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Schicksal und andere Zufälle (Sequel zu "Schicksal auf vier Pfoten")

von MonaGirl
Kurzbeschreibung
GeschichteHumor, Romance / P12 / Het
04.11.2021
11.02.2023
47
54.512
11
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Dieses Kapitel
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04.11.2021 1.130
 
Saint Francis Memorial Hospital, San Francisco

„Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir aufgrund von personeller Umstrukturierung keine Verwendung mehr für Sie haben.“

Ich starrte den Chefarzt der Klinik, Dr. Kirkland, mit großen Augen an. „Sie... wollen damit andeuten, dass ich gefeuert bin?!“, fragte ich ungläubig.

Dr. Kirkland nickte. „Ich will es nicht nur andeuten, Miss Lancaster“, stellte er richtig und räusperte sich unbehaglich. „Ich habe Ihre Kündigung auf den letzten des Monats datiert. Das heißt, dass Sie noch zwei Wochen bei uns bleiben können, bevor Ihre Beschäftigung bei uns ausläuft.“

„Aber... ich... bin...“, stammelte ich und brach dann hilflos ab. Was sollte ich auch sagen? Als ich vor knapp 6 Monaten im Saint Francis Memorial Hospital meinen Dienst als Krankenschwester antrat, war mir durchaus bewusst gewesen, dass man mir jederzeit kündigen konnte. Doch damals hatte ich noch geglaubt, dass es nur eine reine Formsache war mit der Probezeit und ich sie locker bestehen würde. Schließlich war ich fleißig, zuverlässig, pünktlich und zu den Patienten freundlich. Alles Eigenschaften, die eine gute Krankenschwester auszeichneten. Doch anscheinend sah Dr. Kirkland das anders, denn sein Blick war kühl, unerbittlich und entschlossen.

„Sie bekommen natürlich noch Ihr volles Gehalt für den Monat“, fuhr er fort. „Außerdem möchte ich Ihnen noch sagen, dass...“

Ich hörte nur noch mit halbem Ohr hin, denn in meinem Kopf kreiste nur der eine Gedanke: Wie sollte es jetzt weitergehen, wenn ich arbeitslos war und kein Geld mehr verdiente? Gerade erst hatte ich den Mietvertrag für meine erste eigene Wohnung unterschrieben und war glücklich, endlich selbständig zu werden. Mom und Henry hatten mir zwar versichert, dass es kein Problem wäre, wenn ich weiterhin bei ihnen wohnen würde, doch mit fast 25 Jahren wurde es langsam mal Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen. Alle meine Wünsche, Träume und Hoffnungen zerplatzten in dieser Sekunde, wie eine Seifenblase.

„Miss Lancaster?“

„Wie bitte?“ Aus meinen Gedanken gerissen hob ich den Kopf und schaute ihn stirnrunzelnd an.

„Sie können jetzt wieder zurück auf Ihre Station gehen.“

„Oh... ja.“ Ich erhob mich mit Knien, weich wie Wackelpudding und ging Richtung Ausgang. Das war's, mein Leben war zu Ende! Zumindest fühlte es sich so an. Mechanisch ging ich zurück zu meiner Station und rannte in Mira, meine Arbeitskollegin und Vertraute, die gerade ein Tablett mit kleinen Bechern, die gefüllt waren mit verschiedenen, bunten Pillen, in ihren Händen hielt.

„Oh, gut, dass du da bist!“, sagte sie und hielt mir das Tablett unter die Nase. „Könntest du die Tabletten zu Zimmer 401 bringen, Mrs. Donaghue?“

„Mrs. Donaghue?“, murmelte ich und nahm ihr das Tablett ab.

„Die Patientin mit dem Herzinfarkt“, frischte Mira mein Gedächtnis auf.

„Herzinfarkt?“, wiederholte ich monoton und starrte die Becher mit den Tabletten an.

Mira beäugte mich misstrauisch und nahm mir das Tablett dann aus den Händen. „Okay, Audrey, was ist los? So kenne ich dich ja gar nicht. Ist was passiert?“, erkundigte sie sich besorgt.

Ich ließ mich auf den nächsten Stuhl fallen und starrte ins Leere. „Kirkland hat mich gerade gefeuert“, sagte ich mit tonloser Stimme.

„Wie bitte?... WAS hat er getan?“, schrie Mira und sah mich mit fassungslosem Blick an.    

