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Praktikum in Sachen Liebe

von Mujuchu
Kurzbeschreibung
GeschichteLiebesgeschichte / P12 / Het
Dr. Anja Licht Franz Hubert Johannes Staller Martin Riedl Reimund Girwidz Sonja Wirth
31.08.2021
11.09.2021
10
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31.08.2021 1.053
 
Der letzte Leichenfund steckte Hubsi noch in den Knochen, als sein Kollege den Streifenwagen bei Sabrina stoppte. “Also i muss jetzt was essen”, sagte Hansi und stieg aus dem Wagen. Hubsi folgte ihm langsam und stellte sich mit seinem Partner an einen der Stehtische. Sabrina fagte die beiden: “Wie üblich, zwei Kaffee?”, doch Hubsi murmelte: “Für mi net.” “I nehm no zwei Leberkässemmeln”, rief Hansi und Hubsi stöhnte auf, als die Bäckerin das Gewünschte brachte. “Mir wird schlecht”, brummte er und verließ fluchtartig die Bäckerei. “Was hat er denn?”, wollte Sabrina besorgt wissen, “Is der Hubsi krank?” “Na”, beruhigte sie Hansi und biss herzhaft in die Semmel, “mir ham nur grad a Leich gfunden. Fahrradunfall mit Todesfolge, und dem Toten hat’s des ganze Bein aufgrissen. Der Hubsi hat sich sofort übergeben und des ausgerechnet auf dem Girwidz seine Uniform, die mir von der Reinigung abgholt hatten.” Blass saß Hubsi im Streifenwagen und schloss die Augen. Wie konnte sein Partner nur etwas essen, nach diesem schrecklichen Anblick! Natürlich kam das in ihrem Alltag oft vor, aber Hubsi überwand diese Schwäche einfach nicht, obwohl er sogar einige Jahre mit einer Pathologin verheiratet gewesen war. Endlich kam Staller zurück und sie fuhren wieder ins Revier. Zum Glück war jetzt erst einmal Wochenende angesagt.

“Hubert, Staller!”, schallte es durch das Wolfratshausener Revier, kaum dass sie am nächsten Montag angekommen waren. Polizeirat Girdwidz rief seine Untergebenen in sein Büro. “Hubert, so kann es nicht weitergehen! Ich weiß, sie können kein Blut sehen und auch keine geöffneten Leichen, aber das muss sich ändern. Ihre Ex-Frau hat sich bereit erklärt, dass Sie ihr eine Woche über die Schulter schauen können, damit Sie es lernen, auch mal genauer hinzuschauen, wenn die Pathologin Ihnen etwas Wichtiges an der Leiche zeigen möchte. Sie, Staller, fahren in dieser Zeit mit Riedl Streife.” Der Chef macht eine eindeutige Handbewegung, dass die Polizisten den Raum verlassen sollten und unterband jedwede Widerworte.

Hubsi war entsetzt! “I soll mi a ganze Woch’ neben d’Anja stellen und zuschauen, was die da so rumschnippelt! Der kann mi mal, der Girwidz!”, regte er sich auf. “Du darfst ja wenigstens den ganzen Tag bei deiner Anja sei, i hab dagegen den Riedl an der Backe!”, beschwerte sich Hansi. “Des is nimmer mei Anja”, brummte Hubsi. Mürrisch fuhr er mit Staller in die Pathologie. Anja wartete schon mit einem großen Grinsen im Gesicht auf ihren Ex-Mann. “Hallo Hubsi, na, freust di scho auf dein Praktikum bei mir?”, flötete sie und zog ihm seine Krawatte zurecht. Hubsi schob sie von sich und grantelte: “War des deine Idee?” Anja schüttelte belustigt den Kopf. “Na, des wollt der Girwidz. So schlimm wird’s scho net werden, Hubsi”, versprach sie ihm und grinste ihn an. In ihrem Inneren war sie sich nicht sicher, ob das eine gute Idee war, Hubsi und sie den ganzen Tag allein im selben Raum. Doch nach außen ließ sie sich nichts anmerken und ihr Blick war auf ihren Ex-Mann gerichtet. Fesch sah er heute wieder aus. Der Polizist fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. “Hoffentlich schleppt der Hansi keine Leiche an”, sagte er dann und setzte sich ergeben auf einen Stuhl.

