Zwischen den Welten
von Funnygana
Kurzbeschreibung
Dies ist das Tagebuch von Schi-So, dem Sohn von Nitsas-Ini und seiner weißen Frau Gidi. Es zeigt auf, wie aus einem kleinen Indianerjungen ein Mann wird.
GeschichteFamilie, Freundschaft / P12 / Gen
Nitsas-Ini
OC (Own Character)
Old Shatterhand
Schi-So
Winnetou
09.11.2021
24.11.2022
60
88.679
9
Alle Kapitel
201 Reviews
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Dieses Kapitel
3 Reviews
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29.04.2022
1.427
1869
2. Januar ´69
Am Montag wird unser Studium fortgesetzt. Und im Februar werde ich für vier Wochen nach Chemnitz gehen.
9. Januar ´69
Adolf und ich haben die besten Noten von allen Studenten. Ich bin nicht besonders ehrgeizig, aber ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Alle Diné haben ein gutes Gedächtnis, denn ein Volk, welches keine Schrift kennt, muss sich alles behalten können. Doch ich kann noch mehr, ich kann die Seiten, die ich lese, erneut in meinem Kopf aufrufen und nachlesen. Das ist eine besondere Gabe. Adolf muss viel mehr lernen als wie ich.
Seit kurzem haben wir auch einen neuen Lehrer. Herr Nobbe leitet die Pflanzenphysiologische Versuchsanstalt. Seine Vorträge sind sehr spannend und eins meiner liebsten Unterrichtseinheiten.
30. Januar ´69
Seit vorgestern sind wir wieder im Forsthaus. Einmal im Monat haben wir samstags keine Vorlesungen. Adolf und ich nutzen das lange Wochenende, um zum Forsthaus zu fahren. Mit dem Zug geht es nach Dresden und dann wandern wir hoch zur Wolfschen Hütte. Morgen früh geht es dann wieder zurück nach Tharandt. Wir müssen dann zwar sehr früh los, noch weit vor dem Sonnenaufgang, um den ersten Zug pünktlich zu erreichen, doch das ist angenehmer als sonntagabends das Forsthaus zu verlassen. Im Moment habe ich wieder meine ruhigen zwei Stunden. Das ist die Zeit, die Familie Wolf in der Kirche in Heimberg verbringt.
Die Pferde stehen noch immer hier am Forsthaus, bis der Winter vorbei ist. Heute Nachmittag wollen Adolf und ich ausreiten. Katharina hat gefragt, ob sie mit uns reiten darf. Sie ist ein guter Kamerad und da wir neben Sternschnuppe noch die zwei Ponys hier haben, ist es kein Problem, sie mitzunehmen. Schließlich ist sie nur unwesentlich jünger als ich.
Gestern haben wir mit Adolfs Geschwistern zusammen Schneehütten gebaut. Katharina kann anpacken wie ein Junge. Das gefällt mir. Sie hackt auch das Holz für den Kamin. Sie ist klein und stämmig, keine Schönheit, aber sie hat schöne Augen. Und sie trägt nicht mehr diese Rattenschwanzzöpfe. Meist hat sie jetzt einen geflochtenen Zopf oder trägt die Haare offen, zusammengehalten mit dem Stirnband, welches sie Weihnachten von mir bekommen hat. Bei der Arbeit hat sie ein Kopftuch auf, damit ihr die Haare nicht im Weg sind. Sie interessiert sich in ihrer Freizeit für die Natur. Ihr Wunsch ist es, Försterin zu werden. Dazu muss sie aber einen Förster heiraten, denn als Frau darf sie natürlich nicht studieren. (Warum eigentlich nicht? Die Deutschen sollten ihren Frauen viel mehr zutrauen!)
Ich werde ihr meine Fachliteratur überlassen, wenn ich das Studium beendet habe.
Ab morgen arbeite ich vier Wochen in Chemnitz. Zum Glück geht der Zug, mit dem wir in der Regel nach Dresden fahren, durch bis Chemnitz. Dort werde ich dann vom Förster mit seiner Kutsche abgeholt, da das Forsthaus weit außerhalb der Stadt liegt. Ich bin gespannt, was mich dort erwartet.
