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Are You Coming Home?

von Tiaiel
Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte, Erotik / P18 / MaleSlash
Katsuya Jonouchi / Joey Wheeler Mokuba Kaiba Seto Kaiba
23.12.2021
25.01.2023
11
49.329
10
Alle Kapitel
19 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
25.12.2022 4.539
 
Es begann mit einer Idee, einer Idee eines liebgewonnenen Menschen, die zu einer Geschichte wurde, die heute am Weihnachtsabend ihr offizielles Ende erhält. Meine liebe empresssissi, es war und ist mir nach wie vor
eine Ehre und eine besondere Freude, diese Zeit mit dir und den Jungs mit all ihren Höhen und Tiefen verbringen zu dürfen. Ganz große Liebe für ganz großes Kino <3 Dass wir nun an Trennungsschmerz leiden, ruft die Erinnerung an ein vermeintliches Bonuskapitel, dass den Jungs und auch Isono lang im Gedächtnis geblieben ist und des Öfteren schon Erwähnung fand, wieder ins Gedächtnis. Oder bleibt es doch nur ein kleines Hirngespinst?

Wir wünschen euch auf jeden Fall schöne Festtage, eine wunderbare Zeit und einen guten Rutsch in das nächste Jahr!




Noch nie waren mir lausige zehn Minuten länger als diese hier vorgekommen. Und erst diese vielen unterschiedlichen Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten, damit könnte man doch glatt ein Buch füllen. Das wäre dann so ein Roman, den er definitiv nicht lesen wollen würde. Fragt sich jetzt nur, ob es auch ein Happy End geben wird. Klar waren es nicht immer nur gute Zeiten, die wir miteinander verbracht hatten, aber das spielt eigentlich auch keine Rolle, denn wir haben definitiv aus allen Erfahrungen gelernt, sind unsere Wege gegangen, anfangs noch gemeinsam und in den letzten Monaten eben allein. Doch gerade wenn ich an Mokubas Geburtstag zurückdenke, fällt mir immer wieder auf, dass wir letztendlich nicht voneinander loskommen. Nur wenige verführerische Worte hatten damals genügt, um ihn zu diesem heimlichen Stelldichein zu verleiten, auch wenn er leider am nächsten Tag ohne ein Wort des Abschieds verschwunden und wieder nach Amerika zurückgeflogen war. Klar war das so abgemacht, zwar unausgesprochen, aber ihr wisst schon, wie sowas abläuft.

Und jetzt bin ich hier und so kurz davor, doch noch ein Weihnachtswunder wahr werden zu lassen. Ich weiß genau, dass Seto mich jetzt wieder belächeln würde, wenn ich ihm sage, dass es eine höhere Macht ist, die hier definitiv ihre Finger im Spiel hat. Anders ist die extreme Verspätung seines Fluges für mich jedenfalls nicht zu erklären, denn das Timing ist einfach viel zu perfekt. Ausgerechnet heute bin ich auf einem Einsatz nur einen Katzensprung von ihm entfernt? Das kann doch gar kein Zufall mehr sein. Natürlich glaube ich da an Fortuna, an das große Ganze und nutze ebendiese Chance, die zum Greifen nahe ist, um es diesmal richtig zu machen. Ich will ihm sagen, dass ich ihn vermisst habe, dass ich ihn brauche, genauso wie er mich braucht, und wir eben trotz unserer Vergangenheit und den Fehlern, die wir begangen haben, einfach zusammen gehören. Dass ich ihn auch zu Hause oder im Laufe der nächsten Tage in der Kaiba Corporation mit meiner alles verändernden Erkenntnis konfrontieren könnte, ist mir natürlich glasklar. Aber es muss nun einmal genau dieser Moment sein, denn ich habe mehr als genug Zeit mit Grübeln und unsinnigen Zweifeln verschwendet. Und schätzt man an mir nicht meine impulsive, spontane Seite?

