Under these Scars
von Scatach
Kurzbeschreibung
Schicksal hat das Spiel verändert, aber unter all den Spielern ist es noch nicht vorbei. Mit der Mission nach Kusagakure als finale Runde, ist es Nejis Aufgabe, seine Freiheit zu finden. Und Shikamarus, seine Furcht zu vergessen. Aber als ein begrabenes, unvollendetes Spiel droht, Shikamaru zurück in die Schatten seiner Vergangenheit zu zerren, muss Neji eine unmögliche Wahl treffen: Seine eigene Bestimmung, oder Shikamarus Finsternis. (Neji x Shikamaru, Kakashi x Genma, OC x Genma, Kiba x Ino; Teil Vier der BtB-Serie)
GeschichteDrama, Angst / P18 / Mix
Genma Shiranui
Kakashi Hatake
Neji Hyuga
OC (Own Character)
Shikaku Nara
Shikamaru Nara
09.11.2021
26.03.2023
106
601.911
24
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Dieses Kapitel
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24.11.2022
4.770
Die Hügel wogten in langen goldenen Wogen unter dem Feuerball der Sonne, weiches Gras bog sich in der Brise und erschuf die Illusion von Kämmen. Genma lief durch sie hindurch wie durch Wasser, seine Schritte schwer, während sich sein Körper durch die langen Büschel aus seidigem Federgras bewegte.
Er war schon früher hier gewesen.
In Träumen.
In Albträumen.
In seinen Träumen waren die Felder lebendig und blühten mit dem Lachen und der Liebe einer lange verlorenen Zeit. In seinen Albträumen brannten die Felder. Brannten wie ein Höllenfeuer. Brannten wie die Flammen des Tanzaku Viertels, wobei sich Rauch und Tod erhoben, um die Sonne zu verdunkeln, die Sterne, den Mond...
Und alle Lichter in meinem Leben…
„Nicht alle Lichter.“
Genma erstarrte, sein Körper richtete sich auf und beim Klag dieser vertrauten, tiefen Töne sog er den Atem ein. Überall um ihn herum tanzte und schwankte das erleuchtete Gras in einem lieblichen Rausch und Gesang. Klänge, die beinahe das leise Rascheln von Bewegungen übertönten, das hinter ihm in den blühenden Büscheln erscholl.
Genma konnte es nicht über sich bringen, sich umzudrehen. „Aber mehr als genug“, erwiderte er. „Die, die am wichtigsten waren.“
Ein Moment der Pause und Naokis Stimme erklang lauter, näher und zusammen mit dem Wispern von Gras, das sich teilte. „Yōkai. Erinnerst du dich, warum wir uns für diesen Namen für unser Team entschieden haben?“
Gott, wie sich diese Stimme durch ihn bewegte. Genma presste krampfhaft die Augen zusammen, während sich seine Brust zusammenzog. Er konnte nicht antworten, konnte nicht durch die Dornenranke sprechen, die sich immer enger und enger um seine Kehle legte.
Naoki antwortete für ihn, antwortete in der weichen, beiläufigen Art einer lockeren Unterhaltung. Als hätten sich ihre Wege niemals getrennt…als würden sie sich nie wieder trennen. „Die Bedeutung“, sagte Naoki. „Wir haben uns für diesen Namen entschieden, weil er eine geisterhafte Erscheinung bedeutet. Wie die Irrlichter unserer Decknamen; Kaika, Karibi, Tenka. Das alles sind Phantomfeuer unbekannter Herkunft. Gespensterhafte Lichter, die Geister der Toten…das sind nicht die Art Lichter, die einfach ausgehen.“
Genma stieß ein raues, müdes Lachen aus, während sich seine Augen langsam öffneten, um sich auf die Magmasphäre zu richten, die immer tiefer sank und das Licht mit sich nahm. Seine Augen brannten nass. „Dafür, dass du so ein harter Kerl bist, hattest du schon immer eine Schwäche für diesen poetischen, lyrischen Scheiß…und halt mich ruhig für einen Trottel, aber ich wollte dich deswegen umso mehr. Deine Kunst…deine Augen…die Art und Weise, wie du die Dinge gesehen hast…die Art und Weise, wie du mich gesehen hast. Als würde deine Bedeutungen dem Nichts einen Sinn geben, das wir erlebt haben.“
„Haben sie das?“
Genma lachte leise und angespannt und schluckte gegen die Enge in seinem Rachen. „Sag du es mir. Du hast eine Bedeutung für alles gebraucht. Gibt man dir eine Mission, dann würdest du dafür töten. Aber gibt man dir eine Bedeutung? Dann würdest du dafür sterben. Und das bist du…du bist dafür gestorben…“
„Ja. Das bin ich. Und ich wäre allein mit meiner Finsternis gestorben wenn du, Ino und Karibi mir nicht diese Lichter gegeben hättet, mit denen ich gehen kann…was mir das bedeutet? Das lässt sich nicht in Worte fassen.“
Die Dornen trieben sich tiefer – trieben sich so tief, dass Genma hätte schwören können, dass er spürte, wie Blut in seiner Kehle aufstieg, nur war es kein Blut. Es waren Worte. Und sie quollen aus ihm heraus, so blutig und roh wie die Tränen, die an seinen Augenwinkeln ausbrachen. „Du Bastard…all diese Jahre…all diese Jahre hast du…“, er musste eine Pause machen, schluckte und versuchte es nochmal, „du hast mich glauben lassen du wärst fort…und dann nochmal…du hast mich mit dem Glauben zurückgelassen ich hätte dich verloren…wieder und wieder…fuck, Naoki…wer verfickt nochmal macht sowas? Wer verfickt nochmal ist so grausam?“
„Ich war das.“
Genma sog scharf die Luft dagegen ein und seine Augen wandten sich himmelwärts – ein Flehen, ein Gebet. Er brachte es noch immer nicht über sich, sich umzudrehen. „Nein. Manchmal warst du ein kalter Bastard, aber du warst niemals grausam. Selbst bei Aufträgen. Schnelles Töten. Kein Leiden. Nicht wie bei mir und Karibi. Du warst niemals sadistisch.“
„Wir alle hatten unsere Dämonen.“
Genma würgte ein weiteres zerfetztes Lachen hervor, aber der Schmerz raubte ihm schon wieder den Atem. „Als wüsste ich das nicht…aber unsere Dämonen haben uns nie von dir fort gezerrt. Meine Dämonen haben mich niemals von dir fort gezerrt. Nicht ein einziges Mal.“ Er schüttelte den Kopf und seine nächsten Worte wurden zu einem heiseren Kratzen. „Ich habe dich geliebt.“
„Ich weiß."
„Einen Scheiß weißt du. Du bist gegangen.“
„Ich musste gehen…“ Schon wieder Bewegungen durch das Gras und die Luft bewegte sich als wäre sie aufgeladen. „…und ich wusste, dass du mich nicht hättest gehen lassen, wenn ich dir den Grund dafür gesagt hätte.“
„Da hast du verdammt nochmal recht. Ich hätte dir deine verfickten Beine gebrochen“, knurrte Genma, während sich stumpfe Nägel in seine Handflächen schnitten. Aber er wollte sich immer noch nicht umdrehen. „Immer deine Clans. Immer deine Vergangenheit. Immer deine gottverfickten Schuldgefühle.“
„Sie waren mein stärkster Dämon…“, gab Naoki leise zu und näherte sich so nah hinter Genma, dass die Hitze seines Körpers ebenso real erschien wie der Atem in Genmas Nacken. „Und dieser Dämon hätte sowohl mich, als auch die Menschen in meinem Umfeld vernichtet, wenn ich ihn nicht für etwas Besseres als Selbstzerstörung genutzt hätte. Ich hatte schon immer Finsternis in mir, Genma…verdamme mich nicht dafür, dass ich ihr einen Zweck gegeben habe…eine Bedeutung.“
Getroffen von diesen Worten schüttelte Genma gebrochen den Kopf, sein Körper starr gegen die Sehnsucht, sich endlich umzudrehen. Sich der unentrinnbaren letzten Szene zu stellen, die er jetzt genauso wenig verhindern konnte wie vor all diesen Jahren…und obwohl er das wusste, bluteten seine Worte in einem schweren Strom von seinen Lippen.
„Ich hätte dich vor dieser Finsternis retten können, Naoki…“
„Das hast du.“
„Einen Scheiß habe ich! Du bist FORT!“
Genau wie Genmas Zurückhaltung. Er wirbelte herum und schubste Naoki von sich, versuchte anzugreifen, doch ein Wind stahl sich heiß und trocken über das Gras zwischen ihnen, um tausende Pollenkörner wie Sand zu verstreuen. Ein Schwarm glitzernder Sporen, der in einem Strudel himmelwärts wogte, der die Welt in ihrer Achse zu drehen schien.