4. Februar ´69
Wie Adolf mir schon beschrieben hatte, schlafe ich im Stall, unterm Dach im Heulager. Dort gibt es einen kleinen Verschlag mit einer Strohmatratze und einem Regal für meine persönlichen Sachen. Es ist schön hier. Von unten steigt die wohlige Wärme der Schafe zu mir auf. Der Geruch stört mich nicht. Im Dorf der Diné werden auch Schafe gezüchtet und ich bin mit diesem Duft aufgewachsen. Auch das Trampeln und Blöken finde ich eher anheimelnd.
13. Februar ´69
Der Förster hier arbeitet ganz anders als Herr Wolf. Aber er versteht etwas von seinem Fach. Der Waldbestand wird professionell gepflegt und kontrolliert. Jetzt im Winter wird auch das Wild besonders betreut. Futterstellen sind eingerichtet und wir kontrollieren diese regelmäßig. Ich habe jetzt schon mein eigenes Revier, welches ich täglich abgehe. Da ich auch am Wochenende hier bin, übernehme ich sonntags alle Aufgaben, damit der Förster die Zeit mit der Familie verbringen kann. Ich bin stolz darauf, dass ich so viel Verantwortung übertragen bekomme. Jetzt werde ich meine Aufzeichnungen für die Forstakademie fertigstellen.
27. Februar ´69
Langes Wochenende. Mein Einsatz in Chemnitz ist beendet. Ich habe ein gutes Zeugnis bekommen und es tut mir fast leid, meine kleine Kammer räumen zu müssen. Da ich mir keinen freien Tag gegönnt habe, durfte ich schon am Donnerstag, und nicht erst am Sonntag das Forsthaus verlassen. Ab Montag bin ich dann wieder in der Akademie, doch jetzt genieße ich die Freizeit bei Familie Wolf.
Adolf kommt erst morgen nach Hause.
Letzte Nacht hatten wir einen klaren Sternenhimmel. Ich hatte mir meine warme Jacke angezogen und auf der Bank am Forsthaus in den Himmel geblickt. Plötzlich saß Katharina neben mir. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie das Forsthaus verlassen hatte. Meine Sinne sind nicht mehr geübt oder ich war zu sehr konzentriert. Das muss sich wieder ändern, wenn ich zu Hause überleben will. Wir starrten zusammen in den Himmel. Wortlos. Als uns dann doch zu kalt wurde, gingen wir wieder in die warme Hütte. Katharina kochte uns einen Tee und wir saßen noch eine Zeitlang am Küchentisch. Katharina begann plötzlich zu erzählen. Sie schaute mich dabei nicht an und das trübe Licht der Öllampe reichte nicht aus, als dass ich ihr Gesicht hätte richtig sehen können.
Sie hat mir von ihrem Leben in Heimberg erzählt. Von ihrer Schwester Elisabeth, die ich geliebt habe. Katharina hat immer unter Elisabeth gelitten. Die ältere Schwester hat ihr vermittelt, dass sie dumm und unbeholfen sei. Hat sie oft lächerlich gemacht und sie für die Fehler anderer büßen lassen. Erst seit sie hier im Forsthaus arbeitet, fühlt sich Katharina wirklich frei. Sie ist jetzt fünfzehn Jahre alt. Bei uns wäre sie im heiratsfähigen Alter. In Deutschland heiraten die Mädchen später als bei uns, oft erst, wenn sie weit mehr als zwanzig Jahre zählen. Das hat einen einfachen Grund: Solange eine Frau nicht verheiratet ist, darf sie arbeiten gehen. Danach braucht sie die Erlaubnis des Mannes. Der Mann lässt seine Frau aber nicht mehr arbeiten, weil dies sonst ein schlechtes Licht auf ihn wirft. Also heiraten die Paare erst sehr spät, damit die Frau zum Beispiel in einer Fabrik genug Geld verdienen kann.
Das lässt mich nur mit dem Kopf schütteln. Die Deutschen sind wirklich merkwürdig!
Aber ich wollte von Katharina erzählen. Sie hat mir irgendwie ihr ganzes Leben erzählt, und das schien ihr gutzutun. Sie bedankte sich bei mir, dass ich ihr zugehört hatte. Dann verschwand sie in ihrer Kammer. Ich blieb noch eine Weile am Tisch sitzen. Dachte über Katharina nach. Ein seltsames Mädchen. Ich hoffe für sie, dass sie glücklich wird.