Die Hälfte des Weges habe ich inzwischen hinter mir und trotzdem habe ich das Gefühl, noch so elend weit vom Ziel entfernt zu sein, ihn vielleicht doch nicht rechtzeitig abpassen zu können, so wie in diesen Wiederholungen in Zeitlupe, wenn man den Sieger eines Wettrennens nochmals überprüft. Also lege ich noch einen Zahn zu. Dass ich dabei wie so oft etwas zu schnell über die nächste Kreuzung hechte, merke ich jedoch erst, als ich auf der anderen Seite der Straße eine scharfe Rechtskurve nehmen will und etwas am Ziel vorbeischlittere, denn es ist noch immer Winter und die Straßen sind aufgrund der kalten Tage glatter, als ich gedacht habe. Glücklicherweise fange ich mich am nächstgelegenen Laternenmast ab und hole auf den Schreck erst einmal kurz tief Luft, ehe ich mich wieder in Bewegung setze, um auch ja keine weitere wertvolle Sekunde verstreichen zu lassen. So viel Glück im Unglück ist wohl auch nur mir vergönnt, denn als ich die Kurve schließlich gemeistert habe, sehe ich wenige Meter vor mir eine am Boden liegende Person, neben ihr ein Fahrrad und zähle eins und eins zusammen. Verdammt! Natürlich kann ich an dieser Szene nicht einfach so vorbeilaufen, das würde meine innere Stimme niemals zulassen, ganz zu Schweigen von meinem wohl angeborenen Helfersyndrom, das Seto so oft in der Vergangenheit bekrittelt hat. Also stoppe ich meinen bravourösen Endspurt, wenn auch etwas widerwillig, kurzerhand auf der Zielgeraden und leiste Erste Hilfe.

Schnell stellt sich heraus, dass es meinem unerwarteten Patienten soweit gut geht und er augenscheinlich keine schwerwiegenden Verletzungen hat. Ich helfe ihm selbstverständlich noch auf und bin gedanklich schon wieder auf dem Weg zum Flughafen, als der junge Mann plötzlich über Schmerzen in seinem Fußgelenk klagt. Innerlich verdrehe ich die Augen und frage vorsichtshalber noch einmal schweigend bei der Schicksalsgöttin an, ob dieser Hindernislauf tatsächlich ihr Ernst ist. Wieso serviert sie mir zuerst so ein Häppchen Glück und lässt mich dann sprichwörtlich volle Kanne am Boden aufklatschen. Natürlich kann ich den verletzten Fahrradfahrer in dieser Verfassung nicht allein hier zurücklassen und überlege, wie ich diese Situation in meiner Hast am besten schnell und einfach lösen kann, als mir Nagisa wieder in den Sinn kommt. Sofort zücke ich mein Handy und wähle seine Nummer. Nach nur einem Klingeln habe ich ihn bereits am Rohr und erkläre kurz die Sachlage. „Du würdest mir damit wirklich einen riesigen Gefallen tun… zum zweiten Mal heute“, sind meine abschließenden Worte und ich höre Nagisas belustigte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich hab schon gewendet und bin jetzt auf dem Weg zu dir.“

Knappe fünf Minuten später biegt der Rettungswagen auch schon um die Ecke und nur wenige Sekunden später steht Nagisa vor unserem letzten Patienten am heutigen Abend, während er im selben Moment auffordernd das Wort an mich richtet: „Wie lang willst du eigentlich noch deine Zeit vertrödeln? Jetzt geh schon los. Ich komme hier allein zurecht und deine Schicht ist längst beendet. Immerhin wird er nicht ewig auf dich warten. Falls er überhaupt wartet.“
„Man, ich danke dir, Kumpel. Glaub mir, er ist definitiv eher einer von der ungeduldigen Sorte", sprudelt es förmlich aus mir heraus, ehe ich stocke: „Moment! Wen meinst du mit er?“, frage ich verwundert nach und sehe Nagisa mit einem ungläubigen Blick an. „Na deine sogenannte ‘Freundin’... “, antwortet er in einem seltsamen Tonfall, „... und große Liebe: Seto Kaiba. Wen denn sonst? Du hattest es doch vorhin noch so eilig zu ihm zu kommen.“ Plötzlich rattern tausend Gedanken auf einmal durch meinen Kopf und ich weiß im ersten Moment nicht, wie ich darauf reagieren soll.
Das bemerkt wohl auch mein Kollege und ergreift erneut das Wort. „Jetzt schau nicht so verwundert. Auch ich verfolge die Medien, mein lieber Jonouchi, und es gab wohl oft genug ein paar interessante Fotos dort zu sehen. Glaubst du echt, es wäre mir nicht aufgefallen? Du hast doch nie einen Namen genannt oder geschlechtsspezifisch gesprochen. Und während ich dir Minako noch in unserem ersten Dienstjahr vorgestellt habe, bist du mir das Kennenlernen mit deiner großen, mega komplizierten Liebe bis heute schuldig geblieben. Und jetzt hau endlich ab, sonst wird das doch nie was mit euch beiden“, scheucht er mich händewedelnd fort.
„Du bist ein echter Lebensretter", bestätige ich ihm die richtige Berufswahl, auch wenn es diesmal ausnahmsweise mal nicht um Leben und Tod geht, „Dafür hast du was gut bei mir!“ Auf meine Aussage hin grinst Nagisa nur verwegen und sagt: „Ich schlage spontan ein Essen zu viert vor. Du lädst uns ein.“ Noch im selben Augenblick stimme ich ihm mit den Worten „Auf jeden Fall!“ zu und nehme die Beine in die Hand, da ich durch diesen kleinen Unfall leider viel wertvolle Zeit verloren habe. „Ich verspreche es hoch und heilig!“, rufe ich ihm noch aus der Ferne zu und bin wirklich dankbar, so einen guten Freund und Arbeitskollegen in ihm gefunden zu haben.

