag und das leise Atmen vernahm.
Doch seine Tochter schlief nicht. Dies war nur eine kurze Pause, das Auge des Sturms. Der kleine Wirbelwind hatte nur Nähe gesucht, die Chris zu gerne gab.
Leise seufzte er.
Und schloss matt die Augen.
„Chris…“
Der Angesprochene schreckte hoch und wurde sich ohne Umschweife bewusst, dass das keine gute Idee gewesen war. Er musste tief und fest eingenickt sein, nachdem sie gegessen und getobt hatten – mit seiner kleinen Tochter dicht an sich gekuschelt.
Und nun, da er zusammengezuckt war, breitete sich ein schlechtes Gewissen in ihm aus ob der Tatsache, seinen kleinen Engel möglicherweise geweckt haben zu können. Doch er hatte sich getäuscht, noch immer schlummerte Lucia zufrieden an seiner Seite. Sie war also auch eingeschlafen.
Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen.
„Chris…“
Erneut wurde er angesprochen, diesmal nur eindringlicher.
Er sah hoch, blickte direkt in die Augen Lenas, die ihn und Lucia liebevoll musterte.
„Es ist gleich 18 Uhr. Die Bescherung!“
Als Lena sprach, wurden ihre Augen größer. Unweigerlich musste Chris noch breiter grinsen.
Doch wie sollte er sich aus dem Klammergriff Lucias befreien?
Er sah an sich hinab, sah, dass das kleine Händchen seiner Tochter sich in sein Sweatshirt gekrallt hatte, ganz so als würde sie befürchten ihn zu verlieren.
Einen kurzen Moment verharrte er in dieser Position, versprach ihr in Gedanken, dass er dergleichen niemals zulassen würde.
Dass er immer auf sie aufpassen, auf immer und ewig für sie da sein würde.
Und löste sich dann unter vorsichtigen Bewegungen aus der Umarmung.
Lena ließ ihn scheinbar nicht aus den Augen, wartete bis er neben ihr stand.
Chris drehte sich jedoch noch einmal zum Sofa hin, als er aufgestanden war, bettete die Kleine sanft um, deckte sie zu.
Lucia ließ ein zufriedenes Seufzen vernehmen.
Er hätte nicht glücklicher sein können.
Mit leisen Schritten ging er zu Lena, seiner Lena, nahm sie in den Arm und führte sie vorsichtig zur Tür, sodass sie ihr kleines Mädchen noch gut im Blick behalten konnten.
„Weißt du, vielleicht hättest doch lieber du das Christkind spielen sollen. Wir lagen da gerade so gemütlich…“
Schief grinsend sah er zu Lena hinab, die die Arme vor dem Oberkörper verschränkte, eine Augenbraue nach oben zog.
„Du meinst, während ich das Chaos in der Küche vom Pizzabacken beseitigt habe. Schon klar…“
Lena schüttelte den Kopf und fuhr fort, hob dabei den Finger und stach Chris schmerzhaft zwischen die Rippen.
„Und ich spiele garantiert NICHT das Christkind. Du hast hier eindeutig den Drang dazu in andere Rollen zu schlüpfen.“
Lenas Augen funkelten, Chris‘ Grinsen wurde breiter.
„Glaub mir, diese Robe, die ich mir mal für meine Rolle als Jesus besorgt habe, die könnte dir auch super stehen, wenn du heute das Christkind sein willst.“
„Du kannst so froh sein, dass unsere Tochter schlafend auf dem Sofa liegt, ansonsten würde ich dir jetzt den Arsch versohlen, Harms. Wirklich.“
Lena streckte ihm die Zunge heraus, sah ihn gekünstelt beleidigt an.
„Mal im Ernst, es ist schon recht spät. Bereite du dich doch schon mal vor, ich kümmere mich um die Kleine und mache im Wohnzimmer soweit alles startklar.“
Lena ließ ihm keine Zeit, um weitere Fragen zu stellen, keine Zeit zum Protestieren.
Chris spürte ihre Hände an seiner Brust, bemerkte den Druck, den sie ausübte, als sie ihn geradewegs aus dem Wohnzimmer schob.
Ein letzter Blick und sie schloss die gläserne Tür hinter sich.
Chris stand nun alleine im Flur, sah sich ein wenig hilflos um.
Wie er bereits früher am Tag festgestellt hatte, es war nicht so, dass er sich aus Angst gegen den Plan sträubte. Er war einfach unsicher, ob das ein guter Plan war, den sie ausgeheckt hatten.