„Er hat mich gefeuert“, wiederholte ich noch einmal und schlug die Hände vors Gesicht. Nun kamen sie, die Tränen, die ich im Büro des Chefarztes so tapfer unterdrückt hatte. Ich spürte Miras Hand auf meiner Schulter.

„Oh nein.. wieso hat er dir denn gekündigt? Die Patienten lieben dich!“

Ich schüttelte den Kopf, während ich mein Gesicht immer noch bedeckt hielt. „Ich weiß es nicht“, schluchzte ich. „Ich war doch noch in der Probezeit.“

„Ah, ja, das könnte der Grund sein. Außerdem bist du auch kein sozialer Härtefall“, fügte Mira hinzu. „Erinnerst du dich noch an Schwester Karen? Sie war unverheiratet und hatte keine Kinder; genau wie du. Angeblich wird solchen Leute zuerst gekündigt.“

Ich hob den Kopf und sah sie an. Mein Blick fiel auf ihren Ehering, den sie seit einigen Wochen stolz trug. „Ja, vermutlich sollte ich mir einen Mann suchen, schleunigst heiraten und schnell schwanger werden“, sagte ich, mit einem Hauch Sarkasmus. „Aber in zwei Wochen werde ich das wohl nicht mehr schaffen.“

„Wenn du irgendwie Hilfe brauchst, ich bin für dich da“, sagte Mira mitfühlend und strich mir eine Strähne meines rotblonden Haares aus der Stirn, bevor sie zur Tür ging. „Ich bringe das jetzt schnell zu Mrs. Donaghue, und du solltest deine Pause nehmen.“

Ich nickte mechanisch. „Danke, Mira“, sagte ich und lächelte gezwungen. „Ich gehe dann mal runter in die Cafeteria und esse einen Happen.“

„Mach das.“ Sie lächelte zurück. „Bis später!“

Seufzend erhob ich mich und ging dann zu einem der Fahrstühle, um damit nach unten zu fahren. In der Cafeteria war um diese Uhrzeit nicht viel los, und ich suchte mir einen der freien Plätze aus und zog mein Handy aus der Kitteltasche. Da auf Station nicht überall Handynutzung erlaubt war, hatte ich es bisher versäumt, meine neuesten Textnachrichten abzufragen und war angenehm erfreut, als ich eine Nachricht von Vivian vorfand.

„Sie sind da! Seit heute morgen, 5.33 Uhr, sind Grayson und ich stolze „Großeltern“. Cassie hat 5 wunderschöne Welpen zur Welt gebracht, und Benji ist natürlich ganz stolzer Papa! Mama und Babies sind wohlauf und gesund. Also, wann kommst du vorbei, um dein Fellbaby auszusuchen? Ach ja, was macht der Umzug? Wenn du Hilfe brauchst, melde dich! Ich bin ja jetzt erprobt im Kistenschleppen. Alles Liebe, Viv.“

Ich musste unwillkürlich lächeln. Meine kleine Schwester hatte ihren Platz im Leben gefunden; und der war an der Seite des wohl attraktivsten Anwalts von Los Angeles, Grayson Malone. Die zweieinhalb Monate, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten, waren wie im Fluge vergangen, und es hatte auch einige Veränderungen gegeben: Vivian war aus ihrem Apartment aus- und in Graysons einzogen, und sie hatte tatsächlich eine Nebenrolle in einer Serie ergattern können, trotz einer Vielzahl von Bewerbern. Und nun hatte es im Hause „Lancaster/Malone“ auch noch plüschigen Nachwuchs gegeben, von denen einer mir gehören würde. Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe herum, während ich überlegte, was ich ihr zurückschreiben könnte. War es Zufall, dass ich gerade jetzt, wo ich darüber nachdachte, mein Leben zu verändern, alles verloren hatte? Kein Job bedeutete kein Geld, und das wiederum bedeutete, dass ich mir auch das Apartment nicht leisten konnte. Ich könnte zwar weiter bei Mom und Henry leben, aber das wollte ich nicht mehr; zumal ich mich dann auch wieder finanziell abhängig machen würde. Vielleicht war es auch gar kein Zufall, sondern Schicksal, das mich nun zwang, mein Leben neu zu überdenken. Möglicherweise war jetzt der Zeitpunkt gekommen, irgendwo ganz neu anzufangen. Ich zögerte noch einen Moment, bevor ich meine Antwort tippte und dann auf „versenden“ drückte:

„Passt es euch am kommenden Wochenende? Ich komme nach Los Angeles!“
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