28. Februar ´69
Auch heute hatten wir wieder einen schönen Tag. Katharina hatte ihre Melancholie von gestern Abend überwunden und wirkte fröhlich und entspannt. Ich schaue ihr gerne zu, wenn sie mit Adolfs Geschwistern spielt oder ihnen die Wunder der Welt zeigt. Im Wolfschen Garten wachsen Krokusse. Katharina hat sich mit den Kindern ganz genau angeschaut, wie die zarte Blüte es schafft, den harschen Schnee zu durchbrechen. Ein bezauberndes Bild, wie sie da mit den Kindern zusammen im Schnee hockt.
18. März ´69
Wieder steht mir ein praktischer Einsatz bevor. Diesmal werden Adolf und ich im gleichen Forstbetrieb eingesetzt. Wir müssen nach Meißen. Diesmal nicht in den Wald, sondern in die Behörde. Am Montag, dem 22. März werden wir pünktlich um 8.00 Uhr im Amt der Forstbehörde erwartet.
Deutsche Pünktlichkeit. Eins der Dinge, an die ich mich nicht gewöhnen kann. Wir Diné nehmen uns Zeit. Niemand ist pünktlich irgendwo. Unsere Tageszeit teilt sich nicht in Stunden, sondern in Vormittag, Nachmittag, Abend und Nacht. Der einzige Fixpunkt ist der Sonnenaufgang. Zum Glück passt Adolf auf mich auf. Er sorgt dafür, dass ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bin.
24. März ´69
Die Arbeit im Forstamt gefällt mir nicht. Es gibt kaum Außeneinsätze, die meiste Zeit sitzen Adolf und ich an irgendwelchen Schreibtischen, sortieren Akten oder schreiben Berichte. Zum Glück dauert dieser Einsatz nur vierzehn Tage.
8. April ´69
Endlich ist dieser langweilige Einsatz im Amt vorbei. Es fiel mir nicht schwer, die gestellten Aufgaben zu erledigen, doch ich bin nicht der Mensch, der den ganzen Tag in einem Büro sitzen mag. Mir reicht es schon, ständig irgendwelche Vorlesungen besuchen zu müssen. Viele der Dinge, die ich dort höre, habe ich mir schon angelesen. Trotzdem ist es natürlich interessant, vor allem, weil man viele Fragen stellen darf. Manchmal glaube ich, ich werde von den Professoren gehasst. Es vergeht keine Stunde, in der ich nicht mindestens eine Frage habe oder eine Diskussion anrege.
12. April ´69
Ein herrliches Wochenende liegt hinter mir. Wann immer ich im Forsthaus bin und die Temperaturen es zulassen, schlafe ich an der frischen Luft. In den zwei Tagen kann ich neue Energie schöpfen.
2. Januar ´69
Am Montag wird unser Studium fortgesetzt. Und im Februar werde ich für vier Wochen nach Chemnitz gehen.
9. Januar ´69
Adolf und ich haben die besten Noten von allen Studenten. Ich bin nicht besonders ehrgeizig, aber ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Alle Diné haben ein gutes Gedächtnis, denn ein Volk, welches keine Schrift kennt, muss sich alles behalten können. Doch ich kann noch mehr, ich kann die Seiten, die ich lese, erneut in meinem Kopf aufrufen und nachlesen. Das ist eine besondere Gabe. Adolf muss viel mehr lernen als wie ich.
Seit kurzem haben wir auch einen neuen Lehrer. Herr Nobbe leitet die Pflanzenphysiologische Versuchsanstalt. Seine Vorträge sind sehr spannend und eins meiner liebsten Unterrichtseinheiten.
30. Januar ´69
Seit vorgestern sind wir wieder im Forsthaus. Einmal im Monat haben wir samstags keine Vorlesungen. Adolf und ich nutzen das lange Wochenende, um zum Forsthaus zu fahren. Mit dem Zug geht es nach Dresden und dann wandern wir hoch zur Wolfschen Hütte. Morgen früh geht es dann wieder zurück nach Tharandt. Wir müssen dann zwar sehr früh los, noch weit vor dem Sonnenaufgang, um den ersten Zug pünktlich zu erreichen, doch das ist angenehmer als sonntagabends das Forsthaus zu verlassen. Im Moment habe ich wieder meine ruhigen zwei Stunden. Das ist die Zeit, die Familie Wolf in der Kirche in Heimberg verbringt.
Die Pferde stehen noch immer hier am Forsthaus, bis der Winter vorbei ist. Heute Nachmittag wollen Adolf und ich ausreiten. Katharina hat gefragt, ob sie mit uns reiten darf. Sie ist ein guter Kamerad und da wir neben Sternschnuppe noch die zwei Ponys hier haben, ist es kein Problem, sie mitzunehmen. Schließlich ist sie nur unwesentlich jünger als ich.