Er war so stolz, so stolz auf sein Mädchen, dass er lieber mit ihr gemeinsam die erste Erinnerung an ein Weihnachtsfest mit dem Weihnachtsmann schaffen wollte. Sie würde nicht wissen, dass er es war. Sie würde ihn vermutlich suchen und dass sie sich womöglich alleine fühlte, das machte ihn traurig und ließ ihn beinahe wahnsinnig werden.
Chris sah noch einmal auf die gläserne Tür, sah, dass Lena bereits noch mehr Kerzen verteilte und schluckte seine Unsicherheit hinunter.
Es brachte alles nichts, versprochen war versprochen. Sie feierten nun mal nur zu dritt.
Mit ein wenig gedrückter Stimmung begab sich Chris in das zweite Stockwerk und auch die besinnliche Atmosphäre der Lichter im Haus, die extra verteilt worden waren, um den Geist der Weihnacht zu verbreiten, vermochte seine Stimmung nicht zu erhellen.
Noch immer war er der felsenfesten Überzeugung, dass Klaas die bessere Wahl gewesen wäre…
Chris schloss die Schlafzimmertüre hinter sich und griff nach dem rot-weißen Kostüm.
Als er wenige Minuten später den Anzug samt Mütze, Schuhen, Handschuhen und Bart angezogen und sein Spiegelbild kurz im riesigen Spiegel des Schrankes überprüft hatte, schnappte er sich den Sack mit den wenigen Geschenken und das goldene Buch.
Lena hatte darauf bestanden, auch wenn er das Buch eher mit dem Nikolaus verband.
Aber er wollte mal nicht so sein. Jeder pflegte eine andere Tradition.
Er zwang sich zu einen Lächeln, als er das Schlafzimmer verließ, die Türe leise ins Schloss fallen ließ und sich langsam in Richtung Haustüre begab.
Chris würde klingeln, wie es sich für einen fremden Besucher gehörte.
Und je näher er seinem Ziel, der Türe, kam, desto mehr wuchs die Freude in ihm. Der Groll hingegen schwand.
Das, was zählte, war, dass Lucia Freude empfand. Sie war so klein und würde ihn sicherlich nicht missen, würde die Situation gar nicht richtig erfassen können.
Der Gedanke war tröstlich.
Und so strahlte Chris, als er vor der Haustüre stand und klingelte, auf Einlass wartete.
Kurz musste er warten, ehe Lena ihn hereinließ und Lucia vorsichtig hinter den Beinen der Schwarzhaarigen hervorlugte.
„Schau mal Schatz, wer da ist!“
Lucia wich einen Schritt zurück.
Lena schmunzelte und Chris kämpfte mit den Tränen vor Rührung.
Er wusste, wie es sich als Kind anfühlte, erinnerte sich ganz genau, als wäre es erst gestern gewesen, dass er die Bescherung mit den Augen eines Kindes erlebte.
Vorsichtig trat er über die Schwelle, lächelte die beiden an. Ging ein wenig in die Hocke, um auf Augenhöhe zu seiner Tochter zu sprechen, die noch immer Anstalten machte vor ihm weglaufen zu wollen.
„Keine Angst, meine Kleine. Ich bin der Weihnachtsmann und bringe gute Gaben.“
Chris klopfte auf den Sack, sah dann wieder zu Lucia.
Verwundert zog er seine Stirn kraus, als er sah, dass das kleine Mädchen, seine Tochter, auf ihn zugewankt kam.
„Papa!“
Chris sah Lena an, dann seine Tochter. Schüttelte kaum merklich den Kopf.
Shit.
Was machte er denn nun?
Er schluckte.
Sah zu Lena, die breit grinste.
„Lucia, Schatz, komm wir gehen erstmal ins Wohnzimmer und lassen unseren Gast ankommen.“
Chris atmete erleichtert auf und musste feststellen, dass Lena ihm verschmitzt zuzwinkerte.
Er sah, dass die Schwarzhaarige Lucia auf den Arm nahm und ins Wohnzimmer ging.
Chris ließ den beiden Vortritt, lief gemächlichen Ganges hinterher.
Und wurde sich gewahr, dass er seine Stimme verstellen musste!
Wieder traf ihn beinahe der Schlag als er sah, wie schön Lena das Wohnzimmer hergerichtet hatte.
Kerzen über Kerzen, dazu hatte sie einen Stuhl direkt neben das Sofa gestellt, auf den er sich setzen sollte – er war hier immerhin der Weihnachtsmann.
