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5 Minutes From Now

Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P16 / Mix
Coriolanus Snow OC (Own Character)
23.09.2021
24.11.2022
17
27.456
4
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Dieses Kapitel
3 Reviews
 
 
24.11.2022 1.264
 
Dauntless - Joseph Trapanese


Kapitel 17


Zuerst ist da diese unglaubliche Helligkeit, dann das Brennen in meiner Lunge gefolgt von einem starken Rütteln am meiner Schulter. Benommen und von zu vielen Eindrücken auf einmal eingeengt, versuche ich, meine Empfindungen zu ordnen.
„Volt! Volt, komm zu dir!“, höre ich jemanden brüllen, dann werde ich wieder geschüttelt. Plötzlich muss ich so stark husten, dass es für einige Momente mein ganzes Sein übernimmt.
„Verdammt noch mal, Volt!“, ruft dieselbe Stimme noch einmal, dringt vage durch die Wolke an Wirrwarr, dann muss auch die der Stimme zugehörigen Person stark Husten.
Dann, ohne, dass ich etwas dagegen tun kann, landet etwas hartes, aber leichtes auf meinem Gesicht und bedeckt Mund und Nase. Grobe, flinke Finger schlingen etwas um meine Ohren, dass mich an ein bekanntes Gefühl erinnert, doch es will mir nicht einfallen. Der Hustreiz lässt nach mit jedem neuen Atemzug nach und diese Erleichterung lässt es zu, dass ich mich ein wenig besser konzentrieren kann. Das eben noch so hell erschienene Licht scheint nun irgendwie Struktur zu haben, etwas ist anders. Irgendetwas liegt wie ein Schleier in der Luft und ich habe Mühe, etwas anderes außer Helligkeit wahrzunehmen.
„Volt! Steh doch auf, was machst du denn? Wir müssen runter!“, reißt mich die bekannte Stimme aus meinem Versuch, den Stand der Dinge zu erfassen. Etwas hakt sich unter meinen Armen ein und zieht mich hoch auf meine Beine.
„Kannst du stehen?“ Es ist Cash, der nun nah an meinem Ohr spricht, als habe er bemerkt, dass es keinen Unterschied macht, ob er mich anschreit oder nicht. Aus dem Kloß in meinem Kopf entwirrt sich langsam eine Idee dessen, was um uns herum geschieht.
Was die Sicht betrübt, scheint sehr, sehr heller Rauch oder Nebel zu sein. Ich kann kaum einen halben Meter weit sehen, so dicht und weiß ist her. Das Licht bricht sich in ihm so stark, dass ich die Augen zusammenkneifen muss. Bei der Bewegung meiner Gesichtsmuskeln bemerke ich, dass das, was meinen Mund und meine Nase bedeckt, die Maske aus meinem Rucksack sein muss. Ich habe keine genaue Vorstellung davon, wie sie funktioniert, aber sie tut es. Die Luft, die ich atme, ist frei von beeinträchtigenden Unreinheiten - Cash muss mir die Maske aufgesetzt haben.
„Kannst du stehen?“, wiederholt er mit Nachdruck und lässt erst locker, als ich nicke. Langsam tasten wir uns vorwärts und ich habe keine Wahl, als mich von ihm leiten zu lassen. Denn im Gegensatz zu mir weiß er, wie man wieder hier herunter kommt.
Ich klammere mich an Cash, so blind und orientierungslos fühle ich mich. Er hat sich ein Hosenbein unterhalb des Knies abgerissen und sich eine Stoffmaske gebunden, doch ich komme nicht umhin, mir Gedanken um dessen Funktionalität zu machen. Meine Maske scheint speziell für diesen Fall generiert zu sein - doch dieser Stofffetzen? Er sieht viel zu dick aus, als das man dadurch Atmen könnte. Cash lässt sich jedoch nichts anmerken und ich frage mich, ob das ein Hinweis darauf ist, dass seine Maske funktioniert oder aber er den Starken spielt.
Und dann ist da noch die Frage, warum er sich meine Maske nicht einfach selbst unter den Nagel gerissen hat. Klar, er hat bereits mehr als einmal bestätigt, dass er mich nicht umbringen möchte - aber sich potentieller Gefahr aussetzen, um mir zu helfen?
„Wie kommen wir runter?“, frage ich heiser, den Blick nach unten auf unsere Füße gerichtet, da sie das einzige sind, das ich erkennen kann. Trotz der Tatsache, dass ich vernünftig atmen kann, schmerzen meine Lunge und mein Hals noch immer von dem Hustenanfall. Wie viel ich wohl von dem Zeug hätte einatmen können, bis ich daran erstickt wäre?