Und innerhalb eines Herzschlages wandelten sich diese winzigen Samenkörner zu tausenden winzigen Sternen…
Die Brise wurde kälter, feuchter und die samtigen Hügel veränderten sich von Orange und Gold zu Lila und Silber. Das Mondlicht floss über die Felder wie Milch über Honig. Genma taumelte einen Schritt zurück, getroffen vom Anblick einer dieser vielen von Sternen erhellten Nächte, die seit Jahren in der Dunkelheit seines Herzens weiter gelebt hatten.
Nächte wie diese…
….er und Naoki hatten der Dunkelheit eine neue Bedeutung gegeben.
„Tausende Male…“, murmelte Naoki mit rauer und leiser Stimme. „Jede Nacht für mehr als zehn Jahre hast du mich gerettet. Und alles, was es jemals brauchte, war ein kurzer Blick auf diese Lichter, um sich zu erinnern, warum und wie.“
Bei diesen Worten wandte sich Genma um und fing das Profil seines Liebhabers aus dem Augenwinkel auf. Ein Geist, eine Erscheinung…und dennoch ebenso real für ihn wie Fleisch und Blut und ein schlagendes Herz. Ebenso atemberaubend unter dem Mondlicht wie er es schon immer gewesen war.
Schwer schluckend drehte sich Genma vollständig um.
Splitter aus Schmerz rissen sich über seine Brust…aber verdammt, vielleicht war sein Herz daran gewöhnt zu brechen, denn trotz des Schmerzes sah er mit derselben ungeschützten Miene hin, die er immer getragen hatte, wenn er mit diesem Mann zusammen war…keine Maske, weder die von ANBU noch sonst eine, war ihm hier jemals dienlich gewesen.
Naoki sah aus wie Genma ihn immer in Erinnerung behalten hatte.
Der Yamanaka stand mit in den Nacken gelegtem Kopf da, seine violetten Augen befeuert von Flecken aus Silber in dem aquatischen Licht. Die Neigungen seines Gesichts waren von einer weichen Patina gezeichnet und tiefe, lilablaue Schatten hingen in den zisellierten Mulden seiner Miene, um sich in die Senken seiner Kehle und seines Halses zu legen. Seine lange, silberblonde Mähne war an seinem Nacken mit einem Lederband zusammengebunden und wiegte sich im Einklang mit den Halmen seidigen Grases.
Glückselige Visionen waren aus so etwas gemacht…
Genma war nicht religiös. Und so sehr er an Sünder und ihre Dämonen glaubte, hatte er doch nie an Heilige oder Erretter oder Engel geglaubt…geschweige denn an irgendetwas darüber hinaus…bis zu diesem Moment. War das Verzweiflung? Ein Delirium, erschaffen von seinem fiebrigen Herzen? Er war sich nicht sicher. War ja auch kein Philosoph. Hatte nie von sich behauptet, mehr zu sein als einfach nur eine geschliffene Klinge für sein Dorf…und dennoch…
Naokis Blick glitt wieder nach unten und fing Genmas auf. „Und dennoch…gibt es mehr als das, Genma.“
Eine Rasierklinge der Erinnerung, scharf, schmerzhaft und Genma zuckte zusammen als er spürte, wie diese Worte von vor einigen Nächten zu ihm zurück bluteten; Kakashis Stimme, ein Blutfleck auf seinem Herzen.
‚Es gibt mehr als das, Genma…‘
‚Nichts mehr…‘
‚Doch das gibt es. Du bist mehr als das…‘
‚Ich bin überhaupt nichts mehr als das…‘
„Glaubst du das immer noch?“, murmelte Naoki und zog Genma damit wieder zurück. „Glaubst du immer noch, dass das alles ist, was du bist? Eine schlecht ausgeteilte Hand in einem Kartenspiel, über das du keine Kontrolle hast?“
„Losglück“, raunte Genma, doch die Worte waren hohl und leer. „Steigen wir da aus?“
Naokis Miene spannte sich an, doch der Schmerz brach sich dennoch Bahn. Es reicht aus, das zu sehen. Dieser Tic, das verräterische Zeichen, die starre Maske, die in der Mitte einen Riss bekam. „Ich bin nie ausgestiegen. Nicht bei den Dingen, die wichtig waren. Und das solltest du auch nicht.“
„Im Eins-gegen-Eins-Poker steige ich niemals aus, erinnerst du dich?“
Erinnern. An diesem Ort, in diesem Verstand, waren diese Worte mehr als einfach nur eine Einladung – sie waren eine Beschwörung. Und so sicher, wie sich Genma an das erste Wiedersehen mit Naoki vor zwei Jahren erinnerte, schien es, dass sein alter Liebhaber das auch nicht vergessen hatte. Nicht diesen rotten Spielplatz vergessen hatte, auf dem Genma seinen kleinen Showdown mit dieser Freakshow gehabt hatte; nicht vergessen hatte, wie er aus dem giftigen Rauch aufgetaucht und diese dämonische Noh Maske getragen hatte; den Kampf nicht vergessen hatte, das Geplänkel, das spielerische Wortgefecht.
‚Du bist großspurig.‘
‚Wie der Pik-König, mein Freund.‘
‚Zeit, auszusteigen.‘
‚Du musst wohl ein paar Karten zu wenig im Deck haben. Beim Eins-gegen-Eins-Poker steige ich niemals aus.‘
‚Du hast deine Hand doch schon sehen lassen.‘
‚Was denn? Mit der Freakshow vorhin? Nah, ich heb mir mein Ass im Ärmelloch für dich auf. Soll keine sexuelle Anspielung sein, nur so am Rande.‘
‚Du willst, dass ich bei deinem Bluff mitgehe?‘
‚Nur zu. Du kommst mir nicht wie ein Falschspieler vor.‘
‚Muss an meinem Pokergesicht liegen.‘
‚Du bist ziemlich witzig für jemanden von KERN.‘
‚Und du bist töricht für einen Ex-ANBU.‘
Dieser Moment raste so schnell und flüchtig durch Genma, dass er nur den leichtesten Eindruck hinterließ. Ein Hauch von lilanem Rauch auf einer kühlen Brise, der in schlangenartigen Ranken himmelwärts waberte und silbergrau im Mondlicht schimmerte.
Genma blinzelte langsam. Es verlangte ihm viel ab, seine Stimme ruhig zu halten. „Hast du deinen Frieden gemacht…mit Inoichi…?“
„Genma…“
„Hast du?“ Ablenkung. Er brauchte sie dringend. Oder vielleicht spielte er nur auf Zeit, die sie gar nicht hatten. Naoki schluckte und nickte. „Ja. Ino hat dabei geholfen.“
„Du hast ihm verziehen…“ Es war keine Frage, aber er antwortete trotzdem für Naoki. „Natürlich hast du das…Familie zuerst, richtig?“
„Bitte mich nicht, mich dafür zu entschuldigen.“
Kopfschüttelnd wurde Genmas Herz von einer vergeblichen Müdigkeit erfasst. Was würde es auch schon für einen Sinn machen? Naoki hatte Liebe und Leben aufgegeben, um seine Clans zu schützen…um dem Grund eine Bedeutung zu geben, aus dem sie ihn verstoßen, ihn abgelehnt und zur Dunkelheit verdammt hatten. Inoichi, Sayuri und Shikaku mochten zwar die Ausnahmen dieser Grausamkeit gewesen sein…aber ihre Akzeptanz konnte Naoki ebenso wenig Absolution von seiner eingebildeten Schuld und seinen eingebildeten Verbrechen erteilen wie Karibis Zuneigung und Genmas grenzenlose Liebe ihm gegenüber…
„Genma“, krächzte Naoki. „Was du mir gegeben hast…“
„Ich weiß“, erwiderte Genma leise mit einer Stimme, die von der Emotion, die in seinen Augen brannte, nicht berührt wurde. „Ist nicht so, als wäre das einseitig gewesen…obwohl du immer dieser Meinung warst.“
„War es nicht? Ich habe dich verlassen.“
Würde es jemals aufhören zu schmerzen, diese Worte zu hören? Genmas Lippen verzogen sich zu einem reuigen Schmunzeln. „Ja, das hast du. Und ich glaube, ich hätte dich davon überzeugen können, mit mir zu gehen, wenn wir die Zeit gehabt hätten…die Zeit, um uns aus dem Staub zu machen…die Zeit, um es nochmal zu machen, genau wie du gesagt hast…“
Die Nacht schien vollkommen regungslos zu werden. Naoki sah ihn für eine lange Sekunde an und sein gepanzertes Herz schien hinter seinen Augen zu bluten. Das Violett überlagerte das Grau. Als er jetzt in diese Augen starrte, erinnerte sich Genma an die unzähligen Schattierungen, wie diese amethystenen Farben in Lust und Liebe zu Maulbeere und Wein bluteten, berauschend und dunkel – kein Shōchū der Welt hatte Genma jemals so erwärmt oder ihn von Schmerzen erlöst, wie es diese Augen früher getan hatten.