Chris ging also auf den Stuhl zu, nahm auf diesem Platz und bemerkte, dass Lucia ihn mit glänzenden Augen beobachtete.
Lena hatte scheinbar Mühe, sie bei sich zu behalten. Die Kleine wollte zu ihm.
Auch Lena schien dies zu bemerken.
„Weihnachtsmann, wäre es in Ordnung, wenn Lucia zu dir kommt?“
Lena sah zwischen Lucia und Chris hin und her, wartete eine Antwort ab.
Chris fing dröhnend an zu lachen, behielt im Kopf, dass er seine Rolle nun besser spielen musste.
Mit tieferer Stimme setzte er zu einer Antwort an.
„Aber natürlich, natürlich! Komm nur her, gutes Kind!“
Chris klopfte auf seinen Oberschenkel und zeichnete eine einladende Geste in die Luft.
Seine Tochter ließ sich nicht zweimal bitten und krabbelte über das Polster zu ihm, krabbelte direkt auf sein Bein.
Wieder lachte Chris.
Lena hingegen mischte sich ein wenig tadelnd ein, wie Chris empfand.
„Ach Schatz, du musst doch erst fragen, bevor du jemandem so nahe kommst…“
Chris positionierte das kleine Mädchen auf seinem Bein, sodass beide es bequem hatten und spürte, dass seine Tochter sich danach sofort zu Lena drehte, sich mit einer Hand an ihm festkrallte, mit der anderen auf ihn zeigte.
„Das da?“
Lena lächelte Lucia sanft an und auch Chris lächelte. Er konnte nicht anders.
„Das ist der Weihnachtsmann.“
Lucia drehte sich ruckartig zu Chris zurück, sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, schüttelte dann energisch den Kopf.
„Nann is Papa!“
Chris musste reagieren. Um die magische Legende aufrecht zu erhalten, die Legende rund um den Weihnachtsmann, auf die jedes Kind ein Anrecht hatte, musste er nun lügen.
Er lächelte also seine Tochter an, sprach sanft, aber bestimmt zu ihr.
„Nein, liebe Lucia, ich bin der Weihnachtsmann. Schau, ich habe ein goldenes Buch, in dem alles steht, was du Tolles dieses Jahr gemacht hast.“
Wieder wurden die Augen seiner Tochter groß und funkelten, sie hing an seinen Lippen, als er ihr daraufhin vorlas, was sie dieses Jahr alles geschafft hatte.
Er war sich sicher, dass sie nichts davon verstand und dennoch hörte sie zu. Ganz so als erzählte er ihr ein wundersames Märchen.
Chris schluckte, Tränen bildeten sich bei diesem Anblick in seinen Augen. Kurz sah er zu Lena hinüber, der es offensichtlich keinen Deut besser erging.
Als er geendet hatte, hielt er seine Tochter fest, bückte sich, um an den Sack mit den Geschenken zu kommen.
Lena war sofort an seiner Seite.
„Ich helfe dir, Weihnachtsmann.“
Und schon langte sie in den Sack.
Wieder ließ Chris das dröhnende Lachen vernehmen. Seine Tochter fing an zu quietschen und klatschte fröhlich mit den Händen.
Während Lena suchte und kramte, kam Chris eine Idee.
Erst summte er, dann stimmte er ganz leise ein Weihnachtslied an, schaukelte Lucia sanft auf seinem Bein hin und her.
Das kleine Mädchen war aufgedreht, hüpfte herum und versuchte seinen Vater nachzuahmen.
Die Bescherung geriet in den Hintergrund, als Lucia nach Chris‘ künstlichem Bart langte, daran zog und losließ.
Das Plastikteil schnalzte zurück und Chris ließ ein sehr unbesinnliches Schreien vernehmen, das Lena zum Lachen brachte. Auch Lucia krisch begeistert, griff nochmals nach dem Bart.
„Nann is Papa!“
Die Kleine sah zwischen Mama Lena und Papa Chris hin und her.
Trotz seines schmerzenden Gesichts konnte Chris nicht glücklicher sein.
Sein Mädchen hatte also wirklich erkannt, dass er es ist.
Sie war voll und ganz zufrieden, die Geschenke spielten keine Rolle.
Ohne weitere Worte nahm er sie in den Arm, gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Seine Unsicherheit war – wieder einmal – völlig unbegründet gewesen.
Hätte er das nicht eigentlich wissen sollen?
Er sah zu Lena herüber, die ihm eine Kusshand zuwarf.
Hätte, hätte, Fahrradkette.
Ende