Nach wenigen Metern beschäftigen mich jedoch schon wieder andere Fragen, während ich das Gebäude vom Flughafen bereits sehen kann. Hat er sein Gepäck schon abgeholt? Wie lange dauert es nochmal, durch die Sicherheitskontrollen zu kommen? Checken die eigentlich noch das Handgepäck oder mogelt er sich mit seinem Bekanntheitsgrad und seiner dezent charmanten Art einfach so durch? Doch auch wenn Fortuna mir einige Stolpersteine in den Weg gelegt und sogar einen unbeteiligten Fahrradfahrer mit hineingezogen hat, ist mir das Glück dennoch hold. Denn als ich deutlich außer Atem endlich den Haupteingang des Gebäudes erkennen kann, fällt mir sofort der schwarze Jaguar, der nur wenige Meter davon entfernt parkt, auf. Am Steuer sitzt unverkennbar Isono, der gerade das Fahrzeug startet, während ich erst einmal tief Luft holen muss. Der Motor heult auf und in diesem Augenblick realisiere ich, dass ich bereits wertvolle Sekunden mit sinnlosem Rumstehen und Atmen vergeudet habe. In Windeseile schlängle ich mich durch die geparkten Autos, die sowieso viel zu nah aneinander stehen, und lege einen gekonnten Sprint über die zum Glück gerade wenig befahrene Straße hin. Isono ist bereits im Begriff loszufahren, als ich mich mit einem Hechtsprung, der seinesgleichen sucht, beinahe vor das anfahrende Auto werfe, während ich meine Hände abwehrend auf das kalte Metall der Motorhaube presse. Auf den ersten Schreck hin tritt Isono direkt wieder auf die Bremse, sodass das Fahrzeug mit einem kurzen Ruck neuerlich zum Stehen kommt. Vermutlich wird er dafür gerade eine ordentliche Rüge von seinem Chef erhalten, der auf so eine Aktion sicherlich nicht vorbereitet war. Denn auch wenn die hinteren Scheiben leicht getönt sind, ist da definitiv jemand auf den Rücksitzen des Wagens zu erkennen.