Da er den Bann irgendwie brechen musste, räusperte sich Genma und schüttelte den Kopf, während er hart blinzelte, um seine Sicht davon abzuhalten, vollkommen zu verschwimmen. „Aber ich schätze, das hier ist die letzte Karte, die wir ausspielen werden. Das ist das ‚Später‘, das du mir versprochen hast.“
Violette Augen zogen sich kummervoll zusammen und Naokis Lippen formten sich zu dem Geist ihres früheren Lächelns. Ein Lächeln, das bebte und zitterte, zusammen mit der verkrampften Neigung seines Kiefers, zusammen mit seiner rauen Stimme. „Nein“, sagte er heiser. „Das ist es nicht. Aber es ist alles, was ich habe, Genma…es ist alles, was ich habe. Und wenn ich zurück gehen könnte, jetzt sofort, zu dieser Nacht, in der du mich gebeten hast, wegzulaufen, dann würde ich…“ Bebend brach er ab und schüttelte mit tränenschimmernden Augen den Kopf. „Aber ich kann nicht…wir können nicht…“
Das Abmühen in seinen Augen, in seiner Stimme…es zerfleischte Genmas zerbrochenes Herz, zerfleischte es mit altem Schmerz und zerfetzte ihn auf eine Art und Weise, die kein Narbengewebe abtöten konnte. Er taumelte einen Schritt zurück und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, über die Feuchtigkeit in seinen Augen, bevor er mit seinen Fingern an seinen Nacken fuhr und hart zudrückte, schnell nickte…nickte, als würde er verstehen…als würde er es kapieren…als könnte er Atem gegen den Schmerz finden und die nächsten paar Sekunden überleben, ohne…
Fuck…
Die Tränen kamen.
Auch nicht ansehnlich.
Heiß und chaotisch und blendend und gottverfickt nochmal…er war von seinen eigenen Kanashibari durchlöchert worden…er war alle Schattierungen von grün und blau geprügelt worden…er hatte verloren und verloren, wieder und wieder…Menschen, Teile seines Selbst…Scheiße, er hatte seine eigene Seele mit dem Ende einer Shōchū-Flasche verglast, aber nichts, einfach nichts übertraf diesen Schmerz.
Dieses letzte Lebewohl…
Er versuchte, sich umzudrehen, doch Naokis Hände waren auf ihm. Raue, schwielige Finger packten ihn hart und rissen ihn zurück. Genma brüllte gegen diesen Griff und befreite sich daraus, animalisch und verletzt, die Zähne zu einem Knurren gebleckt und der Schmerz nackt und roh auf seinem Gesicht. „DU HAST UNS DAS ANGETAN!“
Naokis Augen füllten sich, aber er entschuldigte sich nicht. Er stand einfach nur da, sah wunderschön und zerbrochen aus und Genma hätte ihn schlagen können – hätte das auch getan, wenn sich das Bild von Naoki, wie er auf diesem Krankenhausbett lag, nicht in seinen Verstand geätzt hätte.
Violette Augen loderten gefährlich. „Nicht“, knurrte Naoki, doch seine Stimme brach bei dem Wort. „Mach das nicht. Behalte mich nicht so in Erinnerung.“
„Das ist alles, was du mir gelassen hast“, erwiderte Genma, als sich die Bitterkeit durch sein Herz fraß wie Säure und seine Stimme zu einem Krächzen verdünnte. „Das ist alles, was du mir verfickt nochmal gelassen hast…und jetzt verlässt du mich schon wieder. So wie du es immer tust. Süchtig nach Buße, süchtig nach Bestrafung.“ Genma bellte ein wildes, hysterisches Lachen. „Tja, Shit. Herzlichen Glückwunsch, Geliebter, endlich hast du das Martyrium, das du immer wolltest.“
Naoki schlug ihn. Stürzte sich mit dieser zweifachen Schlagkombination gegen das Gesicht auf ihn. Linker Haken und rechte Flanke. Erschüttert steckte Genma den ersten Hieb ein, wich dem zweiten aber aus…nur um sich zu wünschen, er hätte auch den eingesteckt. Denn der Schmerz, der in Naokis Augen zerbarst, überbrückte die kurze Distanz und traf ihn umso härter, traf ihn so heftig, dass ihm vor Reue übel wurde.
„Bastard…“, würgte Naoki hervor, als würde man ihn strangulieren, während Abscheu und Verzweiflung sein Gesicht zu einer Maske unversöhnlichen Kummers verzerrte. Und dann trat das Yamanaka Temperament hervor und rollte in äschernen Wolken durch diese violetten Augen. „Du willst über Abhängigkeiten reden? Du willst über Bestrafung reden? Du willst über siebenmal fallen reden mit jeder verfickten Droge und jedem Glas Alkohol, die dir zur Verfügung standen? Wenn ich ein Süchtiger bin, was verfickt nochmal bist dann du?“
Genma wankte zurück als hätte man ihm in die Eingeweide getreten, während Schuldgefühle blutrot in ihm erblühten. Sie hatten schon immer blutig gekämpft. Ob sie nun Waffen oder Worte genutzt hatten, sie hatten immer gewusst, wie sie sich gegenseitig zur Weißglut treiben konnten…die Genauigkeit ihrer Attacken, die Treffer auf empfindliche Nerven…die geteilte Verheerung, die immer dann kam, wenn der Kampf vorbei war und sich der Staub gelegt hatte, schwer und erstickend…
Naoki wich zurück, sah schuldbewusst und kränklich aus, ganz so, als läge alle Schuld bei ihm.
So war es nicht.
Aber Genma war noch nie in der Lage gewesen, ihn auch wirklich davon zu überzeugen. War niemals in der Lage gewesen, diesen tyrannischen Griff eines sadistischen Vergewaltigervaters zu überwinden, der Naoki in einem viel zu zarten Alter Scham und Schuldgefühle und Selbsthass eingetrichtert hatte, um ihm jemals das Gefühl geben zu können, etwas wert oder frei von seinen Dämonen zu sein.
Ich habe dich geliebt…aber es war nicht genug…
„Das ist nicht wahr…“, sagte Naoki vehement und seine Brust hob sich und fiel heftig, als seine Stimme heiserer und schwerer wurde. „Du hast meine Dämonen auf eine Art und Weise besiegt, die mir den Glauben gegeben hat, ich könnte aus dieser Finsternis zurückkehren, in die ich gelaufen bin.“
Er schluckte schwer, als sich der Sturm aus seinen Augen zurückzog und sein Blick über Genmas bröckelnde Miene wanderte. „Und obwohl ich gegangen bin…ich bin zurückgekommen…und ich habe mir gesagt, dass du der einzige Grund bist, aus dem ich das jemals tun würde.“
Genmas Augen schlossen sich krampfhaft und sein Atem stockte ihm rau in der Kehle.
‚Was ich sagen will, ist, dass er aus einem Grund seinen letzten und wichtigsten Befehl aufgegeben und sich nach Hause geschleppt hat. Und ich glaube, dass dieser Grund du bist, Genma.‘
„Er hatte recht“, sagte Naoki.
Trauer rann Genmas Wangen hinab, nass und schimmernd und sie stach sich in seine Lippen – und dann fand Naokis Mund den seinen, schluckte das Brüllen, schluckte die Tränen, schluckte den bebenden Atem und die Flüche, die zu Flehen ausbluteten.
Bitte…
Naoki riss Genmas Kopf nach hinten und küsste ihn rau und tief, ergriff Besitz von dem Kuss; genau so, wie er vor all diesen Jahren Besitz von Genmas Herzen ergriffen hatte. Er stahl sich hinein, ergriffen von einem Sturm und stürmte Genmas Defensiven bis sich Zähne und Zunge von heißen Waffen zu warmer Hingabe erweichten, sodass sich ein Kampf zu Anbetung wandelte…Münder schmiegten sich aneinander, krachten nicht aufeinander…Zungen tanzten, duellierten nicht…
Und Genma erinnerte sich…
Erinnerte sich daran, wie Naoki mit derselben Erotik und Leidenschaft geküsst hatte, mit der er auch gezeichnet hatte; jede Schattierung, jeder Fleck, jeder weiche und schwungvolle Strich. Der Kuss malte ein Gemälde auf die Wand von Genmas Brust. Und mit jedem Atemzug schnitt sich der Kummer tiefer, ließ eine ruhmvolle Narbe zurück.
Und dann liebkoste Naokis Stimme zärtlich und leise seinen Verstand: „Genma…Karibi und ich…wir werden immer für dich brennen…ICH werde immer für dich brennen…behalte das in Erinnerung, aber hör nicht auf zu leben…hör nicht auf zu lieben…du hast noch andere Lichter, die für dich brennen…Raidō…Kakashi…“
Genma versteifte sich und unterbrach den Kuss, als er sein Gesicht ein Stück zurückzog. Sehr zu seinem Erstaunen sah er nicht die feurige Eifersucht oder die gefährliche Besessenheit, die früher in Naokis Augen gewütet hatten. Er hatte seine Liebhaber und seine Lichter mit einer fast schon urtümlichen Wildheit bewacht. Auch wenn Karibi grundsätzlich die Gesellschaft von Frauen bevorzugt hatte, hatte sie in früheren Tagen hin und wieder Genmas und Naokis Bett geteilt. Sie hatten sie geliebt. Nicht auf dieselbe Weise wie sie sich gegenseitig geliebt hatten. Aber Naoki war bei ihr nicht weniger besitzergreifend gewesen – oder war das Beschützerinstinkt?