Gestern haben wir mit Adolfs Geschwistern zusammen Schneehütten gebaut. Katharina kann anpacken wie ein Junge. Das gefällt mir. Sie hackt auch das Holz für den Kamin. Sie ist klein und stämmig, keine Schönheit, aber sie hat schöne Augen. Und sie trägt nicht mehr diese Rattenschwanzzöpfe. Meist hat sie jetzt einen geflochtenen Zopf oder trägt die Haare offen, zusammengehalten mit dem Stirnband, welches sie Weihnachten von mir bekommen hat. Bei der Arbeit hat sie ein Kopftuch auf, damit ihr die Haare nicht im Weg sind. Sie interessiert sich in ihrer Freizeit für die Natur. Ihr Wunsch ist es, Försterin zu werden. Dazu muss sie aber einen Förster heiraten, denn als Frau darf sie natürlich nicht studieren. (Warum eigentlich nicht? Die Deutschen sollten ihren Frauen viel mehr zutrauen!)
Ich werde ihr meine Fachliteratur überlassen, wenn ich das Studium beendet habe.
Ab morgen arbeite ich vier Wochen in Chemnitz. Zum Glück geht der Zug, mit dem wir in der Regel nach Dresden fahren, durch bis Chemnitz. Dort werde ich dann vom Förster mit seiner Kutsche abgeholt, da das Forsthaus weit außerhalb der Stadt liegt. Ich bin gespannt, was mich dort erwartet.
4. Februar ´69
Wie Adolf mir schon beschrieben hatte, schlafe ich im Stall, unterm Dach im Heulager. Dort gibt es einen kleinen Verschlag mit einer Strohmatratze und einem Regal für meine persönlichen Sachen. Es ist schön hier. Von unten steigt die wohlige Wärme der Schafe zu mir auf. Der Geruch stört mich nicht. Im Dorf der Diné werden auch Schafe gezüchtet und ich bin mit diesem Duft aufgewachsen. Auch das Trampeln und Blöken finde ich eher anheimelnd.
13. Februar ´69
Der Förster hier arbeitet ganz anders als Herr Wolf. Aber er versteht etwas von seinem Fach. Der Waldbestand wird professionell gepflegt und kontrolliert. Jetzt im Winter wird auch das Wild besonders betreut. Futterstellen sind eingerichtet und wir kontrollieren diese regelmäßig. Ich habe jetzt schon mein eigenes Revier, welches ich täglich abgehe. Da ich auch am Wochenende hier bin, übernehme ich sonntags alle Aufgaben, damit der Förster die Zeit mit der Familie verbringen kann. Ich bin stolz darauf, dass ich so viel Verantwortung übertragen bekomme. Jetzt werde ich meine Aufzeichnungen für die Forstakademie fertigstellen.
27. Februar ´69
Langes Wochenende. Mein Einsatz in Chemnitz ist beendet. Ich habe ein gutes Zeugnis bekommen und es tut mir fast leid, meine kleine Kammer räumen zu müssen. Da ich mir keinen freien Tag gegönnt habe, durfte ich schon am Donnerstag, und nicht erst am Sonntag das Forsthaus verlassen. Ab Montag bin ich dann wieder in der Akademie, doch jetzt genieße ich die Freizeit bei Familie Wolf.
Adolf kommt erst morgen nach Hause.
Letzte Nacht hatten wir einen klaren Sternenhimmel. Ich hatte mir meine warme Jacke angezogen und auf der Bank am Forsthaus in den Himmel geblickt. Plötzlich saß Katharina neben mir. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie das Forsthaus verlassen hatte. Meine Sinne sind nicht mehr geübt oder ich war zu sehr konzentriert. Das muss sich wieder ändern, wenn ich zu Hause überleben will. Wir starrten zusammen in den Himmel. Wortlos. Als uns dann doch zu kalt wurde, gingen wir wieder in die warme Hütte. Katharina kochte uns einen Tee und wir saßen noch eine Zeitlang am Küchentisch. Katharina begann plötzlich zu erzählen. Sie schaute mich dabei nicht an und das trübe Licht der Öllampe reichte nicht aus, als dass ich ihr Gesicht hätte richtig sehen können.
