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Szenen einer Ehe

von Mujuchu
Kurzbeschreibung
SammlungFamilie, Liebesgeschichte / P12 / Het
Dr. Anja Licht Franz Hubert
18.08.2021
12.02.2022
20
35.324
6
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26.08.2021 1.077
 
Das Trennungsjahr war vorbei und heute war der Tag, den Hubsi zwölf Monate lang nicht wahrhaben wollte. Nach einem besonders heftigen Streit war Anja vor über einem Jahr ausgezogen und hatte die Scheidung eingereicht. Zuerst hatte er gedacht, dass sie wiederkommen wird, doch seine Hoffnung starb mit jedem Tag mehr, den er von ihr getrennt war. Trennung von Tisch und Bett, hieß es und er hatte den Antrag einfach unterschrieben. Die ewigen Streitereien hatten auch ihn zermürbt. Zuerst hatte er die Ruhe genossen, die der räumliche Abstand mit sich brachte. Doch schon nach wenigen Tagen wünschte er sich seine Ehefrau zurück. Oftmals wollte er sie zurück holen, aber er fühlte sich wie gelähmt und er schaffte es einfach nicht zu ihr zu gehen und ihr zu sagen, wie sehr er sie vermisste. Er war sich sicher, dass er sich damit eh nur zum Deppen vor ihr machen würde, denn sie hatte ihn verlassen, nicht umgekehrt.

Heute traf er nach all den Monaten zum ersten Mal wieder privat mit ihr zusammen. Nervös stand er vor dem Spiegel und seine Augen waren rot. Seine Ehe war gescheitert. Noch heute würde er das schriftlich haben und dann war Anja nicht mehr seine Frau. Dienstlich hatten sie sich gesehen, aber kaum ein Wort miteinander gewechselt. Seine Augen sahen sie immer nur ausdrucklos an und er sprach nur sachlich und in seinem dienstlichen Tonfall mit ihr, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Ihre ständigen Provokationen verletzten ihn und bestärkten ihn darin, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Es war jedes Mal die Hölle für ihn, wenn sie in der Pathologie oder an einem Tatort aufeinandertrafen. In zwei Stunden würden sie beide das Dokument unterschreiben, das sie zu geschiedenen Leuten machte. Hubsi band sich seine Krawatte um und machte sich auf den Weg.

Als er vor dem Rathaus ankam, betrat sie gerade mit ihrem Anwalt das Gebäude. Sie sah wunderschön aus mit dem engen Rock und der lockeren Bluse und er wandte schnell den Blick von ihr, als sie ihn entdeckte. “Hallo Hubsi”, begrüßte sie ihn leise, doch er tat, als ob er sie nicht sah und beeilte sich die Treppen hoch zu steigen. Vor dem Gerichtssaal setzte er sich auf die Bank und wartete, bis er aufgerufen wurde. Anja stand mit ihrem Anwalt am Treppenaufgang und die beiden unterhielten sich leise. Immer wieder sah Anja zu ihm hin, doch Hubsi starrte auf den Fußboden. Schließlich wurden sie aufgerufen und Anja betrat mit ihrem Anwalt den Gerichtssaal. Hubsi folgte den beiden und setzte sich auf dem ihm zugewiesenen Platz neben Anja. Noch immer sah er sie nicht an und achtete auf einen großen Abstand auf der Bank. Dann begann die Scheidungsverhandlung. Der Richter fragte sie nach ihrem Hochzeitsdatum und nach dem Trennungsjahr. Anja antwortete ausführlich, während Hubsi dazu nur nickte. Noch immer hielt er seinen Blick gesenkt und knetete nervös seine Hände. Dann stellte der Richter die alles entscheidende Frage an die Noch-Eheleute: “Halten Sie die Ehe für gescheitert oder können Sie es sich vorstellen, die Ehe fortzusetzen?” Anja schaute zu Hubsi, der plötzlich den Mund öffnete und zu aller Überraschung antwortete er so leise, dass es der Richter kaum verstehen konnte: “I will mi net scheiden lassen, i will die Ehe fortsetzen.” Seine Augen waren jetzt auf Anja gerichtet und schimmerten feucht. Hubsi räusperte sich und sagte mit fester Stimme: “I hab di so vermisst in den letzten zwölf Monaten und i will mit dir verheiratet bleiben, Anja. I liab di und i pack des net ohne dich.”

Anja schluckte und auch in ihren Augen schwammen Tränen: “Franz, ist es dafür net zu spät? Warum hast denn nie was gsagt? I hab dacht, i bin dir egal.” Hubsi schwieg, doch seinen Augen sahen sie flehentlich an. Unsicher schaute sie zum Richter. Der lächelte und verkündete dann: “Ich unterbreche die Verhandlung für eine Viertelstunde.” Er winkte dem Anwalt und die beiden verließen den Saal. Hubsi wusste, dass er jetzt alles auf eine Karte setzen musste, damit er Anja nicht ganz verlor. “Anja, i war so a Depp und hab net gmerkt, wie sehr i di vernachlässigt hab. In den ersten Wochen, nachdem du gegangen bist, kam endlich wieder Ruhe in mein Leben, aber dann hab i angfangen di ganz schrecklich zu vermissen. Oft stand ich abends vor deiner Wohnung, aber ich hatte nie den Mut zu dir zu kommen. I war wie gelähmt und hatte Angst, dich mit einem anderen zu sehen. Wenn wir uns dienstlich gsehen haben, da hast du so glücklich gewirkt, ohne mich. Aber der Schmerz wurde immer schlimmer und net besser und …", sprudelte es aus Hubsi heraus und er nahm ihre Hände, “... Anja, i will mi net scheiden lassen. I liab di wahnsinnig und i will, dass du zu mir zurückkommst.”
Anja sah ihn fassungslos an. “Des hab i alles net gewusst, Franz. I hab koin anderen, i liab nur di, aber i war mir sicher, dass du mi nimmer liabst. Ich war immer glücklich, wenn i di im Dienst sehen konnt, aber du hast mi nur eiskalt angschaut. I hab dacht, du bist froh, dass du mi los bist”, offenbarte Anja und die Tränen liefen ihr in Bächen über die Wangen. Hubis rutschte ganz nah an sie heran und zog sie in seine Arme. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und er spürte, wie sein Hemd nass wurde. Zärtlich strich er ihr über das Haar. “Es tut mir so leid, bitte verzeih mir”, nuschelte er und küsste sie auf die Stirn. “I will au mit dir verheiratet bleiben, Franz”, sagte sie schließlich und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Ihre Lippen verschmolzen zu einem innigen Kuss und ihre Augen strahlten einander glücklich an.

“Endlich mal ein Gerichtstermin mit Happy End”, hörten die beiden Eheleute die Stimme des Richters, der mit dem Anwalt wieder in den Saal getreten war. Hubsi drehte sich zu ihm um und sagte entschlossen: “Wir wollen die Ehe fortsetzen.” Anja nickte dazu und bestätigte dann: “Ja, das wollen wir.” Sie blickte liebevoll auf Hubsi und verließ mit ihm Hand in Hand das Rathaus.

In der Nacht wurde Hubsi wach und sah Anja, die in seinen Armen schlief, liebevoll an. In seinen Augen schwammen Tränen und er wusste, wie knapp es heute gewesen war und dass er alles dafür tun wird, damit sie bei ihm bleibt. Zärtlich küsste er sie auf die Wange und als sie im Schlaf lächelte, fühlte er sich wie der glücklichste Mann der Welt.
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