„Beides“, gab Naoki zu, während er Naokis Gesicht ohne die Spur von Entschuldigung musterte. „Und wenn ich dort wäre. Wenn ich dazu in der Lage wäre…dann würde ich auch für Hatake Kakashi keine Ausnahme machen. Aber er ist da. Und ich nicht. Und es ist ihm zu verdanken, dass wir überhaupt hier sind.“
Genma rang damit, fühlte sich zerrissen. Hätte das besser verbergen können, wenn Naoki nicht in seinem Verstand wäre, in seinem verdammten Herzen…demselben Ort, wo er Kakashi vor Jahren aufbewahrt hatte…demselben Ort, in den er Kakashi in dieser Nacht wieder eingelassen hatte…diese alten Gefühle…diese alten Flammen. Er versuchte, sich auf den Zorn zu konzentrieren. Auf den Verrat. Auf den Kampf, den sie ausgetragen hatten. Eine schwache Vorführung. Es war keine Überraschung, dass sein alter Liebhaber sie direkt durchschaute.
Naoki küsste die Seite seines Mundes und murmelte: „Kakashi hat meinen Körper gefunden. Hat mich in Sicherheit gebracht. Hat dir gesagt, dass ich immer noch lebe…hasse ihn nicht dafür.“
„Ich hasse ihn nicht.“
Das brachte Naoki zum Lächeln und Genma konnte es an seinem Mund fühlen. Dieses schiefe, wissende Lächeln, das Genma wissen ließ, dass er in die Falle getappt war. Er spannte sich an, spürte, wie sich diese Lippen tiefer bogen, weicher.
„Nein“, stimmte Naoki zu. „Du hasst ihn überhaupt nicht, nicht wahr?“
„Ist nur Sex.“
„Das ist nicht das, was mir deine Erinnerungen erzählen.“
Da er sich in eine Ecke gedrängt fühlte, versuchte Genma, sich zurück zu ziehen, doch Naokis Blick hielt in ebenso gewiss an Ort und Stelle wie der Griff dieser Hände auf seinem Körper. Violette Augen musterten ihn mit einem sonderbaren Ausdruck und Naokis Kopf legte sich in Spekulation schief. „Du fühlst für ihn auf eine Weise, wie du es schon eine sehr lange Zeit für niemanden mehr getan hast.“
Genma schluckte, da sich Schuldgefühle durch ihn gruben. „Nicht.“
Naokis Blick wanderte über sein Gesicht und die Emotionen in seinen Augen erreichten seine Stimme. „Warum? Denkst du, ich würde dir dieses Glück missgönnen, nach all dem Schmerz, den du durchleiden musstest? Dass ich dir in meinem Leben oder in meinem Tod die Chance auf etwas Gutes verweigern würde?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich mag vielleicht mit Monstern gelebt haben, Genma, aber ich bin nicht zu einem geworden. Ich will, dass du glück-“
„Nicht…“, knurrte Genma durch das Weh in seiner Kehle und riss Naoki an sich, einen Arm hart über die Schulter des Yamanka gekrümmt, sodass sich seine Finger in sein Schulterblatt gruben und sie beide eng aneinander gedrückt hielt, während ihre Atemzüge harsch in die stille Nacht wogten. „Setz mir nicht irgendeinen schwachsinnigen Spruch darüber vor, ohne dich weiter zu leben…gib mir auch nicht den Segen für einen besseren Mann, du elender Mistkerl…ich muss das nicht hören…nicht einmal dann, wenn du es wirklich ernst meinst…ich muss es nicht hören…“
Seufzend strich Naoki mit einer Hand über Genmas Wirbelsäule, bevor sich seine Finger brutal in das schwarze Gewebe seines Rollkragenoberteils krallten. Dann wanderte seine Berührung weiter nach oben und legte sich an Genmas Hinterkopf, um dort sanft zu kneten. „Na schön. Dann hör stattdessen das, denn das ist alles, was wirklich von Bedeutung ist…“ Ein langsamer Atemzug und Naoki legte seinen Mund an Genmas Schläfe, während sich seine Lippen in einem leisen Murmeln bewegten: „Was ich für dich empfinde? Was ich schon immer für dich empfunden habe…das wird niemals verblassen Genma. Sterne werden erkalten und die Sonne wird erlöschen, bevor dieses Licht ausgeht. Behalte das in Erinnerung. Vergiss alles andere, wenn du musst. Aber nicht das.“
Gott…
Genma holte zitternd Luft und seine tränenüberströmten Augen wandten sich dem Himmel zu, auch wenn sich seine Wimpern krampfhaft senkten und sich seine Arme so hart um Naoki anspannten, dass ihm das Weh den Atem raubte…die Erleichterung, die er auf diesem Boot verspürt hatte, als Inoichi mit ihm gesprochen hatte, schmolz unter dem Licht des wie auch immer gearteten heiligen Geistes hinfort, der sich jetzt durch ihn bewegte. Vielleicht war es Naoki; seine Irrlicht-Seele, die durch die Finsternis in der Ödnis von Genmas Herz glitt und nicht einfach nur seine Dämonen auf die Knie zwang, sondern sie endlich auch aus den bittersten, schwärzesten Gruben seiner Vergangenheit trieb.
„Du weißt, dass ich dich liebe.“
Genma stieß mit bebendem Körper einen angespannten Atem aus. Natürlich wusste er das. Aber Naoki hatte das noch nie zuvor gesagt. Er hatte es auf andere Weisen gesagt…aber niemals diese Worte.
„Ich weiß. Aber ich sage sie jetzt. Ich liebe dich. Und das hat mich gerettet.“
Ein zitterndes Nicken und Genma presste seinen Mund gegen Naokis Hals, spürte, wie sich ihre Körper gleichzeitig hoben und sein Herz heftig gegen die Wände seiner Brust hämmerte, um Hitze und Leben und Farbe in die Gemälde zu pumpen, die darauf gemalt waren…Erinnerungen, die niemals gestorben waren und auch niemals sterben würden…
„Niemals“, versprach Naoki mit nachdrücklicher Stimme. „Ich werde immer für dich brennen. Aber jetzt musst du leben. Wirklich leben. Kein ‚siebenmal fallen‘-Schwachsinn mehr. Kein Halbleben. Keine Halbliebe. Versprich mir das.“
Genma wollte, aber er konnte die Worte nicht finden.
Ich weiß nicht, wie ich das machen soll…sag mir, wie zur Hölle ich das machen soll…
„In Ordnung…“ Naoki drehte seine Lippen gegen Genmas Ohr und seine Stimme wurde weicher. „Wenn das hier vorbei ist und ich letztendlich gehe, dann wirst du nicht lange bei dem Körper bleiben, der zurückbleibt. Ich bin nicht dort. Also wirst du dir einen Augenblick nehmen und dann wirst du aufstehen und gehen…in dem Wissen, dass ich mit dir gehen werde und immer bei dir sein werde, egal wohin dich das Leben von da an tragen wird. Und Genma? Sei kein Arschloch. Lass es dich mit sich tragen.“
Lachen, zerfetzt und bebend und zehn Arten von zerbrochen…aber trotz allem ein Lachen. Genma schüttelte den Kopf. „Du hast es völlig ruiniert.“
Naokis Lippen bogen sich an seinem Ohr. „Achja? Naja, es stimmt schon, was man über Rückblicke sagt…also lass mich meinen Teil sagen. Egal, was für eine Hand dir ausgeteilt wird, steig ja niemals aus. Denn wenn du das tust…dann werden Karibi und ich dir im Jenseits ordentlich in den Arsch treten. Und du weißt, dass wir am Ende immer die Sieger sind.“
Genma fluchte leise durch seinen Kummer und verstärkte seinen Griff, bis er fast schon schmerzhaft wurde. Er spürte, wie sich die Sehnen in Naokis Hals vor Emotionen anspannten. Gott. Wenn er sich jetzt zurückzog und in Naokis Gesicht sah, dann würde er nicht loslassen können…oder Lebewohl sagen…
„Du musst nicht Lebewohl sagen…aber du musst loslassen…“
Ich weiß…
Während er seine Finger in das Gewebe an Naokis Rücken krallte, hob Genma seine andere Hand und tätschelte Naokis Hinterkopf mit rauer Zuneigung…eine Berührung, die sich zu Intimität vertiefte, als sich seine Finger in den langen, seidigen Strähnen anspannten. Seine Augen öffneten sich langsam und Tränen schnitten sich über seine Wangen wie zwei silberne Klingen im Mondlicht.
„Später“, wisperte er.