Da ich die Flucht, die natürlich gar keine war, erfolgreich vereitelt habe, nutze ich den kurzen Moment, um mich von der Rennerei zu erholen, und versuche vergebens, meinen Puls etwas in den Griff zu bekommen. Nur einen Augenblick später öffnet sich die Fahrertür einen Spalt breit und ein wütender Isono ist im Begriff auszusteigen, als er plötzlich inne hält und mit einem „Wie Ihr wünscht, Kaiba-sama“ von seinem Vorhaben ablässt. Da hatte sich wohl der gute Seto soeben wie erwartet an den Bodyguard seines Vertrauens gewandt, auch wenn ich wiederum keinen einzigen Ton von selbigen hören konnte. Der vernichtende Blick, den Isono mir jedoch gerade zuwirft, lässt nichts Gutes erahnen. Direkt darauf öffnet sich eine der hinteren Türen und ich weiß genau, dass der Moment der Entscheidung gekommen ist. „Warte!“, rufe ich gut hörbar und bin froh, dass er meiner Aufforderung offenbar direkt Folge leistet, genau wie einige Passanten, die mich natürlich daraufhin etwas seltsam ansehen, dann jedoch weiter ihres Weges gehen.
So entschlossen, wie ich auch immer sein mag, ist es mir für den Moment doch lieber, wenn er einfach in seinem Wagen sitzen bleibt und sich erstmal anhört, was ich zu sagen habe. Auch wenn ich damit Gefahr laufe, dass er die Tür wieder zuknallt, davonfährt und damit für immer aus meinem Leben verschwindet. Es ist seltsam, denn ich bin sonst eigentlich ein tougher Typ. Ich meine, wann bin ich jemals auf den Mund gefallen, also nicht im wörtlichen Sinn, denn tollpatschig bin ich durchaus und das nicht gerade selten, aber dann effektvoll. Klasse, jetzt schweife ich total ab. Ich bin sonst nie nervös. Es ist nur…hach, es geht hier halt um Seto Kaiba, den Geldsack, dem sonst niemand etwas vormacht und der stets seine Interessen rigoros durchsetzt. Und das meine ich auf die nette Art und Weise. Ich will jedenfalls nicht auf seiner Abschussliste stehen und ihn unbedingt als Feind haben. Nein, ganz im Gegenteil. Was ich wirklich will, ist die andere Seite dieses Mannes, die er eben nicht der Öffentlichkeit präsentiert. Wenn ich bedenke, wie selbstverständlich und sinnlich er sich in den devoten Part fügte und mir damit einfach so die Oberhand überließ, läuft mir sofort ein wohliger Schauer über den Rücken.

Und jetzt bin letztendlich doch ich der Hasenfuß, der ihm nicht direkt in die Augen sehen kann, wenn es um Alles oder Nichts geht. Doch es nicht zu versuchen, ist definitiv ein Fehler, den ich nicht begehen werde. Also beginne ich Hals über Kopf einfach drauf los zu plappern, was mir durch den Kopf geht, in der Hoffnung, dass es noch irgendetwas zwischen uns ändern kann.
„Ich weiß, wir machen uns gegenseitig nur zu gern das Leben schwer. Aber es ist viel Zeit vergangen und ich habe intensiv nachgedacht, über mich und natürlich über uns. Unsere Leben sind so unterschiedlich und haben irgendwie einfach nicht zusammengepasst. Zumindest schien es immer so, aber…in Amerika war es wiederum so unkompliziert und befreiend. Es war ein gutes Gefühl, einfach zusammen die Straßen entlang zu schlendern und allen zu zeigen, dass wir zusammengehören, sich nicht verstecken zu müssen. Wobei das wohl nur meine Sorge war. Du hattest damit ja noch nie wirklich Probleme. Und als ich dann wieder in Japan angekommen war, merkte ich bald, dass ich dieses Gefühl zu gern auch hier gehabt hätte und überlegte, wie ich das Problem, das ich selbst geschaffen hatte, lösen könnte beziehungsweise ob es überhaupt noch lösbar wäre.
Zugegeben, das Treffen an Mokubas Geburtstag hat mir nochmal gezeigt, dass es so nicht zwischen uns bleiben konnte und ja, vielleicht bin ich die Sache etwas falsch angegangen. Aber in dem Moment, als ich dich nach so langer Zeit dort wieder sah, musste ich einfach irgendwie deine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Vermutlich war es da nur gerecht, dass du dich danach heimlich, still und leise wieder aus dem Staub gemacht hast. Mal abgesehen von Moki, meinen Freunden und wohl auch meinem Kollegen Nagisa, der es mir offenbar an der Nasenspitze angesehen hat, bleiben nicht mehr viele Menschen übrig, die von unserer Beziehung gewusst haben. Und sie alle kamen damit zurecht, nur ich irgendwie nicht. Vermutlich, weil ich mich in deinem Alltag oft deplatziert neben dir gefühlt habe. Letztendlich ändert es jedoch nichts an den Tatsachen. Du bist mir genug. Das warst du immer. Und wenn das heißt, dass uns ständig irgendwelche Pressefuzzis auflauern und irgendwer um deine Gunst buhlt, fein, ich werde damit klar kommen. Ich meine, solange es nicht wieder dieser schnöselige Blonde ist.