Doch der Vormittag verlief überraschend angenehm für Hubsi. Die meiste Zeit saß Anja am Mikroskop und untersuchte Gewebeproben. Sie ließ ihren Ex-Mann ab und zu durch die Linse schauen und mit der Zeit erkannte er sogar einige Merkmale, auf die ihn die Pathologin aufmerksam machte. Die Nähe zu seiner Ex-Frau war ungewohnt, aber nicht unangenehm, fand Hubsi. “Des is ja fast scho interessant”, gab er nach ein paar Stunden zu und Anja lachte auf. “Hast dacht, i spiel hier den ganzen Tag Metzger und schneid an Leichen rum? Des passiert net so oft. Meistens kriag i nur solche Gewebeproben und soll herausfinden, ob’s zum Beispiel a Krebsgeschwür is oder was Harmloses. Jetzt mach mer Mittagspause. Was magst denn essen?” Hubsi grummelte: “I hab koin Hunger”, doch dann folgte er Anja zu einem kleinen Bistro auf dem Krankenhausgelände. Schweigend saß er am Nebentisch und sah mit verschränkten Armen zu, wie sich Anja angeregt mit ihren Kollegen unterhielt. Immer wieder warf sie ihre blonden Haare zurück und lachte. Unbewusst stahl sich ein Lächeln auf Hubsis Gesicht. Sie war wunderschön und klug obendrein und obwohl sie nicht mehr seine Frau war, merkte er, wie stolz er immer noch auf sie war.

Am Nachmittag saß Hubsi hauptsächlich neben ihr und sah ab und zu auch einmal ins Mikroskop oder half ihr beim Desinfizieren der Instrumente. Er ertappte sich dabei, dass er sich mehr als wohlfühlte in ihrer Gegenwart. Bewundert beobachtete er die Pathologin, wie sie konzentriert arbeitete und gewissenhaft ihre Ergebnisse in Tabellen auf ihrem Computer eintrug. Geduldig erklärte sie ihm dabei, was sie gerade tat und so erfuhr er auch, was gerichtsmedizinisch inzwischen alles möglich war. Schon in ihrer Ehe hatte sie oftmals versucht mit ihm über ihre Arbeit zu sprechen, aber es hatte ihn nie interessiert und er hatte seine Augen verdreht, anstatt ihr zuzuhören. Wieder einmal erkannte er, wie ignorant er sich als Ehemann verhalten hatte. Anja fühlte seinen Blick auf sich und drehte sich zu ihm um. Sie lächelte ihn freundlich an: “Is was?” Verlegen schüttelte der Polizist den Kopf. “Na, eigentlich net; i hab nur daran dacht, dass i dir meist gar net zugehört hab, als wir no verheiratet warn”, brummte er. “Des fällt dir ja früh auf”, bestätigte sie, doch sie freute sich über seine Erkenntnis. Am späten Nachmittag stand er dann unschlüssig vor ihr. “I mach dann Feierabend”, murmelte er und hob die Hand. Kurz zögerte er und sagte schließlich: “Servus!” und verließ die Pathologie. “Servus”, rief ihm Anja hinterher und lächelte und schüttelte belustigt den Kopf. Er war so süß, wenn er unsicher war. Sie dachte an den gemeinsamen Arbeitstag mit ihrem Ex-Mann, der ihr gar nicht so schlecht gefallen hatte und merkte, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch wieder erwachten.

Hubsi setzte sich zu Hause noch eine Weile auf die Terrasse und dachte über die letzten Stunden nach. Der Tag in der Pathologie war nicht so schlimm gewesen, wie er erwartet hatte, aber die Nähe zu Anja hatte ihn aufgewühlt. Noch nie hatte er sie bei der Arbeit beobachtet und obwohl sie nicht mehr verheiratet waren, war er heute sehr stolz auf sie gewesen.
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