Ein Anspannen in Naokis Kehle und dann das leise Rumpeln seines Atems, als ein ungesehenes Lächeln in seiner Antwort mitgetragen wurde. „Später.“
Genma schöpfte Kraft aus diesem Wort, diesem Versprechen und lächelte schwach, aber friedlich, schloss seine Augen und sah tausende winzige Sterne, die sich zu einem Paar Konstellationen formten, zwei wirbelnde Galaxien, so enorm und wunderschön wie glühende Nebulas, die seine Welt mit Sternenstaub und Licht erfüllten.
Naoki…Karibi…
Ihre Lichter waren blendend…
Keine noch so große Finsternis konnte das verdunkeln…
Keine noch so große Entfernung konnte das vermindern…
Und als er spürte, wie er zurück in das tiefe, dunkle Gefäß seines Körpers gezogen wurde…kamen die Lichter mit ihm.
Er war schon früher hier gewesen.
In Träumen.
In Albträumen.
In seinen Träumen waren die Felder lebendig und blühten mit dem Lachen und der Liebe einer lange verlorenen Zeit. In seinen Albträumen brannten die Felder. Brannten wie ein Höllenfeuer. Brannten wie die Flammen des Tanzaku Viertels, wobei sich Rauch und Tod erhoben, um die Sonne zu verdunkeln, die Sterne, den Mond...
Und alle Lichter in meinem Leben…
„Nicht alle Lichter.“
Genma erstarrte, sein Körper richtete sich auf und beim Klag dieser vertrauten, tiefen Töne sog er den Atem ein. Überall um ihn herum tanzte und schwankte das erleuchtete Gras in einem lieblichen Rausch und Gesang. Klänge, die beinahe das leise Rascheln von Bewegungen übertönten, das hinter ihm in den blühenden Büscheln erscholl.
Genma konnte es nicht über sich bringen, sich umzudrehen. „Aber mehr als genug“, erwiderte er. „Die, die am wichtigsten waren.“
Ein Moment der Pause und Naokis Stimme erklang lauter, näher und zusammen mit dem Wispern von Gras, das sich teilte. „Yōkai. Erinnerst du dich, warum wir uns für diesen Namen für unser Team entschieden haben?“
Gott, wie sich diese Stimme durch ihn bewegte. Genma presste krampfhaft die Augen zusammen, während sich seine Brust zusammenzog. Er konnte nicht antworten, konnte nicht durch die Dornenranke sprechen, die sich immer enger und enger um seine Kehle legte.
Naoki antwortete für ihn, antwortete in der weichen, beiläufigen Art einer lockeren Unterhaltung. Als hätten sich ihre Wege niemals getrennt…als würden sie sich nie wieder trennen. „Die Bedeutung“, sagte Naoki. „Wir haben uns für diesen Namen entschieden, weil er eine geisterhafte Erscheinung bedeutet. Wie die Irrlichter unserer Decknamen; Kaika, Karibi, Tenka. Das alles sind Phantomfeuer unbekannter Herkunft. Gespensterhafte Lichter, die Geister der Toten…das sind nicht die Art Lichter, die einfach ausgehen.“
Genma stieß ein raues, müdes Lachen aus, während sich seine Augen langsam öffneten, um sich auf die Magmasphäre zu richten, die immer tiefer sank und das Licht mit sich nahm. Seine Augen brannten nass. „Dafür, dass du so ein harter Kerl bist, hattest du schon immer eine Schwäche für diesen poetischen, lyrischen Scheiß…und halt mich ruhig für einen Trottel, aber ich wollte dich deswegen umso mehr. Deine Kunst…deine Augen…die Art und Weise, wie du die Dinge gesehen hast…die Art und Weise, wie du mich gesehen hast. Als würde deine Bedeutungen dem Nichts einen Sinn geben, das wir erlebt haben.“
„Haben sie das?“
Genma lachte leise und angespannt und schluckte gegen die Enge in seinem Rachen. „Sag du es mir. Du hast eine Bedeutung für alles gebraucht. Gibt man dir eine Mission, dann würdest du dafür töten. Aber gibt man dir eine Bedeutung? Dann würdest du dafür sterben. Und das bist du…du bist dafür gestorben…“
„Ja. Das bin ich. Und ich wäre allein mit meiner Finsternis gestorben wenn du, Ino und Karibi mir nicht diese Lichter gegeben hättet, mit denen ich gehen kann…was mir das bedeutet? Das lässt sich nicht in Worte fassen.“
Die Dornen trieben sich tiefer – trieben sich so tief, dass Genma hätte schwören können, dass er spürte, wie Blut in seiner Kehle aufstieg, nur war es kein Blut. Es waren Worte. Und sie quollen aus ihm heraus, so blutig und roh wie die Tränen, die an seinen Augenwinkeln ausbrachen. „Du Bastard…all diese Jahre…all diese Jahre hast du…“, er musste eine Pause machen, schluckte und versuchte es nochmal, „du hast mich glauben lassen du wärst fort…und dann nochmal…du hast mich mit dem Glauben zurückgelassen ich hätte dich verloren…wieder und wieder…fuck, Naoki…wer verfickt nochmal macht sowas? Wer verfickt nochmal ist so grausam?“
„Ich war das.“
Genma sog scharf die Luft dagegen ein und seine Augen wandten sich himmelwärts – ein Flehen, ein Gebet. Er brachte es noch immer nicht über sich, sich umzudrehen. „Nein. Manchmal warst du ein kalter Bastard, aber du warst niemals grausam. Selbst bei Aufträgen. Schnelles Töten. Kein Leiden. Nicht wie bei mir und Karibi. Du warst niemals sadistisch.“
„Wir alle hatten unsere Dämonen.“
Genma würgte ein weiteres zerfetztes Lachen hervor, aber der Schmerz raubte ihm schon wieder den Atem. „Als wüsste ich das nicht…aber unsere Dämonen haben uns nie von dir fort gezerrt. Meine Dämonen haben mich niemals von dir fort gezerrt. Nicht ein einziges Mal.“ Er schüttelte den Kopf und seine nächsten Worte wurden zu einem heiseren Kratzen. „Ich habe dich geliebt.“
„Ich weiß."
„Einen Scheiß weißt du. Du bist gegangen.“
„Ich musste gehen…“ Schon wieder Bewegungen durch das Gras und die Luft bewegte sich als wäre sie aufgeladen. „…und ich wusste, dass du mich nicht hättest gehen lassen, wenn ich dir den Grund dafür gesagt hätte.“
„Da hast du verdammt nochmal recht. Ich hätte dir deine verfickten Beine gebrochen“, knurrte Genma, während sich stumpfe Nägel in seine Handflächen schnitten. Aber er wollte sich immer noch nicht umdrehen. „Immer deine Clans. Immer deine Vergangenheit. Immer deine gottverfickten Schuldgefühle.“
„Sie waren mein stärkster Dämon…“, gab Naoki leise zu und näherte sich so nah hinter Genma, dass die Hitze seines Körpers ebenso real erschien wie der Atem in Genmas Nacken. „Und dieser Dämon hätte sowohl mich, als auch die Menschen in meinem Umfeld vernichtet, wenn ich ihn nicht für etwas Besseres als Selbstzerstörung genutzt hätte. Ich hatte schon immer Finsternis in mir, Genma…verdamme mich nicht dafür, dass ich ihr einen Zweck gegeben habe…eine Bedeutung.“
Getroffen von diesen Worten schüttelte Genma gebrochen den Kopf, sein Körper starr gegen die Sehnsucht, sich endlich umzudrehen. Sich der unentrinnbaren letzten Szene zu stellen, die er jetzt genauso wenig verhindern konnte wie vor all diesen Jahren…und obwohl er das wusste, bluteten seine Worte in einem schweren Strom von seinen Lippen.
„Ich hätte dich vor dieser Finsternis retten können, Naoki…“
„Das hast du.“
„Einen Scheiß habe ich! Du bist FORT!“
Genau wie Genmas Zurückhaltung. Er wirbelte herum und schubste Naoki von sich, versuchte anzugreifen, doch ein Wind stahl sich heiß und trocken über das Gras zwischen ihnen, um tausende Pollenkörner wie Sand zu verstreuen. Ein Schwarm glitzernder Sporen, der in einem Strudel himmelwärts wogte, der die Welt in ihrer Achse zu drehen schien.
Und innerhalb eines Herzschlages wandelten sich diese winzigen Samenkörner zu tausenden winzigen Sternen…
Die Brise wurde kälter, feuchter und die samtigen Hügel veränderten sich von Orange und Gold zu Lila und Silber. Das Mondlicht floss über die Felder wie Milch über Honig. Genma taumelte einen Schritt zurück, getroffen vom Anblick einer dieser vielen von Sternen erhellten Nächte, die seit Jahren in der Dunkelheit seines Herzens weiter gelebt hatten.
Nächte wie diese…
….er und Naoki hatten der Dunkelheit eine neue Bedeutung gegeben.