Deswegen komm ich dir jetzt diesen einen, ersten Schritt entgegen, den ich schon längst hätte gehen sollen. Es ist die letzte Hürde, die nur ich meistern kann, und ich hoffe, dass es dafür noch nicht zu spät ist. Scheiß halt auf die Entfernung! Das kriegen wir auch irgendwie noch hin. Denn die Gefühle bleiben trotzdem die gleichen, genauso wie diese beschissene und unerträgliche Sehnsucht, die mich immer wieder zu dir zurück treibt. Weißt du, was ich eigentlich sagen will, ist…”, setze ich final zu einem Satz an, der beinahe einem Geständnis gleichkommt, obwohl meine Gefühle für ihn längst klar sind und ich es nur nie in Worte gefasst habe. Diese magischen drei Worte, die uns den Neustart vermutlich ermöglichen werden. Doch es ist trotz dieser offensichtlichen Gefühle so unendlich schwierig, sie auszusprechen. Ich merke, wie ich langsam ins Stocken komme und dass ich diesen Satz jetzt endlich aussprechen muss. Bei meinen letzten Worten habe ich die Aufmerksamkeit der Passanten erneut auf mich gezogen und sie scheinen hinter vorgehaltener Hand doch gespannt zu verfolgen, was nun kommen würde. Vermutlich weil es einfach außergewöhnlich für uns Japaner ist, solche Liebesbekundungen auf offener Straße zu teilen und weil sicherlich jeder hier weiß, wessen protzige Karre das ist. Doch es gibt für mich keinen Weg zurück und eigentlich ist es in dieser Situation auch genau das, was meine gerade gesagten Worte deutlich machen sollen. Denn gemäß deinem Wunsch beende ich das Versteckspiel hier und jetzt. „Ich will eine zweite Chance und ich…ich…“, gerate ich aufgrund der Aufmerksamkeit und der Bedeutung dieser vielversprechenden Worte noch etwas mehr ins Stocken. So leicht, wie anfangs gedacht, lässt es sich dann doch nicht über die Lippen bringen. „Ich…vermisse dich…“, sage ich schließlich etwas leiser als die vorangegangenen Worte und senke verlegen den Kopf, während um mich herum leises Getuschel zu hören ist.
„Das schmeichelt mir ja sehr, Katsuya. Aber ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, dem du das sagen solltest“, höre ich eine durchaus bekannte, amüsierte Stimme aus dem Wagen und sehe, wie Mokuba durch die noch immer geöffnete Tür aussteigt. Grinsend strahlt er mich an, während ich nur perplex zurück starre. „Deinem Blick entnehme ich, dass du mich hier nicht erwartet hast. Ich bin mitgefahren, um Seto abzuholen und sicherzugehen, dass du es auch rechtzeitig schaffst. Isono wollte gerade den freigewordenen Platz direkt vor dem Haupteingang nutzen und ein Stück vorfahren, als du dich halsbrecherisch vor den Wagen geworfen und einfach drauflos gesprochen hast. Außerdem glaube ich, dass du am Ende deines Monologs eigentlich etwas anderes sagen wolltest. Aber du hast Glück, denn das kannst du nämlich direkt noch einmal korrigieren“, deutet er hinter mich, woraufhin ich mich aus einem Impuls heraus in die aufgezeigte Richtung wende und Seto plötzlich direkt gegenüber stehe. Als sich unsere Blicke nur einen Augenblick später treffen, sehe ich, dass sich auch in seinen wundervoll blauen Augen eine deutliche Überraschung widerspiegelt. So plötzlich, wie er damals verschwunden war, tauchte er nun wieder auf. Natürlich ist mir klar, dass ich derjenige bin, der den ganzen Weg hierher querfeldein gesprintet ist, nur um ihn rechtzeitig abzupassen und all die ungesagten Dinge endlich auszusprechen. Doch jetzt, wo er so unvermittelt vor mir steht, steckt mir mit einem Mal ein dicker Kloß im Hals, sodass ich kein einziges Wort herausbekomme.