„Man muss an derselben Stelle mit dem Fuß aufstampfen, das hat zumindest letztes Mal geklappt“, erwidert Cash und bleibt stehen.
Er lässt mich los und kniet sich hin, sucht vermutlich einen bestimmten Punkt. Es ist mir ein Rätsel, wie er sich unter den gegebenen Umständen orientieren kann, bis mir einfällt, dass ich vermutlich blutige Fußabdrücke an der Stelle hinterlassen habe, an der ich gestern hinaufgestiegen bin. Tatsächlich findet Cash einen schwachen Abdruck. Er erhebt sich und tritt so fest zu, dass die Sohle seines Stiefels ein lautes Geräusch hinterlässt. Dann ist das bekannte steinerne Ratschen zu hören und Cash dreht sich zu mir herum.
„Ich weiß nicht, was uns dort unten erwartet oder ob es dort überhaupt besser ist. Wir haben deinen Speer verloren, zurückgehen sollten wir nicht. Nimm das“, er kramt ein kleines Messer hervor und reicht es mir.
„Und was nimmst du?“, will ich wissen. Erst die Maske, jetzt teilt er auch noch seine Waffen?
„Mach dir um mich keine Sorgen. Sehen wir erstmal zu, dass wir heile unten ankommen.“
Mehr sagt Cash nicht, ehe er sich umdreht und rückwärts den Aufgang hinabklettert. Dabei sehe ich, dass er meinen Rucksack trägt - zumindest den haben wir, er kann uns sicherlich noch von Nutzen sein.
Mit Bedacht folge ich Cash und bereits nach der Hälfte des Abgangs werden die Schwaden in der Luft dünner, unten angekommen sind sie vollkommen verschwunden. Doch mit ihrem Verschwinden erstreckt sich Dunkelheit vor uns. Wie viel zu helle Wolken an einem Nachthimmel schwebt das, was auch immer es ist, über uns. Jedoch ohne auch nur ein klein wenig Licht zu spenden. Ich kann nichts sehen, fühle mich sogar noch haltloser als auf den Mauern.
Da berührt mich eine Hand und ich schrecke schon zurück, da gibt Cash sich zu erkennen.
„Das ist nicht besonders gut. In dem Rucksack ist keine Taschenlampe. Vielleicht sollten wir -‘‘
Ein Kanonenschuss schneidet ihm das Wort ab. Dann folgt eine Reihe von weiteren Schüssen. In Gedanken zähle ich mit und komme auf vier Tote. Ob sie alle erstickt sind? Möglich, dass noch mehr Tribute es auf die Mauern geschafft haben.
Es bleibt noch zwei Tage dunkel, während über und der Tod schwebt. Ich weiß, dass es am dritten Tag wieder hell wird, weil zwei Mal die Tabelle mit den Toten und ihren Distrikten an den Wänden der Mauern auftaucht. Anbei die jeweilige Todesursache - drei der insgesamt neun Toten sind tatsächlich erstickt.
Isaiah ist erneut nicht dabei.
Wenn die Tabelle erscheint, ist es für einen kurzen Moment ein wenig beleuchtet und Cash und ich bewegen uns ein wenig, doch unsere Kräfte sind schnell aufgebraucht. Die Gänge scheinen hunderte von Metern lang. Unsere Körper schreien nach Wasser und Nahrung, sind steif und schwach. Die einzige Hoffnung ist, dass die Spielmacher uns schon nicht verdursten lassen. Es sei denn natürlich, alle anderen Tribute haben bereits Wasser gefunden und unsere Tode wären lediglich zwei weitere Kanonenschüsse, selbstverschuldet, weil wir die Suche nicht intensiv genug fortgesetzt haben.
Als es also hell wird und wir den Himmel sehen können, ist das nur ein schwacher Trost. Wir rühren uns nicht. Bis ein lautes Rauschen in der Ferne erklingt und ein Mädchen etwa fünfzig Meter von uns entfernt um die Ecke sprintet.
„Wasser! Wasser!“, brüllt sie, doch ich verstehe nicht. Ihr Gesicht ist verzerrt und von Verzweiflung gezeichnet. Aber Wasser ist doch etwas gutes? Verwirrt schaue ich mich zu Cash um, der jedoch nahezu bewusstlos an die Mauer gelehnt sitzt.
„Wasser! Viel Wasser!“ Mein Körper reagiert vor meinem Verstand auf ihre Warnung. Als würden meine Instinkte die Gefahr bereits spüren, kämpfen meine schweren Glieder sich hoch und ich zerre schwach an Cashs Jacke.
Das Mädchen rennt an uns vorbei und ein paar Sekunden später schwappt eine bedrohlich schnelle Wassermasse um die Ecke, dort, wo das Mädchen herkam. Halb so hoch wie die Mauern, mächtig und unaufhaltsam. Wenn wir uns nicht in Bewegung setzen, wird uns das, wonach wir uns am meisten sehnen, in den Tod reißen.
 
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