„Tausende Male…“, murmelte Naoki mit rauer und leiser Stimme. „Jede Nacht für mehr als zehn Jahre hast du mich gerettet. Und alles, was es jemals brauchte, war ein kurzer Blick auf diese Lichter, um sich zu erinnern, warum und wie.“
Bei diesen Worten wandte sich Genma um und fing das Profil seines Liebhabers aus dem Augenwinkel auf. Ein Geist, eine Erscheinung…und dennoch ebenso real für ihn wie Fleisch und Blut und ein schlagendes Herz. Ebenso atemberaubend unter dem Mondlicht wie er es schon immer gewesen war.
Schwer schluckend drehte sich Genma vollständig um.
Splitter aus Schmerz rissen sich über seine Brust…aber verdammt, vielleicht war sein Herz daran gewöhnt zu brechen, denn trotz des Schmerzes sah er mit derselben ungeschützten Miene hin, die er immer getragen hatte, wenn er mit diesem Mann zusammen war…keine Maske, weder die von ANBU noch sonst eine, war ihm hier jemals dienlich gewesen.
Naoki sah aus wie Genma ihn immer in Erinnerung behalten hatte.
Der Yamanaka stand mit in den Nacken gelegtem Kopf da, seine violetten Augen befeuert von Flecken aus Silber in dem aquatischen Licht. Die Neigungen seines Gesichts waren von einer weichen Patina gezeichnet und tiefe, lilablaue Schatten hingen in den zisellierten Mulden seiner Miene, um sich in die Senken seiner Kehle und seines Halses zu legen. Seine lange, silberblonde Mähne war an seinem Nacken mit einem Lederband zusammengebunden und wiegte sich im Einklang mit den Halmen seidigen Grases.
Glückselige Visionen waren aus so etwas gemacht…
Genma war nicht religiös. Und so sehr er an Sünder und ihre Dämonen glaubte, hatte er doch nie an Heilige oder Erretter oder Engel geglaubt…geschweige denn an irgendetwas darüber hinaus…bis zu diesem Moment. War das Verzweiflung? Ein Delirium, erschaffen von seinem fiebrigen Herzen? Er war sich nicht sicher. War ja auch kein Philosoph. Hatte nie von sich behauptet, mehr zu sein als einfach nur eine geschliffene Klinge für sein Dorf…und dennoch…
Naokis Blick glitt wieder nach unten und fing Genmas auf. „Und dennoch…gibt es mehr als das, Genma.“
Eine Rasierklinge der Erinnerung, scharf, schmerzhaft und Genma zuckte zusammen als er spürte, wie diese Worte von vor einigen Nächten zu ihm zurück bluteten; Kakashis Stimme, ein Blutfleck auf seinem Herzen.
‚Es gibt mehr als das, Genma…‘
‚Nichts mehr…‘
‚Doch das gibt es. Du bist mehr als das…‘
‚Ich bin überhaupt nichts mehr als das…‘
„Glaubst du das immer noch?“, murmelte Naoki und zog Genma damit wieder zurück. „Glaubst du immer noch, dass das alles ist, was du bist? Eine schlecht ausgeteilte Hand in einem Kartenspiel, über das du keine Kontrolle hast?“
„Losglück“, raunte Genma, doch die Worte waren hohl und leer. „Steigen wir da aus?“
Naokis Miene spannte sich an, doch der Schmerz brach sich dennoch Bahn. Es reicht aus, das zu sehen. Dieser Tic, das verräterische Zeichen, die starre Maske, die in der Mitte einen Riss bekam. „Ich bin nie ausgestiegen. Nicht bei den Dingen, die wichtig waren. Und das solltest du auch nicht.“
„Im Eins-gegen-Eins-Poker steige ich niemals aus, erinnerst du dich?“
Erinnern. An diesem Ort, in diesem Verstand, waren diese Worte mehr als einfach nur eine Einladung – sie waren eine Beschwörung. Und so sicher, wie sich Genma an das erste Wiedersehen mit Naoki vor zwei Jahren erinnerte, schien es, dass sein alter Liebhaber das auch nicht vergessen hatte. Nicht diesen rotten Spielplatz vergessen hatte, auf dem Genma seinen kleinen Showdown mit dieser Freakshow gehabt hatte; nicht vergessen hatte, wie er aus dem giftigen Rauch aufgetaucht und diese dämonische Noh Maske getragen hatte; den Kampf nicht vergessen hatte, das Geplänkel, das spielerische Wortgefecht.
‚Du bist großspurig.‘
‚Wie der Pik-König, mein Freund.‘
‚Zeit, auszusteigen.‘
‚Du musst wohl ein paar Karten zu wenig im Deck haben. Beim Eins-gegen-Eins-Poker steige ich niemals aus.‘
‚Du hast deine Hand doch schon sehen lassen.‘
‚Was denn? Mit der Freakshow vorhin? Nah, ich heb mir mein Ass im Ärmelloch für dich auf. Soll keine sexuelle Anspielung sein, nur so am Rande.‘
‚Du willst, dass ich bei deinem Bluff mitgehe?‘
‚Nur zu. Du kommst mir nicht wie ein Falschspieler vor.‘
‚Muss an meinem Pokergesicht liegen.‘
‚Du bist ziemlich witzig für jemanden von KERN.‘
‚Und du bist töricht für einen Ex-ANBU.‘
Dieser Moment raste so schnell und flüchtig durch Genma, dass er nur den leichtesten Eindruck hinterließ. Ein Hauch von lilanem Rauch auf einer kühlen Brise, der in schlangenartigen Ranken himmelwärts waberte und silbergrau im Mondlicht schimmerte.
Genma blinzelte langsam. Es verlangte ihm viel ab, seine Stimme ruhig zu halten. „Hast du deinen Frieden gemacht…mit Inoichi…?“
„Genma…“
„Hast du?“ Ablenkung. Er brauchte sie dringend. Oder vielleicht spielte er nur auf Zeit, die sie gar nicht hatten. Naoki schluckte und nickte. „Ja. Ino hat dabei geholfen.“
„Du hast ihm verziehen…“ Es war keine Frage, aber er antwortete trotzdem für Naoki. „Natürlich hast du das…Familie zuerst, richtig?“
„Bitte mich nicht, mich dafür zu entschuldigen.“
Kopfschüttelnd wurde Genmas Herz von einer vergeblichen Müdigkeit erfasst. Was würde es auch schon für einen Sinn machen? Naoki hatte Liebe und Leben aufgegeben, um seine Clans zu schützen…um dem Grund eine Bedeutung zu geben, aus dem sie ihn verstoßen, ihn abgelehnt und zur Dunkelheit verdammt hatten. Inoichi, Sayuri und Shikaku mochten zwar die Ausnahmen dieser Grausamkeit gewesen sein…aber ihre Akzeptanz konnte Naoki ebenso wenig Absolution von seiner eingebildeten Schuld und seinen eingebildeten Verbrechen erteilen wie Karibis Zuneigung und Genmas grenzenlose Liebe ihm gegenüber…
„Genma“, krächzte Naoki. „Was du mir gegeben hast…“
„Ich weiß“, erwiderte Genma leise mit einer Stimme, die von der Emotion, die in seinen Augen brannte, nicht berührt wurde. „Ist nicht so, als wäre das einseitig gewesen…obwohl du immer dieser Meinung warst.“
„War es nicht? Ich habe dich verlassen.“
Würde es jemals aufhören zu schmerzen, diese Worte zu hören? Genmas Lippen verzogen sich zu einem reuigen Schmunzeln. „Ja, das hast du. Und ich glaube, ich hätte dich davon überzeugen können, mit mir zu gehen, wenn wir die Zeit gehabt hätten…die Zeit, um uns aus dem Staub zu machen…die Zeit, um es nochmal zu machen, genau wie du gesagt hast…“
Die Nacht schien vollkommen regungslos zu werden. Naoki sah ihn für eine lange Sekunde an und sein gepanzertes Herz schien hinter seinen Augen zu bluten. Das Violett überlagerte das Grau. Als er jetzt in diese Augen starrte, erinnerte sich Genma an die unzähligen Schattierungen, wie diese amethystenen Farben in Lust und Liebe zu Maulbeere und Wein bluteten, berauschend und dunkel – kein Shōchū der Welt hatte Genma jemals so erwärmt oder ihn von Schmerzen erlöst, wie es diese Augen früher getan hatten.
Da er den Bann irgendwie brechen musste, räusperte sich Genma und schüttelte den Kopf, während er hart blinzelte, um seine Sicht davon abzuhalten, vollkommen zu verschwimmen. „Aber ich schätze, das hier ist die letzte Karte, die wir ausspielen werden. Das ist das ‚Später‘, das du mir versprochen hast.“
Violette Augen zogen sich kummervoll zusammen und Naokis Lippen formten sich zu dem Geist ihres früheren Lächelns. Ein Lächeln, das bebte und zitterte, zusammen mit der verkrampften Neigung seines Kiefers, zusammen mit seiner rauen Stimme. „Nein“, sagte er heiser. „Das ist es nicht. Aber es ist alles, was ich habe, Genma…es ist alles, was ich habe. Und wenn ich zurück gehen könnte, jetzt sofort, zu dieser Nacht, in der du mich gebeten hast, wegzulaufen, dann würde ich…“ Bebend brach er ab und schüttelte mit tränenschimmernden Augen den Kopf. „Aber ich kann nicht…wir können nicht…“
Das Abmühen in seinen Augen, in seiner Stimme…es zerfleischte Genmas zerbrochenes Herz, zerfleischte es mit altem Schmerz und zerfetzte ihn auf eine Art und Weise, die kein Narbengewebe abtöten konnte. Er taumelte einen Schritt zurück und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, über die Feuchtigkeit in seinen Augen, bevor er mit seinen Fingern an seinen Nacken fuhr und hart zudrückte, schnell nickte…nickte, als würde er verstehen…als würde er es kapieren…als könnte er Atem gegen den Schmerz finden und die nächsten paar Sekunden überleben, ohne…
Fuck…
Die Tränen kamen.