„Okay, da ist wohl noch einiges an Gepäck zu verstauen. Ich gehe dann mal Isono zur Hand“, höre ich Mokuba beiläufig sagen, ehe er sich den Gepäckwagen schnappt, der neben seinem Bruder steht, und eilig hinter dem Wagen verschwindet. Noch im gleichen Moment beginnt Seto zu sprechen. „Katsuya“, sagt er meinen Namen so unglaublich eindringlich, dass es mir einen deutlich spürbaren Schauer über den Rücken jagt. „Ich habe das untrügliche Gefühl, etwas Essenzielles verpasst zu haben, als ich in Amerika war“, ergänzt er gespielt überrascht.
Dass seine Stimme in diesem sanften Tonfall auch heute genauso wie damals, als wir uns heimlich in den Hotels nahe des Bahnhofs herumtrieben, ein Herzrasen in mir auslöst, ist wohl der eindeutigste Beweis dafür, dass noch immer starke Gefühle vorhanden sind, und zwar nicht nur von meiner Seite. Durch sein Handeln fühle ich mich direkt bestätigt und starte erneut einen Versuch, meine wirren Gedanken in Worte zu fassen.
„Seto…wie lange bist du...und wie viel hast du gehört? Ist eigentlich auch egal, denn ich muss dir was Wichtiges sagen!“, sortiere ich meine Worte, während ich sie bereits sage und sehe, wie auch er erneut zu sprechen beginnt.
„Ich hätte auch einige wichtige Dinge, die ich dir sehr gern sagen möchte. Wenn du dich also einen Moment gedulden könntest“, sieht er mich beschwichtigend an und will gerade weitersprechen, als ich ihn erneut unterbreche.
„Einen Moment gedulden? Ich versuche hier gerade voll die peinlichen Sachen zu sagen. Weißt du eigentlich, wie schwierig das ist? Und wie kommst du eigentlich darauf, dass deine ‘wichtigen Dinge’ wichtiger sind als meine? Isono hat mich beinahe überfahren, als ich gerade noch versucht habe, ihn am Wegfahren zu hindern.“ Setos vorwurfsvoller Blick wandert direkt hinüber zu besagtem Bodyguard, der bereits nervös den Kopf schüttelte und damit wohl signalisieren will, dass das definitiv keine Absicht war.
„Was kann bitte so wichtig sein, dass du dich zu solch waghalsigen Manövern hinreißen lässt?"
„Naja, da dachte ich ja noch, dass du schon im Auto sitzt.“
„Und deswegen wirfst du dich vor einen fahrenden Wagen?“
„Also eigentlich war er nur mehr am Rollen…"
„Katsuya!", brachte Seto beinahe knurrend hervor.
„Schon gut. Ich wollte halt nicht, dass du mir jetzt, wo ich nach einem Marathon quer durch die Stadt völlig fertig endlich hier ankomme, einfach vor der Nase wegfährst”, gebe ich mich schließlich geschlagen und antworte wahrheitsgemäß.
„Dir ist schon bewusst, dass ich gerade erst in Domino angekommen bin, um mit Mokuba zusammen die Weihnachtstage zu verbringen und nicht, um direkt wieder abzureisen?“
„Ja, schon klar, aber es musste eben hier und jetzt sein.“
„In Gegenwart all dieser Menschen?", sah sich Seto kurz um. “Interessant. Dabei war dir früher nichts wichtiger, als deine Verbindung zu mir geheim zu halten“, war ein vorwurfsvoller Unterton in seiner Stimme herauszuhören, leider gerechtfertigt.
„Das ist im Nachhinein betrachtet vielleicht auch keine ganz so gute Entscheidung gewesen. Mein Arbeitskollege hat mich jedenfalls problemlos durchschaut und wenn ich an Amerika zurückdenke, die billige oder vielleicht doch eher überteurte Kopie von mir mal ausgenommen, war es definitiv eine verdammt gute Zeit dort gewesen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich das hier auch gern noch einmal versuchen wollen“, sage etwas kleinlaut, da ich es ja im Endeffekt war, der die Beziehung beendet hatte.
„Um wie ein verliebtes Pärchen händchenhaltend zusammen die Straßen entlang zu schlendern und allen zu zeigen, dass wir zusammengehören?“, fügt Seto beinahe beiläufig mit an und setzt dieses wissende Grinsen auf, was wohl ein Hinweis auf etwas sein soll, was ich gerade nicht checke. „Willst du mir damit etwa sagen, dass du mich vermisst?“, hakt er daraufhin noch einmal nach, um sich Gewissheit über die Bedeutung meiner Worte zu verschaffen und erwartet gespannt meine Antwort.
„Ich hab dich nicht einfach nur vermisst. Es ist viel mehr als das. Verdammt nochmal, Kaiba. Ich liebe dich!“, presche ich in meiner Redseligkeit euphorisch hervor und schaue nur einen Wimpernschlag später in sein erstauntes und im nächsten Moment amüsiertes Gesicht. Auch einige Personen um uns herum, vor allem Mokuba und Isono, der bereits wieder knallrot angelaufen ist, scheinen überrascht aufgrund der deutlichen Worte. Und ja, auch ich bin mit dieser ungewollten Aufmerksamkeit etwas überfordert, als ich realisiere, was ich da grad vor versammelter Mannschaft im Eifer des Gefechts einfach so rausposaunt habe. Jetzt war es ausgesprochen und man hätte meinen sollen, dass es eine Art von Befreiung darstellte, es endlich gesagt zu haben. Doch wider Erwarten schlägt mir das Herz plötzlich bis zum Hals, als ich merke, wie Seto näher an mich heran tritt. Nur wenig später spüre ich seine Hand in meinem halb zerzausten Haar und die kühlen Finger, die mein erhitztes Gemüt ein wenig besänftigen.
„Katsuya“, spricht er meinen Namen erneut in diesem warmherzigen Tonfall aus, sodass mir seine Stimme schon wieder eine Gänsehaut verschafft. Für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen und genieße die bekannte, zärtliche Berührung aus vergangenen Tagen, nach der ich mich in den letzten Monaten so gesehnt habe. Meine Hand wandert währenddessen zu seiner Brust, genau zu der Stelle, an der ich bei unserer letzten Begegnung für wenige Tage eine kleine Markierung als flüchtige Erinnerung hinterlassen hatte. Auch heute schlägt sein Herz wieder schneller als gewöhnlich und ich bilde mir ein, dass ich der Grund dafür bin. Im gleichen Atemzug lehnt er sich ein Stück nach vorn und flüstert mir die folgenden Worte ins Ohr: „Zeig mir, dass deine Worte der Wahrheit entsprechen. Beweise mir, dass das hier kein aberwitziger Tagtraum ist, denn von denen hatte ich in letzter Zeit wahrlich zu viele. Zeig es mir und allen anderen hier und jetzt.“