Sie hat mir von ihrem Leben in Heimberg erzählt. Von ihrer Schwester Elisabeth, die ich geliebt habe. Katharina hat immer unter Elisabeth gelitten. Die ältere Schwester hat ihr vermittelt, dass sie dumm und unbeholfen sei. Hat sie oft lächerlich gemacht und sie für die Fehler anderer büßen lassen. Erst seit sie hier im Forsthaus arbeitet, fühlt sich Katharina wirklich frei. Sie ist jetzt fünfzehn Jahre alt. Bei uns wäre sie im heiratsfähigen Alter. In Deutschland heiraten die Mädchen später als bei uns, oft erst, wenn sie weit mehr als zwanzig Jahre zählen. Das hat einen einfachen Grund: Solange eine Frau nicht verheiratet ist, darf sie arbeiten gehen. Danach braucht sie die Erlaubnis des Mannes. Der Mann lässt seine Frau aber nicht mehr arbeiten, weil dies sonst ein schlechtes Licht auf ihn wirft. Also heiraten die Paare erst sehr spät, damit die Frau zum Beispiel in einer Fabrik genug Geld verdienen kann.
Das lässt mich nur mit dem Kopf schütteln. Die Deutschen sind wirklich merkwürdig!
Aber ich wollte von Katharina erzählen. Sie hat mir irgendwie ihr ganzes Leben erzählt, und das schien ihr gutzutun. Sie bedankte sich bei mir, dass ich ihr zugehört hatte. Dann verschwand sie in ihrer Kammer. Ich blieb noch eine Weile am Tisch sitzen. Dachte über Katharina nach. Ein seltsames Mädchen. Ich hoffe für sie, dass sie glücklich wird.
28. Februar ´69
Auch heute hatten wir wieder einen schönen Tag. Katharina hatte ihre Melancholie von gestern Abend überwunden und wirkte fröhlich und entspannt. Ich schaue ihr gerne zu, wenn sie mit Adolfs Geschwistern spielt oder ihnen die Wunder der Welt zeigt. Im Wolfschen Garten wachsen Krokusse. Katharina hat sich mit den Kindern ganz genau angeschaut, wie die zarte Blüte es schafft, den harschen Schnee zu durchbrechen. Ein bezauberndes Bild, wie sie da mit den Kindern zusammen im Schnee hockt.
18. März ´69
Wieder steht mir ein praktischer Einsatz bevor. Diesmal werden Adolf und ich im gleichen Forstbetrieb eingesetzt. Wir müssen nach Meißen. Diesmal nicht in den Wald, sondern in die Behörde. Am Montag, dem 22. März werden wir pünktlich um 8.00 Uhr im Amt der Forstbehörde erwartet.
Deutsche Pünktlichkeit. Eins der Dinge, an die ich mich nicht gewöhnen kann. Wir Diné nehmen uns Zeit. Niemand ist pünktlich irgendwo. Unsere Tageszeit teilt sich nicht in Stunden, sondern in Vormittag, Nachmittag, Abend und Nacht. Der einzige Fixpunkt ist der Sonnenaufgang. Zum Glück passt Adolf auf mich auf. Er sorgt dafür, dass ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bin.
24. März ´69
Die Arbeit im Forstamt gefällt mir nicht. Es gibt kaum Außeneinsätze, die meiste Zeit sitzen Adolf und ich an irgendwelchen Schreibtischen, sortieren Akten oder schreiben Berichte. Zum Glück dauert dieser Einsatz nur vierzehn Tage.
8. April ´69
Endlich ist dieser langweilige Einsatz im Amt vorbei. Es fiel mir nicht schwer, die gestellten Aufgaben zu erledigen, doch ich bin nicht der Mensch, der den ganzen Tag in einem Büro sitzen mag. Mir reicht es schon, ständig irgendwelche Vorlesungen besuchen zu müssen. Viele der Dinge, die ich dort höre, habe ich mir schon angelesen. Trotzdem ist es natürlich interessant, vor allem, weil man viele Fragen stellen darf. Manchmal glaube ich, ich werde von den Professoren gehasst. Es vergeht keine Stunde, in der ich nicht mindestens eine Frage habe oder eine Diskussion anrege.
12. April ´69
Ein herrliches Wochenende liegt hinter mir. Wann immer ich im Forsthaus bin und die Temperaturen es zulassen, schlafe ich an der frischen Luft. In den zwei Tagen kann ich neue Energie schöpfen.