Auch nicht ansehnlich.
Heiß und chaotisch und blendend und gottverfickt nochmal…er war von seinen eigenen Kanashibari durchlöchert worden…er war alle Schattierungen von grün und blau geprügelt worden…er hatte verloren und verloren, wieder und wieder…Menschen, Teile seines Selbst…Scheiße, er hatte seine eigene Seele mit dem Ende einer Shōchū-Flasche verglast, aber nichts, einfach nichts übertraf diesen Schmerz.
Dieses letzte Lebewohl…
Er versuchte, sich umzudrehen, doch Naokis Hände waren auf ihm. Raue, schwielige Finger packten ihn hart und rissen ihn zurück. Genma brüllte gegen diesen Griff und befreite sich daraus, animalisch und verletzt, die Zähne zu einem Knurren gebleckt und der Schmerz nackt und roh auf seinem Gesicht. „DU HAST UNS DAS ANGETAN!“
Naokis Augen füllten sich, aber er entschuldigte sich nicht. Er stand einfach nur da, sah wunderschön und zerbrochen aus und Genma hätte ihn schlagen können – hätte das auch getan, wenn sich das Bild von Naoki, wie er auf diesem Krankenhausbett lag, nicht in seinen Verstand geätzt hätte.
Violette Augen loderten gefährlich. „Nicht“, knurrte Naoki, doch seine Stimme brach bei dem Wort. „Mach das nicht. Behalte mich nicht so in Erinnerung.“
„Das ist alles, was du mir gelassen hast“, erwiderte Genma, als sich die Bitterkeit durch sein Herz fraß wie Säure und seine Stimme zu einem Krächzen verdünnte. „Das ist alles, was du mir verfickt nochmal gelassen hast…und jetzt verlässt du mich schon wieder. So wie du es immer tust. Süchtig nach Buße, süchtig nach Bestrafung.“ Genma bellte ein wildes, hysterisches Lachen. „Tja, Shit. Herzlichen Glückwunsch, Geliebter, endlich hast du das Martyrium, das du immer wolltest.“
Naoki schlug ihn. Stürzte sich mit dieser zweifachen Schlagkombination gegen das Gesicht auf ihn. Linker Haken und rechte Flanke. Erschüttert steckte Genma den ersten Hieb ein, wich dem zweiten aber aus…nur um sich zu wünschen, er hätte auch den eingesteckt. Denn der Schmerz, der in Naokis Augen zerbarst, überbrückte die kurze Distanz und traf ihn umso härter, traf ihn so heftig, dass ihm vor Reue übel wurde.
„Bastard…“, würgte Naoki hervor, als würde man ihn strangulieren, während Abscheu und Verzweiflung sein Gesicht zu einer Maske unversöhnlichen Kummers verzerrte. Und dann trat das Yamanaka Temperament hervor und rollte in äschernen Wolken durch diese violetten Augen. „Du willst über Abhängigkeiten reden? Du willst über Bestrafung reden? Du willst über siebenmal fallen reden mit jeder verfickten Droge und jedem Glas Alkohol, die dir zur Verfügung standen? Wenn ich ein Süchtiger bin, was verfickt nochmal bist dann du?“
Genma wankte zurück als hätte man ihm in die Eingeweide getreten, während Schuldgefühle blutrot in ihm erblühten. Sie hatten schon immer blutig gekämpft. Ob sie nun Waffen oder Worte genutzt hatten, sie hatten immer gewusst, wie sie sich gegenseitig zur Weißglut treiben konnten…die Genauigkeit ihrer Attacken, die Treffer auf empfindliche Nerven…die geteilte Verheerung, die immer dann kam, wenn der Kampf vorbei war und sich der Staub gelegt hatte, schwer und erstickend…
Naoki wich zurück, sah schuldbewusst und kränklich aus, ganz so, als läge alle Schuld bei ihm.
So war es nicht.
Aber Genma war noch nie in der Lage gewesen, ihn auch wirklich davon zu überzeugen. War niemals in der Lage gewesen, diesen tyrannischen Griff eines sadistischen Vergewaltigervaters zu überwinden, der Naoki in einem viel zu zarten Alter Scham und Schuldgefühle und Selbsthass eingetrichtert hatte, um ihm jemals das Gefühl geben zu können, etwas wert oder frei von seinen Dämonen zu sein.
Ich habe dich geliebt…aber es war nicht genug…
„Das ist nicht wahr…“, sagte Naoki vehement und seine Brust hob sich und fiel heftig, als seine Stimme heiserer und schwerer wurde. „Du hast meine Dämonen auf eine Art und Weise besiegt, die mir den Glauben gegeben hat, ich könnte aus dieser Finsternis zurückkehren, in die ich gelaufen bin.“
Er schluckte schwer, als sich der Sturm aus seinen Augen zurückzog und sein Blick über Genmas bröckelnde Miene wanderte. „Und obwohl ich gegangen bin…ich bin zurückgekommen…und ich habe mir gesagt, dass du der einzige Grund bist, aus dem ich das jemals tun würde.“
Genmas Augen schlossen sich krampfhaft und sein Atem stockte ihm rau in der Kehle.
‚Was ich sagen will, ist, dass er aus einem Grund seinen letzten und wichtigsten Befehl aufgegeben und sich nach Hause geschleppt hat. Und ich glaube, dass dieser Grund du bist, Genma.‘
„Er hatte recht“, sagte Naoki.
Trauer rann Genmas Wangen hinab, nass und schimmernd und sie stach sich in seine Lippen – und dann fand Naokis Mund den seinen, schluckte das Brüllen, schluckte die Tränen, schluckte den bebenden Atem und die Flüche, die zu Flehen ausbluteten.
Bitte…
Naoki riss Genmas Kopf nach hinten und küsste ihn rau und tief, ergriff Besitz von dem Kuss; genau so, wie er vor all diesen Jahren Besitz von Genmas Herzen ergriffen hatte. Er stahl sich hinein, ergriffen von einem Sturm und stürmte Genmas Defensiven bis sich Zähne und Zunge von heißen Waffen zu warmer Hingabe erweichten, sodass sich ein Kampf zu Anbetung wandelte…Münder schmiegten sich aneinander, krachten nicht aufeinander…Zungen tanzten, duellierten nicht…
Und Genma erinnerte sich…
Erinnerte sich daran, wie Naoki mit derselben Erotik und Leidenschaft geküsst hatte, mit der er auch gezeichnet hatte; jede Schattierung, jeder Fleck, jeder weiche und schwungvolle Strich. Der Kuss malte ein Gemälde auf die Wand von Genmas Brust. Und mit jedem Atemzug schnitt sich der Kummer tiefer, ließ eine ruhmvolle Narbe zurück.
Und dann liebkoste Naokis Stimme zärtlich und leise seinen Verstand: „Genma…Karibi und ich…wir werden immer für dich brennen…ICH werde immer für dich brennen…behalte das in Erinnerung, aber hör nicht auf zu leben…hör nicht auf zu lieben…du hast noch andere Lichter, die für dich brennen…Raidō…Kakashi…“
Genma versteifte sich und unterbrach den Kuss, als er sein Gesicht ein Stück zurückzog. Sehr zu seinem Erstaunen sah er nicht die feurige Eifersucht oder die gefährliche Besessenheit, die früher in Naokis Augen gewütet hatten. Er hatte seine Liebhaber und seine Lichter mit einer fast schon urtümlichen Wildheit bewacht. Auch wenn Karibi grundsätzlich die Gesellschaft von Frauen bevorzugt hatte, hatte sie in früheren Tagen hin und wieder Genmas und Naokis Bett geteilt. Sie hatten sie geliebt. Nicht auf dieselbe Weise wie sie sich gegenseitig geliebt hatten. Aber Naoki war bei ihr nicht weniger besitzergreifend gewesen – oder war das Beschützerinstinkt?