Das ist die Art von Aufforderung, der ich definitiv nachkommen möchte und noch bevor er sich wieder von mir entfernen kann, kralle ich mich in seinen weichen Wollmantel, überwinde die geringe Distanz zwischen uns mit dem Gefühl, dass es noch immer der weite Ozean wäre, der uns viel zu lang voneinander getrennt hat. Der Kuss, den ich so unfassbar sanft auf seine Lippen lege, als würde ich etwas leicht Zerbrechliches und Unersetzbares berühren, was ich längst verloren geglaubt hatte, lässt mich die Wärme spüren, die ich wegen dummer Zweifel und viel zu langem Zögern beinahe für immer verloren hätte. Erneut schenke ich ihm damit einen Teil von mir, den er bereits seit vielen Jahren unwissentlich besessen hat und löse mich nur wenige Sekunden später wieder von den süßen Lippen.
„Das sollten wir definitiv wiederholen”, sagt er mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht, woraufhin ich genau wie damals mit einem einfachen „Okay“ antworte.
„Da ich bislang keinen Auslöser einer Kamera bemerkt habe, schlage ich vor, dass wir dieses Vorhaben sofort in die Tat umsetzen. Denkst du nicht auch, dass wir unserem Publikum etwas mehr bieten sollten, außer diesem kleinen Hauch von Nichts?"
Mit diesen Worten zieht er mich bestimmt an sich heran und vollendet das, was ich zaghaft begonnen hatte. Tatsächlich kann ich noch im gleichen Moment das Klicken von Handykameras hören, deren Schnappschüsse wohl sogleich an die Reporter der lokalen Nachrichten weitergereicht und die Beziehung eines der begehrtesten Singles und erfolgreichsten Firmenchefs publik machen werden. Doch all das rückt gerade immer weiter in den Hintergrund, denn ich verliere mich in seinem ungestümen Überfall und lasse mich für den Moment einfach von ihm mitreißen.
Als er sich wieder von mir löst und einen flüchtigen Blick hinter mich wirft, höre ich Isonos verlegenes Räuspern mit der Aussage, dass das Gepäck vollständig verstaut wäre. „Es ist Zeit zu gehen, Hündchen", sagt er äußerst zufrieden, umfasst fest meine Hand mit seiner und zieht mich widerstandslos mit sich zu der noch immer geöffneten Tür seines Wagens, aus der Mokuba vorhin ausgestiegen ist. Im nächsten Moment sind wir auch schon auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs verschwunden, während Isono den Motor startet und wir das Flughafengelände schließlich verlassen. Nun muss ich erstmal tief durchatmen, denn ich kann noch immer nicht glauben, dass ich Seto vor so vielen fremden Menschen in aller Öffentlichkeit tatsächlich meine Liebe gestanden habe. Mal ganz abgesehen von diesem leidenschaftlichen Kuss, den er dabei filmreif vorgeführt hat, um die morgigen Zeitungen damit zu füllen. Spätestens morgen werden es alle wissen, vermutlich wird es Getuschel geben und nervige Fragen von den Presseheinis. Doch der Druck und die damit verbundene liebevolle Berührung unserer noch immer ineinander verschränkten Hände lässt meine Bedenken über die eventuell negativen Folgen sofort verfliegen.