„Beides“, gab Naoki zu, während er Naokis Gesicht ohne die Spur von Entschuldigung musterte. „Und wenn ich dort wäre. Wenn ich dazu in der Lage wäre…dann würde ich auch für Hatake Kakashi keine Ausnahme machen. Aber er ist da. Und ich nicht. Und es ist ihm zu verdanken, dass wir überhaupt hier sind.“
Genma rang damit, fühlte sich zerrissen. Hätte das besser verbergen können, wenn Naoki nicht in seinem Verstand wäre, in seinem verdammten Herzen…demselben Ort, wo er Kakashi vor Jahren aufbewahrt hatte…demselben Ort, in den er Kakashi in dieser Nacht wieder eingelassen hatte…diese alten Gefühle…diese alten Flammen. Er versuchte, sich auf den Zorn zu konzentrieren. Auf den Verrat. Auf den Kampf, den sie ausgetragen hatten. Eine schwache Vorführung. Es war keine Überraschung, dass sein alter Liebhaber sie direkt durchschaute.
Naoki küsste die Seite seines Mundes und murmelte: „Kakashi hat meinen Körper gefunden. Hat mich in Sicherheit gebracht. Hat dir gesagt, dass ich immer noch lebe…hasse ihn nicht dafür.“
„Ich hasse ihn nicht.“
Das brachte Naoki zum Lächeln und Genma konnte es an seinem Mund fühlen. Dieses schiefe, wissende Lächeln, das Genma wissen ließ, dass er in die Falle getappt war. Er spannte sich an, spürte, wie sich diese Lippen tiefer bogen, weicher.
„Nein“, stimmte Naoki zu. „Du hasst ihn überhaupt nicht, nicht wahr?“
„Ist nur Sex.“
„Das ist nicht das, was mir deine Erinnerungen erzählen.“
Da er sich in eine Ecke gedrängt fühlte, versuchte Genma, sich zurück zu ziehen, doch Naokis Blick hielt in ebenso gewiss an Ort und Stelle wie der Griff dieser Hände auf seinem Körper. Violette Augen musterten ihn mit einem sonderbaren Ausdruck und Naokis Kopf legte sich in Spekulation schief. „Du fühlst für ihn auf eine Weise, wie du es schon eine sehr lange Zeit für niemanden mehr getan hast.“
Genma schluckte, da sich Schuldgefühle durch ihn gruben. „Nicht.“
Naokis Blick wanderte über sein Gesicht und die Emotionen in seinen Augen erreichten seine Stimme. „Warum? Denkst du, ich würde dir dieses Glück missgönnen, nach all dem Schmerz, den du durchleiden musstest? Dass ich dir in meinem Leben oder in meinem Tod die Chance auf etwas Gutes verweigern würde?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich mag vielleicht mit Monstern gelebt haben, Genma, aber ich bin nicht zu einem geworden. Ich will, dass du glück-“
„Nicht…“, knurrte Genma durch das Weh in seiner Kehle und riss Naoki an sich, einen Arm hart über die Schulter des Yamanka gekrümmt, sodass sich seine Finger in sein Schulterblatt gruben und sie beide eng aneinander gedrückt hielt, während ihre Atemzüge harsch in die stille Nacht wogten. „Setz mir nicht irgendeinen schwachsinnigen Spruch darüber vor, ohne dich weiter zu leben…gib mir auch nicht den Segen für einen besseren Mann, du elender Mistkerl…ich muss das nicht hören…nicht einmal dann, wenn du es wirklich ernst meinst…ich muss es nicht hören…“
Seufzend strich Naoki mit einer Hand über Genmas Wirbelsäule, bevor sich seine Finger brutal in das schwarze Gewebe seines Rollkragenoberteils krallten. Dann wanderte seine Berührung weiter nach oben und legte sich an Genmas Hinterkopf, um dort sanft zu kneten. „Na schön. Dann hör stattdessen das, denn das ist alles, was wirklich von Bedeutung ist…“ Ein langsamer Atemzug und Naoki legte seinen Mund an Genmas Schläfe, während sich seine Lippen in einem leisen Murmeln bewegten: „Was ich für dich empfinde? Was ich schon immer für dich empfunden habe…das wird niemals verblassen Genma. Sterne werden erkalten und die Sonne wird erlöschen, bevor dieses Licht ausgeht. Behalte das in Erinnerung. Vergiss alles andere, wenn du musst. Aber nicht das.“
Gott…
Genma holte zitternd Luft und seine tränenüberströmten Augen wandten sich dem Himmel zu, auch wenn sich seine Wimpern krampfhaft senkten und sich seine Arme so hart um Naoki anspannten, dass ihm das Weh den Atem raubte…die Erleichterung, die er auf diesem Boot verspürt hatte, als Inoichi mit ihm gesprochen hatte, schmolz unter dem Licht des wie auch immer gearteten heiligen Geistes hinfort, der sich jetzt durch ihn bewegte. Vielleicht war es Naoki; seine Irrlicht-Seele, die durch die Finsternis in der Ödnis von Genmas Herz glitt und nicht einfach nur seine Dämonen auf die Knie zwang, sondern sie endlich auch aus den bittersten, schwärzesten Gruben seiner Vergangenheit trieb.
„Du weißt, dass ich dich liebe.“
Genma stieß mit bebendem Körper einen angespannten Atem aus. Natürlich wusste er das. Aber Naoki hatte das noch nie zuvor gesagt. Er hatte es auf andere Weisen gesagt…aber niemals diese Worte.
„Ich weiß. Aber ich sage sie jetzt. Ich liebe dich. Und das hat mich gerettet.“
Ein zitterndes Nicken und Genma presste seinen Mund gegen Naokis Hals, spürte, wie sich ihre Körper gleichzeitig hoben und sein Herz heftig gegen die Wände seiner Brust hämmerte, um Hitze und Leben und Farbe in die Gemälde zu pumpen, die darauf gemalt waren…Erinnerungen, die niemals gestorben waren und auch niemals sterben würden…
„Niemals“, versprach Naoki mit nachdrücklicher Stimme. „Ich werde immer für dich brennen. Aber jetzt musst du leben. Wirklich leben. Kein ‚siebenmal fallen‘-Schwachsinn mehr. Kein Halbleben. Keine Halbliebe. Versprich mir das.“
Genma wollte, aber er konnte die Worte nicht finden.
Ich weiß nicht, wie ich das machen soll…sag mir, wie zur Hölle ich das machen soll…
„In Ordnung…“ Naoki drehte seine Lippen gegen Genmas Ohr und seine Stimme wurde weicher. „Wenn das hier vorbei ist und ich letztendlich gehe, dann wirst du nicht lange bei dem Körper bleiben, der zurückbleibt. Ich bin nicht dort. Also wirst du dir einen Augenblick nehmen und dann wirst du aufstehen und gehen…in dem Wissen, dass ich mit dir gehen werde und immer bei dir sein werde, egal wohin dich das Leben von da an tragen wird. Und Genma? Sei kein Arschloch. Lass es dich mit sich tragen.“
Lachen, zerfetzt und bebend und zehn Arten von zerbrochen…aber trotz allem ein Lachen. Genma schüttelte den Kopf. „Du hast es völlig ruiniert.“
Naokis Lippen bogen sich an seinem Ohr. „Achja? Naja, es stimmt schon, was man über Rückblicke sagt…also lass mich meinen Teil sagen. Egal, was für eine Hand dir ausgeteilt wird, steig ja niemals aus. Denn wenn du das tust…dann werden Karibi und ich dir im Jenseits ordentlich in den Arsch treten. Und du weißt, dass wir am Ende immer die Sieger sind.“
Genma fluchte leise durch seinen Kummer und verstärkte seinen Griff, bis er fast schon schmerzhaft wurde. Er spürte, wie sich die Sehnen in Naokis Hals vor Emotionen anspannten. Gott. Wenn er sich jetzt zurückzog und in Naokis Gesicht sah, dann würde er nicht loslassen können…oder Lebewohl sagen…
„Du musst nicht Lebewohl sagen…aber du musst loslassen…“
Ich weiß…
Während er seine Finger in das Gewebe an Naokis Rücken krallte, hob Genma seine andere Hand und tätschelte Naokis Hinterkopf mit rauer Zuneigung…eine Berührung, die sich zu Intimität vertiefte, als sich seine Finger in den langen, seidigen Strähnen anspannten. Seine Augen öffneten sich langsam und Tränen schnitten sich über seine Wangen wie zwei silberne Klingen im Mondlicht.
„Später“, wisperte er.
Ein Anspannen in Naokis Kehle und dann das leise Rumpeln seines Atems, als ein ungesehenes Lächeln in seiner Antwort mitgetragen wurde. „Später.“
Genma schöpfte Kraft aus diesem Wort, diesem Versprechen und lächelte schwach, aber friedlich, schloss seine Augen und sah tausende winzige Sterne, die sich zu einem Paar Konstellationen formten, zwei wirbelnde Galaxien, so enorm und wunderschön wie glühende Nebulas, die seine Welt mit Sternenstaub und Licht erfüllten.
Naoki…Karibi…
Ihre Lichter waren blendend…
Keine noch so große Finsternis konnte das verdunkeln…
Keine noch so große Entfernung konnte das vermindern…
Und als er spürte, wie er zurück in das tiefe, dunkle Gefäß seines Körpers gezogen wurde…kamen die Lichter mit ihm.