„Die Expansion nach Amerika war im Übrigen ein voller Erfolg. Zukünftig werden dort einige personelle Veränderungen vorgenommen, sodass ich meinen Lebensmittelpunkt im Frühjahr wieder gänzlich zurück nach Domino verlegen werde. Wie sagtest du vor wenigen Minuten noch so treffend: 'Scheiß halt auf die Entfernung'.“
„Moment“, werde ich aufgrund seiner Wortwahl nun hellhörig, „heißt das etwa, dass du das alles gehört hast? Deswegen hast du mich vorhin auch so seltsam angesehen. Aber…Wieso hast du mich das alles dann nochmal runterbeten lassen?"
„Nun, ich musste doch sicherstellen, dass du mich nicht nur vermisst hast. Für eine unerwiderte Liebe würde ich gewiss keinesfalls in mein Heimatland zurückkehren. Wie du siehst, gibt es auch für dieses Problem bereits eine passable Lösung.“ Für einen Moment traue ich meinen Ohren nicht und sehe ihn überrascht an, denn mit so einer schnellen Lösung habe ich definitiv nicht gerechnet. „Stimmt das wirklich? Wirst du wieder nach Hause kommen?” Ein Nicken folgte, woraufhin ich unsere Verbindung noch etwas mehr verstärke und mich an ihn schmiege.

Müde, aber definitiv glücklich schaut Seto die vorbeiziehenden Lichter auf der Straße an und lässt meine Hand dabei keine Sekunde los. Ich kann nicht umhin zu lächeln, lief doch besser als gedacht. Meine offensichtliche Freude hat natürlich auch Mokubas Aufmerksamkeit erregt, denn er seufzt zufrieden. „Alles nach Plan gelaufen, Kurzer?", frage ich frech nach.
„Ganz ehrlich: Auch wenn Heiligabend fast vorbei ist, ist das das beste Weihnachtsfest aller Zeiten", antwortet er mit einem so breiten Grinsen, dass er der Grinsekatze locker Konkurrenz machen könnte und erntet dafür von Seto eine hochgezogene Augenbraue. Widersprechen konnte dieser seinem jüngeren Bruder nämlich nicht, denn…naja, wo er recht hat: „Merry Christmas, Mokuba!"


Ende.
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